Verband stag der württ. Gewerbevereins- und Hand­werkervereinigungen.

st Gmünd, 1. Sept. Die 54. Tagung der Ver­einigung wies eine vielseitige Tagesordnung auf. Als der wichtigste Punkt wurde schon vor Wochen und Monaten die Wahl des Verbandsvorstandes und seines Stellvertreters bezeichnet. Für den verstorbenen Vorsitzenden, Malermeister Schindler aus Göppingen, wurde nach ausgedehnter Debatte Flaschnermeister Lorenz mit 164 Stimmen zum Verbandsvorstand gewählt. A. Crönlein erhielt 101 Stimmen. Die Annahme der Stelle des Stell­vertreters lehnte Crönlein ah. Als solcher wurde in geheimer Abstimmung Flaschnermeister Schweit­zer von Ludwigsburg mit 141 Stimmen gewählt. Zur Beratung des Verbandstages war eine große Anzahl von Anträgen eingelaufen. Die wichtigsten Anträge betreffen die steuerliche Entlastung des Gewerbestandes, die Aufstellung einheitlicher Ver­gebungsgrundsätze, die Einführung eines obligato­rischen Verbandsorgans und die Abwehr einer wei­teren Einschränkung der Verkaufszeit cm Sonntagen. Handwerkskammersekretär Schüler sprach über die Reichsversicherungsordnung unter starkem Beifall. Die Geschäftsstelle des Verbandes soll aufgehoben werden. Der Verband verfügt über ein Vermögen von Mk. 13 620. Der Rechenschaftsbericht über das Verbandsjahr 1911/12 lag gedruckt vor. Der 55. Verbandstag findet in Ellwangen statt.

Tie Laudesversammlung der Sozialdemokraten Württembergs.

ss Heilbron», 1. Sept. Gestern wurde hier die Landes­versammlung in den überfüllten Kilianshallen eröffnet. Der Verlauf des 1. Tages war schon ein recht lebhafter. Die Genossen Hildenbrand und Westmeyer gerieten heftig an­einander. Einige Anträge Westmeyer, worin für die Organi­sationen der großen Städte eine stärkere Vertretung gewünscht wurde, wurden nach stürmischen Szenen abgelehnt.

Den Bericht des Landesvorstands erstattete Hildenbrand. Bemerkenswerte Ausführungen machte Redner über den am Freitag erfolgten Empfang einer Depu­tation der Land tagsfra kt io n beim Staatsminist er von Pischek in Sachen der Fleischteuerung. Der Minister habe sich bemüht, eine Stellungnahme des Staats­ministeriums herbeizuführen. Er halte die vorgebrachten Klagen für berechtigt und erkenne es als eine Pflicht der Regierung an, in dieser Frage einzugreifen. Nur könne man von der württembergischen Regierung keine entscheidenden Maßnahmen erwarten, diese müßten vom Bundesrat und Reichstag getroffen werden. An diese Mitteilung anschließend, nahm die Versammlung eine Resolution an, deren In­halt etwa gleichlautend mit der diesbezüglichen Stuttgarter Protestresolution ist. Dann kam Hildenbrand in langen Ausführungen, bei denen er fortwährend durch Zurufe unter­brochen wurde, auf die alten Streitpunkte in der Partei zu sprechen und verteidigte dabei die Haltung des Landesvor­stands. Westmeyer trat mit aller Entschiedenheit Hildenbrand entgegen. Es folgten Auseinandersetzungen, bei denen sich beide Richtungen gegenseitig Vorwürfe entgegenschleuderten.

In der heutigen Sitzung wurden Resolutionen ein­gebracht, in denen der Landesvorstand bezüglich der erfolgten Kündigung der Tagwachtredakteure vergepflichtet wird. Eine weitere Resolution, von Heymann begründet, spricht die schärfste Entrüstung über das Verhalten Westmeyers aus, bezeichnet dessen Berichterstattung wahrheitswidrig, seine verhetzende Tätigkeit als die Partei schädigend und verlangt, daß gegen solche Genossen statutengemäß vorgegangen werden sollte. Ferner wird darin erklärt, daß Westmeyer sich durch sein ganzes Verhalten unfähig erwiesen habe, Ehrenämter in der Partei zu bekleiden und für sie agitatorisch zu wirken. In seinem Schlußwort bemerkte Hildenbrand, daß er ver­geblich bemüht gewesen sei, die Streitigkeiten in der Ver­sammlung zu schlichten. Wer nach dieser Versammlung noch weiter Unfrieden stifte, müsse aus der Partei entfernt werden. Schließlich wurden die gegen Westmeyer gerichtete Rosolutionen mit großer Mehrheit angenommen, was von der Minderheit mit Pfuirufen beantwortet wurde.

In seinem Referat über d ie kommenden Landtags­wahlen kritisierte Keil das Wahlbündnis der beiden liberalen Parteien, die somit ihre Schwäche eingestehen. Für die Volkspartei bedeute diese Haltung auch noch eine politische Bloßstellung. Die Sozialdemokratie trete selbständig in den Wahlkampf ein, werde die Volkspartei nicht scheuen. Die Stellung im zweiten Wahlgange hänge von der Haltung des Linksliberalismus ab. Ziehe dieser keine scharfe Tren­nungslinie in der Rechten, so habe er auf Unterstützung seitens der Sozialdemokratie nicht zu rechnen. Diese wird sich be­mühen, eine schwarz-blaue Mehrheit zu verhindern. Voraus­setzung für ein Eintreten für die Volkspartei sei, daß diese den Wahlkamps uicht mit unlauteren Mitteln führe. Die Sozialdemokratie fordere den allgemeinen Landesproporz, den Achtstundentag für die Staatsarbeiter, eine durchgreifende Steuerreform und die Einführung des 8. Schuljahrs.

In einer Resolution erklärte sich die Mehrheit mit den Ausführungen Keils einverstanden. Der Antrag, wo­nach Doppelmandate strikte zu vermeiden sind, wurde abge­lehnt. Bei der Wahl des Landesvorstands erhielt der Wahl­zettel mit Hildenbrand als Vorsitzenden die überwältigende Mehrheit. 300 Stimmen gegen den radikalen Vorschlag, der 80 Stimmen aus sich vereinigte.

Massenmord eines Wahnsinnigen.

st Friedrichshofen, 31. Aug. In Romans­horn hatte sich der wegen Geisteskrankheit gestern i vom Dienst entlassene 25 Jahre alte Soldat des Bataillons 75 in seiner Wohnung verbarrikadiert. Er feuerte von hier aus gestern abend von ein­halb 7 Uhr bis 11 Uhr mit seinem Dienstgewehr auf alle Personen, die sich dem Hause näherten und auch auf die, die ins Innere des Hauses ein­zudringen versuchten, um den Irrsinnigen zu über­wältigen. Schwa rtz tötete vier Perssonen, verletzte eine andflre tödlich» und sie­ben weitere schwer. Um einhalb 12 Uhr würde die Feuerwehr alarmiert. Als nach 12 Uhr eine Anzahl Männer in das 'von Schützen beschossene Haus eindrangen, war Schwartz verschwunden. Er war an dem hinter dem Haus stehenden Birnbaum hinäbgeklettert und in den Wald entflohen. Heute früh wurden 12 Schutzleute mit Bluthunden auf die Fahndung nach dem Wahnsinnigen ausgeschickt, der einen Revolver (nach einer neueren Meldung sein Dienstgewehr mit etwa 30 Patronen) mit sich genommen hatte. Bis heute vormittag 11 Uhr waren alle Nachforschungen ergebnislos. Darauf­hin wurde neuerdings die Feuerwehr alarmiert u. die Bürgerschaft aufgeboten, sich bewaffnet zur Verfolgung des im Walde zwischen Romanshorn und Amriswil aufgetauchten Schwartz zu begeben. In der Zwischenzeit hat Schwartz auf einen ihn verfolgenden Polizisten geschossen, der sofort tot umfiel. Bis jetzt konnte der Irrsinnige noch nicht festgenommen werden.

st Romauskhoru, 1. Sept. Der geistesgestörte Soldat Hermann Schwartz, der aus seiner Woh­nung auf Passanten schoß und dann flüchtete, ist von der Polizei überwältigt worden, nachdem er noch einen der Verfolger erschossen hatte. Schwartz, der selbst durch Schüsse schwer verletzt ist, hat insgesamt sieben Personen g'etö­tet und mehrere, schwer verletzt.

Aus dem Reiche.

* Berlin, 31. Aug. Um 6 einviertel Uhr emp­fing der Kaiser im Schloß in Gegenwart Herrn von Kiderlen-Wächters, den neuernannten russischen Botschafter Swerbejew zur Ueberreichung seines Be­glaubigungsschreibens, später die dänische Mission zur Ueberreichung der Notifikation der Thronbe­steigung, sowie die luxemburgische Mission aus dem gleichen Anlaß.

st Berlin, 1. Sept. Im Verfolg der Festlich­keiten anläßlich der Kaisermanövern, an denen das 3. Armeekorps beteiligt ist, hat heute mittag um 12 Uhr auf dem Dempelhofer Felde ein feierli­cher Gottesdienst stattgesunden, an Welchem der Kaiser, die Kaiserin und die Prinzessin Viktoria Luise teilnahm. Der Kaiser erschien im offenen Automobil. Es folgte ein Vorbeimarsch der Trup­pen. Hierauf nahm der Kaiser die Rapporte der Kriegervereine und Sanitrtskolonnen entgegen und schritt die Front der Kriegervereine ab, wobei er viele alte Krieger durch Ansprachen auszeichnete. Nach 1 einhalb Uhr kehrte der Kaiser nach dem K. Schloß zurück. Das Wetter war schön.

Ein Unfall des Militärlustschiffes Z. II.

* Köln, 31. Aug. Durch den infolge des Re­gens in den letzten Tagen sehr nassen Lehmboden verloren die Mannschaften, die das Luftschiff aus der Halle bringen sollten, die Gewalt über den riesigen Ballonkörper, der vom Wind zur Seite gedrückt wurde und gegen das Hallentor stieß, wo­bei die Steuerflächen beschädigt würden. Das Luft­schiff mußte trotz des Defekts aussteigen, da ein Halten des Ballons zur Unmöglichkeit geworden war. Man versuchte wieder vor der Halle nie­derzugehen, was jedoch nicht gelang, sodaß etwa 500 Meter davon zur Landung geschritten werden mußte. Be» der Landung wurde das Luftschiff abermals zur Seite gedrückt, wobei zwei Zellen eingeknickt und außerdem zwei Propeller beschädigt wurden. Der Ballonkörper wurde so nach der Halle geschleppt. Bei den Bergungsarbeiten erlit­ten zwei Leute leichte Kontusionen. Selbstverständ­lich kann das Luftschiff nicht an den Kaisermanö­vern, zu denen es morgen fahren wollte, teil- niehmen.

* Wladiwostok, 31. Augz Prinz Heinrich von Preußen ist heute nachmittag hier eingetroffen. Der Prinz begab sich an Bord des deutschen Pan­zerkreuzersScharnhorst" mit dem er seine Reise fortfetzte. ,

st Buenos Aires, 1. Sept. Der argentinische DampferColarstine" ist in der Nähe von Rio Grande untergegangen. Die gesamte Mann­schaft ist ertrunken. Zwei Leichen, sowie Trüm­mer des Schiffes sind aufgefunden worden.

Vermischtes.

Z Tie sprechende Uhr. Unter diesem Namen ist in Berlin jetzt eine Aktiengesellschaft ins Le­ben getreten, welche eine neue Tischuhr aus den Markt bringt. Diese Uhr schlägt die Stunde nicht mehr, sondern sie ruft sie angeblich klar und deutlichmit menschlicher Stimme" aus. Um 7 Uhr sagt sie z. B.:Sieben Uhr", um 7 einvier- tel Uhr:Sieben Uhr 15", um 7 einhalb Uhr: Sieben Uhr 30" und so fort alle Viertelstunden. Man kann sie so einstellen, daß sie die Stunde nur bis zu einer gewissen Zeit ausruft (beispiels­weise bis 10 Uhr nachts) und sich dann auto­matisch ab stellt, um morgens bei einer ge­wissen Stunde wieder mit dem Ausrufen der Zeit zu beginnen. Bei den seitherigen Schlaguhren kennt man eine solche Abstellung bekanntlich nicht. Auch ist diese sprechende Uhr mit einer Weck!-Vorrich-> tung versehen, wodurch sie zu der gewünschten Stunde die Zeit solange ausruft, bis man sie aüstellt, ,

8 Tie Henbäder in Südtirol. Die Südtiroler Bauern wenden eine besondere Badekur an, die Heubäder. Ein Arzt schreibt darüber: Zur .Heu­ernte-Zeit lassen sie sich auf der Wiese manns­hoch mit frischem Heu bedecken, sodaß nur eben der Kopf herausschaut. Die feuchte Einpackung ver­hindert die Wärme-Abgabe und bald wird der» ganze Körper überhitzt, was man an dem glühend roten Kopfe, an dem die Adern zum Bersten ge­spannt sind, erkennen kann. Da viele Hitze be­kanntlich innerlich gelöscht sein will, die Bade­gäste aber ihre Arme nicht nach einem Trink­gefäß ausstrecken können, so üben einige Bauern­burschen das Amt als Badediener derart aus, daß sie den Patienten frischen Landwein direkt in den Mund gießen. Die Kur, so versicherte mir ein Kälterer Bauer, fei gegen viele Krank­heiten sehr heilsam. Hin und wieder bekäme ja ein alter Mann mal einen Ohnmachtsanfall, den tüchtigen Bademeistern gelänge es aber stets, durch schleuniges Abtragen des Heus und reichliche Wein­spenden in kürzester Zeit die Gefahr zu beseitigen.

Handel und Verkehr.

1l Stuttgart, 31. Aug. (Schlachtviehmarkt.) Zugetriede«: 154 Großvieh, 119 Kälber, 175 Schweine.

Erlös aus Kilo Schlachtgewicht: Ochsen 1. Qual. ») ausgemästete von bis Pfg., 3. Qual, b) fleischig« und ältere vonbis Pfg.; Bullen (Farren) 1. Qual. ») vollfleischige, von 90 bis 93 Pfg., 3. Qualität b) älter« und weniger fleischige von 89 bis 90 Pfg., Stiere und Jungrinderl. Qual, a) ausgemäftete von 103 bis 105 Ps., 3. Qualität b) fleischige von 100 bis 103 Pfg., 3. Qualität o) geringere von bis Pfg.; Kühe 1. Qual, ») jung« gemästete von bis Pfg., 3. Qualität b) älter« gemästete von bis Pfg., 3. Qualität o) geringer« von bis Pfg., Kälber: 1. Qualität») beste Saug­kälber von 107 bis 113 Pfg. 3. Qualität b) gute Saug­kälber von 100 bis 105 Pfg. 3. Qalität o) geringere Saug­kälber von bis Pfg., Schweine 1. Qual, s) jung« fleischige 85 bis 86 Pfg., 3. Qualität b) jüngere fette vo» 84 bis 85 Pfg., 3. Qualität o) geringere vsn bis Psg Tafelobstpreise

auf dem Stuttgarter Engros-Markt am 31. Aug.: Aepsel 511 Mk., Birnen 330 Mk., Pfirsiche 70 Mk., Reineklauden 1316 Mk., Zwetschgen 810 Mk., Him­beeren 50 Mk., Preiselbeeren 2832 Mk., Brombeeren 25 Mk., Tomaten 89 Mk. je per 50 Kg. Mostobst auf dem Wil­helmsplatz 1,802,20 Mk.

Marktlage: Die andauernd starke Zufuhr geringer Birnsorten und das massenhaft angebotene Fallobst drücken auf die Preise aller Obstarien. Pfälzer Zwetschgen werden schon reichlich zugeführt. Nach Abraum des Fallobstes ist für die nächste Zeit eine Erholung der Tafelobstpreise zu erwarten.

Durch die Stürme der letzten Tage ist der Obstbehang in einzelnen Gegenden stark vermindert worden, glücklicher­weise nicht überall. Württemberg ist gegenüber den Ver­heerungen im Rheinland, in Holland und England recht glimpflich davongekommrn.

' Herreuberg, 29. Aug. Gestern wurden in Haslach Frühhopsen aufgekauft und für den Zentner 125 Mk. bezahlt.

* Tettnang, 30. Aug. Der Hopfenhandel geht lebhaft, doch wird nicht mehr über 100 Mk. und Trinkgeld bezahlt.

Konkurse.

Firma G. M. Bauer u. Cie., G. m. b. H. in Döffingen. Nachlaß der Agnes Schmidt geb. Rebmann, Ehefrau des früheren Straßenwarts Christian Schmidt in Magstadt. Otto Herrmann, Kaufmann in Biberach. Heinrich Hor- lacher, Küfermeister in Jngelsingen. Adolf Offtermatt, Wirt zur Schillerlinde in Korb, und dessen Ehefrau Wilhelmine geb. Heinrich. Anton Steier, Schuhsabrikant in Affaltrach.

Voraussichtliches Wetter

am Dienstag, 3. Sept.: Meist bewölkt, Nachlaßen der Niederschläge, mäßig kühl,

Verantwortlicher Redakteur: L. Lau!, Altenftrhr.

Druck und Verlag der W. Rieker'schen Buchdruckerei in Altensteig..