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87. Jahrgang.

Amts- und Anzeigeblatt für den OberamtsbezirL Calw.

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Erscheinungsweise: 6mal wöchentlich. Anzeigenpreis: Im Oberamts­bezirk Lalw sür die einspaltige Borgiszeile 10 Pfg., außerhalb desselben ILPfg.. Reklamen LS Pfg. Schluß sür Jnscratannahme 10 Uhr vormittags. Teleson 9.

Mittwoch, den 11. September 1912

Bezugspreis: In der Stadl mit Trägerlohn Mk. 1.25 vierteljährlich, Post­bezugspreis für den Orts- und Nachbarortsverkehr Mk. 1.20, im Fernverkehr Mk. 1.30. Bestellgeld in Württemberg 30 Pfg., in Bayern und Reich 42 Pfg.

Amtliche Bekanntmachungen.

Bekanntmachung,

betreffend die Vorschriften für Bauten.

Bei der Handhabung der neuen Bauordnung hat das Oberamt die Wahrnehmung gemacht, daß die Vorschriften des tz 112 Vollz.-Verf. zur Bauord­nung nur in den seltensten Fällen Beachtung finden, trotzdem Abdrücke dieser Vorschriften sich in den Bau­vorschriften und den Genehmigungsurkunden, welche jedem Bauenden ausgehändigt werden, vorfinden.

Der genannte § 112 lautet:

Die Bauherren oder ihre Baumeister und Bauhandw'erker müssen von den einzelnen Ab­schnitten der Bauausführung dem Ortsbautech­niker, Baukontrolleur oder dem für bestimmte Bauten besonders aufgestellten Sachverständigen so zeitig Anzeige erstatten, daß die in 8 110 Abs. 1 allgemein vorgeschriebenen und die in Abs. 2 da­selbst besonders angeordneten Besichtigungen zu den hiefür bestimmten Zeiten vorgenommen wer­den können.

Das Oberamt sieht sich veranlaßt, darauf hin- zuweisen, daß die Nichteinhaltung dieser Vorschrift oft die größten Unannehmlichkeiten für die Bau­enden (Strafen, Einstellung der Bauausführung, Abtragung des schon Ausgeführten u. s. f.) zur Folge haben kann.

Den Baupolizeibehörden wird die strenge Durchführung der betreffenden Vorschriften zur Pflicht gemacht.

Calw, den 10. September 1912.

K. Oberamt:

Amtmann Rippmann.

Bekanntmachung,

betreffend die Abhaltung des am 18. d. Mts. in Rottweil fälligen Zuchtviehmarkts und des am 19. d. Mts. in Rottweil fälligen Heiligkreuzmarktes.

Nachdem die Maul- und Klauenseuche im Be­zirk Rottweil erloschen ist, ist die Abhaltung der oben genannten Märkte gestattet worden.

Calw, den 9. September 1912.

K. Oberamt: Amtmann Rippmann.

Weitere Ueberschwemmungen.

Unterm 10. und 11. ds. liefen an Nachrichen ein:

Obgleich gestern abend das Hochwasser des Nek­tars etwas zurückgegangen war, ist heute früh der Wasserstand so ziemlich auf gleicher Höhe geblieben, doch darf angenommen werden, daß im Laufe des heutigen Tages, nachdem der Regen aufgehört hat, ein weiteres Fallen eintreten wird, zumal auch in den verschiedenen Nebenflüssen ein weiteres Stei­gen der Wassermassen aufgehört hat und sogar allenthalben gleichfalls ein kleiner Rückgang ein­getreten ist. Besonders ungünstige Nachrichten lau­fen von den an der Jagst und am Kocher liegenden Städten und Dörfern ein. Auf der Jaastbrücke und am Herrensteg in Crailsheim staute sich den ganzen gestrigen Tag die Menschenmenge, die mit wachsender Erregung das langsame aber stetige Stei­gen der Jagst beobachtete. Der ganze Wiesenkom­plex links der Jagst von der Kuppelismllhle bis zur Easfabrik gleicht einem großen See, die Paradies­allee, viele Gärten, Straßen und Wege sind voll­ständig überflutet. Die Häuser der unteren Stadt mußten geräumt und das Vieh in Sicherheit ge­bracht werden. Der Verkehr vom Herrensteg durch die Allee ist abgeschnitten, auf der Bahnhofstraße wird der Verkehr durch Fuhrwerke aufrecht erhalten. Die Wassermassen bringen Nutz- und Brennholz, Kisten, Futter, kleine Tiere und Geflügel mit sich. Mehrere Bezirksorte entlang der Jaost stehen ganz unter Wasser. Der Schaden ist überall sehr beträcht­lich. Gestern abend 6 Uhr hatte das Hochwasser seinen höchsten Stand überschritten. Aus Gail­dorf wird gemeldet, daß der Kocher weit über seine Ufer getreten ist. Der Pegelstand an der Kocher­brücke betrug gestern vormittag 4,50 Meter. Ein Teil der Möbelfabrik mußte geräumt werden. Die Brücke wird nur für Passanten freigegeben. Die Ernte ist total vernichtet. Das Oehmd wurde von den Wiesen geschwemmt. Auch die Gegend von Hall ist auf weite Strecken hin vom Kocher über­schwemmt. Der Verkehr stockt und Häuser und Menschen sind gefährdet, die Wassermassen reißen alles mit sich fort, was ihnen in den Weg kommt, vor allem Brücken und Stege. Die Badhäuser sind ihnen schon zum Opfer gefallen. Die für das land­wirtschaftliche Gaufest errichtete Budenstadt ist in

Gefahr, unter Wasser gesetzt zu werden. Das Hochwasser im Z a b e r t a l ist noch weiter gestiegen. Die Zufahrtsstraßen zu den Bahnhöfen sind in ver­schiedenen Orten unter Wasser gesetzt. In Pfaffen­hofen mußte die Fabrikarbeiterschaft, da gerade über die Mittagszeit die Wassermassen besonders stark anschwollen, auf Fuhrwerken zur Fabrik gefahren werden. Mit verschiedenen Haltepunkten der Zaber­bahn ist die Verbindung von den Ortschaften unter­brochen, mindestens aber waten die Passagiere, wenn sie unbedingt abreisen müssen, bis an die Knie im Wasser. In viele Keller und Ställe ist das Wasser eingedrungen und machte ein Räumen nötig. Die Fluten bringen das Oehmd in langen Zügen, Büschel auf Büschel, das Tal herunter, be­setzt von Hunderten von Mäusen. Auch die Gegend um Heilbronn ist unter Wasser gesetzt. Die Heilbronner Badeanstalten wurden weggerissen. Die Personenschiffahrt auf dem Neckar ist wegen des Hochwassers und des schlechten Wetters eingestellt worden, während in sonstigen Jahren bis tief in den Herbst hinein die reizvollen Wasserfahrten durchs Neckartal ausgeführt wurden. In Göppingen ist die Fils über ihre Ufer getreten und an manchen Stellen gleicht das Filstal einem See. Auch hier bringen die Wassermassen Holz, Oehmd, Garten­zäune und besonders auch viel Obst mit sich. Auch die Donau ist bedeutend gestiegen und hat weite Flächen überschwemmt. Auch aus unserem regen­reichen Schwarzwald laufen Nachrichten von Hochwasser ein. Die Bächlein und Flüsse sind zum Teil zu reißenden Strömen geworden und bringen Stege, Heuschober, Bretter, Balken, Möbelstücke, Kinderwiegen und -wagen, kurz alles, was nicht niet- und nagelfest ist, mit sich. In einzelnen Tei­len mutzten die Keller geräumt werden und auch verschiedene Erdrutschungen und Felsstürze sind ein­getreten.

Waiblingen, 10. Sept. Das Hochwasser der Rems hat das Anwesen der Remstalquellengesell­schaft auf der Gemarkung Beinstein IV 2 Meter hoch unter Wasser gesetzt. Da Menschenleben ge­fährdet waren, wurde vom Oberamt dringend Hilfe erbeten. Mit einem Nachen wurden die bedrohten Leute aufs Trockene gebracht und sämtlich gerettet. Nachdem sich das Wasser jetzt wieder verlaufen hatte, wurden die Gebäude durch den Oberamts- vorstand und zwei Technikern eingehend unter-

kichtenstein.

32) Romantische Sage von Wilhelm Hauff.

Und wie kam ich denn hierher?" fragte jener wieder.

Ja wisset Er denn au gar koi Wörtle meh?" lächelte das hübsche Kind und bediente sich des Zopfbandes. Sie erzählte, ihr Vater sei schon seit einigen Wochen nicht zu Hause gewesen, da sei er einesmals vor neun Tagen in der Nacht an das Haus gekommen und habe stark gepocht, bis sie er­wacht sei. Sie habe seine Stimme erkannt und sei hinabgeeilt, um ihm zu öffnen. Er sei aber nicht allein gewesen, sondern noch vier andere Männer bei ihm, die eine mit einem Mantel verdeckte Trag­bahre in die Stube niedergelassen haben. Der Vater habe den Mantel zurückgeschlagen und ihr befohlen zu leuchten, sie aber sei heftig erschrocken, denn ein blutender, beinahe toter Mann sei auf der Bahre gelegen. Der Vater habe ihr befohlen, das Zimmer schnell zu wärmen, indessen habe man den Verwun­deten, den sie seinen Kleidern nach für einen vor­nehmen Herrn erkannt habe, auf das Bett gebracht. Der Vater habe ihm seine Wunden mit Kräutern verbunden, habe ihm dann auch selbst einen Trank bereitet, denn er verstehe sich trefflich auf die Arze-

neien für Tiere und Menschen. Zwei Tage lang seien sie alle besorgt gewesen, denn der Junker habe gerast und gelobt. Nach dem zweiten Tränklein aber sei er stille geworden, der Vater habe gesagt, am achten Morgen werde er gesund und frisch er­wachen, und wirklich sei es auch so eingetroffen.

Der junge Mann hatte mit wachsendem Er­staunen der Rede des Mädchens zugehört. Er hatte sie oft unterbrechen müssen, wenn er ihre zierlichen Ausdrücke nicht recht verstand, oder wenn sie in ihrer Rede abschweifte, um die Kräuter zu beschrei­ben, woraus der Pfeifer von Hardt seine Arzneien bereitet hatte.

Und dein Vater," fragte er sie,wo ist er?"

Was wisset mir, wo er ist!" antwortete sie ausweichend, doch als besinne sie sich eines Besseren, setzte sie hinzu:Uich kammes jo saga, denn Ihr müesset gut Freund sei mit em Vater. Er ist nach Lichtastoi."

Nach Lichtenstein?" rief Georg, indem sich seine Wangen höher färbten.Und wann kommt er zurück?"

Ja er sott schau seit zwoi Tag do sei, wie ner g'sait Hot. Wennem no nix gstcheha ist. D' Leut saget, dia bündische Reiter bastenem uff."

Nach Lichtenstein dorthin zog es ja auch ihn. Er fühlte sich kräftig genug, wieder einen Ritt zu

wagen und die Versäumnis der neun Tage einzu­holen. Seine nächste und wichtigste Frage war da­her nach seinem Roß. Und als er hörte, daß es sich ganz wohl befinde und im Kuhstall seiner Ruhe pflege, war auch der letzte Kummer von ihm ge­wichen. Er dankte seiner holden Pflegerin für seine Wartung und.bat sie um sein Wams und seinen Mantel. Sie hatte längst alle Spuren von Blut und Schwerthieben aus den schönen Gewän­dern vertilgt, mit freundlicher Geschäftigkeit nahm sie die Habe des Junkers aus dem geschnitzten und gemalten Schrein, wo sie neben ihrem Sonntags­schmuck geruht hatte. Lächelnd breitete sie Stück vor Stück vor ihm aus und schien sein Lob, daß sie alles so schön gemacht habe, gerne zu hören. Dann enteilte sie dem Gemach, um die frohe Botschaft, daß der Junker ganz genesen sei, der Mutier zu verkündigen.

Ob sie der Mutter auch gestanden, daß sie schon seit einer halben Stunde mit dem schönen freundlichen Herrn geplaudert habe, wissen wir nicht. Wir haben aber Ursache, daran zu zweifeln, denn jene ältliche, runde Frau hatte Erfahrung aus ihrer Jugend und glaubte ihrem Töchterlein die Warnung nie genug wiederholen zu können: Sie solle sich wohl hüten, mit einem jungen Bur­schen länger als ein Ave Maria lang zu sprechen."

(Fortsetzung folgt.)