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1877.
Fernsprecher Nr. 11.
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NnSgabe 1> 8lte«steig-Stadt.
Mittwoch, »«« 7. Anguft.
Amtsblatt für Pfalzgrafenweiler.
Lvrs.
Für August u. September
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Me AsWungs-VorWiste» zm MehseucheWsez.
Das neue Viehseuchengesetz und das württ. Ausführungsgesetz dazu erforderten eine völlige Neubearbeitung der Ausführungsvorschristen. Um den beteiligten Behörden und Beamten die Handhabung und den Interessenten die Uebersicht zu erleichtern, sind die reichs- und die landesrecht- lichen Aussührnngsbestimmungen in eine Verfügung zuiammengesaßt worden. Im ersten Abschnitt ist, wie der Staatsanzeiger schreibt, dem Vereinfach- mrgsgedanlei: weitgehend Rechnung getragen. Dadurch ,daß die Zachbehörde, die tierärztliche Abteilung des Medizinalkolleginms, mit der Wahrnehmung eui^l-nr Ausgaben der Landesregierung betraut und ihr im itbrigen die Stellung der höheren Polizeibehörde eingeräumt ist, wird eine erhebliche Verminderung des Schreibwerks und eine wesentliche Beschleunigung in der Abwicklung der Geschäfte erzielt werden. Ebenso ist im Interesse der Geschäftsvereinsachung die Zuständigkeit für die polizeiliche Behandlung derjenigen Seuchen, die im einzelnen Fall eine mehr lokale Bedeutung haben, von den Oberämtern au die Ortspolizeibehörden übergegangen. Gleichzeitig wurden die Befugnisse der Oberämter und der Ortspolizei- behörden sowie der beamteten Tierärzte n. a. in der Richtung wesentlich -erweitert, daß die ausführenden Organe in eigener Zuständigkeit den wirtschaftlichen Bedürfnissen mehr als bisher ent- gegenkomMLn können, soweit nicht überwiegende seuchenpolizeiliche Bedenken entgegenstehen. Der zweite Abschnitt der Ausführungsvorschriften enthält zunächst die Anordnungen zum Schutze gegen die ständige Gefährdung der Viehbestände durch Viehseuchen. Alles, was sich als besonders seuchengefährlich erwiesen hat (Händlervieh, Wander- schasherden nsw.) wird hier im Sinne des Z 17 des Reichsgesetzes der seuchenpolizeilichen Aufsicht unterstellt, auch sind gewisse Maßnahmen getroffen, um bei Seuchenausbrüchen das Ermittlungsverfahren zu unterstützen (Viehkontrollbücher, Hundehalsbänder, Deckregister usw.) und in Beziehung auf Einrichtung und Betrieb von Molkereien, Biehlädestellen, Biehausstellungen, (Viehmärkte, Vieh- und Schlachthöse, Gast- und Händlerställe sowie Abdeckereien Vorschriften gegeben, um Seuchenverschleppungen nach Möglichkeit auszuschließen. In den folgenden Vorschriften zur Bekämpfung der einzelnen Seuchen sind die Nutzungs- und Verkehrsbeschränkungen, soweit es die Fortschritte der tierärztlichen Wissenschaft irgend gestatten, durch andere Maßnahmen ersetzt oder doch wenigstens in ihrer Anwendung zeitlich beschränkt. So wird bei Milzbrand, Rauschbrand und Schweinerotlauf die Schutzimpfung in weitgehendem Maße herangezogen. Die Entdeckung der Möglichkeit, sporen- haltige Häute wirksam zu desinfizieren, ist benutzt, um die Häute von Rauschbrandkadavern verwerten zu können. Von besonderer praktischer Bedeutung ist die Anwendung der neuen spezifischen Erkennungsverfahven in Rotzverdachtsfällen j durch die Blutuntersuchung (Agglutination u. Komplementbindung) kann die polizeiliche Beobachtung rotzansteckungsverdächtiger Pferde unter Umständen von 9 Monaten — solange kann die Krankheit verborgen verkaufen — auf einige Wochen herabgesetzt werden. Dagegen sind die sehr beachtenswerten Ergebnisse der Löfflerschen Heil- und Schutzimpfung gegen Maul- und Klauenseuche leider immer noch nicht derart, daß sie sich hätten praktisch verwerten lassen, bedauerlicherweise ist man
dieser Seuche ' gegenüber immer noch ganz o ui die polizeilichen Absperrungsmaßregeln angewiesen. Besonderer Nachdruck ist angesichts der vorjährigen fortwährenden Einschleppungen aus anderen deutschen Bundesstaaten aus die Abwehr der Seuche gelegt. Präventiv-Marktverbote sind jedoch nicht mehr zulässig. Beim Ausbruch der Seuche ist im Anfang nach wie vor mit der strengsten Absperrung vorzugehen, um die Seuche, wenn irgend möglich, ans den Einschleppungsherd zu beschränken. Firdet sie aber trotzdem eine stärkere Verbreitung, so lassen die neuen Vorschriften beim Vorliegen zwingender wirtschaftlicher Gründe weitgehende Erleichterungen zu, doch darf dabei selbstverständlich das Endziel, die möglichst baldige Unterdrückung der Seuche nickt ans dem Auge gelassen werden und ist mit allen Mitteln dafür zu sorgen, daß Verschleppungen nach noch seuchenfreien Gebieten verhütet werden: um die Einheitlichkeit des Vorgehens in den verschiedenen Bezirken zu sichern, sind bestimmte Richtlinien gegeben. Unnötige Härten können so vermieden werden. Die wichtigste Neuerung ist zweifellos die Einbeziehung der Tu- LerkirloseLetämprung. Wie bekannt, ist die Hauptmaßregel die Tötung der offen tuberkulösen d. h. derjenigen Rinder, die Tubertelbazillen aus- scheiden. Da aber die sofortige Tötung aller dieser Rinder sckon mangels der erforderlichen Geldmittel zur Ennch'idiaung so vieler Tiere nicht durchführbar Ui, ip stellen die neuen Ausführungsvorschristen -ckncn auf die württembergischen Verhältnisse Angeschnittenen wohlerwogenen Plan für ein schrittweises Vorgehen in dieser Richtung auf. Danach soll die Tilgung der Krankheit durch Tötung und Entschädigung der offen tuberkulösen Tiere zunächst nur in jenen Rinderbeständen in Angriff genommen werden, in denen Eutertuüer- kulose festgestellt wird. Mit der Tilgung dieser Tubsrkulosenform wird zugleich der Milchmcrkt saniert und der Schweinetuberkulose, die in der Regel durch Berfütterung von Milch eutertuberku- löser Rinder und von Rückständen aus solcher) Milch verursacht wird, der Boden entzogen. Aus seuchenpolizeilichen Rücksichten können in den Beständen, in denen Fälle von Eutertuüerkulose - ermittelt werden, auch solche Rinder getötet und entschädigt werden, die nachweislich an anderen offenen Tuberkulösesorrnen (vorgeschrittener Lungentuberkulose, Gebärmutter- oder Darmruberkulosei leiden. Vor allem wollen die Anssührungsvorschriften aber die freiwillige Tuberkulosetilgung möglichst fördern. Diese bezweckt neben der Ausmerzung aller offen tuberkulösen Rinder dis Heranziehung eines tuberkulosssreien Nachwuchses, was mit verhältnismäßig einfachen Mitteln möglich ist. Für Rinderbestände die diesem Verfahren angeschlossen werden, lassen die Ausführungsvorschristen dir Tötung und Entschädigung aller kranken und der hochgradig verdächtigen Tiere zu, auch wenn in dem Bestand Eutertuberkulose zunächst nicht vorhanden ist. Die Entschädigungsleistung geht in Württemberg am weitesten, nachdem nunmehr auch die Nochkrankheiten der Maul- und Klauenseuche einbezogen sind und die Entschädigung von Jmpf- verlusten bei den freiwilligen^Schutzimpfnngen gegen Schweinerotlauf entsprechend den reichsrechtlichen Vorschriften über die Entschädigung von Jmpfverlusten bei polizeilich angeordneten Impfungen erheblich erweitert worden ist. Ueberdies ist für die freiwilligen Rotlaufimpfungen auch die Entschädigung für die Fälle ungenügenden Impfschutzes beibehalten d. h. für jene Verluste durch Schwcinerotlauf, die in der 'Zeit eintreten, während der die Schweine durch die Impfung geschützt sein sollen. Die Kosten des Verfahrens sind, abgesehen von den durch das Reichsgesetz bedingten Aenderungen, im wesentlichen nach den bisherigen Grundsätzen auf die Staatskasse, die Zentralkasse der Viehbesitzer, die Gemeinden und die Tierbesitzer verteilt.
Tsges-Rundschau.
„Tie Wiedergeburt des polnischen Vaterlandes".
Die Herrenstellung, die das Polentum in Galizien einnimmt, bringt für uns Deutsche den Vorteil, daß es dort am ehesten dazu kommt, aus seinem Herzen keine Mördergrube zu machen und die Endziele der polnischen nationalen Bewegung, die es auf reichsdeutschem und russischem Boden vorsichtig zu verschleiern Pflegt, auch einmal offen herauszusagen. Einen Anlaß hierzu gab letzthin die Tannenberg-Feier in Krakau. Die Mitteilungen des Vereins für das Deutschtum im Ausland entnehmen einem umfassenden Bericht des „Gvnice Wielkopolski" folgende interessante Einzelheiten: Während des Festgottesdienstes hielt der Geistliche Capnta eine patriotische Predigt, in der er den Versammelten die Wege und Pflichten zeigte, welche zum Wiederaufbau des polnischen Vaterlandes und seines früheren Glanzes führen. Einen hervorragenden Anteil nahmen an dem Feste die Veteranen der Aufstände von 1848 und 1863, die Sokoloereine und die „Straz". Nach dem Gottesdienste bewegte sich ein endloser Festzug nach dem Wawel, wo zunächst das fanatische Lied: „Gott, der du die Polen erlösen wirst", gespielt wurde. Daraus hielt Professor Taddäus Grabowsti eine Rede, in welcher er zeigte, welche Pflichten die in den drei Teilungsmcichten und allen Ländern Europas zerstreuten Polen zu erfüllen hätten und sie ausforderte, solche gemeinsame Organisationen zu bilden, deren Endziel die Zukunft des polnischen Vaterlandes bildet. Darauf sprach der Abgeordnete Witos, der erklärte, das polnische Bauerntum, auf welchem die Zukunft des polnischen Vaterlandes ruhe, sei sich seiner Ziele bewußt und erstrebe mit den anderen Ständen das Wohl Polens. Letzter Redner war ein Bürger Strozinski, der im Namen des Handwerkerstandes sprach. Er wies daraus hin, daß die mit dem Glauben bewaffneten Polen trotz aller Mühen und schweren Kämpfe das Polnische Vaterland erhalten werden.
Poincarre in Rußland.
Der französische Ministerpräsident Poincaree, der unter ängstlicher Vermeidung deutschen Bodens zur Sec die Reise nach Kronstadt angetreten hat, wird in Rußland mehr als reichlich Gelegenheit finden, dem besorgten Teile der Franzosen zu beweisen, daß der Zweibund noch sest- st-ht, ja. daß er durch das soeben bekannt gewordene Marineabkommen noch erweitert und befestigt worden ist. Wenn man in Frankreich aber hofft, den Wert der Baltischvorter Kaiserbegegnung vor vier Wochen durch den Besuch Poincarees untergraben zu können, so befindet man sich doch im Irrtum. Deutschland bedarf keiner besonderen Abmachungen mit Rußland, da zwischen den beiden Kaiserreichen Konfliktsstoff nicht vorhanden ist. Andererseits wünscht Rußland jedoch die Erhaltung der alten Freundschaft mit Deutschland.
Türkisch-italienische Friedensverhandlungen.
Die Meldungen, daß in Zürich unverbindliche Friedensverhandlungcn zwischen türkischen und italienischen Delegierten schweben, wollen nicht nur nicht verstummen, sondern treten täglich bestimmter auf. Die Angabe eines Mailänder Blattes, daß diese Verhandlungen bereits zu einem beide Teile befriedigenden Ergebnis geführt hätten, eilt den Tatsachen voraus: die Nachrichten über das Stattfinden direkter Verhandlungen erscheinen dagegen glaubwürdig. Tie „Köln. Ztg." bestätigt diese Meldungen in einer Petersburger Drahtung, und die „B. .Z" in einer solchen, die auf geradem Wege aus der Schweiz an sie gelangt ist.
Als Grundlage der Verhandlungen galt laut „Voss. Ztg." türkischerseits die Anerkennung der italienischen Besetzung und Verwaltung Tripolita- niens, jedoch unter der Souveränität des Sultans und der Regierung eines türkischen Vizekönigs.