entsandtes italienisches Torpedoboot die bestimmte Weisung erhalten, jede Beschießung zu unterlassen. Es steht fest, daß diese Weisung den Herzog rechtzeitig erreicht hat.
st Konstantinopel, '4. Okt. Die Schisfahrtskammer übermittelte den diplomatischen Missionen einen Protest gegen die von der Türkei verfügte Löschung von Leuchtfeuern und gegen das Verbot von Hohlen lieferungen an fremde Schiffe. Die Kammer ersucht die Pforte, das Verbot für neutrale Schiffe aufzuheben.
st Konstantinopel, 4. Okt. Der Walt von Ja- uina meldet, in der vergangenen Nacht sei ein italienisches Schiff im Hafen von Aolona erschienen, habe sich aber bald wieder entfernt. Wie die Blätter melden, hat die Pforte gestern ein Telegramm aus Tripolis erhalten, das den Beginn der in dieser Zeit üblichen Stürme meldet. Man glaubt daher, die Italiener würden 'die Operationen zur See beschleunigen. Zur Verteidigung von Tripolis seien alle Vorkehrungen getroffen.
st Genua, 4. Okt. Der Dampfer „America" mit 1200 Soldaten und Kriegsvorräten an Bord hat Genua in der Richtung auf Sizilien verlassen. Eine ungeheure Meuscheumenge hatte sich im Hafen eingesunden, die den Davonsahrenden zujubelte. Zum Abschied war außerdem der General Tommasi, der Kommandant des hiesigen Armeekorps, erschienen.
- Mailand, 4. Okt. Unter der Uebekrs chrift „Unser Recht" bringt der ,,'Corriere della, Sera" heute einen Artikel, der sich mit den Aeußerungen der englischen, deutschen und österreichischen Presse zur Tripolisfrage beschäftigt. Er wendet sich besonders scharf gegen die englische Presse urid nennt ! die Geschichte von Englands Entwicklung eine Geschichte von Gewalttat und List. England könnte sich am wenigsten auf das Recht berufen, da es selbst niemals das Recht anderer Völker respektiert, sondern ihnen seinen Willen als Recht aufgezwungen habe. Der Artikel leitet Italiens Recht auf Tripolis von der kulturellen Ueberlegenheit Italiens gegenüber der barbarischen Verwahrlosung der Türkei ab und gebraucht dabei das sophistische Wortspiel vom größeren Rechte des superiore operante gegenüber dem anteriore occupante, versucht jedoch nicht, Italiens Recht hier im besonderen Falle anders zu erweisen als mit bloßen Phrasen. Gegenüber der deutschen und österreichischen Presse ist der Artikel viel reservierter und führt deren Verstimmung hauptsächlich auf die Befürchtung wegen Albanien zurück; diese sei jedoch nach den Versicherungen der italienischen Regierung wie der Presse hinfällig. Italien wolle nur zu seiner Sicherung die Herrschaft über das Meer. Wie der Wiener Korrespondent des „Secolo" aus absolut sicherer Quelle versichert,, habe sich die italienische Regierung bei der österreichischen beschwert über die unziemliche Sprache der Wiener Presse gegen Italien bezüglich des Prevesa- Zwifchenfalls. Graf Aehrenthal habe dem italienischen Botschafter erklärt, er stehe den Artikeln absolut fern.
Tie Beschießung von Tripolis.
. * Rom, 4. Okt. Vizeadmiral Faravelli telegra-
^ phierte gestern abend um 7 Uhr 45 Minuten an ^ Bord des Panzerschiffes „Benedetto Brin": Um 3- i einhalb Uhr nachmittags begann die B e s ch i e schr ir g ^ der H a n vt b a t t e ri e n. Sie wurde bis Sonnenuntergang fortgesetzt. Die Beschießung wird heute
wieder aufgenommen, um die Batterien vollständig zu zerstören. Man wandte während der Beschießung die größte Sorgfalt an, um eine Beschädigung der Stadt zu vermeiden. Nur ein Leuchtturm in der Nähe einer Batterie ist zerstört worden. '
* Rom, 4. Okt. lieber die Beschießung von Tripolis werden von Malta folgende Einzelheiten gemeldet: Die Beschießung erfolgte mit großen Pausen, da die Forts nur schwach und ganz erfolglos erwiderten. Die Schiffe „Ferruccio", „Varese" und „Garibaldi" wandten nur mittlere Geschütze an, da das Oberkommando stets das Aufziehen der weißen Fahne erwartete. Die Häuser und Moscheen der Stadt Tripolis wurden geschont. Torpedojäger deck-- ten die beschie ßenden Schiffe.
* Mailand, 4. Okt. Der „Corriere della Sera" erfährt zum Aufschub des Bombardements von Tripolis, die der türkische Kommandant erbeten hat, dieser habe die Bitte damit motiviert, er wolle beim Kon stau tinopler Ministerium Instruktionen einholen. Da die drahtliche Verbindung unterbrochen ist, darf er sich des italienischen Telegraphen bedienen.
* Mailand, 4. Okt. Aus Malta wird gemeldet: Der italienische Flottenkommandant ordnete die Desarmierung des türkischen Stationsjchiffes von Tripolis an. 'Die türkischen Offiziere und Matrosen verließen das Schiff sofort^ ohne Widerstand zu leisten. Die Italiener gingen' dann an Bord, um sich von der Desarmierung zu überzeugen.
Der fluchtähnliche Weggang der türkischen Mannschaft hat auf die Araber einen niederfchlagenden Eindruck gemacht. Sie beschuldigen die türkischen Behörden, an Italien das Land verkauft zu haben.
* Konstantinopcl, 4. Okt. Aus Tripolis wird gemeldet: Das als Kirstenschisf dienende Kanonenboot „Seja-di Deriah" wurde von der Besatzung versenkt, damit es den Italienern nicht in die Hände fälle.
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* Sfax, 4. Okt. Der türkische Militär-Attachee Ali Fethi Bey und mehrere Offiziere und Aerzte der türkischen Armee beabsichtigten, Tripolis zu erreichen. Sie gingen in Gabes (Tunis) an Land und versuchten, im Automobil die Grenze zu 'überschreiten. In Ben-Guerdan weigerten sich die französischen Militärbehörden, sie über die Grenze zu lassen. Sie begaben sich nach Sfax (Tunis) zurück, um Instruktionen abzuwarten.
* Salomk, 4. Okt. Dem hiesigen jungtürkischen Komitee telegraphiert das Komitee in Ben-Ghasi, daß die Mohammedaner beschlossen hätten, die Provinz bis zum letzten Blutstropfen All verteidigen.
* Mailand, 4. Okt. Gestern abend stieß der Dampfer „Citta di Catania", der aus dem Hafen von Neapel fahren wollte und 300 Artilleristen, sowie eine Batterie und Munition an Bord hatte, bei der Ausfahrt gegen die Mole von San Vincenzo. Er konnte die Fahrt nicht fortsetzen. Der Schaden soll jedoch gering sein.
Der Torpedojäger „Strafe", der kürzlich mit einem anderen Schiffe dieser Klasse zusammenstieß, mußte ins Trockendock gebracht werden. <
Vier türkische Offiziere wurden, von Malta kommend, in Syracus gefangen genommen. H
Vermischtes.
8 Wo Frauen herrschen. Es gibt ein Land, in dem Frauen herrschen, Negri Sembilan, ein kleiner unabhängiger Staat Ostindiens. Dort ist der Mann bis zu seiner Verheiratung Mitglied seines mütterlichen Stammes. Er darf keine Frau aus seinem eigenen Stamme heiraten, nur in den Stamm seines Weibes. Der Ehemann läßt sich im Dorfe seines Weibes nieder. „Herr" im Hause ist die Frau. Der Mann kann überhaupt kein Eigentum erwerben, kein Fußtritt Erde besinn: alles gehört den Weibern. Die Gerichte dieses Landes sind mit Frauen besetzt; zuständig für jeden Mann ist jemals der Gerichtshof, der aus den Verwandten seiner Frau besteht; wenn er fein Recht sucht, muß er sich an seine — Schwiegermutter wenden. Man ist dort der Ansicht, daß die Männer nichts für den Staat leisten, während den Frauen, soweit che Kinder gebären, schon deshalb mehr Rechte dem Staat gegenüber zuzubilligen sind, weil sie die Lücken der Bevölkerung ausfüllen. Das einzige, wozu die Männer gut sind, ist die schwere Feldarbeit und die Verteidigung des Landes, wenn feindliche Stämme es bedrohen. Aber auch das ist kein Verdienst, da ja die Frauen die Armeen gebären. Die Bewohner dieses Pantoffelheldentums empfinden die gegenwärtige Regierungsform als das Ideal alter Verfassungen. In dem Ländchen hat es noch niemals eine Revolution gegeben und die Männlein, so von ihren ^besseren Hälften" zünftiglich regieret werden, fühlen sich außerordentlich wohl.
Der deutsche Bund evaug^kirchl. Blau-Kreuz? Verbände, dessen Vorsitzender Superintendent Klar in Belgard in Pommern ist, will in dem Kampfe gegen den Alkoholmißbrauch an seinem Teile mithelfen und besonders den einzelnen trunksüchtigen Männern und Frauen in seinen Vereinen und Anstalten Heilung und Rettung bringen. Besondere ev.- kirchl. Blau-Kreuz-Verbände bestehen in Brandenburg, Braunschweig, Hamburg, Hannover, Ostfriesland, Pommern, Posen, Sachsen, Schleswig-Holstein, Westfalen und Westpreußen mit 162 Vereinen und 8000 Blau-Kreuzlern. Zweiundzwanzig Trinkheilanstalten sind dem Bunde freundschaftlich angeschlossen, darunter auch die Heilstätte „Elim" für alkoholkranke Männer und „Mara" für alkoholkranke Frauen in Herford. Zur näheren Orientierung dienen die beiden Schriften von Pastor Wilms in Lüdenscheid: „Der deutsche Bund ev.-kirchl. Blau-Kreuz- Berbände, seine Geschichte, Arbeit und Arbeitsgebiete", 65 Pfg.; und „Praktische Ratschläge zur Trinkerfürsorge," 50 Pfg. Beide Schriften sind zu beziehen von der Blau-Kreuz-Buchyanolung in Herford. Die Geschäftsstelle des Bundes in Herford erteilt gern Auskunft und vermittelt auch Lichtbil- der-Vorträge.
Handel und Verkehr.
' Untertalhrim, 3. Okt. Das im Konkurs befindliche Gipswerk Untertalheim ist zunächst samt Gütern und Liegenschaften um die Summe von 51 300 Mk. an einige hiesige Einwohner übergegangen.
BnWÜvortLchrr Redakteur: L. Lau!, Alterchetg.
Dtu< «. Verlag der W.Rieker'schen BuLdruck«ret, L Lank, Alten-ei'.
gekommen, der erst vor kurzem gestorben war. Als er vor mehr als dreißig Jahren nach der Landgemeinde versetzt wurde, da hatten noch die Großväter der jetzigen Bauern gelebt. Selbst noch bet diesen hatte er das Versöhnungswerk versucht: aber es waren genau die Quer» schade! wie ihre Söhne und Enkel.
Als der Pfarrer das fünfundzwanzigjährige Jubiläum seiner Amtstätigkeit beging, da verließ ihn die Kraft, denn er war mit den Jahren alt und schwach geworden und ließ notgedrungen die Sache laufen, wie sie eben lief.
.Die Feindschaft der beiden alten Bauern ruht in den Gehöften*, hatte er noch kurz vor seinem Tode zu einem Amtsbruder geäußert, „und wird als dazu gehöriger, untrennbarer Teil vom Vater auf den Sohn vererbt. Wäre ich schon früher zu dieser Einsicht gekommen, so hätte ich mir manche üble Stunde erspart.* —
Der Amtsnachfolger des alten Pfarrers, ein oer- Wltnismäßig noch junger Mann, war indessen anderer Meinung, oder war im Grunde genau so. wie es sein Vorgänger vor dreißig Jahren gewesen.
Mit junger Kraft nahm er das Versöhnungswerk wieder auf und hoffte es zum Ziele zu bringen. Bevor er in das Amt trat, war er schon mit den örtlichen Verhältnissen einigermaßen oerlraur. Vom Lehrer erfuhr er Win auch noch näheres.
... -Sie finden hier eine Gemeinde, Hochwürden, die nicht lastechter und nicht besser ist als andernorts. Es mag vielleicht wohl hier und da auch bessere geben, aber sicherlich auch schlechtere. Man muß eben überall mit den gegebenen Verhältnissen und Lebensbedingungen rechnen, und die sind hier ja leider auch nicht rosig. Not lehrt wohl beten, und so geht man denn auch fleißig zur Kirche, aber man kann von diesen Menschen nicht auch verlangen, vaß Ke freudig in die Welt blicken. Im allgemeinen herrscht unter ihnen auch Friede, wenn auch nicht herzliche Freundschaft. In offener Feindschaft miteinander leben nur der Kahlbauer und der Lindenhofbauer: doch daran laßt sich nichts ändern.'
„Vielleicht doch*, entgegnete der Pfarrer.
Der Lehrer schüttelte ungläubig den Kopf. „Das hat Ihr Vorgänger auch gedacht und ist darüber hingestsrben. Vererbter Haß läßt sich nicht ausroden. Das zeigt sich schon wieder bei den Kindern. Die beiden Jungen von den Bauern, die erst schulpflichtig geworden sind, gehen fick aus dem Wege, wo sie können, und wenn sie zusammen» kommen, dann prügeln sie sich, weil sie noch nicht aufs Gericht laufen können wie die Alten.*
„Das ist traurig!* — „Aber leider wahrl*
„Hat der Lindenhofbauer nicht noch eine Tochter?* fragte nun der Pfarrer.
„Ja, die hat er. Aber die ist erst drei Jahre alt und zählte auch nicht mit, wenn sie schon erwachsen wäre."
„So vererbt sich der Haß wohl bloß auf die männlichen Nachkommen?* sagte der Pfarrer und versuchte zu lächeln.
„Ja, Hochwürden, das kommt so durch die Mütter*, entgegnete der Lehrer im vollen Ernst, „die ja auch nicht den vererbten Haß haben. Wenn es pach denen ginge, da wäre schon längst eine Verbindungstür in die Grenzmauer der beiden Gehöfte geschlagen. Die Frauen der beiden feindlichen Nachbarn stammen aus Langenbach und sind in der Jugend sogar eng befreundet gewesen. Nun müssen sie allerdings um des häuslichen Friedens willen den Familienhader mitmachen. Man erzählt sich aber, daß, wenn die Männer in der Stadt auf dem Gericht sind, sie sich heimlich besuchen und bei Kaffee und Kuchen in lieber Jugenderinnerung schwelgen.*
Da lachte der Pfarrer hell aus, denn so ernst die ganze Sache im Grunde auch war. so hatte sie doch auch ihre komische Seite. — „Wenn das wahr ist, da müßte man ftwch durch die Frauen auf die Männer einwirken können!* sagte er nachdenklich.
„Geben der Herr Pfarrer diesen Gedanken auf. Sie kennen die Männer noch nicht! Bei denen ist das Weib nicht die treue Lebensgefährtin, sondern nur Weib. In
der Küche und im Kuhstall dürfen sie schalten nach Herzenslust, aber im übrigen haben sie zu schweigen, wenn der Mann ins Haus tritt. Der Kaiser von Rußland kann in seinem Lande kein ärgerer Despot sein, als solche Bauern in ihrem Hause.*
„Und ich gebe das Bersöhnungswert doch nicht ausl* ries der Pfarrer.
„Hochwürden, sparen Sie sich Mühe und Verdruß — es kommt nichts Gutes dabei heraus.*
Der alte Schäfer, der jenseits der Hecke auftauchte, sprach diese Worte.
Das Gespräch zwischen Pfarrer und Lehrer fand auf dem Kirchhofe statt und war von dem alten Christian mit angehört worden, dessen Schafe auf den abgemähten Feldern weideten.
Der junge Pfarrer sah den alten Mann mit großen Augen an.
„Verzeihen, Hochwürden*, fuhr Christian zu sprechen fort, „wenn ich gewagt habe, mich in die Unterhaltung zu mischen. Ich glaube aber, ich bin schon an achtzig Jahren und dem Alter kann auch ein junger Pfarrer ein bißchen Geschwätzigkeit verzeihen. Entweder spricht man in meinem Alter zu viel oder gar nicht mehr.*
„Was — Ihr seid bald achtzig?* fragte der Pfarrer verwundert und blickte den Greis wie eine Erscheinung an.
„Es mag wohl so sein*, entgegnete Christian und zwinkerte mit den kleinen blauen Augen, in denen es ab und zu noch immer einmal schwach aufstammte. „Im hiesigen Kirchenbuchs bin ich nicht zu finden. Schon als dreijähriges Kind haben mich meine Eltern in bitterster Not hier zurückgelassen. Mag Gott ihnen die Sünde verzeihen, wie ich sie ihnen nicht weiter nachtrage. Es kommt alles im Leben so. wie es kommen soll.*
Fortsetzung folgt.