hie Futterzölle abschaffen. Ueber diesen Gegenstand sollten sich auch die Landwirte in dieser Zeit klar werden. Die Millionen Zölle würden auf den Viehpreisen liegen.
Naumann kommt dann auf die auswärtige Politik und zwar in der Hauptsache auf Marokko zu sprechen. Er leitet diesen Gegenstand Mit Betrachtungen über Kolonisation ein und führt aus, wie es für uns Deutsche das Beste sei, wenn wir uns die Vergangenheit unseres Bolkes- vercirgkttivärtigen, wie die Römer einst bei uns kolonisiert haben und wie es auch nicht ohne Blutvergießen ging. Wenn wir uns die Entwicklung unserer Kultur vergegenwärtigen, würden wir auch den richtigen Begriff bekommen für die Dinge in Marokko. Wir Deutsche haben kein Kupfer, Baumwolle rc., was es in Marokko gebe. Der praktische Gesichtspunkt werde zu wenig berücksichtigt. Es gelte dü Äugen aufzumachen; man kann in dieser Beziehung von den Engländern lernen. Bebel stelle sich die Sache leichter vor bezüglich der Ansprüche an Marokko. Es genüge nicht zu sagen, ,/oir wollen auch beteiligt sein." Wenn dann die andern nicht wollen? Was dann? Wenn eine Ration derartige Ansprüche mache, müsse auch die nötige Stärke da sein. Niemand wünsche; daß es einen Krieg gebe. Wenn man in unserem Falle die Truppen mitreden lasse, so heißt das nicht, man wolle 'den 'Krieg. Gerade die langsame Art, wie die Verhandlungen geführt werden, spreche dafür, daß doch am Ende etwas herauskomme. Andernfalls wäre der Abbruch der Verhandlungen langst erfolgt. Der Redner kritisiert die Haltung der Sozialdemokratie in der Marokkoangelegenheit und bemerkte, daß der Sache mehr gedient gewesen wäre, wenn gar kein Protest sich erhoben hätte. Nach leinhalbstündiger Rede schloß der Redner um 9 Uhr seinen Vortrag. Für seine Ausführungen wurde ihm lebhafter Beifall zuteil.
Aus dem Reiche.
si Berlin, 21. Seht. Den Blättern zufolge wurden heute schon vor Beginn der Börse die Banken mit Verkaufsordres gestürmt. Infolgedessen setzten sich die großen Bankinstitute mit dem Auswärtigen Amt in Verbindung. Vor Beginn der Börse wurden der Direktor der Berliner Handelsgesellschaft, Fürstenberg, der Direktor der Deutschen Bank, Helferich, ferner Vertreter der Nationalbank und des Hauses Bleichröder sowie andere Mitglieder der Finanzwelt auf dein Auswärtigen Amt vom Uuterstaatssekretär Zimmermann empfangen, der in der Unterredung erklärte, die Marokkofrage werde in zwei bis drei Tagen in günstigem Sinn erledigt sein, und den Vertretern der Großfinanz gestattete, jeden beliebigen Gebrauch von seiner Erklärung zu machen. Durch diese Erklärung des Uuterstaatssekretärs wurde ein größerer Kurssturz verhindert.
st Petersburg, 20. Sept. Die gestrige Nummer der deutschen Zeitung „Petersburger Herold" ist wegen eines Leitartikels über Stulypirt beschlagnahmt worden. Der Redakteur soll zur Verantwortung gezogen werden.
st Madrid, 20. Sept. Nach den Erklärungen des Ministerpräsidenten Caualejas hat die Lage in der Provinz Valencia sich verschlimmert. Alcira ist in der Gewalt der Aufständischen. Die Revolutionäre haben das Rathaus und zwei öffentliche Gebäude niedergebrannt. Eine Brücke wurde in die Luft gesprengt. Die Eisenbahnen sind abgeschnitten. Truppen sind abgesandt worden.
Die deutschen Heilstätten in Davos und Agra.
Seit dem 1. Dezember 190l besteht in Davos eine deutsche Heilstätte, in welcher aus allen Gauen des Deutschen Reichs und ohne Unterschied der Religion weniger bemittelte Lungenkranke ausge nommen werden. In drei Gebäuden enthält die Anstalt 140 Betten. Geistliche, Lehrer, Beamtet Kaufleute, Angestellte und deren männliche und weibliche Angehörige haben darin Ausnahme gestruden und bis Ende Dezember 19l0 betrug die Zahl der Gäste genau 2000. Nun war aber die Zahl der Gejuchssteller eine viel größere: 4573, was den Vorstand der Heilstätte veranlaßt hat, eine Erweiterung derselben zu planen. Man kam zu dem Entschlüsse, in Agra, an den italienischen Seen,; aber ebenfalls aus Schweizerboden, ganz nach Art der Davoser Anstalt, eine Zweigniederlassung zu gründen, in der zunächst 60 Betten ausgestellt werden sollen. In Agra (bei Lugano) ist auf der Collina d'Oro, 600 Meter über dem Meer, ein großM Landgut um den Preis von 70 000 Fr. erworben worden, das mehrere Gebäude aufnehmen kann. Die Lage Agras unterscheidet sich von Davos dadurch, daß sie subalpin, nicht hochalpin ist und dem Hei- luugszweck bei gewissen Krankheiten (Säuglings-, Krüppel- und Lupuskrankenpflege) besonders entsprächt. Reich an Wald, ist die Landschaft von Agra staub- und nebelfrei; sie hat die Aussicht aus den
herrlichen Luganersee und in dem milden Klima eine reiche südliche Vegetation. Durch eine Schenkung sind ihr 100 000 Mark zur Verfügung gestellt worden. Die Deckung des Landankaufs, die Bauten und die Beschaffung von Quellwasser erfordern jetzt schon die Summe von 500 000 Franken. Die beiden Heilstätten find dauernd auf die Unterstützung durch wohltätige Hände angewiesen und es fließen ihnen die Gaben nicht aus allen Teilen des Reiches gleich ergiebig zu. Es ist auch in Deutschland wenig bekannt, daß in Davos ein deutsches Konsulat besteht, dessen Chef, Herr Konsul Burchard, der Vorsitzende des Vorstandes der Heilstätte und um deren Gedeihen sehr verdient ist. Bei ihm ist jede Auskunft erhältlich. Ehrenvorsitzende des Vorstandes sind verdeutsche Gesandte in Bern, v. Bülow, und der bayerische Ministerresident in Bern, v. Böhm. In Deutschland nehmen eine Anzahl Banken Beiträge für die beiden Heilstätten entgegen, so in Frankfurt die 'Direktion der Disconto-Gefellschaft, in Mannheim die Rheinische Kreditbank und die Pfälzische Bank, in München die Bayerische Hypotheken- und Wechselbank und in Stuttgart die Württembergs che Bereinsbank. Eine große Zahl angesehener Personen hat die Anstalt der Teilnahme weiterer Kreise empfohlen, darunter aus Frankfurt die Herren Oberbürgermeister Adickes, Louis Bernus, Geheimrat Dr. Gans, Oskar Günther, Alfred Lejeune, Pfarrer Leyd- hecker, Carl de Neufville, Professor Quincke. Wir möchten mit diesen Zeilen ein Gleiches tun.
Marokko.
Die Antwort Frankreichs auf die jüugste Note Deutschlands kann erst Ende dieser Woche in Berlin eintreffen, so daß auch im besten Falle die Verhandlungen erst gegen den Ansgang dieses Monats zum Abschluß gelangen werden. Die noch vorhandenen Meinungsverschiedenheiten erstrecken sich zwar auf verschiedene Punkte, jedoch nur auf solche, an denen das Abkommen nicht scheitern kann, und über die eine Verständigung ebenfalls erzielt werden wird. - Einige Pariser Blätter äußern Besorgnisse wegen einer endlosen Hinziehung der Verhandlungen, aridere meinen, daß sich die Unterhandlungen vielleicht ganz zerschlagen würden, worunter die deutsch-französischen Beziehungen leiden müßten; alle aber sprechen die zuversichtliche Erwartung aus, daß es Marokkos wegen nicht zu einem Kriege kommen werde. Am meisten Schmerzen verursacht es den Franzosen, daß Deutschland so unanfechtbare Bürgschaften für die Sicherung der Gleichberechtigung des internationalen Handels von ihnen verlangt und von diesen Forderungen auch kein Titel- chen nachläßt. Darein . wird sich Frankreich aber finden müssen.
Zur optimistischen deutschen Auffassung in der Marokkofrage erklärt der Berliner Korrespondent der „Franks. Ztg.": Von allen Punkten, die zum Programm der Sicherung der wirtschaftlichen Rechte Deutschlands in Marokko gehören, sei nur noch ein einziger vorhanden, über den eine Verständigung noch ausstehe. Auf diese Tatsache gründe sich die Hoffnung einer baldigen Regelung der ganzen Marokkofrage. Auch die kurze Zeit, die zur deutschen Rück- äußeruug nötig gewesen sei, beweise, daß'eine ziemlich weitgehende Uebereinskimmung zwischen Frankreich und Deutschland hergestellt sei.
Allerlei
* Von dem erschreckenden Tiefstand der itackt Lutschen Bevölkerung zeugt eine neue Schreckensmeldung. Bei Umbertide in der Nähe von Perugia stand eine alte Frau im Rufe der „Hexerei." Die abergläubischen Bauern beschlossen daher, sic aus der Welt zu schaffen. Sie haben die Frau, wie die Untersuchung ergab, in einem Kalk- ofeu bei lebendigem Leibe verbrannt. Die Polizei ist auf der Spur der Missetäter.
8 Die Krinoline ist in Deutschland, auf den „Humpelrvck" soll der „Hühnerkorb" folgen. Dies mal ist es kein Spaß, denn, wenn die neue Mode auch erst in den Kleidervorführungen der Berliner und anderer großstädtischen Kaufhäuser zu sehen ist, lange wird es nicht dauern, und wir werden zum mindesten einzelne Exemplare in der Oeffentlichkeit schauen können. Vielleicht kommt es ebenso, wie mit der Rockhose, die es nicht zur Spur von einem Triumphzug bringen könnte, möglicherweise aber auch anders. Es fehlt ja in der sogenannten Weltstadt- Gesellschaft nicht an Vertreterinnen der Weiblichkeit, die mit allem den Anfang machen müssen, und die Nachahmung folgt auf dem Fuße. Das ist das eigentliche Charakteristische der Mode, daß sie heute in einer Schnelligkeit, manchmal freilich in Karrikaturen, sich in alle Bevölkerungsschichten verbreitet, die zeigt, daß wir wirklich im Zeitalter der Elektrizität leben. Post und Eisenbahn hatten schon Sorgen mit den großen Damenhüten; was wird hier und erst in den Straßenbahnen werden, wenn die Krinoline auf der Bildfläche erscheint?
§ Edelweiß aus Treibhäusern. Aus der Schweiz wird berichtet: Seit Jahren kommen während der Saison große Mengen davon aus Berlin /in die Schweiz. Ganze Körbe gehen an die großen Frem
denzentralen, die für die nötige Aufmachung und den Vertrieb sorgen. Freilich erreicht das künstlich gezogene Edelweiß durchaus nicht die Schönheit der wirklichen Alpenblume. Jeder Kenner wird sofort an der mehr ins Schmutzig-Grüne spielenden Farbe das Treibhaus-Edelweiß erkennen. Kein Gärtner der Welt kann es darin dem natürlichen gleich machen. Der Unterschied ist eben organisch. Auf das natürliche Edelweiß strömt in den Bergeshöhen eine außerordentlich große Lichtflnt ein. Der starke Sonnenbrand würde nun die begrenzte Feuchtigkeitsmenge, die dem Edelweiß an seinem Standort zur Verfügung steht, aufsaugen, schützte sich die Pflanze nicht selber vor dieser Austrocknung, indem sie eine Fülle lufthaltender Haare an ihrer Oberfläche ansetzt. Diese Luftzellen lassen den weitaus größten Teil der Licht- und Wärmestrahlen nicht in das feuchte Innere ein- dringen, sondern reflektieren sie. Und eben diese Lichtreflektierung ist es, welche die Haare so prachtvoll weiß erscheinen läßt. (Bei der Birkenrinde findet genau der gleiche Vorgang statt.) Das künstlich gezogene Edelweiß dagegen wächst unter ganz anderen Bedingungen aus und entwickelt infolgedessen zunächst weniger Haare und dann auch, für diese nur in einem geringeren Maße diesen eigenartigen Vertrocknungsschutz, der zugleich seine höchste Schönheit ist.
Literarisches.
Neue Karte des Württ. Schwarzwaldvereins, Blatt 7: Sulzt-Oberndorf. In Kommission bei A. Bonz' Erben in Stuttgart. Preis aufgezogen in Taschenformat Mk. 2. - . (Vorrätig in der Ws. Rieker'schen Buchhandlung, L. Lank, Altenstei g.)
Das 7. Blatt des neuen Vereinskartenwerks ist soeben erschienen; es umfaßt das Gebiet zwischen der Glatt und dem Plettenberg, der mittleren Eyach und Dunningen und ist mit Genehmigung des Kgl. Württ. Statistischen Landesamts hergestellt nach den amtlichen Höhenschichtenkarten Sulz, Binsdorf, Oberndorf und Geislingen am Riedbach. Es ist eine wirklich schöne Leistung, die mit diesem Blatte wiederum aus dem kartographischen Institut H. Petters (Inhaber G. Metzeroth) in Stuttgart hervorgegangen ist; die kunstvoll durchgeführte Schummerung in Verbindung mit den Höhenkurven macht das Kartenbild klar und anschaulich und auch dem weniger kartenkundigen Wanderer ohne weiteres verständlich; plastisch heben sich die Talfurchen, vor allem die des Neckars und der Glatt, die Keuperstufen des Kleinen Heubergs und im Südosteck noch die Juraplatte des Plettenbergs heraus. Durch die Bemühungen des Vereinswegansschusses und verschiedener im Bezirk ansässiger Mitglieder, insbesondere der betreffenden Herren Oberförster, sowie durch die Benützung des amtlichen Materials ist der neueste Stand und die Zuverlässigkeit der Weg- und sonstigen topographischen Angaben gewährleistet. Die umfassende Wegbezeichnnng des „Schwäbischen Albvereins" ist ebenfalls auf diesem Blatt in roten Linien eingetragen. Mit seiner gediegenen Ausstattung und den hier nur angedeuteten Vorzügen dürfte das Blatt allen billigen Anforderungen, die man an eine gute Wanderkarte stellt, entsprechen.
Handel und Verkehr.
* Die Württ. Notenbank hat ihren Diskontsatz auf 5°/y und ihren Zinsfuß für Darlehen auf gesetzlich zugelafsene Wertpapiere auf 6"/g erhöht.
Herbstuachrichte».
' Talheim, OA. Heilbronn, 19. Sept. Geschätzter Ertrag an Rot- und Weißwein zusammen zirka 1200 Hektoliter. Stand der Weinberge sehr schön. Traubenbehang in besten Lagen schön und gesund, ausgereift. Ziemlich verstellt. Preise noch unbekannt.
* Möhringen, 20 Sept. (Krautpreise.) Der in der vorigen Woche niedergegangene Regen bewirkte ein rasches Fallen der Preise für das Filderkraut. Die Händler und Fabrikanten zahlen statt 8 nur 6 Mk. für den Zentner. Ein weiteres Sinken der Preise dürfte nicht ausgeschlossen sein, da durch den Regen gerne Fäulnis und Zerbersten des Krautes eintritt, wodurch ein rascherer Absatz notwendig wird. Dann aber wird der Preis wieder erheblich steigen, da der diesjährige Ertrag sehr gering ist. Wer Liebhaber von einem guten Fildersauerkraut ist, wird gut tun, sich möglichst bald damit zu versehen.
Konkurse.
Adolf Rüdenauer, Mechaniker uud Spezereiwarenhändler in Feuerbach. — Christoph Benz, Weinhändler in Heidenheim a. Brz. (Nachlaßkonkurs). — Karl Remmlinger, Bauunternehmer in Heilbronn. — Friedrich Drautz, Inhaber einer Kohlenhandlung in Heilbronn. — Firma I. G. Kuder Nachf., Inhaber: Josef Rosenfeld in Heilbronn. — Adolf Maier, Oekonom von Weilimdorf, z. Zt. mit unbekanntem Aufenthalt abwesend. — Gotllieb Schweiker, Mechaniker in Reutlingen.
Voraussichtliches Wetter
am Freitag, den 22. Sept.: Bewölkt, Regenfälle, kühl.
Nennt» örtlicher Rchaktem; L. Lank, Ulteustets.
Druck ». Berlar der W. Rtrker'schen Buchdruckerei, L. Lank, Altenstckß