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1877.
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Amtsblatt für
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Ferujpreche» Nr. 11.
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AsSgabe t» Alteasteig'Stadt.
Disnstag, d<» 16. Juli.
Amtsblatt für Pfalzgrafeuweiler.
ISIS.
Em 3ahr des GeLMe«s.
In diesem Sommer vor hundert Jahren bereitete sich in Rußland die Katastrophe vor, die den ersten französischen Kaiser von der Höhe seiner Weltherrschaft Herabstürzen sollte; vor fünfzig Jahren waren die deutschen Schützen, die Blüte des deutschen Bürgertums in Hellen Scharen um den Herzog Ernst 2. von Sachsen-Coburg-Gotha in Frankfurt a. M. vereint, zum ersten Male wieder seit Jahren eine nationale Feier zu begehen. Es ist darüber gespöttelt, aber kein Dutzend Jahre mehr währte es, so war da, was damals ersehnt wurde, das einige deutsche Vaterland. Und zur selben Zeit bereitete sich der Werkmeister der neuen deutschen Aera vor, aus der Stille der Nachgeordneten Stellen auf die Bühne zu treten, die ihn allein zeigen sollte: Der vreußische Botschafter in Paris, von Bismarck-Schönhauseu, ward vom alten König Wilhelm 1. als leitender Staatsmann ins Auge gefaßt, der den Bau des Staatswesens, der nach vieler Meinung auseinander zu stürzen drohte, wieder auf feste Füße stellen sollte.
Die preußische Militärorganisation, des nachmaligen ersten Hohenzollerntaisers eigentlichstes Werk, wurde vom Landtage der Monarchie ernstlich bekämpft, daß der den Siebzigern nicht mehr so ferne König sich ernstlich mit dem Gedanken trug, vom Throne herabzusteigen, zu Gunsten seines Sohnes, des nachmaligen Kaisers Friedrich, auf die Krone zu verzichten. Viele sahen keinen anderen Ausweg: einer der wenigen, der in dem Diplomaten Bismarck den Staatsmann erkannt hatte und der ihn deshalb zum leitenden Minister vorschlug, war Kriegsminister von Roon. Der alte König zögerte; der stahlharte Wille Bismarcks sagte ihm nicht zu und erst in der letzten Stunde entschloß er sich zu der Berufung. Und auch dann, als diese bekannt geworden war, kam ein großes Zweifeln, ob der „Deichhauptmann von Schönhauser:" der ihm gestellten Aufgabe gewachsen sein würde. Auch Kaiser Napoleon 3. von Frankreich sprach in den Empfängen, die er Bismarck damals in dem Seebade Biarritz gewährte, unverhüllt sicb dahin aus, daß es schwer sein werde, den Ver- sassungshader zum glücklichen Austrag zu bringen. Ueürigens hat Bismarck später selbst gesagt, daß man nicht allein, auf dem Schlachtfelde den Tob fürs Vaterland sterben könne.
Bismarck sagte unmittelbar nach sinnen: Amtsantritt, daß die deutsche Einheit nicht durch Parlamentsbeschlüsse erkämpft werden könne, das sei der Fehler von 1848 gewesen, sondern durch Blut und Eisen. Dies Wort, das bedeuten sollte, daß die notwendige Auseinandersetzung mit Oesterreich nur durch das Schwert herbeigeführt werden könnte, ist erst nach 1866 in seinem vollen Sinne erkannt; der große Völkerkenner wußte von vornherein, daß nationale Fragen nicht mit den diplomatischen Akten zu lösen sind. Es ist vielleicht Bismarcks größter Geniebeweis gewesen, daß er diesen Krieg um der späteren Versöhnung willen führte. Und wie ausgezeichnet es ihm gelungen ist, die Feindseligkeit bei den einzelnen Gegnern zu löschen, zeigt die Errichtung des Reiches so wenige Jahre nach 1866, der Abschluß des Bündnisses mit Oeiterreich- Ungarn ein Dutzend Jahre nach der Schlacht bei Könniggrätz.
Wenn wir die unendlichen Kommentare von heute über allerlei politische Möglichkeiten mit den stsilen, festen Taten Bismarcks vergleichen, der unbewegt einem großen Ziele entgegenging, beargwöhnt, unverstanden und schließlich doch mit dem größten Erfolge gekrönt, dann merken wir, was ein Genie bedeutet, das mit einem Blick alle Aussichten umspannt. Kein Deutscher hat in der deutschen Volksseele so zu lesen verstanden, wie der erste Kanzler, in der süddeutschen ebenso, wie in der norddeutschen. Und das war seine Größe, die die Nation ihm bezeugte. Erst fünfzig Jahre sind
es her, daß der Meister der modernen Politik in den Vordergrund trat, Jahre ruht er nun schon in der Erde, aber was er geschaffen, bleibt!. Denn seine Politik war die der nationalen Kraft und die des gesunden Menschenverstandes.
TaKes-Rundschau.
Kttrematographenfrage.
ep. Zur neuesten Wendung in der Kinemato- graphenfrage äußert sich nun auch die Jugendgerichtshilfe.
D'e Stuttgarter Jugendgerichtshilfe, die leider häuf'g genug Gelegenheit hat, die jugendge- fährdende Art des heutigen Kinematographen zu beobachten, ist mit dem Herrn Polizeidirektor darin einig, daß die bisherigen amtlichen und privaten Versuche, den Schäden des Kinos zu begegnen, unzureichend und deshalb irreführend gewesen sind. Nachdem die bürgerlichen Kollegien dem Vorschlag des Stadtpolizeiamtes auf eine anderweitige, wirksamere Beaufsichtigung der Vorführungen ihre Zustimmung nicht erteilt haben, hauptsächlich mit der Begründung, es fehle hiezu die notwendige Rechtsgrundlage, so hat die Jugendgerichtshilfe beschlossen, an das K. Ministerium des Innern die Bitte zu richten, es möchte die beabsichtigte Vorlage eines Gesetzentwurfs zur Regelung der Kine- matographenfrage möglichst beschleunigt werden.
Frankreich»
Das Nationalfest wurde an: Sonntag in ganz Frankreich mit dem üblichen Tamtam und in Pa ris in Gegenwart des Bey von Tunis gefeiert!. Mit jedem Jahre mehr versucht man, chm ein militärisches Gepräge zu geben. Bei der großen Pariser Truppenrevue am Sonntag, wo die Aero- plane wieder eine große Rolle spielten, wurden zwei neue Jnfanterieuniformen vorgeführt: die feldmäßige, die aus einem graugrünen Paletot u. einem roten Beinkleid nebst Käppi besteht, und die große Uniform, die sich aus einem anliegenden Wofsenrock aus blauem Tuch, rotem Beinkleid, „Wadenschützern" und einem Helm zusammensetzt. Gleichzeitig verschwand aus der französischen Armee das rote Zuavenbeinkleid, das im Jahr 1835 auf afrikanischer Erde eingeweiht wurde und auch im 70er Kriege stark vertreten war. Dieser rote Hosenrock ist jedoch so kostspielig und unpraktisch, daß die Militärverwaltung ihn nach den jüngsten Erfahrungen in Marokko endgültig aufgegeben hat.
LANdrsnschrirhLru.
16. Jali.
Gestern weilte eine Vertreterin des württ: Landesvereins dom Roten Kreuz, Kreisel, v. Gült- lingen, hier, um für das Zustandekommen einer Abteilung von Helferinnen in der Krankenpflege für den Kriegsfall auch in Altensteig Bahn zu brechen. Tatsache ist, daß wir zwar für den Kamps der Männer in Kriegszeiten eine Wehrmacht von 4 Millionen Streitern zur Verfügung haben; daß aber das Heer der Helferinnen, welches die nach Hunderttausenden zählenden Verwundeten zu pflegen nicht bloß bereit, sondern auch fähig wäre, in Friedenszeiten nicht vorhanden und nicht ausgebildet ist. Es ist kaum auszudenken, welch ein Notstand eintreten würde, sobald ein Krieg d. h. eine furchtbare „Verletzungs-Epidemie" ausbrechen würde. Tausende und Abertausende von Kriegern müßten aus Mangel an richtig vorgeschulten Pflegerinnen zu Grunde gehen. Die Militärverwaltung rechnet auf dem Patriotismus und die freiwillige Hilfsbereitschaft der deutschen Frauenwelt. Die Ausbildung von Helferinnen geschieht nun im Anschluß an den Landesverein vom Roten Kreuz durch Veranstaltung von theoretischen und praktischen Kur
sen, an welchen sich Fräulein und Frauen, die. fick, für einige Zeit von ihrer Arbeit losmachen können, beteiligen sollen. Der theoret. Kurs, der dem praktischen zur Seite geht, soll 6 Wochen mit je 3 Doppelstunden, der der praktischen ebenfalls 6 Wochen mit täglich 5—6 stunden dauern und mit einzelnen Nachtwachen verbunden fein. Dazu kommt die Verpflichtung zu 2 Repetitionsknrsen innerhalb 3 Jahren und für den Mobilmachungs- fall die Pflicht, 3 Monate im Heimatdienst an den Verwundeten tätig zu sein. Die Ausbildungskosten sind abgesehen von einem kleineren Eintrittsgeld und der Beschaffung von Häubchen, Schürzen und Waschanzügen, umsonst. Zur ein- leitung und Fortführung des Unternehmens müßte ein Ausschuß von hiesigen Frauen gebildet werden^
Es ist kein Zweifel, daß diese Sache eine dringende Notwendigkeit für unser deutsches Bakerland 'st. Und es ist sehr zu hoffen, daß viele besonders unter denjenigen über 20 Jahrs alten
Mädchen, welche abkömmlich sind, die Gelegenheit, etwas fürs Ganze zu leisten und zugleich den eigenen Charakter zu stählen, benützen möchten. Ob auch hier eine genügende Anzahl solcher Helferinnen sich finden lassen wird, soll sich in den nächsten Tagen zeigen: Es soll einmal eine Besprechung von s o l ch e n F!r a u e n, d i e sich für die Angelegenheit interessieren, abgehalten werden, worauf dann je nach Befund weitere Schritte eingeleitet würden. Vergl. den Inseratenteil! Hj.
° Beim Baden fast ertrunken wären gestern nachmittag zwei hiesige Schüler. Von 4—5 Uhr badeten die Latein- und Realschüler in der Was- serstuüe beim Bruderhaus, da um diese Zeit gerade die Flußüadeanstalt anderweitig besetzt war. Die Nichtschwimmer erhielten einen ungefährlichen Platz angewiesen. Trotzdem wagte sich der Schüler Marquardt in die Plätze der Schwimmer, geriet in ein tiefes Loch und sank. Sein Mitschüler Karl Küchele schwamm nach, wurde aber von Marquardt unter das Wasser gezogen und festgehalten. Nun sprang Reallehrer Roll vollständig angezogen nach und ihm gelang die an dieser tiefen Stelle schwierige Rettung seiner Schüler mit Hilfe gerade badender Arbeiter. Die Schüler haben keinen Schaden genommen und hoffentlich auch Reallehrer Roll nicht, dem gegenwärtig mit Rücksicht auf seine Gesundheit kalte Bäder ärztlich verboten sind.
* Ein Unfall, der leicht hätte schwere Folgen haben können, ereignete sich gestern abend. Von den Heidelbeeren heimkehrende Mädchen hatten auf sinem mit Brettern beladenen Wagen Platz genommen. Unterhalb der Garrweiler Brücke brach ein hinteres Rad, so daß der Hintere Wagenteil kippte und der Fuhrknecht und die Mädchen herabgeschleudert wurden. Einige kamen unter die Bretter zu liegen und wurden verletzt. Zwei davon müssen das Bett hüten. Die Pferde gingen mit dem Bor- derwagen durch und konnten erst innerhalb der Stadt festgehalten werden.
^ Bcsitzwcchsel. Bei der am Montag stattgefundenen Versteigerung des Wohnhauses der im Konkurs befindlichen Heinrich Scholder Witwe erwarb dasselbe Wilh. Maier hier zum Preise von l7 750 Mk. -- Den Scheunenanteil (bei Strobel) erwarb Jakob Wurster um 2450 Mk., das Grundstück an der Halde Hauptlehrer Schwarz um 1200 Matk.
* Flottcnvcrein. Die diesjährigen Fahrten nach der Wasserkante von seiten des Württ. Landesverbands finden statt vom st—7. August die Vlsi Schülerfchrt nach Hamburg—Helgoland und Kiel, vom 6. -13. August die VIII.. Sonderfahrt des Passage-Bureau Rominger nach Bremen—Helgoland
Kiel—Hamburg und Friedrichsruh. Anmeldungen umgehend für die Schülerfahrt an die Geschäftsstelle in Stuttgart, Uhlandstr. 3, für die VIII. Sonderfahrt an das Pasfagebureau Rominger, Königstraße 15, Stuttgart. Programme kostenlos.