Erste Kammer.

Stuttgart, 25. Juni.

In der heutigen Sitzung: stand das Ausführ ngsgrfetz zur Rcichsverf'chernugsordnnng zur Be

ratnng. Die Erste Kammer hat sich nunmehr für ein einziges Oberverfichm-nngsamt ausgesprochen. Minister v. Pischek begrüßte die Stellungnahme und fügte hinzu, daß, wenn das andere Haus diesen» Beschluß nicht beitrete, das Gesetz auch nicht Zustandekommen werde. Dekan Müller erklärte sich gegen den Ausschußantrag, da mit der Annahme desselben das Schicksal der Kreisregierungen ent­schieden sei. Hieraus wurde der Ausschußantrag gegen drei Stimmen angenommen. Bei der Wer- terberatuug des Berichts über die Bereinsachung -er Staatsverwaltung beim Jnstizdeparlemenk ver­breitete sich Staatsrät von Cronniüller eingehend über die Frage der Neuorganisation der Behörden der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Die jetzige Or­ganisation weise so große und tiefgehende Män­gel auf. daß die Frage einer Reform in der einen oder anderen Weise mindestens besprochen werden muß. Es könne aber zum voraus bemerkt wer­den, daß auch dem Ausschuß diese Frage noch nicht spruchreif und nicht so weit gediehen er­scheine. um der RecsiernirJ bestimmte Ratschläge machen zu können. Minister von Schmidlin er­klärte. daß darüber kein Zweifel bestehen .könne, daß eine grundlegende Aendernng der Organisation im jetzigen Zeitpunkt aussichtslos sei. Ebensowenig fei kein Zweifel darüber, daß die jetzige Organi­sation gewichtige Mängel aufweise. Den Bericht über Vereinfachungen beim Departement der ans wärtigen Angelegenheiten erstattete Frhr. v. Gais 'berg-Schöckingen. Seiner Anregung bezgl. derBer Legüng des Staatsarchivs nach Lndwigsburg setzte der Ministerpräsident v. Weizsäcker Zweifel über die Ausführbarkeit entgegen. Bezüglich der Schaf­fung eines besonderen Verkehrs Ministeriums '.»einte der 'Ministerpräsident, Saß eine Vereinfachung da mit nicht erzielt würde, da die beiden Generaldi rettionen der Staatseisenbahnen und der Posten trotzdem bestehen bleiben müßten. Ans dre Be merkring des Berichterstatters, daß man bezüglich des Verkaufs von dem Staat gehörenden Gebäuden und anderen Liegenschaften künftig. vorsichtiger sein möchte, erwiderte der Ministerpräsident, daß der Verkauf des Bahnhofareals an den Fürsten Heu ke> von Donnersmarck wohl begründet gewesen sei. Für die Erstellung des neuen Postgebäudes war dieses Areal zu wertvoll und der jetzt dafür in Aussicht genommene Platz sei ganz erheblich bil­liger. Im übrigen äußerte sich Ministerpräsident Don Weizsäcker gegen die Errichtung einer staat­lichen Jmprägnierun,gsanstalt und einer Staats­druckerei. Die Ansschüßrnträge wurden darauf sämtlich einstimmig angenommen. Morgen vor­mittag Wetterberatung!.

LsndrsmlchnchLen.

2«. Juni.

Lindenblüte und Lindendust. Wenn der Svm mer beginnt, dann entfaltet auch die Linde ihre zahlreichen Blüten und verbreitet ihren herrli­chen, Mßen Duft, eilten Wohlgeruch, an dem sich die Menschen von je her erquickt haben.Wann

O L.felruchl. A

Nach innen leben.

Nach außen weben,

Nach unten schauen,

Nach oben streben!

t. Rose-aer.

Melita.

Roman von Rudolf Elcho.

(Fortsetzung) Nachdruck verboten.

Während sie aus einen ins Zentrum der Stadt fahrenden Straßenbahnwagen wartete, schritt ein Mann der Haltestelle zu, bei dessen Anblick sie erschreckt zusamruen- snhr. Er war aus einer nahegelegenen Villa gekommen, trug eine Mappe unter dem Arm lind schaute, in Gedanken verloren, vor sich hin. Bei der Haltestelle trafen seine Blicke Melitas Gesicht, und er stieß einen Laut der Ueber- raschung aus. Es war Wolfgang Fries, der sie eine Weile ebenfalls so fassungslos anstarrte wie sie ihn.

Melita!" Der Name kam fast unhörbar über seine Lippen, und errötend setzte er lauter hinzu:Ver­zeihung! Wieder zurück aus England?"

Auch sie war befangen uud gab zur Antwort:Heute morgen erst-kam ich an."

Fast schien es, als habe der Klang ihrer Stimme ihm seine Fassung wiedergegcben. Ihr die Hand reichend, sagte er mit einein warmen Aufleuchten seiner Augen: Welch ein Zufall, welch ein glücklicher Zufall, daß ich Sie so früh begrüßen darf!"

In der Tat ein merkwürdiger Zufall!" Ihr wurde es schwer, die Befangenheit abzustreifen, und erst nach einem tiefen Aufatmen konnte sie fortfahren:Er gibt

glühend brennt der Sonne Strahl Und schon die Früchte schwellen, Dann spendest du ins weite Tal Der Düfte reiche Wellen". Die Linde ist eiir ^ echt deutscher Baum und in Dichtung, in Sage und Geschichte spült- sie eine Rolle, wie kaum ein anderer der bei uns heimischen größerett Lanb- bänriie. Schon der weiche .Klang des Namens, der dunklen Ursprungs ist, aber den Charakter Ser- Milde und Anmut, welcher dem Baume eigen ist, andeiltet, zieht unser Herz zu demselben Hill, noch mehr aber das zarte Grün der breiten Blätter, die schützende, lanbreiche Krone, in der es znr Zeit der Blüte summt und surrt vou tausend flei­ßigen Bienen. Unfern Altvordern war die Linde ein hel.qer Bannt, der Frigga geweiht. Zn den heiligen Hainen waren die Wallfahrtsgänge mit Linden bepflanzt, und in dem dunklen Schatten der dichter, Kronen waren die Zeichen ihrer Göt­ter aufgestellt. Mit einer gewissen Ehrfurcht wurde eine erwachsene Linde vou jung und alt betrach­tet, sie mutwillig zu beschädigeu galt für euren großen Frevel. Als das Christentum in unser Lund eindrang. da schnitzte mau die ersten Heiligenbilder aus Lindenholz. Man glaubte in alte» Zeiten, die Linde sei gegen den Blitz gefeit. Nach einem Gewitterregen eilte mau unter denselben, um von den herabsallrudeir Tropfen benetzt zu werden; denn dieses Wasser schützte nach der Meinung des Vol kes gegen mancherlei Krankheit und Unfall. Die getrockneten Lindenblüten werden von der Volts- heUtilnde noch in der Gegenwart sehr geschätzt; der süßliche, schweißtreibende Tee ist ein vielge­brauchtes Hausmittel. Der Lindenblütenhonig aber gilt allgemein als der beste und erfreut sich be so» der er Wertschätzung.

* Die Heuernte ist durch die Gewitterregen unliebsam unterbrochen worden, nacksdem irr den vorbergegaugeneri Tagen ziemlich viel Heu. das, wie mau allgemein hört, Heuer sehr gut aus- giebt, unter Dach und Fach gebracht worden ist. Re genwetterum Johanni" sieht der Bckner nicht gern. Das beweist folgende Bauernregel:Reg­nets inn Johanni nur leise, so rsgnets Mäuse". Hoffen wir ans baldige Rückkehr des guten Wet­ters ! (

Nagold, 25. Juni. Die Heuernte darf nun un großen ganzen als glücklich vollendet betrach­tet werden. Das schöne Wetter, das die letzte Woche in der Hauptsache brachte, oerhals dem Landwirt zu einem schönen und guten Heu bei verhältnismäßig angenehmer und einfacher Arbeit. Das Heu entspricht nach Menge und Güte im all­gemeinen den Erwartungen des Landmanns.

st Oberndorf, 25. Juni. Nachdem sich 82 von 89 hiesigen Geschäftsinhabern znssimmeud geäußert haben, hat die Kreisregierung den Ach tu h r la­de n sch luß für sämtliche offenen Verkaufsstellen vom t. Juli ds. Js. verfügt. Er gilt für alle Werktage mit Ausnahme der Samstage, der Vor­abende vor Festtagen und der letzten vierzehn Tage vor Weihnachten.

st Sulz, 25. Juni. Das hiesige Elektrizitäts­werk wurde vou der Stadtgemeinde um den Preis von 150 000 Mk. angekauft. Die Stadtgemeinde rvird das Werk in eigener Regie weitersührenl'

st Tübingen, 25. Juni. Zur 25. Versammlung des Württ. Forstveeeins sind die Teilnehmer recht zahlreich eingetrosfen. In strömendem Regen fan­den gestern die Exkursion im Staatswaid Groß- !

wir die willkommene Ge letze Nh eit, Ihnen für d.e wahr- he.sl rührende Fürsorge zu danken, die Sie mir"

O bitte, kein Wort darüber! Ich schrieb nur meinem Freunde, daß Sie der besten Empfehlung würdig seien. Herrgott, wenn jemand in diesem Augenblick Dank sagen muß, so bin ich es, denn Sie haben dieser Empfehlung in glänzender Weise entsprochen. Lord Leigh ließ mich wissen. Saß Sie mehr als Erzieherin, daß Sie der gute Genius Ser Proctors seien. Er schrieb inir das vor kurzem, und deshalb verblüffte es mich soeben, als ich Sie so un­vermutet vor mir sah. In, darf ich vielleicht fragen, warum sie das Haus, in dein Sie sich so großer Beliebtheit er- reuten, verlassen haben?" »

Die Frage setzte Melita derart in Verlegenheit, daß sie errötete. Nach einer Weile erst tonnte sie antworten, daß ein Streit mit der Herrin des Hanfes sie gezwungen habe, abzureisen.

Wolfgang Fries hatte sie erst forschend, dann be­wundernd angeschaut, und während ein Strom süßen, seligen Empfindens lein Herz durchflutete, sagte er sich: Sie ist noch edler und reizvoller geworden.

Als sie wieder zu ihm aufblickte, wandte er sich in leichter Verlegenheit zur Seite und bemerk!..' dctti'n:Ihr erster Bestich galt wohl dem Grabe der Mutter?"

Sie nickte, und er fuhr mit inniger Teilnahme fort: ,Sie haben viel Schweres erfahren so früh im Leben."

Ja, noch in jüngster Zeit!"

Wie, Sie wissen?"

Ja, ich weiß, wie schrecklich mein Vater seine Treu­losigkeit büßen mußte."

Die Worte hatten einen tiefen, ergreifenden Klang, und Fries entgegnete mit herzlicher Teilnabme:Sie müssen zu vergessen suchen. Auch ich habe in diesen Tagen Trauriges erlebt.' Mein Chef, Herr Oldenpurg, ist nach schwerem Leiden gestorben. Ich hatte ihn sehr lieb gewonnen, und wie nahe ich seinem Herzen stand, das hat sein letzter Witte bewiesen. Er verfügte, daß ich nach seinem Tode die

Holz und die Besichtigung der Gärten der forsch. Versuchsanstalt im Forstbezirt Gvinadingen statt. Trotz des ungemein schlechten Wetters sah man aber tanter freundliche Gesichter und auch die abends 8 Uhr imOchsen" stactfindende zwang­lose gesellige Unterhaltung entbehrte nicht der gu­ten Stimmung. Heute findet nunmehr die Exkur­sion im Eutringer Forstbezirk statt. Um 4 Uhr nach­mittags folgt ein Festessen un Museum und abends 8 Uhr ein großer Familienabend dort. Morgen beginnen daun die eigentlichen Verhandlungen trn unteren Ratyanssaal, denen nachmittags 4 Uhr die Abfahrt nach Bebenhansen und der Empfang durch Ihre Majestäten sich anschließt.

st Feucrbach, 25. Juni. Der >9 Jahre alte Konstantin Martin von Schiltigheim bei Straß­burg, Monteur der Maschinenfabrik Eßlingen, wurde gestern nachmittag um 2 einhalb Uhr im Fabrik- anwesen -er Firma Werner und Pfleiderer hier zwischen die Puffer zweier auf dem Industriegleis stehenden Eisenbahnwagen eingeklemmt und ' so schwer verletzt, daß er abends gestorben ist.

st Bückingen, 25. Juni. Das Arbeitspersonal des zur Zeit hier gastierenden Sommervarietees Frank ritt gestern vormittag Pferde in den Nek­tar zur Schwemme. Einer der Arbeiter, der 20 Jahre alte Josef Gidemauu vou Lutterbach Bezi. Mülhausen i. E. wagte sich mit seinem Pferde zu weit in den Fluß. Plötzlich warf das Pferd den Reiter ab uud dieser, der des Schwimmens nicht kundig lvar, ertrank vor den Augen seiner Kameraden, die sich selbst nur mit Mühe retten konnte». Die Leiche ist noch nicht geborgen.

st Süssen, 25. Juni. Die 53 Jahre alte Bauers- Witwe Wiedemcnrn wurde von einem beladenen Hen- wagen überfahren und gelötet.

!! Ulm, 25. Juni. Neber den gestern kurz gemeldeten Mord erfahren wir noch folgendes: Der Erschossene ist der 50 Jahre alte Giuseppe Romauescv, der bei dein Kanalbau beschäftigt war. Als Täter kommt der Artillerist Eugen Bäßier von der 5. Batterie des Feldaxtillerieregiments Nr. 29 in Ludwigs bürg, in Betracht. Bäßler war von seinem Truppenteil desertiert und wohnte in Söflingen unter falschem Namen.

Z Mbrrach, 25. Juni. In Grumbachhof ist der Mau rer ge Hilfe Anton Maier von einem Ge­rüst gestürzt: er brach das Genick.

st Von der badischen Grenze, 25. Juni. Durch Hagelschlag, der in Verbindung mit einem in der Nacht zum Montag inedergegangeneri furcht­baren Gewitter erfolgte, wurde in Waldkirch und verschiedenen benachbarten Orten schwere r Scha­den angerichtet. Der Hagelschlag war derart furcht­bar, daß die Bewohner entsetzt aus ihren Wohn­ungen stürzten, da sie fürchteten, daß der Ha­gel die Dächer emschlage. Die Gartengemüse sind vollständig vernichtet und auch sonst ist der Scha­den außerordentlich groß.

Die Landeswasserversorgung.

st Stuttgart, 25. Juni. Der Finanzausschuß der Zweiten Kammer beschäftigte sich heute nach Schluß der Kammersitzung mit dem Entwurf eines Gesetzes betr. die Landeswasserversorgung, der Ma­die Herstellung einer Wasserversorgungsanlage in der Langenauer Donanniederung für eine größere Anzahl von Gemeinden des Landes >4,5 Millionen vorsieht, durch Ausnahme eines Staatsanlehens, wo-

Mirung reines xianoetsnatqes unv der Plantagen in Eotto Rica übernehmen und dafür ein Drittel des Gewinnes erhallen soll. Nach der Flucht Ihres Vaters hatte ich Oldenpurg bewogen, die Stanuuanteile der Plantagen- gejellschaft alle zu erwerben, damit die Gesellschafter keinen Verlust erlitten.- Was ihm mit Recht als ein Akt von Hochherzigkeit von den Verkäufern angerechnet wurde, wandelte sich später in ein gutes Geschäft, denn dis Plan­tage!! brachten uuerwartet hohe Erträge. Oldenpurg ge­hörte zu den dankbaren Naturen, und schon vor seinem Ableben sicherte er mir ein Drittel der überseeischen Be­sitzungen als Eigentum zu. Der Sohn und Schwiegersohn des Verstorbenen, mit denen ich soeben eine lange Unter­redung hatte, sind mit den testamentarischen Verfügungen einverstanden, und lassen mir betreffs aller Unternehmungen der Firma volle Freiheit der Entschließung. Gleichwohl schmerzt mich der Verlust des grundgütigen Mannes sehr."

Daß er sein Vertrauen keinem Würdigeren schenken konnte, als Ihnen, dafür habe ich Beweise erhalten." Kaum hatte Melita diesen Ausspruch getan, so geriet sie in Verlegenheit, und sagte sich: Wie durftest du ihn an die schwerste Stunde seines Lebens erinnern!

Fries erriet ihren Selbstvorwurf und sagte:Ich dars wohl annehmen, daß Sie mein Verhalten betreffs der Rettung Ihres unglücklichen Vaters heute milder beurreilen als damals?"

Sie streckte ihm zaghaft die Hand entgegen und erwiderte mit halberstickter Stimme:Die schrecklichen Er­eignisse haben es gerechtfertigt. Verzeihen Sie meine kindische Forderung. Ich war damals noch so jung und weltfremd-"

In seinem Herzen wallte das Liebesgesühl heiß aus und ihre Hand ergreifend, sagte er leise:Ich sah in Ihren flehenden Augen nur das Feuer der Kindesliebe."

Nun verstärkten sich in ihr Verwirrung und Rührung derart, daß ihre Augen sich mit Tränen füllten. Als eben der erwartete Wagen in ihrer Nähe anhielt, atmete sie erleichtert auf und ries baüia- Auf Wmd-rs-Konl"

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