Gegrüadet
1877.
Die TageSausgabe kostet vierteljährlich im Bezirk Nagold und Nachbarortsverkehr Mk. 1.25
auherhalb Mk. 1.35.
Die Wochenausgabe (Schwarzrvälder Sonntagsdlatt) kostet vierteljährlich 50 Pfg.
cr
I
Wbtatt
( E?
Ferusprechcr Nr. 11.
Anzeigenpreis
bei einmaliger Einrückung 10 Psg. dt« einspaltige Zeile: bei Wiederholungen entsprechender Rabatt,
Reklame cd Pfg« die Textzeile
»» 4 .
Ausgabe tu Altensteig-Stadt.
Montag, drn 4. Dszsmbsr.
Amtsblatt für Pfalrgrafeumeiler
1911.
Amtliches.
Auf Grund der vom 10.—12. Oktober 1911 abgehaltenen Paltoralkonkursprüfung wurde unter andern als befähigt zur Verwaltung eines Pfarramts erklärt: Aid inger, Wilhelm, Vikar in Freudenftadr.
Verbot des Hausierhandels mit Rindvieh, Schafen, Ziegen und Schweinen.
Das durch Verfügung des Ministeriums des Innern vom 27. Februar 1911 (Staatsanzeiger Nr. 48) für das ganze Land bis 30. April d. I. verlängerte Verbot des im Umherziehen erfolgenden Handels mit Rindvieh, Schafen, Ziegen und Schweinen wird im Hinblick auf den gegenwärtigen Stand der Maul- und Klauenseuche bis zum 31. D ez. d s. Js. weiter verlängert.
MW«» M Persien.
Als vor vier Jahren Rußland und England das Abkommen über, eine Teilung Persiens schlossen, leiteten sie den Vertrag mit der gegenseitigen Verpflichtung ein, „die Unabhängigkeit und Integrität des Landes zu achten." Schon damals wurde die Vermutung ausgesprochen, daß der Vertrag, der seinem Wortlaut nach nur ökonomische Interessensphären schuf, die Maskierung einer später folgenden politischen Unterwerfung und Teilung sein werde. Vier Jahre lang haben die beiden „Schutzmächte" ihre Ungeduld gezügelt. Jetzt meint Rußland, ohne daß die englische Regierung ihm entgegentritt, es sei Zeit, das Opfer zur Schlachtbank zu führen. Die Vorgänge der letzten Woche lassen keinen Zweifel mehr darüber, daß Persiens letzte Stunde als selbständiger Staat geschlagen hat, und daß es sich für die Nachkommen der einstigen Weltbezwinger nur noch darum handelt, ob sie freiwillig Rußlands Vasallen werden, oder ob sie dieses Schicksal erst auf sich nehmen wollen, nachdem sie von Rußland mit Waffengewalt nieder- geworsen sein werden. Die persische Regierung, die offenbar das Vergebliche eines Widerstandes gegen den übermächtigen Nachbar in den Vordergrund stellte, war für freiwillige Unterwerfung, aber die Volksvertretung und das Volk, denen die Grenzen ihrer Widerstandskraft weniger deutlich sind, bei denen auch wohl das edle Gefühl der Begeisterung für die bedrohte nationale Freiheit lebendiger ist als in vorsichtigen Ministern, weisen die russischen Ansprüche zurück und Hwreiten sich zum Kampf vor, der zwar nur weuig Hoffnung auf Rettung läßt, aber wenigstens ein Ende mit Ehren verheißt.
Seit Persien ernstlich daran ging, ein Berfas- sungsstaat zu werden, ist es von Rußland unfreundlich behandelt worden. Es ist allerdings begreiflich, daß ihm die Absetzung des gefügigen Mohammed Ali und die Errichtung eines auf die nationale Wiedergeburt gerichteten Regimes unbequem war. Aber es war nicht sehr klug, daß die russischen Behörden ihre üble Laune bei vielen Gelegenheiten zum Ausdruck brachten. Als Mohammed Ali seinen Zug gegen Teheran unternahm, hat zwar die russische Regierung erklären lassen, daß sie an diesem Unternehmen keinen Anteil habe. Tatsache aber ist, daß das Abenteuer von russischem Gebiet aus begann, daß es gar nicht hätte unternommen werden können, wenn die russische Regierung die Absicht gehabt hätte, es zu verhindern, und Tatsache ist auch, daß die russischen Behörden in Persien die Bekämpfung der Rebellen durch ihr Eingreifen zu erschweren fuchten. Jetzt, da die Regierung anfangen könnte, nach Niederwerfung der Rebellion die Kräfte des Landes zu fammeln, hat Rußland einen neuen Streit vom Zaun gebrochen, der nur unter dem Gesichtspunkt verständlich ist, daß es eine Handhabe finden wollte, Persiens Unabhängigkeit auch dem Namen nach zu beseitigen. Der Kernpunkt seiner Forderungen liegt in der Entlassung Morgan Shusters, dessen Bemühungen ans eine Reorganisation der persischen Finanzen gerichtet sind, und in der Verpflichtung Persiens, in Zukunft nur Ausländer als Beamte anzustellen, die in Petersburg und London genehm sind. Es ist klar, daß für eine solche
Forderung auch nicht ein Schein des Rechtes besteht. Persien ist in dem engtischl-russischen Abkommen als unabhängiger Staat behandelt worden. Das ist eine sonderbare Unabhängigkeit, die nicht einmal die Freiheit der Beamtenernennungen gibt. Rußland nimmt Anstoß daran, daß Morgan Shuster in Nord- perjien, also der russischen Interessensphäre, Beamte englischer Nationalität anstellte. Welches der Grund dieser Ernennungen gewesen ist, weiß man nicht. Aber es läßt sich annehmen, daß Morgan Shuster, dem an einer Siärkung der persischen Unabhängigkeit lag, die Ernennung russischer Beamten in dem Lichte des Gleichnisses vom Bock als Gärtner gesehen hat, zumal es sich in dein einen Falle um die Kontrolle von Staatsgeldern gehandelt hat. Jedenfalls liegt von Rechtswegen kein Grund zu einer russischen Beschwerde vor.
Aber Rußland braucht gar leine Sorge zu haben, daß den Persern ein Heiser erstehen wird. Die einzige Macht, die ihm Helsen könnte, wäre England und dieses rät kalt zur Unterwerfung. Die Politik Sir Edward Greys bleibt allerdings mit dieser Haltung dem Geiste des Abkommens trew. Von dem Geist des englischen Liberalismus aber ist in dieser Gutheißung der gewaltsamen russischen Methoden, nichts mehr zu sehen. Der persische Vertrag ist ein Glied in der Kette der Einkrecsnngs- potttlt gegen Deutschland gewechn. Nordpersien war der Preis, den England für die russische Freundschaft bot. Dieser Preis wird nun heute bar gezahlt werden, wogegen allerdings England sich entschädigt, indem es vermutlich von Süden her in Persien eindringt. Rußland aber, der Freund Englands, hat es verstanden, auch mit Deutschland, gegen das eigentlich das persische Abkommen seine Spitze lehrte, zu einer Verständigung zu gelangen, aus der Rußland für sich jetzt die Vorteile zieht, während Deutschlands Gewinn doch erst in einer nicht unbedingt sicheren Zukunft liegen solh England aber, das durch die Vereinbarung mit Deutschland etwas erschreckt worden ist, beeilt sich jetzt, die Gunst Rußlands durch verstärkte Nachgiebigkeit zu erwerben. Ob es in dieser eine Grenze gibt, ist vorläufig nicht zu erkennen. So wird im Grunde die Freiheit Persiens das Ovfer einer unglücklichen Gruppierung der europäischen Mächte und einer verkehrten Politik der britischen Regierung.
Deutscher Reichstag.
Berlin, 2 Dez.
Präsident Graf Schwerin-Löwitz eröffnet die Sitzung um 11.15 Uhr. Auf der Tagesordnung steht zunächst die dritte Lesung des Gesetzentwurfs über die Ausgabe kleiner Aktien. Der Gesetzentwurf wird unverändert gegen die Stimmen der Sozialdemokraten, der Wir schaftlichen Vereinigung und der beiden reichsparteilichen Abgeordneten Dr, Arendt und Brunstermann endgiltig angenommen. Es folgt die Fortsetzung der Beratung des Prcvat- b ea mtenversicherungsgesetzes bei Paragraph 1 25. Der Paragraph wird mit geringfügigen Abänderungen angenommen. Paragraph 135 beschränkt das Wahlrecht auf die männlichen Mitglieder. Abg. Normann (Vpt.) begründet den Antrag seiner Partei, das passive Wahlrecht auch den Frauen zu geben. Ministerialdirektor Caspar: Den Beiräten liegen richterliche Funksionen ob und von der-- artigen Obliegenheiten sind die Frauen auch in der Reichsversicherungsordnung ausgeschlossen. Basser- mann (natl.): In. vielen Zweigen des öffentlichen Lebens, sv in d en Schulkommissionen, haben sich die Frauen durchaus bewährt. Die Ausschließung der Frauen ist hier ungerecht. Abg. Mommsen (Vpt.): Hier handelt es sich um eine Anstalt, die altein aus den Kreisen der Beteiligten erhalten wird, also auch von den Frauen. Der Antrag wird mit geringer Mehrheit abgelehnt. Paragraph 150 enthält den Wahlmodus mit Verhältniswahl. Abg. Schmidt (Soz.) beantragt auch hier die geheime Wahl. Der Antrag wird abgelehnt. Der Rest des dritten Abschnitts (Träger der Versicherung).wird ohne Debatte
angenommen. Der vierte Abschnitt handelt von Schiedsgerichten und Obers chiedsgerichten, die in Paragraph 157 als rechtsprechende Behörde in höherer Instanz vorgesehen sind. Der sozialdemokratische Antrag, als rechtsprechende Behörde die Oberversicherungsämter mid das Reichsversicherungsamt der Reichsversicherungsordnung zu bestellen, wird ahgelehni. Zu Paragraph 161 wird ein Antrag Strombeck (Ztr., angenommen, entgegen der Fassung der Vorlage zu bestimmen, daß sämtliche Mitglieder, also auch der Vorsitzende, nicht zugleich Mitglied des Oberschiedsgerichts sein dürfen. Auf Antrag Schultz (Rpr.) wird ein Paragraph 183a einge- jchoben, der besagt, die Reichsversicherungsanstgkt kann mit Genehmigung des Reichskanzlers längere Zahlungsfristen, ein längeres Zahlungsverfahren und andere Quittungsleistnngen zulassen. Zu Paragraph 184 wird ans Antrag Strombeck (Ztr.) die Strafe für Unterlassung der Markenentwertung auf einen Betrag bis zu 30 Mark festgesetzt. Die fvlgenden Paragraphen, die Einzelheiten über Bei- tragsleistnngen enthalten, werden bis zu Paragraph! 207 ohne Debatte angenommen. Paragraph 208 «Beitragsstreitigkeiteni wird mit einer auf einem Kompromißantrag Schultz (Rp.) berichenden Aende- rrrng angenommen. Unter dem Titel „Ueberwa- chung" besagt eine Bestimmung des Paragraphen 213. daß Geschäftsbücher oder Listen als Belege bei der Ueberwachnng während der Betriebszeit an Ort und Stelle vorzulegen sind. Diese Bestimmung wird auf Antrag Schultz gestrichen. Ohne jede Debatte passieren die Paragraphen einschließlich des 6. M- schnitts (Verfahren), des "7. Abschnitts (Auszahlung der Leistungen! bis Paragraph 341, des 8. Abschnitts, der von sonstigen Vorschriften handelt. Paragraph 342 und 343 besagen, daß niemand an der Ausübung eines Ehrenamtes bei der Angestelltenversicherung bei Strafe verhindert werden! darf. Ein Antrag Pvtthos, in einem Paragraphen 343a zu bestimmen, daß während der Dauer seines Amtes ein Versicherter nur ans einem wichtigen Grunde vom Arbeitgeber entlassen werden darf, wird abgelehnt. Nach unveränderter Annahme zahlreicher weitererParagraphen be antragt Behrens Wirts ch. Bgg.) zu Paragraph 370, daß die Beiträge der Arbeitgeber zu den Kassen mindestens den reichsgesetzsichen Arbeitgeberbeiträgen, und sofern die Beiträge der Versicherten höher sind, diesen gleichkömmen. Zn Paragraph 378 bis 380 beantragt Vogel (natl. für die Knappschaftsvereine und Knappschaftstassen unter gewissen Bedingungen Zuschüsse aus der Reichsverjcchernngsanstalt für einen vorzeitig Versicherten zu bewilligen. Der Antrag Vogel wird abgelehnt, ebenso ein soz. Antrag, dagegen ein Kompromißantrag Behrens angenommen, wonach über das Vermögen von Knappschaftsber- einen, soweit es für die von diesem Gesetz betroffenen Personen bestimmt ist, und über das sonstige Vermögen getrennt Rechnung zu führen ist. Der Rest des Gesetzes wird ohne erhebliche Debatte angenommen. Damit ist die zweite Lesung des Gesetzes erledigt. Montag 2 Uhr: Petitionen, Re chic ungssachen, Koloniakbahnen und kleinere Vorlagen. Schluß gegen halb 4 Uhr.
Larrdesnachrichten.
AUerrKerg, 1. Dezember.
* Ergebnis der Gemeinderatswahl. Bei der am
Samstag stattgefundenen Gemeinderatswahl wurden gewählt: Herrn. Kaltenbach, Seifensieder mit 116 Stimmen, Martin Brenner, Sattler mit 96 Stimmen, Paul Beck, Kaufmann mit 75 Stimmen. Weiter erhielten Stimmen: Dieterle z. Stern 73, Fr. Henßler, Flaschner 68, Roh z. Engel 48, Fr. Flaig, Eonditvr 4l, Fr. Faist, Privatier 30, Arm- bruster z. Schmarren 23, Lutz Glaser 14 Stimmen. Die Wahlbeteiligung war eine schwache, von 342 Wahlberechtigten haben nur 200 abgestimmt.
* Kellerbnchführung und „Haustrunk". Nach Paragraph 19 des Weingesetzes muß derjenige, der Wein gewerbsmäßig in Verkehr bringt, Bücher —.