215. Amts- und Anzeigeblatt für den Oberamtsbezirk Calw. 87. Zahrgang.

Lricheinungswelss: ö mal wöchentlich. Anzeigenpreis: Im Oberamts- Lezirk Calw für die einspaltige BorgiSzeile Nsg., außerhalb desselben 12 Pfg.. Nellainen LS Pfg. Schluß sür Inseralannahme 10 Uhr vormittags. Telefon g.

Freitag, den 13. September 1912.

Bezugspreis: In der Stadt mit Trägerlohn Mk. 1.25 vierteljährlich, Post­bezugspreis sür den OrtS- und Nachbarortsverkehr Mk. 1.2O, im Fernverkehr Mk. 1.30. Bestellgeld in Württemberg 30 Pfg., in Bayern und Reich 42 Pfg.

Amtliche Bekanntmachungen.

K. Oberamt Calw. Bekanntmachung,

betr. die Aufrechterhaltung der Uebereinstimmung zwischen Primärkataster und Grundbuch.

Nachdem den Gemeindebehörden in den letzten Tagen kurzer Hand je 1 Exemplar des Amtsblatts Nr. 22 des K. Steuerkollegiums, enthaltend eine Ministerialverfügung obigen Betreffs vom 12. Aug. 1912, zugegangen ist, erhalten die mit Führung des Änderungsprotokolls zum Primärkataster beauf­tragten Natsschreiber die Weisung, die Grund­eigentümer nach Maßgabe genannter Minist.-Ver- fügung, welche bei den Vermessungsakten aufbewahrt werden muß, zu belehren.

Den 12. September 1912.

Reg.-Nat Binder.

bewegung in allen Teilen des Baugewerbes das ganze Jahr hindurch an. Das darnach erhoffte günstige Eeschäftsergebnis erlitt indes eine Schmäle­rung durch die immer heftiger werdende Konkur­renz im Gewerbe, durch das Submissionsunwesen und die Schwierigkeit der Beschaffung zweiter Hypo­theken. Störend machte sich auch eine weiter um sich greifende ungesunde Bauspekulation bemerkbar. Fast durchweg nahmen die Hilfsindustrien des Bau­gewerbes an dessen günstiger Entwicklung teil. Der Holzhandel erfreute sich eines durchweg befrie­digenden Geschäftsgangs. Den holzverarbeitenden Industrien brachte das Jahr ein dem Absatz nach im allgemeinen befriedigendes Geschäftsergebnis. Allerdings blieben die Verkaufspreise andauernd äußerst gedrückt. Während die meisten übrigen Zweige in eine langsam aufsteigende Konjunktur eintraten, verzeichnete die Mehrzahl der Spezial­zweige der Textilindustrie, hauptsächlich in­folge der ungünstigen Lage des Rohstoffmarktes und der zunehmenden Ueberproduktion, kein erfreuliches Ergebnis. Ganz besonders ungünstig verlief das Jahr für die V a u m w o l l industrie. Für viele Unternehmungen, die sich zu den alten hohen Preisen eingedeckt hatten, waren schwere Verluste unaus­bleiblich. Die ungünstige Gesamtlage kommt in den Jahresbilanzen nahezu sämtlicher Spinnereien und Webereien zum Ausdruck. Erst gegen Ende des Jahres begann allmählich eine Erholung einzu­treten. Das Wollgeschäft verlief im ganzen bei star­ker Zurückhaltung schleppend. Die Kammgarnspin­nereien und -Webereien erfuhren fast durchweg eine Verschlechterung ihrer Lage; vielfach wurden Be­triebseinschränkungen vorgenommen. Besser schnit­ten die Streichgarnspinnereien ab. Die Trikot­war enbranche war für Inland und Ausland im allgemeinen gut beschäftigt. Die Ausfuhr wird allerdings zusehends schwieriger. Aeußerst lebhaft, wenn auch bei gedrückten Verkaufspreisen, gestaltete sich der Geschäftsgang in der Eier teigwarenfabri- kation. Der Eierhandel verzeichnete ein normales Jahr. Im Wildbret Handel setzte sich die haupt­sächlich durch das veraltete württembergische Jagd­gesetz verursachte unbefriedigende Lage des Porjahrs

im Berichtsjahre fort. Günstiger dem Umsatz, wenn auch nicht dem Preisstand nach, schloß der Geflügel- Handel ab. Der Fischhandel verzeichnete wenigstens, soweit es sich um Seefische handelt, einen lebhaften Geschäftsgang. Bei dem quantitativ mittelmäßigen Ertrag der einheimischen Obsternte war die Einfuhr von ausländischem Obst im Berichtsjahre beträcht­lich. Für den Wein Handel gestaltete sich der Ge­schäftsgang wegen des außerordentlich hohen Preis­standes der neuen einheimischen Weinernte, der in der Qualität des Produkts nicht völlig gerechtfertigt war, wenig günstig. Der Hopfenhandel ver­zeichnete dank der lebhaften Nachfrage der Bier­brauereien einen befriedigenden Geschäftsgang. In der Bierbrauerei verlief das Berichtsjahr zufrie­denstellend. Die Abschlüsse der Brauereien zeigten im ganzen ein günstiges Bild. Die Brannt­wein brennerei litt, wie im Vorjahre, empfindlich unter dem ungünstigen Einfluß der neuen Brannt­weinsteuer und der durch sie veränderten wirtschaft­lichen Lage im Brennereigewerbe.

Der Geschäftsgang in Württemberg im Jahre 1911.

Der in der gestrigen Nummer gegebenen all­gemeinen Uebersicht über den Entwicklungsgang des geschäftlichen Lebens in Württemberg lassen wir heute eine solche über einzelne hauptsächliche Han­dels- und Industriezweige folgen:

Die einheimische landwirtschaftliche Produktion kann auf ein zwar nicht gerade günsti­ges, so doch ziemlich befriedigendes Jahr zurück­blicken. Im Eetreidehandel bewegte sich das Ge­schäft, trotz hin und wieder auftretender Störungen im ganzen in normalen, ruhigen Bahnen. Der ein­heimischen Müllerei machen die Mannheimer und rheinischen Eroßmühlen eine zusehends sich verschär­fende Konkurrenz. Die Teppichfabrikation litt bei im ganzen befriedigenden Absatz unter dem Mißverhältnis zwischen Fabrikat- und Rohstoff­preisen. Befriedigend verlief das Importgeschäft in orientalischen Teppichen. Begünstigt durch die be­ständige Witterung und im Hinblick auf die bevor­stehende Einführung der neuen Bauordnung und ihrer verschärften Bestimmungen hielt die bereits seit zwei Jahren beobachtete lebhafte Aufwärts-

Stadt, Bezirk und Nachbarschaft.

Ealw, 13. Sept. 1912.

Vom Rathaus.

Qeffentliche Sitzung des Gemeinderats unter Vorsitz von Gemeinderat Hermann Wagner am Donnerstag den 12. September, von nachmittags 5 Uhr ab. Anwesend sind zwölf Gemeinderäte.

Die Fahrbahn des oberen Marktplatzes auf der Seite des Oberamts soll, wegen ihres schlechten Zu­standes, noch vor dem landwirtschaftlichen Bezirksfest umgepflastert werden. Es handelt sich um eine Strecke von 30 Meter Länge, vom Oberamtsgebäude ab bis herunter zur Schulgasse. 170 Quadratmeter Pflastersteine sind erforderlich. Die Kosten berech­net das Stadtbauamt mit 760 1300 -N sind für

diesen Zweck im Etat vorgesehen. Die Pflasterung soll mit Sandsteinen vorgenommen werden. Mit ihr will man dem schlechten Zustand, in dem sich die Fahrbahn befindet, abhelfen. In einigen Jahren soll der ganze Marktplatz Eranitpflaster erhalten, zu welchem Zwecke ein Fonds angelegt ist. Der mit der

Lichtenstein.

34) Romantische Sage von Wilhelm Hauff.

Bärbele erzählte nun, am 3. April sei das Heer vor Teck gezogen. Sie haben einen Teil des Fußvolkes vor das eine Tor gesetzt und sich mit der Besatzung über die Uebergabe besprochen. Da seien alle Knechte zu diesem Tor geeilt und haben zuge­hört, und indessen sei das andere Tor von den Feinden bestiegen worden. Im Schloß Urach aber seien vierhundert herzogliche Fußknechte gewesen. Diese habe die Bürgerschaft nicht in die Stadt lassen wollen, als der Feind anrückte. Es sei zum Gefecht zwischen ihnen gekommen, worin die Knechte auf den Markt gedrungen seien, dort aber sei der Vogt von einer Kugel getroffen und nachher mit Hellebarden niedergestoßen worden. Die Stadt habe sich dem Bünde ergeben.Es ist koi Wunder," schloß die runde Frau ihre Erzählung,älle Vurga und Schlösser nehme se ei. Denn se hent lange Feldschlanga und Bombardierstuck, wo se Kugla draus schießet, graißer als mei Kopf, daß älle Maura zema brecha und älle Tirn einfalla müesfet."

Georg konnte nach diesem Bericht ahnen, daß eine Reise von Hardt nach Lichtenstein nicht min­der gefährlich sein werde, als jener Ritt über die Alb, denn er mußte gerade die Linie zwischen Urach und Tübingen durchschneiden. Doch war Urach schon sei mehreren Tagen von dem Heere verlassen. Die Belagerung von Tübingen mußte notwendig viele

Mannschaft erfordern, und so konnte Georg dennoch hoffen, daß keine eigentlichen Posten mehr den Strich Landes, den er zu durchstreifen hatte, besetzt halten werden.

Mit Ungeduld erwartete er daher die Ankunft seines Führers. Seine Kopfwunde war geheilt. Sie war nicht tief gewesen, denn die Federn seines Baretts und sein dichtes Haar hatten dem Hiebe, der nahm ihm geführt worden war, seine Schärfe be­nommen. Doch war der Schlag noch immer kräftig genug gewesen, um ihn auf so viele Tage des Be­wußtseins zu berauben. Auch seine übrigen Wund enan Arm und Beinen waren geheilt, und die einzige körperliche Folge jener unglücklichen Nacht war eine Mattigkeit, die er dem Blutverlust, dem langen Liegen und dem Wundfieber zuschrieb. Doch auch diese schwand von Stunde zu Stunde, denn ein frischer Mut und sehnsüchtige Gedanken in die Ferne verjagen gar bald solche schlimme Gäste.

Es gehörte übrigens dieser frische Mut und ein wenig jugendliche Neugierde dazu, ihm die langsam hinschleichenden Stunden erträglich zu machen. Es gehörte die muntere Tochter des Pfei­fers dazu, um ihn vergessen zu lassen, wie unerträg­lich lange ihr Vater auf sich warten lasse. Er sah hier, was er sich schon lange zu sehen gewünscht hatte, eine echte schwäbische Bauernwirtschaft. Wie drollig kamen ihm ihre Sitten, ihre Sprache vor. Sein Franken, so nahe es an dieses Württemberg grenzte, hatte doch wieder einen anderen Schlag von Leuten. Es deuchte ihm, seine Bauern seien

pfiffiger, verschlagener, in manchen Dingen weni­ger roh als diese; aber die gutmütige Ehrlichkeit dieser Leute, die aus ihren Augen, aus ihrer Sprache, aus ihrem ganzen Wesen hervorblitzte; ihre muntere, unverdrossene Arbeitsamkeit; ihre Reinlichkeit, die ihrer Armut ein ehrbares, sogar schmuckes Ansehen gab. Dies alles machte, daß er zu fühlen glaubte, es haben diese Leute als Men­schen mehr inneren Gehalt als die, welche er in sei­nen Gauen kennen gelernt hatte, wenn sie auch in manchen Dingen nicht so viel Verschlagenheit zeigten.

Bewundern mußte er auch die trauliche, gut­mütige Geschwätzigkeit des Mädchens. Die runde Frau mochte schmälen, wie sie wollte, mochte sie noch so oft ermahnen, den hohen Stand des Ritters zu bedenken, sie ließ es sich nicht nehmen, ihren Gast zu unterhalten, besonders, da sie ihren gehei­men Plan, zu erforschen, ob sie in Hinsicht auf die Feldbinde besser geraten habe als die Mutter, noch nicht aufgegeben hatte. Sie hatte hierüber noch ihre ganz besonderen Gedanken. Als nämlich der Jun­ker so krank gelegen, war sie in der Nacht noch lange aufgeblieben, um dem Vater Gesellschaft zu leisten, der am Bette des Verwundeten wachte. Doch bald schlief sie über ihrer Arbeit ein. Es mochte unge­fähr zehn Uhr in der Nacht sein, da sie von einem Geräusch im Zimmer aufgeschreckt wurde. Sie sah einen Mann mit dem Vater angelegentlich sprechen; seine Züge entgingen ihr nicht, obgleich er sich in eine große Kappe gehüllt hatte; sie glaubte einen Diener des Ritters von Lichtenstein, der schon oft auf geheimnisvolle Weise zu dem Pfeifer von Hardt