lang. Schon am Montag abend hatte er dann auf das Mädchen gelauert. Heute Dienstag wartete Ziesche an der Panoramastraße bis das Mädchen mit ihren Angehörigen vom Felde zurückkehrte. In Begleitung des Mädchens befand sich deren verheiratete Schwester, die Frau des Weingärtners Warth und deren dreijähriges Bübchen Otto in einem Handwagen, den die Mutter und ihre Schwester zogen. In der Nähe des Wasserhäuschens trat Ziesche seitlich auf die Herannahenden zu nnd feuerte aus nächster Nähe Schuß auf Schuß ab. Da in den Gärten und Weinbergen um diese Zeit noch viel gearbeitet wird, waren sofort Helfer zur Stelle. Sie kamen aber trotzdem zu spät. ,Es scheint, daß Anna Biedermann den Kleinen, um ihn zu schützen, als die Schüsse fielen, aus dem Wagen auf den Arm nahm, wo er dann tödlich' getroffen wurde«. Das schwerverletzte Mädchen wurde im Automobil eines hiesigen Arztes ins Krankenhaus verbracht, es dürfte kaum mit dem Leben davonkommen. Ihre Schwester, die Mutter des erschossenen Bübchens, saß in Verzweiflung am Grobenrand, das tote Kind im Arm'. In einem Bernerwägele fuhr man Mutter und Kind nach Hause. Nach der Tat flüchtete sich Ziesche und gab auf die ihn verfolgenden Personen Schüsse ab, welche jedoch sämtliche fehlgingen. In einem Weinberg in nächster Nähe des Tatorts jagte er sich hieraus eine Kugel in den Kopf. Er stürzte nieder und als die Verfolger bei ihm anlangten, war er bereits tot. Die Nachricht von der Schrek- kenstat rief überall die größte Aufregung hervor. Die Leiche des Täters lag auf dem Acker, bis die Polizei im Automobil am Tatort erschien.
ft Nntertürkheim, 17. Juli. Der Mörder Ziesche hat. wie sich jetzt herausstellt, schon einige Zeit vor der Tat nicht nur der Erschossenen, sondern Mch deren Angehörigen mit Erschießen gedrohis. Daraufhin wurde bei ihm eine Haussuchung vorgenommen, die aber kein Ergebnis zeitigte. Gestern abend nun paßte er das Mädchen ab und führte seine Absicht aus. Erst der letzte, und zwar ein sechster Schuß brachte dem Mädchen die lebensgefährliche Verletzung bei. Die Kugel drang nämlich durch den Rücken in die Nieren ein, während die anderen fünf Kugeln in den Hals, die Arme und die Beine des Mädchens gingen. Auf das Geschrei und die Schüsse war eine große Menschenmenge herbeigeeilt, doch wußte sich der Mörder jeden der sich oder dem Mädchen nahen wollte, durch Schüsse fernzuhalten. Als der Sohn des Jägerhauswirts, der zufällig ein Gewehr bei sich hatte, dieses auf ihn anlegte, floh der Mörder -rnd erschoß sich dann. Bei der Durchsuchung seiner Leiche fand man, wie die Blätter melden, in feinen Taschen noch 78 Patronen. Ob der Mörder den kleinen Knaben mit Absicht erschossen hat, oder ob bloß ein Fehlschuß vorliegt, konnte nicht fest- gestellt werden. Bei dem Mädchen wurden durch eine Operation alle sechs Kugeln entfernt. Die Lebensgefahr besteht aber immer noch.
ft Cannstatt, 17. Juli. Die gestern bei dem blutigen Drama in Untertürkheim durch sechs Revolverschüsse schwerverletzte Anna Biedermann konnte den heutigen Tag über am Leben erhalten werden, obgleich sie nicht nur in den Beinen, den Armen, am Kopf und Hals, sondern auch am Rückgrat und in den Nieren Verletzungen aufweist, weshalb wenig Hoffnung auf ihre Rettung besteht. I
ft Oberboihingen, 17. Juli. (Eine Submission bei der Ortsvorsteherwahl.) Um die Ortsvorsteherstelle, die mit einem Gehalt von 2100 Mark ausgeschrieben ist, hat sich auch ein Kandidat beworben mit der Erklärung, er sei bereit, die Stelle für jährlich 1700 Mk. zu versehen und vier Jahre lang keine Aufbesserung zu fordern. Man kann gespannt darauf sein, ob die Oberboihinger auf dieses Submissionsverfahren bei der Ortsvorsteherwahl eingehen und was sie damit für Erfahrungen machen werden.
js Schnaitheim, 17. Juli. Wohl infolge des raschen Temperaturwechsels treten hier, ähnlich wie aus Schramberg berichtet wird, Magen- u. Darmerkrankungen zur Leit sehr häufig auf, aber teilweise mit tödlichem Ausgang.
Heilbronn, 17. Juli. Ein aufregender Zwischenfall spielte sich heute in der hiesigen Realschule ab. Ein Schüler der 6. Klasse, der 16 Jahre alte Sohn des Gastwirts Schneider von Kirchheim aj. N., der das Einjährigen-Examen nicht bestanden hatte, schloß sich um 11 Uhr in das Schulzimmer ein und versuchte jeden, Lehrer wie Scbuler, durch den Revolver vom Eintritt abzuschrecken, ebenso die Schutzleute, die herbeigerufen wurden, wobei er mehrfach Schüsse abgab, ohne jedoch jemanden zu verletzen. Als man schließlich in das Zimmer eindringen konnte, fand man den unglücklichen jungen Mann mit schweren Schnittwunden an den Pulsadern auf. Er wurde ins Krankenhaus verbracht, doch ist es fraglich, ob er mit dem Leben davonkommt, da er einen sehr- großen Blutverlust erlitten hat. Wie es heißt, war der junge Mann schon seit längerer Zeit sehr aufgeregt, und von Mitschülern wurde mehrfach ein Revolver bei ihm gesehen.
ft Sontheim, OA. Heilbronn, 17. Julft Gestern nachmittag ist in der Weststraße in einem unbewachten Augenblick ein dreijähriges Mädchen aus dem ersten Stock auf die Straße gestürzt. Es schlug derart mit dem Kopf auf der Straße auf, daß der Tod nach kurzer Zeit eintrat.
ft Mainhardt, 17. Juli. (Kindsmörderiu.i In dem benachbarten Ziegelbronn wurde das Dienstmädchen Traub unter dem Verdacht des Kindsmords verhaftet. Sie hatte das Kind vergraben. Vom Gericht wurde es wieder ausgegraben.
st Aalen, 17. Juli. In der Sandgrube von Karl Lamparter ist heute früh 8 Uhr der '24 Jahre alte Arbeiter Alois Werter von Bogt OA. Ravensburg verschüttet worden. Er war sofort tot.
ft Lcndsiedel, <OA. Gerabronn, 17. Juli. In dem benachbarten Weiler Eichenau hat gestern nachmittag ein etwas beschränkter 25jähriger Sohn eines Kleinbauern das im Bett schlafende Kind seiner verheirateten, gerade abwesenden Schwester an den Füßen gepackt und so lange auf den Boden geschlagen, bis es tot war. Der Täter scheint den schauderhaften Mord in einem geistig unzurechnungsfähigen Zustand begangen zu haben, denn bei der Vernehmung durch den Landjäger sagte er unter anderem, daß in Eichenau noch viel Kinder seien, die auch umgebracht gehören.
>> Mm, 17. Juli. (D o n a u fa h r te nck Das derzeit herrschende schöne Wetter wird benützt, um
M L-sefrrrcht. M
Wir gewinnen eine größere Kraft der Uebsrzeugung, wenn wir das, was andere vor uns verkündet haben, sorgfältig auslesen und erklären, als wenn wir es selber nochmals auf unsere Weise mühselig «sagen.
I. Ruskin.
Urkraft der Kirbe.
Roman von Karl Engelbardt.
(Fonsetzung.) Nachdruck : erboten.
' Kaum waren sie auf der Straße, so sing sie an.
„Hören Sie mal, lieber Meis«er, droben tonnte ich Ihnen nicht die Leviten lesen. Aber alles, was recht nt. Laden Ihr reizendes Bräutchen im Stich, um mich widerhaariges Murmeltier nach Hause zu begleiten. Tas ist doch ein bischen stark."
„Lassen Sie mich doch, wenn es mir Vergnügen macht."
„Es soll Ihnen aber kein Vergnügen machen!" fuhr sie aus, „Sie - Barbar —!"
Er lächelte nur ob ihres Ingrimms. Plötzlich wurde er ernst.
„Wissen Sie was? Ich bin absichtlich mit Ihnen gegangen."
„Was soll das heißen?"
„Das soll heißen, daß es mir mit Ihnen zusammen leichter zumute ist, als wenn ich bei meinen Schwiegereltern bin."
Sie blieb mit einem Ruck stehen und starrte ihn mit offnem j Munde an. Dann brach es los.
„Na — da soll aber doch gleich ein Donnerwetter —! Sind Sie denn verrückt, Meister Erich? Solche Reden, acht Tage vor der Hochzeit?"
-Soll ich Ihnen etwas sagen?" unterbrach er ihre Ent
rüstung. „Ich fürchte mich ein klein wenig vor der Hochzeit."
„Ja, aber was haben Sie denn nur? Wer zwingt Sie denn zur Heirat? Ich dächte. Sie könnten doch vorsichtig geworden sein. lind nun bei diesem Mädchen! Sie könnten sich glücklich preisen, sie zu bekommen. Denn soviel habe ich sie schon kennen gelernt. Und wie sie an Ihnen hängt! Jeder Blick von ihr verrät es. Und Sie? Heiraten Sie sie denn nicht aus Liebe?"
Er sah gerade aus.
„Ich weiß selbst nicht, wie ich mein Gefühl für sie nennen soll. Ist es Liebe? Ist es keine? Sie steht meinem Herzen nah. Das fühle ich. Und doch — und doch!"
Sie blieb in ihrer impulsiven Art wieder einen Augenblick stehen.
„Jetzt weiß ich, was los ist. Ich bin überzeugt. Sie lieben Fräulein Maja. Aber die Schatten der Vergangenheit liegen noch über Ihnen. Aber wenn Ihnen erst in einer neuen, einer wirklichen Ehe volles Glück erblüht, dann werden diese Schatten weichen wie die Nacht vor der Morgensonne. Seien Sie versichert. Und schauen Sie nicht so trübselig in die Welt. Schämen Sie sich!" schalt sie jetzt schon wieder munter.
„Hoffentlich wird es so, wie Sie sich's denken." Aber es sprach keine rechte Zuversicht aus seinen Worten.
„Ich sehe schon, manchmal muß das Ei klüger sein als die Henne. Darf ich gelegentlich bei Ihnen vorsprechen, wenn Sie verheiratet sind, und Ihnen den Kopf zurecht setzen, falls es nötig ist?"
„Versuchen Sie es nur immerhin! Das veranlaßt Sie denn doch wenigstens, biswellen bei uns vorzusprechen."
„Apropos — werden Sie hier wohnen?"
„Nein. Ich will mit jener — ersten — nicht mehr zusammen in einer Stadt sein, wenn ich wieder verheiratet bin. Ich habe in nächster Nähe des Seebades Kranz an der kurischen Nehrung ein Häuschen gemietet —"
auf der Donau Wasserfahrten nach Wien zu unternehmen. Am Sonntag reifte eine Gesellschaft von 10 Damen und Herren unter Führung von Sch-ifsmeister Käßbohrer jun. ab. In Faltbooten traten von hier aus auch 9 Schüler des Naturerziehungsheims in Schorndorf am Ammersee die Reise an und im August wird Dr. Hahn aus Berlin, der die Donaufahrt schon wiederholt machte mit einer wohnlich eingerichteten Ulmer Schachtel sich dem Wasser anvertrauen.
ft Leutkirch, 17. Juli. (Raubanfall.) Ein junger Bursche kam in das Wohnhaus des Schreiners Johann Büchele in Riefen, um zu betteln«. Da er bemerkte, daß die im Hause logierende Privatiers Genoveva Haggenmüller allein war, verlangte er von ihr mit vorgehältenem Revolver das im Hause befindliche Geld. Die erschrockene Frau war keines Wiederstandes fähig. Trotzdem machte sie der Unmensch stumm, indem er ihr ein starkes Tuch um den Kopf band und sie an Händen und Füßen knebelte. Außer einigem Bargeld fielen dem Räuber viele Kleider, Nahrungsmittel und verschiedenes andere in die Hände. Drei Stunden mußte die unglückliche Frau in der gebundenen Stellung verharren, bis sie sich! endlich von den Fnßfesseln befreien konnte, um dann durch das offene Fenster zu fliehen, während der Bursche bereits das Weite gesucht hatte. Als er in Kempten im „Hinteren Mohren" die gestohlenen Kleider zu verkaufen im Begriffe war, wurde er verhaftet. Er gestand die Tat ein. Es ist der 21 Jahre alte Klemens Karg aus Altusried und soll derselbe Bursche sein, der im vorigen Jahr in Hergatz einen ähnlichen Streich geliefert hat, aber bisher vergeblich gesucht wurde.
ft Friedrichshofen, 17. Juli. Am Horn, nicht weit von Konstanz, ist ein 20 Jahre alter Techniker namens Bayer aus Stuttgart, Schüler des hiesigen Technikums, beim Baden ertrunken. Seine Leiche ist noch nicht gefunden.
ft Friedrichshasen, 17. Juli. Das Militärluftschiff „Z. 3" hat nach Beendigung der Wiederherstellungsarbeiten heute früh die erste seiner Ab- nahmesahrten angetreten.
ft Friedrichshafen, 17. Juli. (Luftfahrt.! Das Militärluftschiss Z. 3", das heute früh die Probe- und Geschwindigkeitsfahrt zur Zufriedenheit erledigte, soll morgen früh beim Morgengrauen nach Baden-Oos übergeführt werden. Von dort aus sollen dann die militärischen Abnahmefahrten absolviert werden. Auf diese Weise ist auf der Werft in Friedrichshafen für das Marineluftschiff Platz geschaffen.
Zur Landtagstvahl.
j! Göppingen, 17. Juli. Die Nationalliberale Partei, der im Landeswahlabkommen die Aufgabe zufiel, für den Bezirk Göppingen den gemeinschaftlichen Kandidaten zu stellen, hat gestern den Oberbürgermeister Dr. Keck zum Kandidaten nominiert. Dr. Keck, der bisher außerhalb jeden Parteilebens stand, hat die Kandidatur unter dem Vorbehalt angenommen, daß die bürgerlichen Kollegien ihre Zustimmung erteilen. Diese werden in ihrer nächsten Sitzung dazu Stellung nehmen.
„To — da droben?" wart sie dazwischen.
„Ja. Ich verspreche mir viel davon. Das Meer, im Winter die Einsamkeit, und selbst im Sommer nicht allzu viel Verkehr — Kranz ist nicht zu sehr besucht — das ist gerade das, was ich wünsche und brauche."
„Das kann ich verstehen. Hätte selbst nichts dagegen einzuwenden. Aber sagen Sie mal, haben Sie kein Verlangen, in die Heimat zurückzukehren, in der Sie Ihre Jugend verlebt?"
„Doch. Aber ich will Majas halber noch einige Zeit in der Nähe ihrer Eltern bleiben. Später kehre ich sicher in meine Heimat zurück zu den seltsamen Steingebilden unserer Kjölen. Zu der wilden Einsamkeit unserer Felsentäler, in denen die Dorsche zu Tausenden Hausen. Zu unseren wildromantischen zerrissenen Fjorden mit ihren unzähligen Armen, die sich vev; zwergen wie das Geweih eines Elches: eng und schmal, daß die Sohlen mancher dieser Aste in ewigen Schatten getaucht sind. O ja, Fräulein Karla, ich liebe meine Heimat und ich habe sie nicht vergessen, wiewohl es schon fast zehn Jahre sind, daß ich mich nicht mehr dauernd in ihr aufgehalten."
Lächelnd sah sie zu ihm auf.
„Ich sehe. Sie sind immer noch der alte Schwärmer. Aber vielleicht erklärt gerade das meine Anhänglichkeit an Sie. Denn ich niuß es zu meiner Schande gestehen — Ihnen darf ich eS doch wohl sagen. Sie plaudern nicht? — auch mir steckt so was Ähnliches im Blut, wenn ich es auch möglichst viel nach außen hin zu verbergen suche." i '
„Das weiß ich längst."
Vor dem Hotel, in dem Karla wohnte, reichte sie ihm die Land.
„Auf Wiedersehen bei der Hochzeit."
„Kommen Sie auch zu mir inzwischen nicht einmal heraus?*
„Nein. Ich mache darin keine Ausnahmen."
„Also dann in acht Tagen. Und Ihr Versprechen, uns in Bad Kranz zu besuchen, gilt? Wenn Sie es halten, nehme ich Ihnen auch einen Gesellschafter mit."