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1877.

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IßU. 148 »«-gäbe l» Alte»steig-Stadt.

Douuerstag, de« 2V. Juni.

Amtsblatt fSr Pfalrgrafenweiler.

Infolge der Fortdauer des türkisch-italienischei, Krieges, zu dessen baldiger Beendigung keiner der beiden beteiligten Staaten trotz eingetretzner Ebbe in den Staatskassen Neigung verspürt, infolge der Marokkovorgänge sowie der offen zu Tage treten­den Bestrebungen Frankreichs u. Englands wird die internationale Lage im gegenwärtigen Sommer für nicht minder gespannt angesehen als im bergan genen. Man empfindet überall eine unnatürliche Spannung der Lage und befürchtet eine plötzliche und scharfe Entladung. Dieser Besorgnis wird neuerdings von amtlichen und halbamtlichen Stet len entgegengetreten und für die Zuversicht Pro paganda gemacht, daß sich altes wieder zum gu ten wenden wird, so daß unser wirtschaftliches Le ben sich durch die Sorge vor kriegerischen Berank telungen nicht einschüchtern zu lassen brauche, sich vielmehr mit voller Kraft betätigen und entfalten könnte. Leider beruht diese Ermutigung im we­sentlichen noch aus Worten und tröstlichen Ver­sicherungen: aber in der jetzt feststehenden Begeg­nung unseres Kaisers mit dem Zaren ist doch auch schon eine positive Tatsache enthalten, die als eine Friedensbürgschaft begrüßt werden darf. So lange gute Beziehungen zwischen Deutschland und Rußland^ bestehen, ans deren Erhaltung niemand höheren Wert legte als der erste deutsche Reichs kanzler Fürst Bismarck, so lange darf man auch ans die Möglichkeit der Wahrung des europäischen Friedens bauen.

An Kriegstreibereien fehlt es auch in diesem Sommer nicht. Es sind bekannte Kräfte unaus­gesetzt am Werke, Italien vom Dreibünde abzn- ziehen, um die anscheinend etwas brüchig ge­wordene russisch-englisch-französische Tripleentente durch die Ausnahme eines vierten Bundesgenossen zu befestigen und Deutschland zu isolieren. Und wenn soeben wieder sogar ein früherer italieni scher Minister, der jetzige Abgeordnete Marini be­hauptete, Deutschland und Oesterreich-Ungarn hat ten in Rom Vorstellungen gegen die Besetzung weiterer türkischer Inseln in der Aegäis oder von Teilen der europäischen Türkei erhoben, da eine solche Besetzung gegen die Bestimmungen des Drei- bandvertrages vepstoße, 'so sieht man an oleier frei erfundenen Behauptung, wie weit Italien den Lockungen seiner neuen Freunde entgegentommck Die verantwortlichen Regierungsstellen in Nom wis­sen zwar besser, was Italien seiner Zugehörig keit zum Dreibünde verdankt, und hüten sich, mit ihm zu brechen. Das hat dieser Tage der Mi­nisterpräsident Giolitti, der als dreibundsrennü- licher Mann bekannt ist, dein Vertreter eines deut­schen Blattes erneut bekundet, und wir dürfen seinen Darlegungen vertrauen. Selbstloser und loyaler als Deutschland hat keine andere 'Macht während des Krieges um Tripolis sich verhalten,'.

Rußland hätte, wie aus mancherlei Anzeichen hervorgeht, gern die Kriegsverwicklung wahrgenom- men, um alte Wünsche zu Verwirklichen und be sonoers die für seinen Handel wie für die Attions Fähigkeit seiner Schwarzen Meer-Flotte so unge­heuer wichtigen Dardanellen in seinen Besitz zu bringen. Aber dieses Verlangen stieß gerade auf den entschiedensten Widerstand Englands und Frank reichs, so daß nicht nur seine Ausführung unter­blieb, sondern auch das Verhältnis Rußlands zu den beiden genannten Mächten getrübt wurde. In Petersburg hat man erfahren, daß zwischen Ruß land und Enland die stärksten Reibungsflächen be­stehen, und daß die viel gefeierte Freundschaft zwischen beiden Ländern nur geringen praktischen Wert hat. Es ist wohl auch kein Zufall, daß gerade jetzt von einer englisch-türkischen Verstau digung in der Bagdadbahn-Fratze die Rede ist.

Diese Erfahrungen haben in Petersburg offen­bar zu dem Entschlüsse einer Begegnung des Za­ren und des Kaisers Wilhelm mitgewirkt. Sie haben auch den Anlaß dazu geboten, der Zusam- menmnft eine über, den Rahmen einer bloßen per »on lichen Begegnung weit hin ausgehende politische

Bedeutung zu verleihen. Wenn sich in der Be­gleitung unseres Kaisers der Reichskanzler und in der des Zaren "der Ministerpräsident Kokowzew be­findet. so zeigt das ohne weiteres, daß eine Er­örterung der allgemeinen Politik in den Finni­schen Schären vorgenommen werden soll. Man weiß auch vorher, daß diese Erörterung zu einem Einvernehmen führen wird; denn wäre dies nicht im voraus gesichert, dann wäre die Begegnung entweder ganz unterblieben oder doch nicht nach außen hin als ein hochpolitisches Ereignis gekenn­zeichnet worden. Eine offene und freundschaftliche Stellungnahme Rußlands zu Deutschlands verur­teilt die beiden westlichen Staaten dem Deutschen Reiche gegenüber zur Ohnmacht und zur Ein­stellung der Isoliernngsversuche. Wir werden dann endlich Ruhe bekommen, oder doch gehässige Un­terstellungen und Putschversuche mit noch größerer Gelassenheit behandeln können als bisher. Der offizielle Besnchsaustansch in den Finnischen Schä­ren wird in jedem Falle Oel in die hochgehenden Wogen des englischen und französischen Chauvinis­mus und der ewigen Revanche oder Neidansbrnche beider Völker gießen und somit den europäischen Frieden befestigen, der das höchste Gut der Völker ist und bleibt.

Tagrs-Rundschau.

Tie Kieler Woche,

die am Dienstag offiziell ihren Anfang genom­men hat, hat in diesem Jahre der Seestadt Kiel einen gewaltigen Fremdenverkehr gebracht. Die An­meldung der Segeljachten mar noch nie so groß, und die Zahl der festlichen Ereignisse wird noch vermehrt durch die Flngwoche, auf der der Fern slngslieger Helmut Hirth die deutsche Aviatik wie­der zu hohen Ehren gebracht hat, und durch das 2SjLhrige Jubiläum des Kaiserlichen Jachtklubs. Nicht weniger als 10 Nationen werben ihre besten Segler in den Kampf um die wertvollen Preise senden. Wie in früheren Jahren werden auch Heuer der Kaiser, der Kornprinz und die Prinzen Heinrich, Eitel Friedrich und Adalbert persönlich an dem friedlichen Wettkampf teilnehmen, und zwar ist der Kaiser bereits am gestrigen Mittwoch in Kiel eingetroffen. Natürlich wird er wieder zahlreiche fremdländische Gäste bei sich sehen, darunter einige amerikanischeungekrönte Könige", wie die Millionäre Armour und Vanderbilt, die der Mo­narch schon wiederholt, so vor Korfu und ans den Nordlandsreisen, durch seine Gastfreundschaft ausgezeichnet hat. Hat unserMoltke" schon drü­ben jenseits des großen Teiches viele Bewunderer gefunden, wie müssen dann die Fremden aufschanen, die jetzt im Kieler Hafen das Nordsee und Ost seegeschwader vereinigt vorsinden. s

Ein Trinkspruch des Kaisers.

Bei einem Diner an Bord des Dampfers der Hamburg-Amerika-LinieViktoria Luise" antwor­tete des Kaiser auf eine Rede des Hamburger Bürgermeister Dr. Burchard mit einem 'Trinkfprn'ch, in dem er u. a. folgende bemerkenswerte Ausführ nagen machte: Wir ersahen ans der Skizze, die Eure Magnificenz entworfen haben, wie doch in allen Jahrhunderten die Geschichte unseres Reiches und Volkes, obwohl im allgemeinen eines kontinen taten, doch immerhin mit dem Meere und dem Wasser in Verbindung gestanden hat und niehr oder weniger davon beeinflußt gewesen ist. Bloß, wie hervorgehoben, fehlte es an der Zusammen­fassung der Kräfte. Die ebenso interessant, wie schöne und eine zeitlang gewaltige Blüte der Han sa mnßte vergehen, weil der Rückhall der kai­serlichen Reichsgewalt fehlte. Durch die Schöpf nng des Reiches unter meinem Großvater ist es anders geworden und nunmehr kann der deutsche Kaufmann nicht unter fremder, sondern unter eige­ner Flagge ruhig seinen Wetz ziehen. Er kann alle seine Fähigkeiten anspannen und ist sicher, daß,

wo es nötig ist, des Reiches Schutz hinter .ihm steht. Das ist nur möglich, wenn alle Kräfte un­ser unserer deutschen Flagge zusammengefaßt wer­den, aber, wie Sie alle wissen meine Herren, die Flagge muß in Ehren wehen und es darf nicht le.ickit'srnnig ihr Tuch in den Winden entfal­tet werden und nicht leichtsinnig darf sie anfge- pslanzt werden, wo man nicht sicher ist, sie ver­teidigen zu können. Sie werden es verstehen, war­um ' ich Zurückhaltung geübt h abe ,in der Ausbreitung der deutschen Flagge, wo sie viel­leicht von manchem gewünscht und ersehnt wag. Ich habe mich von einem .alten hanseatischen Grundsatz leiten 'lassen und der steht in markigen Lettern am Rathaus zu Lübeck:Das Fähnlein ist leicht an die Stangen gebunden, aber es kostet viel, es mit Ehren wieder hierunterzuholen". Nun meine Herren, ich glaube das wohl vindizieren zn rönnen, daß bisher' der Ehre unserer Flagge noch niemand zu nahe getreten ist, solange wie ich regiere. Dafür kann ich mich ein setzen und dafür kann ich stehen. Da wo Sie vorangehen, da wird meine Flagge Ihnen folgen.

Freiherr von Marschall in London.

Der neue deutsche Botschafter Freiherr von Marschall hat seinen Posten in London soeben «n- getrcten. Die Ankunft des Botschafters war ein Ereignis. Die Londoner Blätter, die dem Ankömm­ling ein Heer von Reportern nicht nur, sondern auch von Photographen entgegengeschickt hatten, meldeten, daß die Sonne symbolisch die diploma­tische Mission des neuen deutschen Botschafters an- gekündigt hätte, indem sie gerade beim Landen des DampfersKopenhagen" in Harrich, als der Bot­schafter englischen Boden betrat, zum ersten Male strahlend aus den bis dahin finsterdrohenden Stnrmwolken brach. Wollen wir sehen, wie sich die Beziehungen zwischen England und Deutschland unter dem neuen Botschafter, dessen Ernennung so viel Aussehen in der politischen Welt hervor- gernsen hat, gestalten.

Ter Rationaltonvent in Chikago.

Die 1076 Delegierten der republikanischen Par­tei sind in Chikago zu ihrem Nationalkonvent ver­sammelt, der die Aufstellung des republikanischen Präsidentschaftskandidaten für die am 5. No­vember stattsindende Präsidentenwahl vorzunehmen hat. Nie zuvor war die Erregung so groß wie. jetzt. Denn bisher bestand über den zu nomi­nierenden republikanischen Kandidaten innerhalb der Partei jederzeit Einigkeit und es bekämpften sich nur Rupublikaner und Demokraten. Diesmal jedoch geht der Kampf um die feindlichen Freunde Roosevelt und Taft, der voraussichtlich mit einer vorübergehenden Sprengung der Partei und der Niederlage ihrer Kandidaten endigen wird.

Wurttembergischer Landtag.

Stuttgart, 19. Juni.

In der heutigen Beratung lehnte die Zweite- Kammer einen sozialdemokratischen Antrag Keil ab, die K. Staatsregiernng zu ersuchen, mit den in Betracht kommenden Bundesstaaten Verhandlungen! über die gemeinsame und .gleichzeitige Aushebung der Gesandtschaften anzubahnen. Der Finanzaus­schuß hatte Ablehnung beantragt. Als Referent begründete Abg. Dr. v. Kiene den Standpunkt des Finanzausschusses des. Näheren. Ministerpräsident Dr. v. Weizsäcker legte ausführlich- die Notwendig- keck dar, die Gesandtschaften in Berlin und Mün­chen mit ihrem geringen Kostenpunkt aufrecht zu erhalten, da sie schlechterdings, wie er im Fi­nanzausschuß schon des Näheren und diskret be­gründet habe, unentbehrlich seien. Keil (Soz.) wies darauf hin, daß hervorragende Politiker den di­plomatischen Verkehr zwischen den Großmächten überhaupt als nicht notwendig, ja soggr, wie der Freisinnige Theodor Barth, als gefährlich bezeichn