Fernsprecher Nr. 11.

Gegründet

1877.

Die Tagesausgabe « kostet vierteljährlich im Bezirk Nagold und M

Anzergenprkis bei einmaliger Ein-

Ml

Nachbarortsverkehr

ructung 10 Pfg. die einspaltige Zeile; bei Wiederholungen entsprechender Rabatt

Mk. 1.25 ^

außerhalb Mk. 1.85. M*

Ällq

«m

Die Wochenausgabe ^

(Schwarzwälder

onntagsblatt)

kostet vierteljährlich MN

Reklame 15 Pfg. die Textzeile

50 Pfg.

«r 24«

Freitag, de« SO. Oktober.

Ausgabe in Altensteig'Stadt.

»mtktlatt fsr Pfki»grasr««eiler.

Amtliches.

Im Prüfungsjahr 1910/11 ist vom Ministerium des Innern dem Kandidaten Müller, Hermann, Besenfeld, auf Grund erstandener Prüfung die Approbation als Tier­arzt erteilt morden.

Sextschlmd m Ehim.

Das deutsche politische Interesse an China ist im höchsten Maße gewachsen, seitdem am 20. Juni 1900 unser Gesandter Freiherr von Ketteler in den Straßen von Peking von aufrührerischen Soldaten während des sogenannten Boxer-Aufstandes erschos­sen wurde. Der Bluttat folgte im Einvernehmen mit den übrigen Großmächten die Expedition unter dem Feldmarschall Grafen Waldersee nach Peking, und später (1901) der Vertrag, welcher uns das Gebiet von Kiautschou einräumte. Bon Seiten der deutschen Reichsregierung war nicht beabsichtigt, in Ostasien eineuferlose" Politik zu treiben, es han­delte sich nur um die Sicherung unserer Handels­interessen, die sich in den beiden letzten Jahrzehnten ganz gewaltig entwickelt haben. Deshalb begnügten wir uns mit dem kleinen Küstenfleck, dessen Bedeu­tung darin liegt, daß er das Tor zu der volkreichen und wohlhabenden Provinz Schantung bildet. Eisen- bahnbauten und andere moderne Einrichtungen, so­wie ein verträgliches Zusammenwirken mit den chi­nesischen Behörden haben eine sehr gedeihliche Ent­wicklung herbeigesührt, und die Stadt Tsingtau, her Sitz des deutschen Gouverneurs, ist geradezu eine Mu­sterstadt geworden, was rückhaltlos auch von den Ausländern anerkannt ist.

Unsere Kolonialarbeit in China ist, seitdem dort die deutsche Flagge gehißt worden ist, durch kei­nen Zwischenfall getrübt. Das Gebiet ist nicht eigent­lich in deutsche Hände übergegangen, denn es steht China frei, es nach neunundneunzig Jahren gegen Ersatz aller von Deutschland ausgewendeten Kosten zurückzuerwerben. Natürlich ist dieser Fall nach menschlichem Ermessen ganz ausgeschlossen, und wir können unseren Platz an der ostasiatischen Sonne ebenso behaupten, wie die anderen Staaten. Was wir dort verausgabt haben, wird sich reich ioh- neu, und Machtzwecke verfolgen wir dort nicht. Die Befürchtung, daß uns der militärische Ausbau von Tsingtau einmal mit den Japanern in Konflikt brin­gen könnte, hat früher wohl bestanden, sie ist aber heute auch von den ärgsten Schwarzsehern ausge­geben worden. Japan sieht, das beweist der neue Handelsvertrag, der zur Stunde dem Reichstage vor­liegt, im deutschen Reiche keinen politischen Konkur­renten mehr, wozu uns die Engländer so gerne stempeln möchten.

Aber nicht allein in Tsingtau und Schantung, sondern auch in zahlreichen anderen Plätzen des weiten Landes hat sich der deutsche Fleiß hervor­ragend betätigt. In dem gegenwärtigen Aufstands­gebiet Hankau, dem größten Jndustriebezirk in China, sind zahlreiche Deutsche ansässig, zu deren Schutz soeben die Landungsmannschaften unserer dort ein­getroffenen Kriegsschiffe einschritten. Die Chinesen sind ein eigenes Volk, nicht gerade militärisch be­fähigt, gibt es doch nirgendwo in der Welt so viele blutige innere Unruhen wie bei ihnen, ihr Hochmut gegenüber den Fremden ist, obwohl durch die Er­fahrung gedämpft, noch immer groß, und kaum ge- geringer ist der Haß gegen die herrschende Mandschu- Dynastie mit ihrer Miß-Wirtschaft, aus dem auch die heutige Revolte entstanden ist. Sehr tüchtig ist der Chinese in Kaufmannschaft und Handel, und die Willigkeit bei allen Arbeitsverrichtungen ist bekannt, wenn sie auch unter den modernen Einflüssen ge­sunken ist.

Aus den wenig kriegerischen Charakter der Chi­nesen ist es zurückzuführen, daß sich, 1645 die Mandschu-Tataren des Landes und Thrones bemäch­tigten und die heutige Tsing-Dhnastie gründen konn­ten. Der letzte Kaiser aus der chinesischen Ming- Dhnastie erhängte sich an einem Baum, als er seine Hauptstadt Peking erobert sah. Der Haß gegen die fremden Eroberer ist mit den Jahren gewachsen,

zahllose Aufstände mußten von der Regierung in Peking mit blutiger Strenge niedergeschlagen wer­den. Die immer lebhafter gewordenen Verkehrsbe­ziehungen mit den Fremden, sowie das Studium von vielen Chinesen in Europa haben die Augen der Bevölkerung für die Beurteilung der heimischen Zustände geschärft und zugleich das persönliche Selbstbewußtsein erhöht. Vielfach ist mit der Aus­bildung von Militär nach modernem Muster begon­nen, und wenn sich diese Soldaten auch nicht mit europäischen Truppen vergleichen können, so sind sie doch ein Faktor, der für die Zukunft nicht außer Acht gelassen werden darf.

Seitdem die Chinesen sich daran gewöhnen, Waf­fen zu tragen, treten die Gegensätze zu den Mandschu- Tataren immer stärker hervor, auch die Autorität des Kaiserhauses in Peking hat mehr und mehr eingebüßt. Wenn die Möglichkeit eines Sturzes die­ser fremden Dynastie und die Erhebung eines her­vorragenden chinesischen Staatsmannes oder Gene­rals zum Kaiser heute schon erörtert wird, so eilen solche Betrachtungen indessen wohl stark der Ver­wirklichung voraus. Das kann später bei immer stärker werdendem Einfluß der soldatischen Erzieh­ung wohl eintreten, ist aber heute nur erst eine Phantasie. Auch der Bestand der von den jetzigen Revolutionären gebildetenmittelchinesischen Repu­blik" ist wenig wahrscheinlich, so schnell stürzt die alte Ordnung nicht in Trümmer. Deutschland hat jedenfalls keinen Anlaß zu politischer Einmischung, außer wenn ein Schutz der Reichsangehörigen in Betracht kommt.

DLMjchrr Reichstag.

Berlin, 19. Oktbr.

Die Besprechung der sozialdemokratischen In­terpellation beireffend Verstöße gegendasVe r- eiusgesetz wird fortgesetzt und von den Abge­ordneten darüber geklagt, daß dieses Gesetz willkür­lich gehaudhabt werde. Es folgt die Interpellation des Zentrums und der Freisinnigen über die Maul- uud Klauenseuche. Staatssekretär Delbrück er­klärt sich bereit, die Interpellation zu beantworten, behält sich jedoch vor, den Termin mit dem Reichs­tagspräsidenten zu vereinbaren. Damit ist dieser Gegenstand erledigt. Es folgt die erste Lesung des Privatbeamtenversiche run gsgesetzes. Staatssekretär Delbrück: Die Hauptschwierigkeiten des Entwurfs liegen darin, daß wir es hier mit Gruppen unserer werktätigen Bevölkerung zu tun haben, die bisher von der sozialpolitischen Ge­setzgebung freigelassen worden sind. Die Privat­beamtenversicherung den bestehenden Versicherungen auzugliedern, geht nicht an. Wir werden eine Reichs- Versicherungsanstalt schaffen, die in ihrer Zentrale durch Reichsbeamte, im übrigen aber ehrenamtlich durch Arbeitgeber und Arbeitnehmer verwaltet wird.. Wir sind übereingekommen, daß ein Beitrag von 8 Prozent, der zur Hälfte den Arbeitgebern und den Arbeitnehmern aufzuerlegen ist, das alleräußerste darstellt. Die bestehenden Betriebskrankenkassen wol­len wir bestehen lassen. Hierauf vertagt das Haus die Weiterberatung auf Freitag 1 Uhr. Eiugegangen ist folgende Interpellation der Freisinnigen: Welche Maßnahmen gedenkt der Herr Reichskanzler gegen die Teuerung der Lebensmittel und die Folgen des Fut­termangels zu treffen? Ist er bereit, auf eine we­nigstens zeitweilige Aufhebung der Futtermittelzölle sowie auf die Aenderung des Systems der Einfuhr­scheine hinzuwirken? Schluß dreiviertel 6 Uhr.

LsrmeKNsrynoMn.

* Nagold, 20. Oktbr. Das hiesige Museum wird am kommenden Sonntag bei günstiger Witte­rung einen Herbstspaziergang über Berneck nach Ueberberg in den Hirsch ausführen. -- Der hie­sige Schwarzwaldbezirksverein macht am gleichen Tage einen Ausflug nach Simmersseld.

st Alpirsbach, 19. Okt. In der hiesigen Klo­sterkirche, u. a. bekannt als Grabstätte der ersten

Zollcrngrafen und darum von Gliedern des Kaiserhauses schon wiederholt besucht, wird ein neues Orgelfernwerk aufgestellt werden, das die Walkersche Orgelfabrik in Ludwigsburg liefert. Es ist das 2. Orgelfernwerk in Württemberg und dürfte eine Zierde unserer schönen Kirche bilden. Zu den Anschaffungskosten sind schon namhafte Summen zur Verfügung gestellt worden, weitere Stiftungen stehen in Aussicht.

st Neuenbürg, 19. Okt. Bekanntlich schwebt zwi­schen der hiesigen Gemeinde und der Nachbarge­meinde Gräfenhausen ein ganz seltsamer Streit. Zwischen beiden wurde s. Z. ein Vertrag schrift­lich geschlossen, wonach Neuenbürg den bei seinem Bahnhof gelegenen Gräfenhauser Gemarkungs­teil Routhe sich eingemeinden darf. Nachträgnch' aber scheint man in Gräfenhausen Reue über diese Tat zu empfinden, denn Gräfenhausen weigert sichl jetzt, die Eingemeindung vollziehen zu lassen, mit der Begründung, der Lageplan sei nicht genügend klar gelegt worden. Mit diesem Grund dürfte abep Gräfenhausen kaum durchdringen, falls es zu einem Rechtsstreit käme. Gestern fand nun unter Vorsitz des K. Oberamtmanns in Gräfenhausen eine Ver­tretersitzung beider Gemeinden behufs Einigungs­verhandlungen statt. Sie hatte aber kein Ergebnis, so daß der Streit der beiden Gemeinden weiter besteht. (

st Schramberg, 18. Okt. Als mehrere Schram­berger und Seedorfer Jagdsreunde in dem ausge­dehnten Seedorfer Wald dem edlen Waidwerk ob­lagen, stießen sie in einem Dickicht auf das Lager eines Gauners, der sich dort häuslich eingerichtet hatte. Die Jäger besannen sich nicht lange und nah­men das etwas unedle Wild gefangen, um es vor­erst nach Seedorf zu bringen. Es scheint geglückt zu sein, jenes Strolches habhaft zu werden, der seit längerer Zeit schon die Gegend durch Diebstähle unsicher machte.

st Stuttgart, 19. Okt. Gestern wurde hier eine Ortsgruppe des Reichsverbandes gegen die Sozial­demokratie gegründet, die sich zum I. Mal am 30. Oktober öffentlich betätigen wird, in Gestalt eines Vortrages, den Generalleutnant von Liebert über die Bekämpfung der Sozialdemokratie zu halten ge­denkt.

j s Stuttgart, 19. Okt. (Keine Landeskran -- ken lassen für Württemberg.) In der letz­ten Sitzung des Gesamtkollegiums der Zentralstelle für Gewerbe- und Handel sprach der Referent im Namen der Mehrheit des Kollegiums sich gegen die Errichtung von Landeskrankenkassen in Württemberg aus, gegen die auch zwei Drittel der Oberämter, ferner die Handels- und Handwerkskammern des Landes mit Ausnahme der Stuttgarter Handwerks­kammer und die Rottweiler Handelskammer sich ent­schieden hätten.

st Stuttgart, 19. Ott. In der heutigen ge­meinschaftlichen Sitzung der bürgerlichen Kollegien unter dem Vorsitz des Oberbürgermeisters Lauten­schlager wurde die Abschaffung der Lohnkürzung für die im Freien beschäftigten städtischen Arbeiter wäh­rend der Wintermonate gegen Konservative, Natio­nalliberale und Volkspartei beschlossen. Den Stich­entscheid in zustimmendem Sinne gab Bürgeraus­schußobmann Dr. Erlanger. Weiter kam eine neue Gemeindesatzung betreffend die Normalzahl der un­besoldeten Mitglieder des Gemeinderats zur Sprache. Ein Antrag der Kommission, die Zahl der unbe­soldeten Gemeinderatsmitglieder auf 30 festzusetzen, wurde wiederum durch den Stichentscheid des Bürger­ausschußobmanns Dr. Erlanger in zustimmendem Sinne entschieden. Es sind deshalb im Dezember 1911 14 Gemeinderatsmitglieder zu wählen. Zum Schluß wurde ein Antrag angenommen, einen Be­trag von 10 000 Mark aus dem Dispositionsfonds zum Bezug von Kartoffeln auszuwerfen, um der minderbemittelten Bevölkerung die dermalen be­stehende Teuerung weniger fühlbar zu machen. Die Kartoffeln werden zentnerweise in Mengen von 1 3

Zentner gegen Ersatz der Selbstkosten abgegeben. Der Preis wird einschließlich Sack pro Zentner ca. 3.50 bis 3.70 Mark betragen. Weiter wurde beschlossen,

t