st Konswntinopel, 12. Sept< Die Pforte hat die Behörden der Bilajets aufgefordert, Vorschläge zu Reformm nahmen in Bezug auf die so­zialen Bedürfnisse jeder einzelnen Provinz zu ma­chen und zur Ergänzung des Reformgesetzes bei­zutragen, dessen Anwendung unbeschadet der ent­sprechend den lokalen Verhältnissen Albaniens zu tref­fenden Dispositionen aus die gesamte Türkei aus­gedehnt werden soll. Die Friedensbesprechk-- ungen werden fortgesetzt. Die Pforte besteht auf Bedingungen, welche die nationale Ehre wahren. ,Jeni Gazetta" erklärt in einem inspirierten Ar­tikel, die Regierung werde niemals in Verhand­lungen eintreten, die der Würde und den Inter­nen der Türkei zu widerlaufen.

ss Madrid, 12. Sept. Wie die Zeitungen mel­den, sollen die Beamten für das spanische Pro- , Lektorat in Marokko bereits ernannt worden sein. Ter frühere Militärgouverneur von Ceuta, Ge­neral Alsan, wird Resident.

* Newyork, 12. Sept. Rechtsanwalt Gibst on wurde unter der Beschuldigung verhaftet, die Wienerin Szabo bei einer Ruderfahrt auf dem Greenwoodsee durch kunstgerechte Jiujitso-Strangu- lierung ermordet und die Leiche ins Wasser gewor­fen zu haben. Außerdem werden ihm vier weitere mysteriöse Mordfälle zur Last gelegt. Als Motiv wird Erbschleicherei angenommen.

* Peking, 12. Sept. Die Regierung bildet aus Leuten der Provinzen' Anhui und Hupeh unter dem Wahlspruch:Zum Sterben bereit" Truppen, die gegen die Mongolen marschieren sollen.

* Schanghai, 12. Sept. In der Nordmongolei haben chinesische Truppen ein schreckliches Ge­metzel angerichtet. Als die Mongolen auf Tao- -nansu marschierten, verbrannten die Chinesen ganze Dörfer und metzelten Frauen und Kinder nieder.

st Mukden, 12. Sept. Ein Teil der chinesischen Schutztruppen der südl. Vororte hat gemeutert, da der Sold nicht ausgezahlt wurde. Der Auf­stand konnte jedoch unterdrückt werden. Ein Teil -er 20. Division ist zur Ausrechterhaltung der Ordnung in die Stadt gelegt worden.

Der Brandstifter von Moskau.

Die grandiose Tragödie des Moskauer Brandes, dessen Flammenzeichen am 15. September 1812 das erste große Brandopfer für den Untergang des Korsen mit purpurnem Finger an Rußlands Himmel schrieben,, hat noch einen andern Helden als den Franzosenkaiser, der vor dem Gluten­meer aus dem Kreml fliehen mußte: nämlich den eigentlichen Urheber dieser grausig-großen Tat, den Grafen Feodor Wasiljewitsch Rostoptschin. In die­sem Mann voll leidenschaftlichem Franzosenhaß, wildem Ehrgeiz und einer, alles opfernden Vater­landsliebe ist gleichsam der Geist des russischen Volkes symbolisiert, und seine Tat bleibt, so ver- ^ schiedenartig sie auch, beurteilt worden ist, das > Zeugnis einer fanatischen Energie. Aus einer we­nig bedeutenden Familie stammend, war Rostopt­schin der Günstling Kaiser Pauls 1. geworden, vom i Zaren zum General, zum Großhofmarschall, zum . Minister der auswärtigen Angelegenheiten gemacht M und in den Grafenstand erhoben worden. Die finstere Entschlossenheit, die in seinem Wesen lag, kam am stärksten in seiner Erbitterung gegen , Frankreich zum Ausdruck; er haßte die Revolution

! ols den Fluch der Menschheit, und er haßte noch

mehr den Sohn dieses Chaos, Napoleon. Als 1800 ! eine Annäherung der russischen Politik an Frank­reich erfolgte, widersetzte er sich bis aufs Aeußerste und fiel schließlich in Ungnade. Mit ruhiger Resignation zog er sich auf sein Landgut Woro- nowo, 50 Werst von Moskau entfernt, zurück, um hier, nicht mehr beschienen von der Sonne der kaiserlichen Gunst, seine Tage zu verbringen. Aber ; kaum war er aus seinem Gute angelängt, als

! ihm ein Kurier ein Billett von der Hand des

^ Zaren brachte mit dezr wenigen Worten:Ich

? bedarf Deiner dringend. Komm schnell zurück.

Paul." Angstvoll eilte Rostoptschin nach Peters- l bürg, aber er kam zu spät: Paul war ermordet

und der Anstifter des Komplotts war der Graf Pahlen, der die Mißstimmung zwischen dem Za­ren und seinem treuen Minister geschickt geschürt hatte. Rostoptschin eilte wieder auf sein Landgut ! zurück und lebte nun 10 Jahre lang in Woro-

, Uowo mit seiner Frau und seinen Kindern; er

nannte später diese Zeit die glücklichste und schönste seines Lebens. Aber der Ehrgeiz ließ ihn doch

^ Nicht ruhen, und dazu kam die quäkende Wut

/ über die Siege des verhaßten Eroberers. Seit

> 1810 erschien Rostoptschin wieder am Hofe des

! Zaren und 1812 wurde ihm als einem der treue-

j sten und entschlossensten Diener Rußlands das

» Schicksal Moskaus anvertraut. Der General-Gou­

verneur suchte zunächst das Volk der Hauptstadt und des Gouvernements durch öffentliche Bekannt­machungen zu beruhigen. Auch nach der Schlacht ber Borodino glaubte er noch, daß das russische

Heer vor den Mauern der Stadt den Feind ver­nichten werde: In einem Aufruf vom 11. Sep­tember forderte er die Bevölkerung auf, sich zu Fuß und zu Pferd zu bewaffnen, sei es auch nur mit Aexten und Mistgabeln:Der große Böse­wicht wird vor Moskau durch Feuer und Schwert seinen Untergang finden." Dann aber schlug seine Siegeszuversicht in düstere Verzweiflung um. Die Kunde von dem Brande von Smolensk hatte in ihm wohl schon einen größeren furchtbaren Ge­danken erweckt. Dem Oberfeldherrn Kutusow er­klärte er, er wolle Moskaulieber den Flammen, als dem Feinde übergeben," und dem Kaiser schrieb er am Tage vor dem Brande:Bonaparte wird Moskau ebenso verlassen finden wie Smolensk. Alles ist fortgeschafst. Die Stadt wird, wenn sie in Napoleons Hände fällt, eure Wüste sein wenn das Feuer sie nicht vorher verzehrt und sie wird sein Grab werden können." In aller Eile ließ er Fackeln, Raketen, Zündungen und andere Brandmaterialien anfertigen; die Bewohner wur­den zur Auswanderung ermuntert, sodaß von 240000 Einwohnern schließlich nur 40 000 Men­schen der niedrigsten Volksklasse zurückblieben. Alle Feuerspritzen waren entfernt, die Brunnen ver­schüttet; die Gefängnisse Wurden geöffnet und den Verbrechern Begnadigung verheißen, wenn sie beim Anzünden tätig sein würden. Bevor er selbst die Stadt verließ, beging Rostoptschin noch einen Akt bizarrer Grausamkeit, indem er den jungen Sohn eines Kaufmanns Weretschagin, der eine franzö­sische Proklamation ins Russische übersetzt hatte, durch das Fenster auf die Straße werfen ließ u. die Wut des Pöbels gegen deneinzigen Verräter Moskaus und Rußlands" entflammte, woraus der Unglückliche von der Menge buchstäblich zerrissen wurde. Rostoptschin hat über diese Untat lebens­lang Gewissensbisse gehabt; damals über erfüllte ihn ein wilder Stolz über sein Zerstörungswerk, und als er am '14. um Mittag Moskau^wer- ließ, blickte er noch einmal über die golden leuch­tenden Kuppeln und Türme und sagte zu seinem ältesten Sohne Sergius:Grüße Moskau zum letz­ten Male; bald wird es ein Flammenmeer sein." Der General-Gouverneur begab sich nach Woro- nowo, wo eine große Menge von Gästen Zuflucht gefunden hatte. Doch als die Kunde vom Her­annahen der Franzosen kam, erklärte Rostoptschm den Versammelten, daß er auch sein liebstes Be­sitztum den Flammen übergeben werde. Er er­munterte die andern, Feuer anzulegen; er selbst ging, von dem englischen Gesandten Sir Robert Wilson begleitet, in sein Schlafzimmer und warf eine brennende Fackel in die Betten. Als dann überall die Flammen aufloderten, stand er kalt und ruhig und rief:Nun bin ich zufrieden!" Aus den rauchenden Trümmern brachte er mit eigener Hand folgende Inschrift an:Acht Jahre habe ich darauf verwandt, dieses Haus zu ver­schönern, ich habe darin glücklich gelebt im Schoß meiner Familie. Nun lege ich Feuer daran, da­mit es nicht besudelt werde durch Eure Gegen­wart. Franzosen, ich habe Euch mein Haus in Moskau überlassen mit einer Einrichtung für erne halbe Million Rubel. Hier werdet Ihr nur Asche finden." Die heroische und doch auch wieder herostratische Tat Rostoptschin hat ihm selbst, so nützlich sie auch dem Vaterlande war, kern Gluck gebracht. Der Zar wagte nicht die Handlung, die ohne seinen Befehl geschehen war, gut zu heißen, Rostovtschin fiel in Ungnade und ging freiwil­lig in Verbannung. Acht Jahre irrte er in Euro­pa umher, und als er 1823, ein alter, müder und kranker Mann, in die Heimat zurückkehrte, um dort zu sterben, schrieb er jene Broschüre:Dre Wahrheit über den Brand von Moskau", in der er die Tat völlig ableugnete und sie dem Zu­fall und der Unachtsamkeit zuschrieb. Dadurch hat er die Welt eine Zeit lang über seinen eigenen Heroismus getäuscht, aber heute steht es durch sichere Dokumente außer Zweifel, daß Rostoptschin der Brandstifter von Moskau war.

Vermischtes.

Z TerDurchleuchtungstisch". Im Postscheck­betriebs laufen täglich Hunderttausende von fast gleichen Buchungsgegenständen durch den postali­schen Geschäftsgang; in Berlin sind es allein schon bis 100000 täglich. Diese Eingänge müssen ge­bucht und expediert werden, was natürlich viel Arbeit verursacht. Dies hat dazu geführt, den Maschinenbetrieb auch in den Postscheckverkehr ein- zusühren und insbesondere das Oeffnen der Briefe maschinell zu erledigen. Beim Berliner Scheckamt laufen täglich etwa 85 000 Briefe mit Schecks, Ueberweisungen und Zahlkarten ein, deren Inhalt möglichst schnell in den Geschäftsgang kommen muß. Zunächst wurden zum Oeffnen der Brief­umschläge Vorrichtungen erprobt, wie sie in kauf­männischen Bureaus benutzt werden; ihre Leistungs­fähigkeit befriedigte indes nicht. Schließlich ergab sich als einfachstes und schnellstes Verfahren, daß ein Stapel von etwa 100 Briefen zunächst mit

der einen Längskante aufgestoßen, und daß hierauf an der gegenüberliegenden Kante, an der der Briefinhalt infolgedessen nicht anliegt, vom gan­zen Stapel ein schmaler Streifen mit Hilfe einer Papierschneidemaschine abgeschnitten wird. Me Briefumschläge werden dann nach Entleeren noch­mals geprüft, damit Briefeinlagen, die beim Her­ausnehmen des Inhalts gelegentlich übersehen worden sind, in jedem Falle nachträglich gesunden werden. Hierzu benutzt man neuerdings einen eigenartig geformten Tisch (man kann das Möbel auch alsKommode" ansprechen), in dessen Platte eine von unten beleuchtete Glasscheibe eingelas­sen ist. Mit Hilfe diesesDurchleuchtungstisches", über den die Briefumschläge geleitet werden, geht die Arbeit viel schneller von statten, so daß al­lein im Berliner Postscheckamt rund viereinhalb! Arbeitsstunden eines Unterbeamten jetzt täglich er­spart werden.

Literarisches.

Wie erziehe und dressiere ich meinen Hund? Von

Tom Morgan. Der Verfasser, sehr geschätzt als überaus erfolgreicher Dresseur, bietet in der Tat ein Buch, das jedem Hundebesitzer hochwillkom­men sein muß. Ueberzeugend schildert Tom Mor­gan, wie man seinen Hund alles, was dieser wissen muß, aus die einfachste Weise von der Welt beibringen kann. Und nicht nur dies, son­dern auch, wie man ihm Unarten, die er an­genommen, wieder abgewöhnt. Ferner ist sehr eingehend angewiesen, wie man seinem Hunde die mannigfachsten Kunststücke andressiert. Düs Buch ist ebenso reich wie geschmackvoll ausge- stottet. Zu den zahlreichen früheren in den Text gedruckten Illustrationen kam hinzu eine Reihe höchst gelungener Kunstbeilagen, enthaltend die Wiedergabe sehr schöner und vor allem völ­lig rasseechter Hunde. Der Preis des Werkes ist ein äußerst niedriger . Ein stattlicher Band von ca. 184 Seiten Oktavformat mit farbigem Um­schlag Mk. 1.80, elegant gebunden Mk. 2. Zu beziehen durch die W. Rieker'sche Buchhand­lung, L. Lauk, Alten steig.

Handel und Verkehr.

* Calw, 11. Sept. Auf dem heute stattgefundenen Vieh- und Schweinemarkt waren zugeführt: 5 Pferde, 361 Stück Rindvieh, 361 Stück Milchschweine, Preis 3456 Mk., 71 Stück Läufer, Preis 65140 Mk. pro Paar. Verkauft wurden: Ochsen und Stiere 48 Stück, Preis pro Paar 9071337 Mk., Kühe 37 Stück zu 274620 Mk. pro Stück, Kalbeln und Jungvieh 53 Stück zu 136 bis 580 Mk. pro Stück, Kälber 9 Stück zu 73103 Mk. pro Stück.

sj Ttntt-art, 12. Sept. (Schlachtviehmarkt.) Zugetrieber: 181 Großvieh, 600 Kälber, 703 Schweine.

Erlös aus Hs Kilo Schlachtgewicht: Ochsen 1. Qual, a) ausgemäfiete von 100 bis 103 Psg., 2. Qual, b) fleischig» und ältere vonbis Psg.; Bullen (Farren) 1. Qual, a) vollfleischige, von 90 bis 93 Psg., 2. Qualität b) ältere und weniger fleischige von 87 bis 89 Psg., Stiere mW Iungstinder 1. Qual, u) ausgemästete von 101 bis 105 Pf., 2. Qualität d) fleischige von 98 bis 101 Psg., 3. Qualität o) geringer« von 96 bis 98 Psg.; Kühe 1. Qual, ») jung« gemästete von bis Psg., 2. Qualität b) Llt«, gemästete von bis Psg., 3. Qualität o) geringer« von bisPsg., Kälber: 1. Qualität») beste Saug­kälber von 110 bis 114 Psg. 2. Qualitär b) gute Saug­kälber von 100 bis 108 Psg. 3. Qalität o) geringere Saug­kälber von 90 bis 99 Psg., Schweine 1. Qual, s) jung» fleischige 88 bis 89 Psg., 2. Qualität b) jüngere fette von 87 bis 88 Psg., 3. Qualität v) geringere von 80 bis 82 Psg.

jj Stuttgart, 12. Sept. (Mostobstmarkt.) Dem heutigen Mostobstmarkt auf dem Wilhelmsplatz waren 700 Ztr. zugeführt. Preis 3,203,80 Mk. per Ztr.

Konkurse.

Ueber das Vermögen der Firma Friedr. Steiale,mech. Möbelschreinerei m Ebhausen, Inhaber Paul Wolf, Kauf­mann daselbst, wurde am 11. September 1912, nachm. 5' - Uhr, das Konkursverfahren eröffnet. Herr Bezirksnotar Popp von Nagold wurde zum Konkursverwalter ernannt. Konkursforderungen sind bis zum 29. Oktober 1912 bei dem K. Amtsgericht Nagold anzumelden. Prüfungstermin ist auf Dienstag, den 12. November 1912, nachm. 3 Uhr, vor dem K. Amtsgericht Nagold anberaumt. Christian Nüß­lern, Metzgermeister von Freudeustadt. Konkursforderungen sind bis zum 28. Sept. 1912 beim K. Amtsgericht Freuden­stadt schriftlich oder zu Protokoll des Gerichtsschreibers an­zumelden. Prüfungstermin ist auf Montag, den 7. Oktober 1912, vormittags 10 Uhr, vor dem K. Amtsgericht Freuden­stadt anberaumt.

KormrsfichtkicheS Wetter

am Samstag, 14. Sept. : Ziemlich heiter, trocken, mild, morgens Nebel.

Verantwortlicher Redakteur: Ludwig Lauk.

Druck und Verlag der W. Rieker'schen Buchdruckerei in Altensteig.