Landesnachrichtrn.

Allenfleig, 29. Sept.

* Gestern wurde hier der erste Waggon Mo st­ob st (Aepfel: ausgeladen. Dieses fand raschen Ab sätz. Der Zentner kostete 6 Mk. 80 Pfg.

ss Briefe und Tagbücher aus Kriegszeiten. Die Direktion des Großh. Generallandesarchives richtet an alle Badener, die an den Feldzügen von l866 und 1870/71 teilgenommen haben, sowie an ihre Angehörigen, die sich im Besitze von Feldzugsbriefen und Kriegstagebüchern befinden, die dringende Bitte, diese ihr zu überlassen, sei es als freie Gabe, sei es als Hinterlegung unter Wahrung des Eigen­tumsrechts, oder sei es um bestimmten Kaufpreis oder nur vorübergehend zur Abschriftnahme. Jeder schlichte Soldatenbrief ist willkommen. Auch der Großherzog widmet dieser Anregung sein warmes Interesse. Sicherlich sind auch in Württemberg solche Briefe und Tagbücher zahlreich zerstaut in den Händen alter Kriegsveteranen und ihrer Fa­milien. Aber wie lange wird es, wenn nichts zu ihrem Schutze Wschieht, noch dauern, bis sie dem un­vermeidlichen Untergang verfallen ? Wie wenig ha­ben wir um nur eines anzuführen, von württem- bergischen Soldatenbriefen aus den Kriegen des ersten Napoleon in unsere Zeit hinüber gerettet! W gibt nur einen Weg, solche Schriften vor dem Schicksal, das sie gemeinhin bedroht, zu bewahrew: Die Ueberweisung in die staatlichen Archive.

st Buhtbach, OA. Freudenstadt, 28. Sept. Der Holzmacher Karl Schmelzte hat heute nacht seine ca. 38 Jahre alte Ehefrau, Mutter von vier Kindern, im. Bett erschossen. Schmelzte gibt Notwehr als An­laß der Tat an. <

ss Stuttgart, 28. Sept. lieber die fünf Bolks- festttage wurde die Sanitätswache auf dem Festplatz §n 74 Fällen in Anspruch genommen. Es handelte sich aber meistens nur um geringfügige Fälle.

j! Stuttgart, 28. Sept. Eine japanische Stu­dienkommission, bestehend aus fünf Technikern der kaiferl. japan. Staatsbahnverwaltung mit dem Chef­ingenieur dieser Verwaltung, dem Oberbaudirektor Nomura an der Spitze, hat sich gestern hier einge­sunden, um technische Einrichtungen der württ. Staatsbahnen kennen zu lernen.

st Stuttgart, 28. Sept. Es steht jetzt fest, daß das Luftschiff ,Schwaben" am Sonntag vormittag von Baden-Baden eine Fernfahrt hieher aus­führen und gegen l l Uhr auf dem Cannstatter Wa­sen landen wird. Dort werden die Passagiere aus­gewechselt, worauf das Luftschiff nach Baden-Baden wieder zuriickkehrt.

st Cannstatt, 28. Sept. Der l. Haupttreffer der Stuttgarter Bäckereilotterie mit 5000 Mark bar wurde gestern einem armen Arbeiter ansbezahlt, her 4. Haupttreffer der Ebinger Lotterie mit 1000 Mark einem Geschäftsmann.

* Germersheim, 28. Sept. Hier wurden zwei Personen, die bereits in Mannheim Verdacht erregt hatten, unter der Beschuldigung der Spionage verhaftet. In einer Wirtschaft in Germersheim sollen sie einem Gefreiten vom hiesigen Fußartilleriregi- ment 200 Mark für einen Zünder von einem lO Zentimeter-Geschoß versprochen haben. Der Ge­freite verabredete mit den Fremden ein Stelldichein, wo sie dann festgenommen wurden. Ihre Persona­lien sind mit Sicherheit noch nicht ermittelt.

- Laupheim, 28. Sept. Gestern abend wurde auf dem hiesigen Bahnhof der bei der Eisenbahn beschäftigte Taglöhner Jos. Scheffele von Unter sulmetingen von dem Eilzng überfahren und so­fort getötet.

Auswärtige Politik und die nächsten Neichstags- tvahten.

st Stuttgart, 28. Sept. (Fortschrittliche Volks- Partei.) Heute abend sprach Reichs und Landtags­abgeordneter K. Haußmann in einer zahlreich be­suchten Versammlung überAuswärtige Politik und die nächsten Reichstagswahlen". Der Reichstag werde den demnächst vorzulegenden deutsch-französischen Marokko- und Kongovertrag ernstlich prüfen und die Reichsregierung unterstützen müssen, wenn sie die deutschen Interessen vertreten und dabei Frie­densliebe bezeigt habe. Die Frage, ob immer zweck­mäßig gehandelt wurde, trete zurück, wenn das End­ergebnis den allgemeinen ^Interessen entspräche. Man werde jedenfalls Genugtuung darüber empfin­den, daß die Friedenspolitik in würdiger Weise durch den Abschluß eines deutsch-französischen Vertrags durchgeführt ist. Deutschland halte den Frieden als Selbstzweck aufrecht, wenn nicht nationale Ziele da­bei in Frage stehen und die standen bei der Marokko- Affäre nicht in Frage. Es sei anznerkennen, daß der Kaiser, der Reichskanzler und der Staatssekretär des Auswärtigen sich eine staatsmänuische und wohl­tätig wirkende Reserve auferlegt haben. Die Tri­polisaffäre schreibe dem deutschen Reiche strengste Neutralität vor, unsere Diplomaten sollten sich ernst­lich um eiue friedliche Beilegung des Konflikts schon in Rücksicht auf unser Bundesverhältnis zu Italien und unser Freundschaftsverhältnis zur Türkei be­mühen. Die Frage, ob die Richtlinien unserer aus­wärtigen Politik in den letzten zwei Jahrzehnten richtig gewesen seien, lasse sich nicht ruhig bejahen. Seit Bismarcks Abgang fehle es unserer aus­wärtigen Politik an 'einheitlichen Richtlinien. Ebenso wie die herabsetzende Kritik an unserer auswärtigen Politik seitens der englischen Staats­männer, bei denen das internationale Takt­gefühl in Abgang begriffen zu sein scheine, sei auch die unkluge und ungeschickte Agitation des deutschen Flottenvereins scharf zu verurteilen. Die Kultur und der Geisteszustand in Europa seien derartig, daß die Vorherrschaft einer einzigen Macht nicht er­tragen werden könnte. Die Knlturstaaten müßten sich an den Gedanken gewöhnen, daß die Politik mit dem Gehirn und nicht mit dem Ellenbogen gemacht werde. Bezüglich der Reichstagswahlen erhob Haußmann die Forderung nach einer vernünftigen Gestaltung un­serer Wirtschaftspolitik mit wirksamem Schutz des Mittelstandes. Die künstliche Verteuerung dürfe nicht fortgesetzt werden. Die Wahlparole müsse lauten: Niederwerfung der konservativen Vorherrschaft. Erst wenn dies geschehen, sei ein neuer politischer Bo­den in Deutschland gelegt. In unserer jetzigen Zeit mit ihrer Versorgungsseligkeit tue eine Be­fruchtung der bürgerlichen Unternehmungslust not, denn wir wollen nicht bloß ein Beamtenstaat sein. Es handle sich weiter um die Erkämpfung eines wahrhaft konstitutionellen Regiments. Die Sozial­demokratie wolle immer die Politik der Unverant­wortlichkeit und des Angriffs. Damit treibe sie »ber die Politik der Reaktion. In eine politische Front sich einzureihen, lehne die Sozialdemokratie eben­falls ab. Das Heil komme aber nicht allein von

Lefefrucht.

Glücklich? Wer ist denn glücklich?

O, blicke nicht nach dem, was jedem fehlt. Betrachte, was noch jedem bleibt.

TaLaoLa.

Novelle von Lolhar Brenkendors.

(Fortsetzung.) (Nachdruck rerboten.)

Es war ein trüber Wintertag und längst vollständig dunkel. Einmal wollte es mir scheinen, als ob in einiger Entfernung jemand hinter mir herginge. aber ich war nicht in der Stimmung, sonderlich darauf zu achten. Ddr Zweifel, ob Takaoka meine Forderung angenommen habe, be­schäftigte ausschließlich alle meine Gedanken. Aber als ich bis auf ein paar Dutzend Schritte meinem Hau'e nahegekommen war, wurde ich doch jählings aus diesen Grübeleien aufgeschreckt. Denn zwei riesenhafte dunkle Gestalten verstellten mir in der völlig menschenleeren Straße plötzlich den Weg. Ehe ich auch nur hatte den Arm zu meiner Verteidigung erheben können, erhielt ich einen Stoß, der meinen Hut in weitem Bogen davonfliegen ließ, und fast im nämlichen Augenblick einen furchtbaren Schlag gegen die Stirn. Halb betäubt taumelte ich zurück. Es hatte sich wie ein Schleier vor meine Augen gelegt, und eine warme Flüssigkeit rann mir von der Schläfe herab über das Gesicht. In nebelhaften Umrissen nur sah ich die Hünengestalt meine» Angreifers abermals auf mich ein- dringen. Und ich hatte kaum noch Kraft genug, einen Äilserus auszustoßen.

Da aber schob sich katzenhaft flink und geschmeidig eine andere, sehr kleine Gestalt zwischen mich und den Wege­lagerern ; ich hörte einen Aufschrei der Wut und des Schmerzes, sah den Riesen taumeln und mit dumpf dröhnendem, wuchtigen Fall zu Boden stürzen. Es war das letzte, dessen ich mir von jenen blitzschnell vorüber­gehenden Ereignissen mit eigener Klarheit bewußt bin. Denn meine Erinnerungen setzten erst wieder mit dem Augenblick ein, da ich aus meiner kurzen Ohnmacht er­wachte und mich inmitten eines aufgeregten Menschen­haufens fand, aus welchem einige sich in offenbar hilfreicher Absicht mit mir beschäftigten.

Aber nicht mit mir allein. Wenige Schritte von mir entfernt, waren zwei Schutzleute eben im Begriff, einen stöhnenden und wild um sich schlagenden Menschen, den älteren der Brüder Stemmler, durch Fesselung unschädlich zu machen. In dem Eingang zu meinem Hause aber sah ich ein paar Leute verschwinden, die einen kleinen bar­häuptigen Mann trugen.

Was ist geschehen," fragte ich. bemüht, meine ver­wirrten Gedanken zu sammeln, und einer, der mir eben das noch immer quellende Blut aus dem Gesicht wischte, gab mir Auskunft:

Einer von den beiden Halunken hat den kleinen Japanesen gestochen. Er ist ausgerissen: aber sie werden ihn schon noch kriegen."

Nicht meinem Todfeind will ich wünschen, zu fühlen, was in diesem Augenblick aus meiner Seele ausstieg. Meiner körperlichen Schwäche aber war ich wie durch ein Wunder ledig geworden. Ich stieß die freundlichen Helfer zurück und sprang auf, um den Trägern nachzueilen, die ihre lebendige Bürde eben in einem gastlich geöffneten Zimmer des Erdgeschosses auf ein Sofa niedergelegt hatten. Eine von der Decke herabhängende Lampe beleuchtete das Ge­mach, und bei ihrem Schein erkannte ich. wie ich es nicht anders mehr erwartet hatte, in demkleinen Japanesen" Herrn Takaoka ans Tokio, denselben, dem ich morgen oder

der Radikalisierung, sondern von der Erziehung zum politischen Handeln. Hier versage die Sozialdemo­kratie. Die Demokratie sei um ihres Prinzips wil­len verpflichtet, den Kampf mit aller Kraft gegen die Sozialdemokratie zu führen. Die Zeit sei da, um mit den Liberalen den Waffengang gemeinsam zu führen. Das sei ein materielles Bedürfnis der Zeit geworden. Ein Regiment, das die Konservativen wirst, könne dauernd nur durch liberale Männer aufgerichtet werden. Die Hauptparole laute: System- Wechsel. Es müsse ein neuer Grund für eine bür­gerliche, arbeitssreudige, fortschrittliche Politik ge­legt werden. (Lebhafter Beifall.) Anschließend da­ran sprach Parteisekretär Fischer-Heikbronn über den Jenaer Parteitag.

Aus dem Reiche.

ss Pforzheim, 27. Sept. Gestern übend lief das 5jährige Söhnchen des Wirts Scholl in der Zerren- nerstratze in ein daherkommendes Fuhrwerk und wurde vom Vorderrad erfaßt. Aus Nase und Mund blutend wurde es hervorgezogen, worauf es sofort starb. Den Fuhrmann trifft keine Schuld.

Der III. internationale Mittelstandskongreß.

ss München» 28. Sept. Der vom 28. bis 30. September tagende 3. Internationale Mittelstands­kongreß wurde heute vormittag in Gegenwart des Ministerpräsidenten von Podewils, Vertreter deut­scher und auswärtiger Regierungen von Behörden, Wissenschaft und Handel eröffnet. Ministerpräsident von Podewils hob in seiner Begrüßungsansprache das besondere Interesse hervor, welches das Reich an den den Kongreß beschäftigenden Fragen habe. Die Regierungen wie der Reichstag seien bestrebt ge­wesen, große Gedanken, wie die genossenschaftliche Sammlung der wirtschaftlich Schwachen, Selbstver­waltung und Standesorganisation, im Rahmen sorg­sam abgewogener Gesetze in die Wirklichkeit überzu­führen und so die im Mittelstand aufgespeicherte Energie zu selbstsicherer Betätigung auszulösen. 'Auch die bayerische Regierung sei bemüht, die wirtschaft­lichen Bestrebungen der Mittelstandsbewegung zu fördern. Es folgten weitere Begrüßungsansprachen und sodann das Referat des Oberstudienrates Dr. Kerschensteiner-München über Schule und Mittel­stand.

Die Tagung der wirtschaftlichen Kommission der Kolonralverwaltnng.

st Berlin, 28. Sept. Im Reichskolonialamt trat hellte vormittag, der Nordd. Allst. Ztg. zufolge:, die von Staatssekretär Lindeguist ins Leben ge­rufene, ständige wirtschaftliche Kommission der Ko­lonialverwaltung zu ihrer ersten Tagung zusam­men. In seiner Begrüßungsansprache führte Staats­sekretär Lindeguist aus, seine Absicht bei Bildung der Kommission sei gewesen, sich in besonders wichtigen wirtschaftlichen Fragen den Rat namhafter Vertre­ter der Handels und JndustrielleKkreise Deutsch? lands zu sichern und sodann, eine engere Verbin­dung zwischen Handel und Industrie einerseits und Kolonialwirtschaft andererseits herbeizuführen. Eine der wichtigsten Aufgaben der Kolonialve'rwaltung sei, den heimischen Markt mehr und mehr vom Aus­land unabhängig zu machen. Die neue Handeks-

avermorgen zum Kampf aus Leven und Tov yaNS gegen­übertreten wollen. Er lag mit geschlossenen Augen da, und als ich auf ihn zustürzen wollte, hielt einer der An­wesenden mich zurück.

Lassen Sie nur! Sie sehen ja, daß er ohne Bewußt­sein ist. Er hat noch geholfen, den Kerl da draußen, der sich wieder hochgerappelt hatte, mit einem seiner famosen Dschiu-Dschitsu-Griffe niederzuzwingen. Dann ist er zusam­mengebrochen. Aber der Herr dort ist ein Arzt, und nach dem Krankenwagen der Rettungs-Gesellschaft ist auch schon telephoniert worden. Mehr läßt sich nicht für ihn tun."-

Nein, mehr ließ sich nicht für ihn tun. Der Arzt schüttelte den Kopf, als er vorsichtig oie wenig blutende Wunde in Takaokas Brust untersuchte, und es war nur ein sehr oberflächlicher Verband, den er ihm anlegte. Dann fuhr der Transportwagen vor, und nachdem man den stillen kleinen Mann auf der unheimlichen, schmalen Bahre hinausgetragen, mußte ich es geschehen lassen, daß der Arzt sich mit meiner Verletzung beschäftigte.

Glücklicherweise nicht gefährlich," sagte er beruhigend. Eine Quetschwunde, die Ihnen nicht viel zu schaffen machen wird. Sie fühlen sich noch ein bißchen wirr im Kopfe nicht wahr?"

Nein, nicht im mindesten. Aber der Japaner? Es ist keine Gefahr für sein Leben? Ich beschwöre Sie, sagen Sie mir die Wahrheit!"

Der Arzt zuckte die Achseln.

Ich habe kein sicheres Urteil darüber," meinte er ausweichend.Denn die für eine ordentliche Untersuchung nötigen Instrumente standen mir nicht zur Verfügung. Gut sah es ja nicht aus; aber man muß das beste hoffen."

Ich war entschlossen, in das Krankenhaus zu fahren, um dort nähere Auskunft über Takaokas Zustand einzu­holen, aber als ich mich nach Anlegung des Verbandes erhob, belehrte mich ein heftiger Schwindelanfall, daß ich doch nicht kräftig genug dazu war. Ich mußte mich führen lassen, um in meine zwei Stockwerke höher gelegene Wohnung zu gelangen, und war gezwungen, mich sofort