Heilbronn, 27. Lept. .Weinlese., Im Helgen Ratsaal tagte heute eine Versammlung von Vor tretern der weiubautreibenden Gemeiwden aus den Oberämtern Heitbronn, Ncckarsulm, Weinsberg, Besigheim, Brackenheim und Marbach zwecks Festset zung des Termins der allgemeinen Weinlese. Es wurde nach längerer Diskussion beschlossen, den Beginn der Weinlese auf Donnerstag den 5. Oktober auszuschreiben und in dem Ausschrei- ben den Wein als einen Ausstichwein zu bezeichnen.
s> Gmünd, 27. Sept. Der Verband württ. Industrieller veranstaltete gestern abend eine Ver sammlung, zu der auch der kaufmännische Verein seine Mitglieder eingeladen hatte. Verbandssyndikus Mayer aus Stuttgart sprach über Industrie und Reichstag. Redner ist der Ansicht, daß der Reichstag zu rasch Sozialpolitik treibe. Die Parteien wollen sich damit, wie Redner glaubt, bei der Masse in ein möglichst günstiges Licht setzen. Der Verband arbeite darauf hin, daß die Industrie Einfluß auf Parlament und Parteien gewinne. Auch eine Aende- rung der Wahlkreiseinteilung sei zu verlangen. In der Versammlung hatte Fabrikant Hauber von Gmünd den Vorsitz. Das Schlußwort sprach Fabrikant Rust namens des kaufmännischen Vereins und des Hansabundes.
!! Friedrichshafen, 27. Sept. GrasZeppeli n, sowie der Luftschiffbau Zeppelin haben zur Errichtung der Uferstraße und des Gondelhafens zusammen 10 000 Mark der Stadt geschenkt. Der Gemeinderat räumte dafür der Luftschiffbaugesellschaft das Recht ein, auf die Dauer von 20 Jahren im städtischen Gondelhafen unentgeltlich drei Boote unterbringen zu dürfen. Von anderer Seite sind zum Bau der Uferstraße und des Gondelhafens weitere 25 000 Mk. zur Verfügung gestellt worden.
Landesversammlung des Ev. Bundes.
ep. Nürtingen, 26. Sept. (Ausführlicher Bericht? Unser altes Städtchen, das so schön zu den Füßen der Alb liegt, so daß Neuffen und Teck, Felsen und Buchenwälder fast jedes Fenster grüßen, war zwei Tage lang das Ziel vieler Festbesucher: der württ. Hauptverein des Evangelischen Bundes hat in Nürtingen seine Landesversammlung gehalten. Zwar strahlte nicht gerade die Sonne: aber doch brauchten auch die fürsorglich mitgebrachten Regenschirme nicht in Tätigkeit zu treten: und für den Besuch der Versammlungen war das Wetter, so wie's war, sogar sehr günstig. In der ganzen Stadt wehten die Fahnen; zwischen dem festlich ernsten schwarz- weiß-rot und schwarz-rot die fröhlichen Nürtinger Stadtfarben blau-gelb. Am Sonntag, nachm, halb 3 Uhr begann das Fest in der alten Nürtinger Kirche mit ihrein schönen Chor und dem charakteristischen Turm. Schon vor Beginn war die ganze Kirche gefüllt. Da sah man allerlei Köpfe; und, was erfreulich ist: meist Leute aus dem Volk. Ein Zeichen, wie tief der Ev. Bund Wurzel gefaßt hat. „Mit Gott wollen wir Taten tun!" war der Text,^ den Professor Dr. Schöll (Friedberg) seiner Festpredigt zu Grunde legte. Wir wollen uns zusammenschließen, wollen die werben, die draußen sind, wollen kämpfen und siegen. Der folgende Jahres bericht von Schulrat Dr. Mosapp weckte Jubiläumsgedanken: im Oktober 1886 wurde der Ev. Bund in Erfurt, im Juli 1887 der Württ. Hauptverein begründet. Die Borromäus-Enzyklika habe für uns zweierlei greifbare Ergebnisse gehabt: das Refor-
inatiousdenkmal, und 3600 neue Mitglieder für den Württ. Hauptverein des Ev. Bundes, so daß dieser von 22 854 auf 26 470 Mitglieder augewachsen ist. Von der Kirche ging's in'den Schöll-Saal zur Feft- verfämmlung. Der Saal war aber schon vvr 4 Uhr so gefüllt, daß eine Parallelversammlung statt finden mußte, die ebensogut besucht war wie die Hauptversammlung. Lieder grüßten die Versammelten: hier vom Liedertranz und Sängerkranz, dort vom Seminaristenchor gesungen. Der kraftvollen Er öffnungsansprache von Stps. Traub, dem l. Vorsitzenden des Hauptvereins, folgten Begrüßungen Vvn Stadt und Bezirk, von Landessynode und Öberkir chenbehörde, Der erste Hauptredner, Pfarrer Dr. Michaelis von Metz, sprach über ^Deutsch-evangelisch im Reich." Wir kämpfen für die Reinheit christlicher Frömmigkeit, gegen die Profanierung christlicher Religion in Prozessionen, Reliquienwesen, Kinderkommunion. Wir wollen Wächter sein über moralischen Gütern, vor allem der Wahrheit, die wir durch den Modernisteneid bedroht sehen. Wir kämp fen zugleich für das Wohl des ganzen Vaterlandes. Der Ultramontanismus möchte seine Helden an die Stelle unsrer Nationalhelden setzen (Ketteler statt Bismarck. Er ist unzuverlässig in nationalen Fragen; siehe Polen und Elsaß-Lothringen, wo'ein in Salamanca ausgebildeter Abbe Wetterte der Hauptvertreter des französischen Chauvinismus isst Wie kämpfen wir'? Durch Einigkeit, Gemeinsinn und Opferwilligkeit, durch evangelische Innerlichkeit. In solchem Kampf glauben wir an die Zukunft. Der zweite Redner, Stadtpfr. Dr. Pfisterer (Weinsberg > sprach über „Deutsch-evangelisch in den Kolonien". Seine Zahlen gaben zu denken: Die evang. Mission hat 330, die katholische 600 Berufsarbeiter in unfern Kolonien. Die Zahl der Christen ist bis jetzt etwa gleich. Betrübend sind auch die Vorurteile, die noch vielfach gegen unsere Mission bestehen: und doch steht der Mission in Afrika ein großer Kampf bevor: der Kampf gegen den Islam. Unsre Deut scheu draußen alle mit einander sollten bessere Missionspioniere sein. Und wir daheim ? Je besser es bei uns steht um das Wort „Deutsch -evangelisch im Reich", desto besser steht's auch um das Wort „Deutsch-evangelisch in den Kolonien". Der letzte Hauptredner des Abends, Pfarrer Bazlen von Feldkirch, erzählte noch viel Interessantes von seinem vorgeschobenen Posten Feldkirch.
Der zweite Tag brachte zunächst die geschlossene Mitglieder-Versammlung, in der außer einem Bericht von Prälat von Hermann über Oesterreich besonders ein Referat von Stadtpf. Mayer (Stuttgart) über die Frage der künftigen Zusammensetzung der evang. Kirchenregierung Interesse weckte. Dem Festessen, das von mancherlei Trinksprücheu unterbrochen war, folgte dann noch ein gemeinschaftlicher Gang durch die Stadt aus den Galgenberg mit seiner prächtigen Albanssicht und eine gesellige Unterhaltung im Waldhornkeller mit Ansprachen und Musik. Damit fand das schöne Fest seinen Abschluß. Für Nürtingen und für den Bund sind's Ehrentage gewesen.
Aus dem Reiche.
js Straßburg i. E., 27. Sept. Die Leiche des Unterstaatssekretärs D r. Böhmer wurde heute unter Beteiligung der Zivil- und Militärbehörden zu Grabe getragen.
Aus dem GorichtssaaU
* Marburg, 26. Sept. Ein namentlich für die Geschäftswelt interessanter Prozeß kam heute vor dem hiesigen Landgericht zur Verhandlung. Es handelte sich um eine Klage des Maschinenfabrikanten Ostheim gegen den Kaufmann Schaumberg wegen Geschäftsjchädigung. Der Beklagte hatte seinerzeit für das Marburger Adreßbuch ein Geschäftsinserat ausgegeben, worin er sein Geschäft als Maschine n f a b ri k bezeichnete, obgleich es nicht als fabrikmäßig gelten kann und Sch. im wesentlichen nur Handel mit Maschinen betreibt. Während der Vorderrichter auf Freisprechung erkannt hatte, wurde der Beklagte im heutigen Berufungstermin auf Grund des Gesetzes über den unlauteren Wettbewerb zu 300 Mark Geldstrafe und einer an den Kläger zu zahlenden Buße von 250 Mark verurteilt.
sj Rom, 27. Sept. Andreas Carnegie hat dem König eine Summe von 750 000 Dollar zur Schaffung einer Stiftung in Italien angeboten, die den Zweck haben soll, für Taten des Heldenmuts im bürgerlichen Leben Preise auszusetzen.
ff Paris, 27. Sept. Ein Au t o m o bi lo m nch- bus ist heute nachmittag bei Pont de l'archeveche in die Seine gefallen. Es sollen 20 Personen tot oder verletzt sein.
* Newport, 27. Sept. Wie aus Mexiko berichtet wird, plünderten aufrührerische Indianer im Staate Jas Chiapas am Samstag den Ort Chamula. Sie sollen einen Mann ans Kreuz geschlagen, Frauen und Kinder in barbarischer Weise hin geschlachtet und Säuglinge in die Luft geworfen und mit Lanzenjpitzen aufgesangen haben.
Ter Untergang der Liberte.
!! Toulon, 27. Sept. Der Marineminister Deltas jee traf heute vormittag hier ein, um das Wrack der „Liberte" zu besichtigen. Er unterrichtete sich über die Einzelheiten der Explosion sowie die Räumungsarbeiten und wird im Laufe des Nachmittags die Verwundeten besuchen. Ein Offizier versichert, daß das Feuer auf dem Panzer „Liberte" am Abend vorher in der Kammer des Takelmeisters ausgekommen sei, die von der Granatenkammer durch eine Wand getrennt war. Diese sei wahrscheinlich überhitzt worden, wodurch die ersten Explosionen hervor- gcrufen worden seien. Die Schlußkatastrophe dürfte auf die Entzündung von 25 Tonnen Pulver zurückzuführen sein, die in einer anderen Kammer davor lagerten.
Englands Seeherrschaft,
* London, 27. Sept. Der Marineminister Mac Kenna hielt gestern abend eine Rede vor seinen Wählern in Monmoutsshire, worin er eine Andeutung machte, die wohl als Antwort auf die neulichen Forderungen des Admirals Köster zu betrachten ist. Der Minister erinnerte daran, daß er im diesjährigen Budget Hoffnung auf eine Herabsetzung der Flottenausgaben machte. Er bestätigte diese Hoffnung und fügte hinzu: „Aber jetzt und immer muß das Maß unserer Marineaufwendungen von dem abhäugen, was fremde Länder tun. Nichts als eine beherrschende Flotte kann uns für alle Zeiten und
Lefesructzl.
Wenn man allen Schmerz mit heiterm Mut, alles Beängstigende mit Tapferkeit ertragen kann, so heißt das wahrlich eine tüchtige Natur haben.
TakaoLa.
Novelle von Lothar Brenkendorf.
(Fortsetzung.) (Nachdruck verboten.)
„Nun, was führt Sie zu mir, lieber Freund? Hoffentlich doch nichts Schlimmes? Sie sehen ja ganz verstört aus. Was hat's denn gegeben?"
Weil er annehmen mochte, daß meine Mitteilungen nicht für fremde Ohren geeignet seien ging er zu der Verbindungstür, um sie zu schließen, nachdem er den Beiden da drinnen liebenswürdig zugenickt hatte. Ich aber mußte alle Kraft meines Willens zusammenraffen, um ihn in leidlich zusammenhängenden Worten von der Ursache meines Erscheinens zu unterrichten. Er hörte meinen Bericht an, und dann, indem er mir forschend ins Gesicht sah, sagte er kopfschüttelnd:
„Ich begreife nicht, wie Sie sich an einer solchen Bagatelle so aufregen können, mein lieber Herr Goßler! Sie sind ja ganz außer Fassung, und ich erkenne Sie kaum wieder. Natürlich haben Sie recht daran getan, die beiden Krakehler vor die Tür zu setzen. Wir dürfen dergleichen nicht bei uns einreißen lassen. Das sind wir der braven Mehrheit unserer Arbeiter schuldig. Sie haben also meine volle Zustimmung, und damit wird die geringfügige Sache doch auch wohl für Sie erledigt sein."
Ich verbeugte mich stumm, denn ich konnte ihm sa nicht sagen, daß die furchtbare Erregung, die er mir vom Gesicht abgelesen hatte, ganz andere Ursachen hatte, als die von ihm vermutete. Zu meiner Qual entließ er mich nicht sofort, sondern nahm die Gelegenheit wahr, um noch eine Reihe anderer Dinge mit mir zu besprechen. Im Verlauf dieser Unterhaltung gelang es mir wohl, meine Haltung und die Herrschaft über mein Benehmen zurückzugewinnen: in meinem Innern aber stürmte und tobte es weiter, und die wildesten Gedanken jagten sich in meinem Gehirn.
Endlich hatte er mir nichts mehr zu sagen, und ich war erlöst. Raschen Schrittes wollte ich das Haus verlassen, unter dessen Dach meine letzte Glückshoffnung soeben den Todesstoß erhalten hatte; aber das Schicksal durchkreuzte meine Absicht, indem es mir auf der saalartig ausgestalteten Diele diejenige entgegenführte, von der ich heute den grausamsten Schmerz meines Lebens erfahren. Ich konnte nicht
an ihr vorüber, ohne sie zu begrüßen. Und da sie wie kn Erwartung einer Anrede stehenblieb, mußte gegen meinen Willen auch ich verweilen.
„Sie kommen jetzt sehr selten, Herr Goßler," sagte sie freundlich wenn auch in merklicher Befangenheit. „Nehmen Ihre Berufspflichten Sie so ganz in Anspruch, daß Sie keine Zeit mehr für uns übrig haben?"
Ich hatte mich beherrschen, hatte ihr nicht zeigen wollen, wie tödlich sie mich gekränkt; aber ich war am Ende doch nicht der Mann, von dem man Uebermensch» uches verlangen durfte. So erwiderte ich mit mühsam erkämpfter äußerer Gelassenheit:
„Ich habe nicht die Gewohnheit, mich aufzudrängen, gnädiges Fraulem I Und ich darf mich ja auch der be- ruyrgenden Gewißheit hingeben, daß ich hier von nie- mandem vermißt worden bin. Uebrigens höre ich, daß ^>re stch mrt der Absicht tragen, das uninteressante Europa demnächst zu verlassen. Darf ich auf Ihre Verzeihunq rechnen, wenn ich mich nicht unter denen befinde die Sie dazu beglückwünschen?"
Ich wußte wohl, daß es eine beispiellose Ungezogenheit war, deren ich mich da schuldig machte, und die Wort« waren mir auf die Lippen gekommen, fast ohne, daß ich es wollte. Aber ich bereute sie trotzdem nicht; denn ich befand mich in einem Gemütszustände, der mich wohl noch zu Schlimmerem befähigt hätte. Die Wirkung meiner Red« auf das junge Mädchen aber war doch stärker, als ich es vorausgesehen. Ihre Augen wurden ganz groß und sie sah mich an wie ein schuldlos mißhandeltes Kind. Dann überzog sich ihr liebliches Gesichtchen bis über die Stirn hinauf mit einem brennenden Rot und mit zuckenden Lippen flüsterte sie: „Das ist abscheulich! Das hätte ich Ihnen niemals zugetraut. Ich — ich-"
Aber sie konnte nicht weiter; denn ein Schluchzen erstickte ihre Stimme. Sie verbarg das Gesicht in den Händen und wandte sich, um wie ein gescheuchtes Reh über die Diele hin zu fliehen und hinter der Tür ihres Zimmers zu verschwinden.
Bestürzt blickte ich ihr nach. Vielleicht hatte ich sie niemals glühender und leidenschaftlicher geliebt als in diesem Augenblick, und wenn es sich darum gehandelt hätte, sie durch die Hingabe meines Lebens glücklich zu machen, so würde ich wahrscheinlich keine Sekunde gezögert haben, es zu opfern. Aber eine Stimme in meinem Innern rief: „Die Zukunft, der sie entgegengeht, ist nicht das Glück — an der Seite dieses Fremdlings kann sie nichts anderes als grenzenlos elend werden, und schmachvolle Feigheit wäre es. sie ihm kampflos zu überlassen."
Ich kehrte in mein Bureau zurück, aber ich war außerstande, mich mit irgend etwas zu beschäftigen. Für die wilden Gedanken, die in meinem Kopfe kreisten, gab es kein Ablenkungsmittel und keine Betäubung. Erst dachte ich daran, Takaoka aufzusuchen und den Verzicht auf das Mädchen geradezu von ihm zu fordern. Aber ich sagte mir bald, daß dies jedenfalls der schlechteste Weg sein würde, mein Ziel zu erreichen. Was hätte ich ihni denn auch antworten sollen, wenn er mich mit seinem verdammten Lächeln gefragt hätte, woher ich die Berechtigung zu solchem