Bom ungarischen Abgeordnetenhaus._
fs Budapest, 11. Juni. Bei der Verhandlung über Revision der Hausordnung ergriff Präsident Graf Tisza von seinem Abgeordnetensitze aus das Wort und führte aus: Die Obstruktion ist ein chronisches Uebe! geworden, das nur durch eine gründliche, wenn auch schmerzliche Operation geheilt werden kann. Der Organismus der Nation muß einen Reinigungsprozeß durchmachen, um wieder die Voraussetzungen zu einer gesunden und friedlichen parlamentarischen Wirksamkeit zu erlangen. In diesem feierlichen Augenblick meiner öffentlichen Tätigkeit sei es mir gestattet, darauf hinzuweisen, daß seit meinem Eintritt in das parlamentarische Leben ich mich mit der Bekämpfung der parlamentarischen Anarchie besaßt habe. Für die Lösung dieses großen Problems habe ich indem gegenwärtigen Kampfe gegen die Obstruktion meine Person eingesetzt. Gegen das Urteil der Opposition werfe ich mein ganzes in ZOjähriger ehrlicher Arbeit erworbenes moralisches Kapital in die Wagschale. (Unter begeistertem Beifall erheben sich die Abgeordneten von ihren Sitzen.) Dieser Umstand enthebt mich der Notwendigkeit, gegen den Vorwurf persönlichen Ehrgeizes und der Herrschsucht mich zu verteidigen. (Zuruf: Ein Schurke, der dies behauptet.) Präsident Gras Tisza, abwehrend: Nicht ein Schurke, sondern nur ein Irrender. Auch der Haß führt mich nicht. Durch die Gnade Gottes hat sehr viel Liebe und sehr wenig Haß in meinen: Herzen Raum. Als ich bei dem vor Jahren unternommenen Versuch der Ntederringung der Obstruktion meine warnende Stimme erhoben habe, da verhallte mein Wort, erfolglos. In diesem großen Augenlick erhebe ich von neuem meine Stimme. Möge die Nation mich hören, ehe es zu spät ist. (Begeisterter Beifall.) Die mit großer Wärme vorgetragene Rede machte einen riefen Eindruck auf die Abgeordneten. Die Revision der Hausordnung wurde in namentlicher Abstimmung angenommen.
ss Budapest, ll. Juni. Das Abgeordnetenhaus hat sich für eine Woü)e vertagt, lieber die Wehrvorlags wird am Sonnabend im Magnatenhaus verhandelt werden.
Graf Wotff-Metternichs Abschied.
js Loads«, 11. Juni. In einer Abschiedsadreffe, die heute dem scheidenden Botschafter Grafen Wolfs-Metternich in der Botschaft durch eine Deputation der deutsch englischen Freundschaftsgefellschast und der Kirchenräte überreicht wurde, wird dem Botschafter der Dank dafür ausgesprochen, daß er ununterbrochen, solange er seinen Posten in London begleitet habe, die freundschaftlichen Beziehungen zwischen den beiden Ländern aufrecht erhalten habe. Die Adresse weist auch auf die Bande der Verwandtschaft und der Tradition hin, die Deutschland mit England verbinden. Graf Wolfs-Metternich dankte der Deputation für diesen Beweis der Freundschaft und fügte hinzu, doß er dankbar die Erinnerung an die ihm vom britischen Volke erwiesenen Freundlichkeiten mit nach Deutschland nehmen werde.
js London, 11. Juni. Der scheidende deutsche Botschafter Graf Wolfs-Metternich war heute Lei den Majestäten im Buckingham-Palast zum Frühstück geladen.
Tie italienischen Verluste.
* Rom, ! 1. Juni. Nach Mitteilungen des Kriegsministe rirmrs sind bis jetzt auf den Schlachtfeldern oder infolge von Verwundungen wählend des türkisch-italienischen Krieges 57 Offiziere. 588 Soldaten gestorben. Die vermißten 2 Offiziere nnd 325 Mann, die größtenteils dem elften Bersagliere-Regiment angehören und seit dem 2?7. Oktober 1911, dem Tag des Gefechtes bei Schara-Schat, nicht mehr gesehen wurden, sind hierin nicht einbegriffen.
Meüias Herz pochte heftig. Mehr als dreitausend Mark für voraussichtlich leicht zu erfüllende Pflichten, dazu der Aufenthalt in einem reichen Hause, das bedeutete für sie eine unwiderstehliche Verlockung und einen glücklichen Umschlag ihres Geschickes. Völlig überwältigt und aus der Fassung gebracht, starrte sie den Lord an, und ihr« Augen wurden feucht. Nach einer Weile erst stotterte sie
»Ist-ist das ernst gemeint?"
Der Lord konnte ein Auslachen kaum unterdrücken.
"Verzeihen Sie. Miß Wismar, daß ich Ihre Frage komisch finde. Wer James Proctor kennt der weiß, daß er m geschäftlichen Dingen keinen Spaß versteht. Mir ist in dieser Angelegenheit die Rolle des ehrlichen Maklers zugefallen, und nach den Erkundigungen zu urteilen, die ich eingezoge» habe, muß ich annehmen, daß sich meine Schwiegereltern Ihrer Einwilligung freuen könnten."
„Aber die Höhe des Jahresgehalts läßt mich fürchten, »atz ich ihren Ansprüchen kaum genügen kann."
„Unbesorgt! Das Iahresgehalt ist in Proctors Augen eine Bagatelle. Was Ihre Stellung betrifft, so darf ich Ihnen allerdings nicht verhehlen, daß meine kleine Schwägerin das verzogene Kind einer schwachen Mutter rst und daß Ihnen Kämpfe im Hause der Proctors schwerlich erspar: bleiben. Ich bin noch nicht lange ge- nug verheiratet, um die Elter» meiner Frau gerecht oeurteiien zu können, aber ich hörte, daß Sie auch bei den Stanfords nicht ans Nasen gebettet sind. Unser Leben - Kampf gestellt, und es bleibt uns schließlich der
m Macbeth enthaltene Trost: „Komme, was kommen mag, dre Stunde rinnt auch durch den rauhesten Tag." — Ich rann Ihnen nur raten, mutig .ruzugreifen. Sollten Sie semals in eine bedrängte Lage geraten, so bin ich gern bereit. Ihnen zu raten und — wenn es möglich ist — auch zu helfen."
Melita hatte viel von ihrer Arglosigkeit eingebüßt, oarum erweckte das freundliche Anerbieten des Fremden ihr Mißtrauen.
«Ich weiß kaum Mylord, welchem Umstande sich Ihr
BrrMfchte-.
H Aufhebung des „freien Pürfch". Am 14. Juni 1807 hob König Friedrich die „freie Pürfch" im ganzen Lcurde ans.
8 In 16 Minute» 36 Sekunden den Weg um die Erde gemacht Hai ein Telegramm der New Yorker Zeitung „Times". Das Telegjramm, das den Wortlaut hatte: „Schickt dieses Telegramm um die Welt. Times in Newhork" war von 17 Telegra phenstationen weitergegleben und hatte 28 163 geographische Meilen zurüchgielegt.
Ter „See der Toten" in Mgeria.
Amaury Talbot, Distriktskommisfar von Süd- Nigeria, hat, begleitet von seiner Frau, eine zwei jährige Forschrmgssreife unternommen, die ihn aus weite Strecken hin durch niemals von einem Regier» ng'sde amten betretenen Gegend führte. Zum er stenmalk wird mm aus Grund dieser Studien ein anthropologischer, botanischer und zum Teil auch geographischer und zoologischer Bericht über ein Gebiet geliefert, das sich! fast ununterbrochen vom Golf von Guinea bis nach Zentralafrika erstreckt. Einem englischen Korrespondenten hat Talbot von seinen Erfahrungen im südnigerischen Busch, „der Heimat der Zauberei", erzählt: „Der Busch mit seinem dcimmrigen, grünen Zwielicht, feinen schweren Schatten und den zitternden Lichtreflexen ist bevölkert von vielen Schrecken, aber unter die sen steht „Ojje", d. h. Zauberei zweifellos obenan^ Der Vogel, -er sich in die Luft aufschwingt, der Käfer, der bei Nacht um dich herumkriecht, die kleinen Buschtiere, die deinen Pfad auf der Jagd kreuzen, alle stehen sie in einem geheimen Zusammenhang mit Hexenkunst und Geistermacht: ja jie sind wohl gar selbst verkleidete Geister, die da kommen, um dich zu quälen und zu bedrohest. So ist der Eingeborene stets umgeben vom Schrek- len der Zauberei, und seine Angst nimmt so riesige Dimensionen an, daß sie manchmal wie eine Epidemie ein ganzes Dorf befällt. Wer in den Verdacht der Hexerei gerat, kann sich davon nur durch eine Art Gottesgericht befreien. Die gebräuchlichste dieser Proben ist das Essen von Eserin. einer Giftbohne, die fast stets den Tod der verdächtigen Personen herbeiführt. Die Proben mit heißem Oel, das auf die Handflächen gegossen wird, und von Pfefferkörnern, die in die Augen gestreut werden, find schon weniger gefürchtet, nicht nur weil sie keinen tätlichen Ausgang! herbeisüh ren, sondern auch weil die Qualen weniger groß sind, als die, die das Gift verursachst" Eine der wichtigsten Entdeckungen, die Talbot machte, war 4>ie Auffindung des „Sees der Toten" inr Obau 'Gebiet, der das Zentrum des ganzen nigerifchen Zauberglauüens darstellt. „In vielen Stammes gefaug-eu", erzählt Talbot, „begegnet der Name die ses Sees, aber lange Zeit konnte ich! nicht ein mal die Bedeutung des Wortes ausfindig machen Pud noch weniger erfahren, wo der Orr liegt'. Endlich nach, langem Fragen und Suchen, führte Man mich bis in die Nähe der heiligsten Stellst Mach einem heißen Kampf mit dem dichtesten Busch konnten wir den Rand eines Seeufers erkennen, und dann bemerkten wir, daß das Ufer von Kro kodilen bevölkert war. Die Szene, die sich auftat, war gespenstisch und schauerlich. Um den Spie gel des regungslosen Sees schlossen sich wie ein kann: durchdringlicher Rahmen zehn Fuß hohe
uveraus nevenswuroiges Entgegenkommen zu Sanken habe? Es überrascht mich."
Melitas Frage verwirrte den Lord, und ein flüchtiges Erröten ging über sein bräunliches Gesicht. Nach kurzem Besinnen aber erwiderte er mit einem treuherzigen Aufblick seiner grauen Augen:
„Nun, es sei offen eingestanden, daß mich die selbstsüchtige Absicht bei dem Wunsche leitet, Sie möchten die Sympathie, die Ihre Persönlichkeit in mir erweckt hat, ein wenig erwidern. Mir ist nämlich daran gelegen, daß die kleine Edith nicht nur eine tüchtige Erzieherin erhält, sondern daß auch zwischen mir nnd meinen Schwiegereltern eine Dame steht, auf die ich bei kleinen Konflikten, die ja selbst in den besten Familien schwer zu vermeiden sind, wie auf eine Freundin zählen kann."
„Ihr Vertrauen soll nicht getäuscht werden." — Sie reichte ihm in dankbarer Erregung die Hand. Gleich darauf aber trat ein sorgenvoller Zug in ihr glückstrahlendes Gesicht.
„O weh! Mir scheint, wir haben die Rechnung ohne den Wirt gemacht, Dr. Stanford! — Wie komme ich los von ihm?"
„Das lassen Sie meine Sorge sein. Er hat bei der Begründung seiner Anstalt wiederholt die Unterstützung meines Schwiegervaters in Anspruch genommen und wird sich leicht bereit finden lassen, seinem Protektor gefällig zu sein. So darf ich Sie gleich als neue Hausgenossin begrüßen. Zu Ihrer Orientierung will ich bemerken, daß ich seit zwei Monaten mit der älteren der beiden Tochter von James Proctor verheiratet und Marineoffizier bin. Nach fünf Wochen gehe ich mit Alice, meiner jungen Frau, nach London, wo ich in die Marineverwaltung eintrete. Meine Schwiegereltern verbringen den Winter in Southampton. Inr nächsten Sommer aber finden sich die Procrors und Leighs wieder in Hillcastle zusammen, das Ihnen ja wohl bekannt fein wird?"
„So weit ein Blick über die Mauer reicht." bemerkte sie mit sonnigem Lächeln.
Büsche zusammen, die ihre Zweige wie schützend weit über das dunkle, dumpfe Gewässer legierst Der Platz ist ein Heiligtum, bis zu dem kein Jäger vorzudringen wagt und in dem deshalb alle Tiere von den unzähligen Bäumfröschen bis zu den riesigen Krokodilen vollkommenen Schutz genießen. Als wir näher herandrangen, kräuselten' sich leise Wellen von kleinen Fischen : gewaltige Riesenschlangen raschelten durch das Laub. Jede Störung dieser geweihten Ruhe hat nach, dem Glauben der Wilden Hungersnöte und schwere Krankheiten zur Folge, denn hier versammeln sich nachts die Geister der Toten und über dem trüben Wasserspiegel schlingen sie ihren grausigen Reigen, wilde Verwünschungen ausstoßend gegen das Geschlecht der Lebenden. Schon im hellen Sonnenlicht hat der Ort etwas Gespenstisches, und mau kann sich leicht Vörstetten, daß um Mitternacht, wenn die weißen Nebel schattenhaft-unheimlich im Moudlicht leuchten, Leute, die die Angst vor dem Zauber des Busches in ihrem Blute tragen, lieber beim HerdfeMr zusammensitzen, als diesen Ver- sammlungsplcch der Geister aufsuchen, die hier Unheil und Verderben brüten. .
Handel nnd BerteHr.
* Nagold, 11 . Juni. Auf dem gestrige» Vieh markt waren zugcsührt: 19 Paar Ochsen, 141 Kühe, 65 Kälber und 78 Stück Schmalvieh. Verkauft wurden: 11 Paar Ochsen, 61 Kühe, 44 Kälber und 46 Stück Schmalvieh. — Aus dem Schweinemarkt waren zugeführt : 94 St. Läuserschweine und 117 Stück Milchschweine. Der Preis pro Paar Läuferschweine betrug 55—133 M. und pro Paar Milchschweine 38—60 M.
Freudenstadt, 10. Juni. Bei dem am 8. Juni d. I. abgehaltenen Beigholz verkauf des K. Forstamts Stein- wald wurde bezahlt für den Raummeter buch. Scheiter 7.63 M., do. Prügel 6.H8 M., do. Anbruch 6.47 M., Nadelholz Prügel 6.16 M., do. Anbruch 4.34 M., Ta. Rinde 3.88 M., Nadelholz Reisprüge! 2 86 M. Der Gesamterlös belief sich bei einem Ausbot von 3855 M. auf 3878.50 M. — 101 " o der Taxpreise.
U Ttnttgart, 11. Juni. (Schlachtviehmarkt.) Zugetriedre: 243 Großvieh, 274 Kälber, 923 Schweine.
Erlös aus */, Kilo Schlachtgewicht: Ochsen 1. Qua!, n) ausgemästete von 100 bis 106 Pfg., 2. Qual, d) fleischig« und ältere von —bis — Pfg.; Bullen (Farren) 1. Qnal. ») vollfleischige, von 92 bis 96 Pfg., 2. Qualität d) älter« und weniger fleischige von 87 bis 92 Pfg., Stiere und Jungrinderl. Qual.») ausgemästete von 102 bis 106 Hs„ 2. Qualität d) fleischige von 99 bis 102 Pfg., 3. Qualttät c) geringere von 92 bis 98 Psg.; Kühe 1. Qual. ») jung» gemästete von — bis — Pfg., 2. Qualität b) Llt«i gemästete von 68 bis 78 Pfg., 3. Qualität o) geringe« von 48 bis 58 Pfg., Kälber: 1. Qualität») beste Saugkälber von 114 Äs 118 Pfg. 2. Qualität d) gute Saug- kälber von 107 bis 113 Pfg. 3. Qalität o) geringere Saugkälber von 98 bis 106 Pfg-, Schweine 1. Qual. ») jung» fleischige 73 bis 78 Pfg., 3. Qualität d) jüngere fette von 78 bis 76 Pfg., 3. Qualität «) geringere von 70 bis 72 Psg.
Voraussichtliches Wetter
am Donnerstag, 13. Juni: Vorherrschend bewölkt, einzelne Gewitterregen, mäßige Abkühlung.
Verantwortlicher Rrdaktcm: L. Lauk, Lltrnftttz.
Druck u. Bert« der W. Rieker'scheu Buckdruckerri, L. Last, Mtor» et-.
„Es ist ein stiller, behaglicher Landsitz, und ich hoffe, daß Sie sich bald darin heimisch finden werden. Auf Wiederlehen! Ich gehe jetzt zu den Stanfords."
Was Lord Leigh vorher gesagt, erfüllte sich zu Melitas großer Freude schon eine Stunde später. Dr. Stauford ließ sie in die Cottage rufen und eröffnet« ihr mit einer Freundlichkeit, die zur Verdeckung seines Aergers nicht ganz ausreichte, daß er der Bitte Lord Leighs nachgeven und sie ihrer weiteren Verpflichtungen entbinden wolle. Es erfülle ihn mit stolzer Genugtuung, daß sie sich das Rüstzeug zu ihrem erzieherischen Perus in seiner Anstalt erworben habe und erwartete, daß sie im Hause Proctors, und wohin ihr Berus sie immer führe, der Segnungen gedenke, die von seinem stillen, aber Menschen freundlichen Wirken ausgehe.
Melita war zu sehr vom Glücksgefühl beherrscht, als daß sie der salbungsvollen Rede die gebührende Beachtung hätte schenken könne». Mit konventionelle» Höflichkeit verabschiedere sie sich von dem Ehepaar, da» ihr eine Zufluchtsstätte nur in gewinnsüchtiger Absicht gewährt hatte.
Nach ihrer Uebersiedluna fühlte sie sich in eine ihrem Vaterhause ähnliche Umgebung versetzt. Freilich war das Schlößchen von einem echt englischen Park umgeben mit saftig grünem Rasen, verdämmernden Alleen, kleinen, mit Gaisblatt, Efeu oder Kletterrosen ganz umsponnenen Häusern, Von der Schloßtercasse aus genoß Melita einen entzückenden Ausblick über langgestreckte Senkungen oou Feldern und Wiesen, die von Hecken umsäumt, zum blauen Meer hinreichten. Hier reihten sich Villen, Dörfer, Kirchen und Schlösser bunt und malerisch aneinander, und weit im Norden zeigte sich in veZchwommenen Linien jene Südküste Englands, an der Southampton liest.
Fortsetzung folgt.