^ 242. Amts- und Anzeigeblatt für den Oberamtsbezirk Calw. 87. Jahrgang.
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Erscheinungsweise: 6mal wöchentlich. Anzeigenpreis: Im Oberamts- Lezirk Talw für die einspaltige BorgiSzeile 10 Pfg., außerhalb desselben 12 Pfg., Reklanren 25 Pfg. Schluß für Jnseralannahme 10 Uhr vormittags. Telefon 9.
Dienstag, den 15. Oktober 1912.
Bezugspreis: In der Stadt mit Trägerlohn Mk. 1.25 vierteljährlich, Post- bezugspreis für den Orts- und Nachbarortsverkehr Mk. 1.20, im Fernverkehr Mk. 1.30. Bestellgeld in Württemberg 30 Pfg., in Bayern und Reich 42 Pfg.
Der Balkankrieg.
Der Wortlaut der Noten, die der Türkei und den Regierungen Oesterreichs und Rußlands von Bulgarien zugingen, liegt vor. Desgleichen auch die Antwort Bulgariens und der Türkei auf die Vorstellungen der Mächte. Die Note, die der türkischen Gesandtschaft von Sofia überreicht wurde, zählt durchgreifende Reformen auf, die allein das elende Los der christlichen Bevölkerung auf dem türkischen Balkan wirklich besser gestalten könnten, nämlich: Autonomie der Verwaltung der Provinzen, belgische oder schweizerische Generalgouverneure, aus Wahlen hervorgegangene Provinziallandtage, Landgendarmerie und Milizen, freien Unterricht. Die Ausführung dieser Reformen soll einem höhern Rat anvertraut werden, der sich aus Christen und Mos- lim in gleicher Zahl zusammensetzt und unter der Aufsicht der Botschafter der Großmächte und der Ge-
Serbien will Anerkennung der vollständigen Autonomie Altserbiens durch die Türkei. Serbische Truppen verbleiben in den Grenzplätzen bis zur Durchführung der Autonomie. Der Gouverneur Altserbiens muß ein Serbe sein; Vergütung der durch die Mobilmachung entstandenen Unkosten durch die Türkei und Einstellung der Mobilmachung durch sie. Der Inhalt des Ultimatums wurde den Belgrader Vertretern der Großmächte mitgeteilt.
Die gesamte deutsche und ernsthafte ausländische Presse beurteilt diese Forderungen des Nalkanbundes als übertrieben. Ihnen könne die Türkei aus Gründen nationaler Würde und Selbstachtung nicht zustimmen. JnderAntwortnotederPforte erklärt der Minister des Aeußern im Namen der ottomanischen Regierung, daß die Pforte, wie die Botschafter sich überzeugen könnten, die Notwendigkeit der Durchführung von Reformen anerkannt habe, welche für die Verwaltung des Reiches anwendbar seien, um das Gedeihen, die Eintracht und die Harmonie unter den heterogenen Bestandteilen des Reiches zu sichern. Die Pforte sei entschlossen, das Gesetz von 1880 in seinem ganzen geschichtlichen Umfang anzuwenden und werde einen entsprechenden Gesetzentwurf bei der Eröffnung des Parlaments einbringen. Die gegenwärtige Regierung dürfe nicht für die Winkelzüge der Vergangenheit verantwortlich gemacht werden. Sie sei entschlossen, mit der Vergangenheit zu brechen. Die Behörden würden den Befehl erhalten, unverzüglich das Gesetz von 1880 in Kraft treten zu lassen. — Ergänzend wird gemeldet, daß die beabsichtigten Reformen auch in der asiatischen Türkei durchgeführt werden sollen.
Podgoritza, 13. Oktober. Die montenegrinische Nordarmee hat gestern unter General Wukotisch die Stadt Bjelopolje in Altserbien eingenommen. Der Kampf dauerte bis 4 Uhr nachmittags. Als die Truppen in die Stadt einzogen, begrüßten die serbischen Einwohner die Montenegriner mit Jubel als Befreier vom 500jährigen türkischen Joche. In der serbichsen Kirche wurde sofort ein Dankgottesdienst zelebriert. Provisorische montenegrinische Behörden wurden eingesetzt.
London, 14. Oktober. Das Reutersche Blureau meldet aus Podgoritza: Nach einem Telegramm des Generals Wukotisch haben seine Truppen gestern die Höhe Visitor bei Gussinje besetzt. Die Türken, die heftigen Widerstand leisteten, erlitten beträchtliche Verluste. An demselben Tage haben die Montenegriner zwei weitere Stellungen der Türken besetzt. Die Verluste der Montenegriner seit Beginn des Krieges betragen 256 Tote und 800 Verwundete.
Belgrad, 14. Oktober. (Telegramm). Nach amtlicher Meldung haben heute früh 5 Uhr die türkischen Truppen die Grenze überschritten und die Serben bei Irsch angegriffen.
Athen, 14. Oktober. (Telegramm). Die Regierung ließ der Pforte eine Note überreichen, welche die Freigabe der griechischen Handelsschiffe und Entschädigung der Eigentümer innerhalb 24 Stunden fordert.
sandten der vier Balkanstaaten in Konstantinopel steht. Die Pforte wird aufqefordert, zu erklären, daß sie diese Forderungen annimmt, indem sie sich verpflichtet, die in der Note und in der beigefügten erklärenden Ergänzungsnote enthaltenen Reformen binnen sechs Monaten durchzuführen. Außerdem soll die Pforte als Beweis ihrer Zustimmung den Mobilmachungsbefehl rückgängig machen. — Die an Oesterreich-Ungarn und Rußland, die Vertreter der .Großmächte, übermittelte Antwort Bulgariens gibt der Ansicht Ausdruck, daß es grausam wäre, nicht den Versuch zu machen, für die christliche Bevölkerung des osmanischen Kaiserreichs durchgreifendere und bestimmtere Reformen zu erlangen, welche allein ihr elendes Los wirklich bester gestalten könnten. Daher hätten die Regierungen der drei Balkanstaaten geglaubt, sich an die Regierung des Sultans wenden zu müssen, indem sie ihm die Reformen, die einzufllhren sind, und die Bürgschaften mitteilten, die er für ihre aufrichtige Anwendung werde gewähren müssen. — Bei der Note an die Türkei ist Hu beachten, daß darin keinerlei Frist, innerhalb der sich die Türkei zur Durchführung des Geforderten verpflichten soll, gesetzt ist, ferner ist darin nicht enthalten, daß eine Demobilisierung der bulgarischen Armee im jetzigen Zeitpunkt unmöglich wäre.
Stadt. Bezirk und Nachbarschaft.
Calw, 15. Oktober 1912. b. Zur Landtagswahl. Gutspächter Fahrion hat sich nun doch entschlossen, die Kandidatur für den Bund der Landwirte, die er aus Gesundheitsrücksichten zurückgezogen hatte, aufrecht zu erhalten.
b. Erinnerungsmünzen für das Jahr 1913. Bei dem zuständigen Reichsressort wird eine Bundesratsvorlage vorbereitet, die sich mit der Prägung von Erinnerungsmünzen für das Jahr 1913 befaßt. Es handelt sich einmal um Erinnerungsmünzen, die aus Anlaß des 25jährigen Regierungsjubiläums geprägt werden, einen besonderen Hinweis auf diese Feier enthalten sollen und daher Abweichungen von der bisherigen Prägung auftveisen werden. Voraussichtlich werden die Dreimarkstücke als Münzen hierzu gewählt werden. Welche Zahl zur Ausprägung gelangen wird, steht zur Zeit noch nicht fest, doch läßt sich annehmen, daß nicht unter einer Million solcher Münzen in den Verkehr gelangen sollen. Außer dieser Münze soll eine Erinnerungsmünze zur hundertjährigen Feier der Erhebung Preußens gegen die französische Fremdherrschaft zur Ausgabe gelangen. Es ist beabsichtigt, die Münze an dem Tage auszugeben, an dem der historische Ruf: „An mein
kichtenstein.
69) Romantische Sage von Wilhelm Hauff.
„Ihr vergeht, daß es Festtag war", entgegnete jener; „ich hatte also guten Grund, mein Bündel nicht auszupacken und anzupreisen nach Krämersitte. Doch so leicht wäre ich wohl nicht entdeckt worden, habe ich doch an Georg von Frondsberg ein Vüchslein mit Wundbalsam verkauft! Weiß Gott, ich hätte lieber mit ihm gestritten, daß er es gleich hätte brauchen können. — Es war noch das Hochamt in der Kirche, daher war niemand in der Herberge; vom Wirt aber erfuhr ich, daß die Ritter im Schloß einen Waffenstillstand bis Ostermontag früh gemacht haben. Als die Kirche aus war, kamen richtig, wie ich mir gedacht hatte, viele Ritter und Herren in die Herberge zum Frühtrunk. Ich setzte mich in einen Winkel auf die Ofenbank, wie es armen Leuten geziemb-i« Gegenwart so großer Herren."
„Wen sahst du dort? fragte der Herzog.
„Ich kannte einige, andere erriet ich aus dem Gespräch, das sie führten. Es war Frondsberg. Alban von Closen, die Huttischen, Sickingen und noch viele; bald trat auch der Truchseß von Waldburg ein. Ich zog die Kappe tiefer ins Gesicht, als ich ihn sah, denn er wird noch nicht vergessen haben, wie ich ihn vor fünfzehn Jahren im Lanzenstechen zu Nürnberg von der Mähre warf."
„Saht Ihr nicht auch den Hauptmann Hans von Breitenstein?" unterbrach ihn Georg.
„Breitenstein? Daß ich nicht wüßte, doch ja, so hieß ja wohl jener, der den Hammelschlegel auf einen Sitz verzehrte. Jetzt fingen sie an, von der Belagerung zu reden und vom Waffenstillstand. Sie sprachen hin und her, oft flüsterten sie auch untereinander, doch ich habe gute Ohren und vernahm, was mir nicht lieb war. Der Truchseß nämlich erzählte, daß er einen Pfeil in die Burg habe schießen lassen mit einem Vrieflein an Ludwig von Stadion. Es muß dies schon mehrermal geschehen sein, denn die Ritter verwunderten sich nicht, als er weiter fortfuhr und sagte, wie er auf demselben Weg eine Antwort erhalten habe."
Des Herzogs Stirn verfinsterte sich. „Ludwig von Stadion!" rief er schmerzlich. „Ich hätte Häuser auf ihn gebaut! Er war mir so lieb, ich tat ihm alles, was ich ihm an den Augen absehen konnte — er hat mich zuerst verraten?"
.„Im-Brieflein stand, daß er, der Stadion,
und noch zwölf andere der Fehde müde, auch schon halb und halb willens seien, sich zu ergeben; Georg von Hewen aber habe ihnen abgeraten."
Um den Hab ich's nicht verdient," sagte Ulrich; „ich war ihm gram, weil er mich so oft getadelt hat, wenn ich nicht nach seinem Sinne tat. Wie man sich irren kann in den Menschen! Hätte man mich gefragt, wer mich verraten würde, und wer dagegen spreche, ich hätte hier den Stadion, dort vielleicht Georg von Hewen genannt!"
„Im Vrieflein stand auch noch weiter, daß Euer Durchlaucht vielleicht Ersatz bringen, oder, wenn dies
nicht möglich, auf geheimen Wegen in die Burg sich begeben wollen. Die Bllndischen sprachen mancherlei hierüber. Sie waren aber darin einig, daß man die Besatzung zu einem Vergleich bringen müsse, ehe Ihr heranrücket oder gar ins Schloß kämet. Denn dann, meinten sie, könnten sie noch lange belagern müssen. Wie ich nun dies alles hörte, schien es mir nicht geraten, durch den geheimen Weg geradezu in die Burg zu gehen und mich zu entdecken; denn wie leicht konnte Stadion schon die Oberhand gewonnen haben, und dann war ich verraten. Ich beschloß, den Tag noch zu warten; hörte ich bis Samstag früh nichts Schlimmeres über die Besatzung, so wollte ich ins Schloß dringen und Euer Durchlaucht Schreiben übergeben. Ich streifte im Lager und in der Stadt umher, und niemand hielt mich an; auch suchte ich mich immer in der Nähe der Obersten zu halten; so ,kam der Nachmittag."
,iDas war noch Freitags, an dem Fest?" fragte Lichtenstein.
„Am heiligen Freitag war's. Nachmittags um drei Uhr ritt Georg von Frondsberg mit etlichen andern Hauptleuten vor die Stadtpforte an dem Schloß und schrie hinauf, ob sie im Schlosse bauen? Ich stand nicht weit davon und sah, wie Stadion auf den Wall kam und antwortete: Nein, denn das wäre wider den Pakt des Stillstandes; aber ich sehe, daß Ihr im Feld bauet. Georg von Frondsberg rief: So es geschehen, ist es ohne meinen Befehl geschehen; wer bist du? Da antwortete der im Schloß: Ich bin Ludwig von Stadion. Drauf lächelte der Vündische