Aus den Tanne« :: Sonntagsblatt.

Nr. 22. (4.)

AlLensteig, 27. Januar

Einer Greisin.

Nun bist du grau von Haaren Und still und ernst und mild,

Doch aus dem Aug', dem klaren,

Blickt noch das Mädcheubild.

Ist mit dem Blütenkranzc Die Schönheit auch entschwebst Mir holdem Zauucrßlanze Die Anmut dich umwebt.

Die Rosen aus den Wangen Sind mir dem Lenz verblüht,

In maienschönem Prangen Blühn sie noch im Gemür.

Dich hat ein innig Lieben Im Zeitensturm gefeit,

So ist dir treu geblieben Die holde Kindlichkeit!

Anton König.

Der flotte Prinz.

Von M. Reinhold.

(Fortsetzung.) (Nachdruck verboten.)

Es war elf Uhr vorbei, als Fürst Herbert wie­der seine Gemächer betrat, ersichtlich in der angereg­testen Stimmung. Zur glücklichsten Stunde für s,e selber war Liesbet Hartmann mit dem hohen Herrn zusammengekommen. Für. alles, was den Wohl­stand seines Landes betras, hatte der Fürst einen scharfen Blick, die Kunde von der Existenz eines großen Kali-Lagers, die die junge Dame gemacht hatte, war ihm also äußerst willkommen gewesen. Dann hatten ihre Kenntnisse und die bei aller Be­scheidenheit sichere Haltung ihre Wirksamkeit nicht verfehlt, und endlich, aber nicht am wenigsten, hatte Liesbet's weibliche Anmut das für Frauen­schönheit noch recht verständnisvolle Herz des Für­sten berührt. Er ertappte sich aus Gedanken der Bewunderung, die seine Kinder und deren Gast sehr in Erstaunen gesetzt haben würden, wenn sie eine Ahnung davon gehabt hätten.

Die Mitteilung der Prinzessin Konstanze, daß die Tochter des Fabrikanten Hartmann auf das Herz des Erbprinzen recht bestrickend gewirkt zu haben scheine, hatte ihn angeregt. Er hatte noch lange nicht den Verdruß überwunden, den ihm sein jüngerer Sohn durch seine Liebe zur Gräfin Gertrud Harten­stein und seine Weigerung, die Prinzessin Konstanze zu heiraten, verursacht hatte. Und nun kam diese Affäre des Erbprinzen, der mit seinem ruhigen festen Charakter noch ganz anderen Widerstand lei­sten konnte, wie der Prinz Georg. Und der Fürst konte hier nicht von vornherein einen neuen Bruch herbeisühren, denn was sollte dann aus der Thron­folge im Fürstentum Starkenburg werden? Das war alles zu bedenken!.

Auf seiner Reise zum Jagdschloß Grünselde war Fürst Herbert dahin mit sich einig geworden, zuerst das weibliche Wesen, welches seinen ältesten Sohn gefesselt haben sollte, kennen zu lernen und dann in aller Behutsamkeit die Bande, die sich etwa ange­sponnen haben sollten, zu trennen. Daran hielt er auch jetzt noch fest, aber ganz leicht war es ihm wirk­lich nicht geworden; denn, wie gesagt, die kluge und anmutige Liesbet hatte einen bedeutenden Eindruck auf ihn gemacht. Der Fürst war bis auf diesen Tag ein Gegner von allen Mesalliancen gewesen; heute war zum ersten Male sein seelisches Gleichgewicht erschüttert, wenn er über die Prinzipiensrage nach­dachte. Wäre sein jüngster Sohn Georg vor ihn hin­getreten und hätte um die Hand der junge», Dame gebeten, Fürst Herbert hätte vielleicht ja gesagt,' obwohl nur bürgerliches Blut in ihren Adern floß.

Es klopfte. Auf den Hereinruf betrat der Erb­prinz das Gemach seines Vaters:Verzeihe mir die Störung, Papa, aber da ich Dich noch aus- und abgehen sah, glaubte ich den Versuch wagen zu kön­nen, Dich um eine Unterredung zu bitten."

,Mern!" sagte der Fürst, die Asche von seiner Zigarre streifend,bitte, nimm Platz. Es handelt sich um Fräulein Hartmann, wenn ich recht rate?"

Der Erbprinz stutzte einen Augenblick.Du weißt also, Papa, was meine Gedanken beschäftigt? Nun gut, dann kann ich mich kurz fassen. Ja, Fräu- 'lein Hartmann hat mein Herz gefesselt, und ich möchte ihr meine Hand bieten."

Und Du glaubst, daß ich sofort einwilligen werde?"

Melleicht nicht sofort, Papa! Aber ich habe wohl bemerkt, wie auch Dir die junge Dame heute abend Hochachtung abzugewinnen verstand. Und daraus schöpfte ich das Vertrauen, daß Du mit der Zeit Dich überzeugen wirst, wie mein Lebensglück nich'. vom Range meiner künftigen Braut abhängen wird, sondern von meiner aufrichtige», Zuneigung."

D"r Fürst lächelte.Es freut mich. Herberts daß Du ohne setzet Hehl mit mir sprichst, und auchft daß Du sic G^cge.rbeit nicht ans die lange Bant sckobst."

jDas war nicht gut möglich, Papa. Du hast selbst vernommen, Fräulein Hartmann will bald abreisen. Und da wollte ich Dir und ihr meine Wünsche enthüllen, um die spätere Entscheidung mir zu sichern."

,Herber:, laß uns offen sprechen-" anworrete der Fürst ernst.Du willst Dir die Entscheidung, das heißt die Hand der jungen Dame und meine Einwilligung sichern, bevor sie abreist. Den», dar­aus läuft alles hinaus. Aber die Tatsache, daß Du damit jo eilst, deutet an, daß Du Dich nicht ganz sicher fühlst. Bitte, laß mich noch eine Minute spreche,,, bemerkte er, als der Prinz ausbegehren wollte,dann wirst Du einräumen, daß ich Recht habe I"

Er schwieg einige Sekunden und hob dann von neuem an:Du bist durch. Deine Tätigkeit und Tüchtigkeit der jungen Dame ein sehr interessanter junger Manu: nicht etwa in Deiner Eigenschaft als Erbprinz von Starkenburg. Wen», Du ihr als sol­cher viel gelten würdest, schwiege sie fein von ihrer Abreise. Denn dies kluge Fräulein kann unmöglich die Glu, Deiner Blicke übersehen haben und weiß außerdem aus der Zeitung, daß eine Heirat, wie Du sie in, Auge hast, heute in fürstlichen Familien durchaus keine Seltenheit ist. Die Stellung, die Du iu der Welt einnimmst, lockt sie nicht, davon bin ich überzeugt!"

Das denke auch ich," ries der Erbprinz lebhaft, und ich freue mich, Papa, daß wir in diesem Hauptpunkt mit einander übereinstimmen. Eben deshalb steht Liesbet Hartmaun in meine», Augen so hoch!"

Dächelnd nickte der Fürst.Alles, was Du da sagst, das habe ich zu hören erwartet. Aber nach der Art aller jungen Leute, die ich vollkommen .verstehe, denn auch ich war einmal nicht anders,' wenngleich ich nicht in eurer modernen Zeit lebte,, setzest Du als Tatsache voraus, was Dein Wunsch ist."

Papa!" Wieder fuhr der Prinz aus.

Deine Erregung Hilst Dir nicht im Mindesten etwas, es ist so. Du glaubst- daß unser Bestich. Dir aus wahrer Neigung seine Hand reichen und an Deiner Seite, als Deine Frau sich glücklich fühlen wird?"

Das glaube ich!" versetzte der Prinz fest.

Und das glaube ich nicht," antwortete der Fürst ebenso entschieden.Wenn Fräulein Hartmann Dir wirklich aufrichtige Neigung widmet, sie würde sich als die nicht standesgemäße Gemahlin eines künf­tigen regierenden Fürsten nicht glücklich fühlen. Wer so, wie sie, an ein streng geregeltes Leben giswöhnt ist, der fühlt sich in unseren Kreisen nicht zufrieden. Bei ihrer Energie würde die junge Dame nach einer sie voll befriedigenden Tätigkeit drängen und diese sich auch zu erkämpfen wissen; aber Du selbst wür­dest damit in eine schiefe Stellung gelangen. Das habe ich Dir sagen wollen."

Schweigend wartete er die Antwort seines Soh­nes ab, der mit verschränkten Armen eine ganze Weile vor sich hinstarrte. Endlich warf der Prinz ent­schlossen sein Haupt in den Nacken zurück.Und wenn Du recht hättest in allen Deinen Ausfüh­rungen, es gibt doch ein Mittel, um Liesbet und mir wahres Menschenglück zu sichern."

In den Augen des Fürsten glühte eine Flamme auf; ihn, ahnte, was kommen sollte. Und er hatte sich nicht getäuscht, als er fragte:Das Mittel,, an welches Du denkst, ist ein Verzicht aus die Erb­folge, nicht mahr?"

Das ist es, mein gnädiger Vater!"

Ich glaube, wirst auch mit diesem Mittel keinen Erfolg erzielen, mein Sohn."

Und warum nicht, wenn ich fragen darf?"

,Meil, wie ich schon hörte, Fräulein Hartmann sehr bewandert ist im Lesen eines Privatissimum's über dir Pflichterl. Und dem treu zu bleiben, wozu wir bestimmt sind, ist gewiß auch eine Pflicht. Wenn ich Dir einen Rat geben soll, Herbert, als Vater und als Freund, so lasse der Zeit ihr Recht: Du ersiehst daraus, daß auch ich die junge Dame schätze»,, und ich möchte Dir nicht minder, wie ihr eine Ent­täuschung ersparen. Gute Nacht, mein Sohn, güte Nacht!"

Jahrgang 1S12.

Der Erbprinz wollte diesen Abschiedsworten noch etwas entgegnen, aber er tarn nicht dazu. Diese Herzlichkeit seines Vaters war ihm ungewohnt und er fand auch teine Erwiderung darauf, die stichhaltig gewesen wäre. Er küßte die ihm dargeborene Hand, verbeugte sich tief und schritt zur Tür hinaus.

Der bejahrte Fürst aber saß an seinem Schreib­tische nieder, öffnete das Schreibsach, welches dis Photographie seiner Jugendliebe, der Mutter der? Komtesse Gertrud von Hartenstein, enthielt und be- rracktete sie lange. Dabei stiegen auch die Erinnerungen an seinen jüngsten Sohn Georg- von den: er nun schon Monate drug keine Nachricht er­halten und nach dem zu forschen er zu stolz war, wieder in ihm auf. Und er fühlte, nach dem heutigen' Abend war sein harter Sinn weicher und weicher geworden. Er seufzte. Und in seinem Sinnen und Seufzen klang das eine Wort immer wieder:Ju­gend, Jugend!"

* »

Mil einem Hellen Lachen war Liesbet Hartmann am neuen Morgen in ihren: Schlafzimmer im Jagd­schloß Grünselde ans dem Traum empor gefahren/ der sie geneckt hatte. Die Erinnerung an den doch einigermaßen feierlichen Abend in Gegenwart des Fürsten war verblaßt vor dem drolligen Einfall/ der ihr vom Schlafgott eingegieben war.

Sie sah sich in der Reichstrone zu Schönau, deS Stadt, in der ihres Vaters Fabrik gelegen war. Und durch das große Spiegelsenster neben ihrem Lieb- tingsplatze sah sie die stattliche Wirtin Frau Rosel/ die dem schier de- und wehmütig lauschenden Herrn Direktor Stark" eine wirklich gepfefferte Predigt hielt. Was mochte die Frau Kronenwirtin so auf­gebracht haben? Richtig, da auf der Straße, so zergjt ihr das,Traumgesicht weiter, gingstn zwei flotte!, nette juiltze Mädchen, die nach dem Herrn Sausewind verliebte Blicke warfen, eine Tatsache, die sich aller­dings unter den vielerlei obwaltende»: Umständen nicht paßte. Aber was konnte am Ende der Herr Direktor dafür?

Nun, diese Bilder eines Traumgeftchts ivaren- wie cs ja nicht selten geschieht, viel zu milde von der Traumfee gemalt. In Wahrheit war es dem stillen Schönau mehr stürmisch hergstgangpn, und der Herr Direktor Stark verdiente seine Straf­predigt ganz entschieden. Wenigstens nach dem, was die Leute sagten!

Und das war, daß Herr Stark ertappt worden fein sollte, wie er gerade die Tochter des Bürger«, Meisters hatte entführen wollen. Andere Leute, die das Gras noch genauer wachsen hörten, behaupteten» sogar, der Herr Stark habe nicht nur das Töchter-, lein des Schönauer Stadtoberhauptes bei Nacht und! Nebel in die Ferne bringen wolle»:, sondern auch noch ihre zum Besuch anwesende Pensionsschwester, das Friedentaler Bürgermeisterkind gleich mit. Und die Allerklügsten sagten, Herr Stark sei schon dev reinehalbe Sultan", denn außer diese»: zwei Bräuten hätte er ja noch! eine dritte in der schmucken und lusti­gen Wiener Schauspielerin und eine vierte gar in einer feinen Dame gehabt, zu der er gar in Na«W und Nebel geritten sei. Und das wunderbarste war/ daß trotz aller dieser Anklagen das ganze Weib-» liche Schönau in: stillen doch sagte, man könne Herrn Stark eigentlich nicht böse sein, er sei doch ein zu interessanter und netter Mann!

Wo Rauch! ist, da ist Feuer, und etwas mußte also an der Sache dran sein! Das sagte sich auch Georg's Kollege, der erste Direktor Herr WeiM dem alles Sensationelle über seinen jungen Freund! natürlich brühwarm hinterbracht worden war.

Kollege, Kollege," saAe er mit einem listiges Augenzwinkern und bot ihm eftve Prise an, wen« Sie schon mal solche Abenteuer nicht entbehre«! können, dann lassen sie wenigstens sich» nicht da­bei kriegen. Ganz Schönau ist voll davon!"

Um Georg's Lippen zuckte es. Aber er nahm sich zusammen, den trefflichen Weiß konnte er doch nicht ausziehen. So schüttelte er melancholisch sei­nen Kops und antwortete: ,Es ist die alte Ge­schichte, bester Herr Direktor, ich bin nun einmal zu gut. Ich will das beste, und wenn alles hinterher a:U>ers kommt, dann muß ich den Sündenbock spie­len. Und was soll man Damen gegenüber anders machen? Man muß schweigen. Und nun verur­teilen Sie mich, wenn Sie können!"

Herr Weiß schüttelte erst sein graues Haupt, dann aber mußte er doch wirklich herzlich lachen. .Ihnen sei einer böse; das bringt auch der ärgste Griesgram nicht fertig! Aber heraus mit der Wahr­heit und gestehen Sie, was geschehen ist. Denn wenn der Ehes oder gar Fräulein Liesbet von einer solchen Teufelei in Schönau hören, dann könnte es doch so etwas rvie ein gelindes Donnerwetter geben. Aber was es auch sein mag, was da vassieH!