Gegründet
1877.
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Der Tod des Ministerpräsidenten SLochpin hat den Platz des leitenden Staatsmannes im Zarenreiche frei gemacht. „Leitender Staatsmann" zu sagen, ist freilich für die tatsächlichen russischen Verhältnisse nicht ganz angebracht, denn Minister Sto- lypin hat trotz aller Energie nicht einmal in seinem Spezial-Ressort, dem des. Innern, durchgreisen und einheitlich bestimmen können, und in den übrigen Zweigen der Verwaltung war ihm das nun schon gar nicht möglich. Zwei Gewalten ringen in Petersburg um Einfluß und Macht. Zuerst die Hofkreise, die vor allen Dingen ihr Augenmerk auf äußere Politik, Militär und Marine richten, und sodann die Spitzen der orthodoxen russischen Kirche im Bunde mit den Vertretern des Altrusseutums, welche das ganze innere Leben beeinflussen. Und trotz Zar, Ministern und Volksvertretung haben diese Kreise in der Hauptsache noch immer das, was sie wollten, zu erreichen gewußt. „Rußland den Russen!" das hat stets gewirkt.
So ist es eigentlich immer gewesen. Der letzte russische führende Minister, der den Titel eines Reichskanzlers auch von Amts wegen führte, war Fürst Gortschakow, der bis zur Ermordung des Kaisers Alexander II. als solcher amtierte. Bismarck hatte ihn als preußischer Gesandter in Petersburg persönlich kennen gelernt und mit seiner scharfen Menschenkenntnis die wenig freundlichen Gesinnungen des russischen Diplomaten entdeckt. In der Hauptsache war cs Alexander II., dem Neffen unseres alten Kaisers, zu danken, daß in Petersburg in der kritischen Zeit von 1870/71 eine deutschfreundliche Gesinnung bestehen blieb. Unter der Regierung Alexanders III., der schon als Thronfolger Sympathien für Frankreich gezeigt hatte, kam dann die bekannnte Annäherung an die französische Republik zustande, die auch unser dem heutigen .Kaiser Nikolaus II. geblieben ist. Die franzosenfreundliche Strömung am Zarenhofe ist so stark, daß sie nicht durchbrochen werden kann. Unter dem im Vorjahr zurückgetretenen Minister Jswolski lagen zeitweise kriegerische Auseinandersetzungen nach der Seite unseres Verbündeten Oesterreich-Ungarn hin nahe, und erst mit dem Besuche des Zaren in Potsdam ist eine größere Vorurteilslosigkeit in die russische Politik eingezogen. Bon irgend welcher Intimität kann man allerdings nicht reden, und diese ist auch in absehbarer Zeit nicht zu erwarten.
Die Zahl derjenigen Männer, die Deutschlands Stellung, seine Bedeutung für andere Staaten aufrichtig würdigen und uns nicht als einen politischen und wirtschaftlichen Rivalen betrachten, ist an der Newa ebenso gering, wie an der Themse. Auch der verstorbene Stolypin war kein Deutschenfreund, russische und deutsche Anschauungen widerstrebten sich auch bei ihm im hohen Maße. Immerhin stand er aus dem Standpunkt, daß er nicht alles Deutsche sofort als russenfeindlich ansah. Vielleicht hatte er- auch, der klare und kluge Kopf, der er war/ die Erkenntnis, daß die Tage seiner ministeriellen Herrlichkeit gezählt waren, wenn er sich dem Deutschtum gegenüber freundlicher zeigte. Jedenfalls suchte er sich dem mächtigen Stockrussentum als ein echter Russe hinzustellen.
Bei der Berufung eines neuen russischen Reichskanzlers werden von den Hofkreisen und den russischen Leuten große und wahrscheinlich erfolgreiche Anstrengungen gemacht werden, einen Mann so ganz nach ihrem Herzen an die Spitze der Geschäfte zu
Donnerstag, de« Sl. September.
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bringen, der nicht erst abwartet, daß „nationale" Wünsche an ihn herantreten, sondern der denselben zuvorzukommen weiß. Die Persönlichkeit des neuen Mannes am Steuer ist für uns insofern von Bedeutung, als doch die auswärtige Politik davon mit berührt wird. Und dann rückt die Erneuerung des Handelsvertrages mit Deutschland näher heran. Wir hatten schon einmal einen Zollkrieg mit Rußland und wünschen nicht, daß eine Wiederholung käme. Daß der Moskauer altrussischen Partei damit ein Wunsch erfüllt würde, ist bekannt, aber keineswegs darf das deutsche Reich auf seine Interessen verzichten.
Der erste Wahlaufruf für die bevorstehenden Reichstags wählen ist vom Zentralausschuß der vereinigten Jnnungsverbände Deutschlands ausgegangen. Er fordert die Herbeiführung eines gedeihlichen Verhältnisses zwischen Fabrik und Handwerk, stärkere Heranziehung des Handwerks zur Begutachtung von Gesetzentwürfen und als Mitglieder der ersten Kammern, Einrichtung besonderer Handwerksabteilungen in den Ministerien, Schutz der Arbeitswilligen, aber keine Versicherung der Arbeitslosen, Ausbau der Fachfortbildungsschulen ohne Religionsunterricht, reichsgesetzliche Regelung des Verdingsungswesens, Bekämpfung des Bauschwindels sowie der Konkurrenz durch Gefängnisarbeit, Warenhäuser, Konsumvereine, Wanderlager und Leihhäuser, Schutz vor nachteiligen gewerbepolizeilichen Bestimmungen, Aufhebung der Bäckerei- und ähnlichen Verordnungen sowie Förderung aller Mittel zur Beseitigung des Borgunwesens.
Die Erhöhung des R ei ch s b an kdis - kouts von 4 auf 5 Prozent, die soeben erfolgte, ist zum nicht geringen Teile auf das Anschwellen des Wechselportefeuilles zurückzuführen. Die starke Benutzung von Wechseln als Zahlungsmittel droht überhand zu nehmen. Sie ist heute durchaus nicht mehr auf die großen Geschäfte mit ihren Riesenzahlungen beschränkt, sondern auch im kleinen Verkehr häufiger als wünschenswert wäre, anzutreffen. Der Gebrauch von Wechseln im Kleinverkehr ist aber wenig anders als die Kontrahierung von Schulden. Ein Name ist schnell guergeschrieben: die Einlösung von Wechseln verursacht manch einem schwere Sorgen. Wer irgend kann, sollte sich aus Wechselgeschäfte daher nicht einlassen.
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Mit Lieb ermann von Sonnenberg, der am Montag im Sanatorium zu Schlachtensee bei Berlin nach vorausgegangenen wiederholten Schlaganfällen im 64. Lebensjahre einer Lungenentzündung erlag, ist nicht nur wieder einer der älteren, sondern auch der markanteren Abgeordneten aus dem deutschen Reichstage geschieden. Auch die Gegner, und der auf einer so exponierten Stelle kämpfende Liebermann von Sonnenberg hatte deren im Reichstage sehr viele und sehr heftige, erkannten an, daß der Verstorbene die Eigenschaften eines paklenden Volksredners im hohen Maße in sich vereinigte. Die mächtige Gestalt, das kräftige Organ, das lodernde Temperament Liebermanns erhöhten die Wirkung seiner Reden. Der Verstorbene stand auch dem Bunde der Landwirte nahe und Pflegte auf dessen Jahresversammlungen im Zirkus Busch zu Berlin regelmäßig eine mit stürmischem Beifall aufgenommene Ansprache zu halten. Im Wahlkreise Kassel 3, Fritzlar-Homburg, in dem der Verstorbene seit 1860 jedesmal im ersten Wahlgange gewählt wurde, hat nunmehr eine Ersatzwahl stattzu- sinden, die noch während der Sessionsdauer des alten Reichstags vorgenommen werden wird.
Deutschtum oder Deutschsucht (le Deutschtum ou la Germanomanie), so überschreibt Gabriel Bonvalet im Echo de Paris einen Artikel, in dem er aus Anlaß der Broschüre „Westmarokko deutsch" den Begriff des Deutschtums seinen Landsleuten zu erläutern sucht. Das Wort „Deutschtum") so erklärt 8er Artikel des Franzosen, findet seines Wissens einen entsprechenden Ausdruck in keiner anderen Sprache. Es bezeichnet die Leidenschaft oder Sucht, alles auf Deutsch und alles für Deutschland zu machen. In dieser Begriffsanalyse beruht: Bonvalets verständnisvolle Uebertragungskunst, irk ihr spiegelt sich aber auch, wie die Mitteilungen des Vereins für das Deutschtum im Ausland schrei-, ben, die Tatsache, daß selbst führende Geister deH französischen Volkes für Art und Arbeit, Denken und Fühlen der Deutschen ein merkwürdig geringes. Verständnis haben. Freilich mag der Franzose darin Recht haben, daß Begriff und Wort „Deutsche tum" in anderen Sprachen nicht ihresgleichen haben« Ter Ursachen sind verschiedene. Vor allem hat kein Volt so viel seiner Söhne hinausgeschickt in die Ferne, keine Stammesgenossenschaft lebt in so viel! Zonen und soviel Staaten zerstreut auf denk ganzen Erdenrund. Erst draußen, inmitten anderer, oft geringerer Kultur elemente, ist man sich klar bewußt geworden, was Deutschtum ist: Die Summe aller ideellen Werre, die unsere Blutsgemeinschaft an Ureigenheit der Sprache, Empfindung und Sitte von einer Geschlechtsfolge auf die andere ererbt und überträgt. So hat das Deutschtum in diesem Sinne nie eine erobernde Rolle gespielt, sich vielmehr stets mit der Verteidigung seines Besitzes beschieden, wenn es auch Zeiten gegeben hat, wo es vom Ritterschwert vorwärts getragen in harter Arbeit Bruch- und Sumpfland bewohnbar gemacht hat. Kann darin, daß ein Verein wie der uns- rige das Deutschtum im Auslande Pflegt, indem er danach strebt, in erster Linie durch die deutsche Schule unseren Kindern jene unschätzbaren Werte nicht verloren gehen zu lassen, etwas gefunden werden, das über das Maß berechtigten Festhaltens am eigenen Kulturbesitzstand hinausgeht ? Wäre es eine Manie, eine Sucht, ein krankhaftes Streben? Würde Herr Bonvalet es Recht finden, die Tätigkeit der Alliance francaise als francomanie zu bezeichnen? Gewiß nicht, obgleich sein eigener Maßstab auf deren sprach- propagandistische Tätigkeit wohl anwendbar wäre.
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Eine Trauerseier, die deuts che und französische Offiziere vereinte, fand für den in Marokko gefallenen französischen Hauptmann Petitjean in dessen Heimatort, dem deutschen Grenzort Saint- Marie-aux-Chenes, statt. In Vertretung der Metzer Garnison nahm an ihr der Gouverneur mit mehreren Offizieren teil, in Vertretung der französischen Armee vier Offiziere in Zivil. Im Trauerzuge schritten die Offiziere beider Armeen nebeneinander.
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Der englische Botschafter in Wien, Car kW right, der sich durch seine deutschfeindliche Betätigung in Wien unmöglich gemacht hat, wird nach einigen Monaten den Wiener Botschafterposten mit einem anderen vertauschen.
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Das englische Erwerbsleben leidet empfindlich unter dem Streik der Angestellten der drei größten irischen Eisenbahngesellschaften. Die Ursache des Streikes ist eine eigentümliche. Die Arbeiter weigerten sich nämlich, Holztransporte zu besorgen, da im'Holzgewerbe Streitigkeiten zwischen Unternehmern und Arbeitern ausgebrochen sind. Als die Direktionen der Bahnen Miene machten, auszusperren, kamen die Arbeiter mit dem Streik, zuvor.
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Die Aufstandsbewegung in Spanien ist weit größer, als es die von der Zensur stark beschnittenen Telegramme erkennen lassen. Außer gewalttätigen Streiks, die in zahlreichen Orten das Einschreiten des Militärs notwendig machten, handelt