sich Dinge sagen lassen, die im Handbuch des gn ten Tons nicht zu finden sind. Andere schlugen in die gleiche Kerbe und vervollständigten die Exekution der "lieberradikalen. Die ausgesprochenen Revisio­nisten machten wacker mit: es bereitete ihnen offen bar einen großen Genuß, hier, wo es ausnahms­weise einmal nicht gegen sie, sondern gegen den hohen Rat ging, mit der Partie zu sein und mit dem grimmen August die wilden Männer und Wei der abzustrafen. Die bürgerlichen Zuschauer, die sich an dem Schauspiel ergötzten, haben übrigens keine Ursache, zu leugnen, daß in den Vorwürfen, da­von der Genossin Luxemburg und ihresgleichen gegen die Parteileitung erhoben werden, ein Körnchen Be­rechtigung steckt. Zwar hat der Parteivorstand etliche schwülstige und verstiegen entrüstete Kundgebungen gegen dieKriegshetzer" und dergleichen vom Sta pel gelassen, auch Protestversammlungeu veranstal­tet, aber mit dem Herzen ist er doch nicht bei der Sache gewesen und die äußersten Konsequenzen des Parteidogmas hat er nicht gezogen. Er hatte dafür seine Gründe, weil er eben sehr gut fühlte was Leute, die aus Russisch-Polen stammen oder sonstwie dem deutschen Fühlen fremd sind, eben nicht füh­len können H daß in solchen Dingen beim deutschen Volke keine Parteigejchäfte zu machen sind. Dinge wie die Marokko-Angelegenheit rühren eben an das nationale Empfinden, und das ist gottlob auch in den Massen, die sozialdemokratische Stimmzettel ab geben, noch nicht abgestorben. Wenn irgend etwas die Wahlchancen der Sozialdemokratie verderben könnte, so wäre es ein Gebühren, wie es die Revolutions schreier a la Rosa Luxemburg wünschen. Das wis fen die alten Hasen in der Parteileitung genau, und darum nehmen sie sich ein wenig in Acht und ten sich namentlich, geradeheraus mit dem Massen streik zu drohen oder ihn wohl gar vorzuberei­ten für den Fall eines Krieges. So erlitten die Ueberradikalen auf dem Parteitage eine schwere Nie Verlage: sie ließen es erst gar nicht auf eine Ab ftimmung über ihren Tadelantrag gegen den Partei Vorstand kommen. Vielleicht gelingt es ihnen, bei einer anderen Gelegenheit Revanche zu nehmen, wenn nicht an dem Parteivorstand, so doch an den Revisionisten. Diese Gelegenheit kann sich bei der württembergischen Frage bieten. Genos'e Westmeher aus Stuttgart ist sehr geschäftig gewesen, um in seinem Sinne ein großes Gericht herbeizuführen. Er hat fleißig Unterschriften für einen Antrag gesam melt, der Parteitag möge mit Bedauern Kenntnis nehmen von den jüngsten Vorgängen in der würt- tembergischen Sozialdemokratie und den Vorstand beauftragen, die Entwicklung der Partei im Sinne und Geiste der Gesamtpartei und ihrer Beschlüsse zu sichern. 105 Genossen hat er zur Unterschrift ge­wonnen, also einen ganz ansehnlichen Haufen. Es kann heiß hergehen, wenn man nicht schließlich doch vorzreht, der Sache die Spitze abzubrechen, was freilich nicht eben leicht möglich sein wird, da eben die Dinge, die sich in Württemberg abgespielt ha ben, sozusagen zum Himmel stinken. Zuletzt hat man sich noch heftig über die Delegiertenwahlen zum Jenaer Parteitage gestritten. Es scheinen dabei ganz merkwürdige Dinge vvrgekommen zu sein, insofern nämlich, als behauptet wird, die Westmeyer'sche Par­teileitung habe versucht,, das für >,fie nicht holde Wahlglück zu korrigieren. Zu diesem Zwecke ist schließlich auch eine Neuwahl ausgeschrieben worden, die von dem Abg. Hildenbrand und Genossen mit der Aufforderung beantwortet wurde, die Genos­sen möchten sich der Wahl enthalten, da eben die erste Wahl, trotz der vorgekommenen Unregelmäßig keiren nicht einfach vom Parteivorstand umgestoßen werden könne. So wird der Parteitag in Jena auch in die Notwendigkeit versetzt, über die Rechtsgiltigkeit der Stuttgarter Mandate zu befinden. Alles das kann erbaulich werden.

Kaifermanöver.

In Mecklenburg und Pommern hat in dieser Woche das Kaisermanöver stattgefunden, wiederum unter Aufgebot größerer Truppenmassen ungefähr 100 000 Mann und möglichst kriegsmäßig. Luft­schiffe. und Flugzeuge sind dabei ebenfalls in grö­ßerem Umfange verwendet worden, und es wird berichtet, daß sie Gutes geleistet haben. Am Mittwoch verunglückte das Militärluftschifi M. 0 leider: es geriet in Brand und stürzte zur Erde, indessen kann ten sich die Insassen durch Abspringen retten. An diesem Tage wurde das Manöver abgebrochen, früher als in Aussicht genommen war. Im Aus lande wird man sich da und dort wohl nicht, aus reden laßen, daß das mit der politischen Lage im Zusammenhang stehe.

Für das nächste Quartal

werden Bestellungen auf unsere ZeitungA u s den Tannen" mit demSchmarzwälder Sonntagsblatt" von allen Postanstalten, Postboten, sowie den Agenten und Austrägern unserer Zeitung jeden Tag entgegengenommen.

LÄNdrsnschrichLen.

AHsristeig. 18. Sept.

i st Die Maul- und Klauenseuche ist erloschen

' in Gült st ein, OA. Herrcnberg.

/ Nagold, l 5. Sept. Zur Verstärkung des städ­tischen Wasserleitungswassers, das vom ,,Jakobs­brunnen" kommt, wurde eine neue Quelle in des­sen Nähe gefaßt und der Hauptqnelle einverleibt. Anlaß dazu gab die. Beobachtung und Wahrnehmung, daß letztere in ihrer Ergiebigkeit stark zurückgegan gen ist. Doch mag die Ursache hievon auch in einem Defekt der Wasserleitung liegen.

/ Nagold. 15. Sept. Unvorsichtige Handhabung eines Revolvers vvn seiten eines jungen Mannes in Emmingen brachte dem Wagner Schechinger aus Pforzheim eine schwere Verwundung in der Brust, so daß seine Ueberführung ins hiesige Bezirkskran­kenhaus nötig wurde.

st Gönningen, OA. Tübingen, 15. Sept. Der Gasthof zum Adler, der von H. Würmer, Brauereibe sitzer in Dußlingen erworben wurde, ist gestern von H. Zimmermann-Ravensburg um !,l0 Meter ge hoben worden. Die Hebearbeiten gingen sachge mäß und ganz ruhig vonstatten, sodaß deig Unter nehmer reicher Beifall zuteil wurde.

s! Stuttgart, ! 5. Sept. N eues Erholung s heim der Stuttgarter O r t s k r a n k e nt a s fen. Der Vorstand des Ortskrankenkasfenverbandes Stuttgart hat, wie schon vor längerer Zeit ange- lündigt, nach vorheriger Einholung gutachtlicher Aeußeruugeu der den Verband bildenden Kassen den Ankauf des Schlosses Freudental bei Besigheim von der derzeitigen Besitzerin, Frau Baron von Scher tel-Burkenbach, einstimmig beschlossen, um es zur Unterbringung Erholungsbedürftiger und leichter Kranker einzurichten. Das künftige Erholungsheim wird voraussichtlich eine Bettenzahl von 100 bis I 40 erhalten und soll nach beendigtem Umbau, mit dem alsbald begonnen werden wird, im Frühjahr 1912 dem Betrieb übergeben werden. Mit ihm wird jedenfalls ein vollständiger landwirtscha'tlichcr Be­trieb, namentlich die Selbsterzengung von Milch, ver Kunden, wozu der vorhandene, mehr als 20 Mor­gen große, mit tragbaren Obstbanmen bevflanzte Grasgarten reichlich Gelegenheit bietet. Das Schloß umfaßt einen Grundbesitz von rund 05 württ. Mor­gen, liegt am Fuße des sehr waldreichen Strombergs, durch diesen gegen Nord- und Ostwinde geschützt, gewährt der Parck von Süden her ungehinderten Eintritt und hat im Park und Wald einen pracht­vollen, teilweise über hundert Jahre alten Baum­bestand, der reichlich Schatten spendet. Außerdem sind drei mit fließendem Wasser gespeiste Seen vor­handen. Im Mansardenstil zweistöckig erbaut, war das Schluß mehrere Jahre Sommeraufenthalt des Königs Friedrich, bildet ein abgeschlossenes, mit einem Drahtzaun eingefriedigtes Ganzes, das mit Ausnahme der an das Dorf sich anlehnenden Seite durch einen Wassergraben seinen Abschluß findet.

st Stuttgart, l 5. Sept. Auf dem diesjährigen Volksfest wird eine originelle, künstlerische Idee zur Ausführung kommen. Die En tw ickln n g d es W a- genbaues und gleichzeitig des Fuhrwerks wird dem Publikum in einer so sinnreichen und anschaulichen Weise dargestellt werden, daß diese Veranstaltung al­lein das gewohnte Volksfest über den bisherigen Rahmen erheben wird. Dank den unermüdlichen Be­mühungen der Herren Gustav Kieuzle jr. und Hof Wagenfabrikant Otto Nägele hat man eine historische Wagenabteilung zusammengebracht, die in weiten Kreisen Interesse und Bewunderung erregen wird. Das Paradestück der Historischen Abteilung bildet eine zierliche, prächtig ausgeschmückte Rokvko-Kutsche des Herzogs Karl Theodor vvn der Pfalz, die von der Staütgemeinde Heidelberg in liberalster Weise dem Komitee zur Verfügung gestellt wurde. Der Fürst Wilhelm von Hohenzollern hat außer einer alten tragbaren Rokoko-Sänfte aus der Mitte des ! 8. Jahrhunderts einen großen Jagdwagen aus alter Zeit zur Verfügung gestellt, bei dem besonders der Vvr dem Kutschcrbock angebrachte, zur Ausnahme der fürstlichen Jagdbeute dienende Wildkerb aufsällt. Ein prächtiges Ltück ist auch der Hvchzeitsreifemagen aus dem Jahre 1800. Durch vollendete Form zeichnet sich der zierliche bespannte Kinderkutschierwagen der fürstlich Hohenlohe-Langenburg'schen Familie ans, ebenso eine kleine Kinderkalejche im Empire-Stil, die sich lange Zeit im Gebrauch der kgl. württem belgischen Familie befand. Der Fürst vvn Fürsten - berg hat auch einen eleganten Kinderwagen, die genaue Nachbildung einer herrschaftlichen Kalesche, zur Ausstellung bereitgestellt, der badische Staats minister Dr. Freiherr von Dusch einen interejsan ten alten Reisewagen, der in der Mitte des vorigen Jahrhunderts oft die lange Fahrt vom Schwaben­land ins gepriesene Italien zurückgelegt hat und noch heilte gebrauchsfähig ist. Eine famose Pfarrkutsche, alte Jagdwagen des Fürsten zu Hohenlohe-Oehrin gen, eine ehrwürdige württembergische Postkutsche, Glaskaleschen und Galakutschen, ein sehr interessan­ter, nur vvn einer Seite besteigbarer sogenannter italienischer Wagen nfw. werden zu sehen sein. Wenn

dieser Wagenzug, stilgemätz bespannt, von farben­reichen Jagdzügen unterbrochen über den Wasen da­hinfährt, wird ein s olch eigenartiges Schaustück voll Anmut und Farbenreichtum geboten werden, wie inan es in dieser Aufinachnng hier noch nicht ge­sehen hat. Der historischen Abteilung werden sich die modernen Luxus- und Lastwagen, Kraftfahrzeuge und Wagen der Feuerwehr anfchließen. Auf Einzel­heiten des Programms dieser Schausahrt werden wir noch zurückkommen.

ff Stuttgart,. Sept. Der Bäcker und Wirt Karl Friz war wegen Vergehens gegen das Wein­gesetz allgeklagt. Er hatte Tiroler Traubenjaft mit Obstmost vermischt, nrn, wie die Anklage annimmt, die Mischung als Wein in einer von ihm zu erwer­benden Wirtschaft anszuschenken. In einem von dem Angeklagten gemieteten Keller wurden von Wein­kontrolleur Bogölmann lO Eimer von dem Gemisch beschlagnahmt. Sämtliche Fässer trugen die In­schrift:1010er Rotwein." Der Angeklagte macht geltend, daß die Mischung als Hallsgetränk für sein Dienstpersonal bestimmt gewesen sei. Dies konnte ihm die Strafkammer nicht glauben und verurteilte ihn zu 50 Mark Geldstrafe. Auch wurde den gesetz­lichen Bestimlnnugeu gemäß die Einziehung verfügt.

f Stuttgart, 15. Sept. DieWürttemberger Zeitung" schreibt: Bei einem Transport von Schwei­nen aus Hamburg nachdem hiesigen Schlachtviehhof wurde bei Ausladung der Tiere gestern nachmittag sofort bei Untersuchung der fünf ersten Schweine die Maul und Klauenseuche vor der Ausladerampe festgestellt. Der Transport wurde daraufhin sofort nach der Sanitätsanstalt abgeführt, wo heute sämt­liche 7l Tiere abgeschlachtet wurden. Da die Tiere den Schlachthof gar nicht berührt haben, jo wird dieser nach Vornahme der nötigen Desinfektionen und nachdem alle Borst chlsmaßjregeln erfüllt ivorden sind,'wohl schon morgen wieder als seuchenfrei be­zeichnet werden können.

st Kirchheim u. T-, >5. Sept. In Notzingen ist in dem Hanse von Starck Feuer ausgebrochen, das alsbald auch auf ein benachbartes Bauernhaus über­sprang. Beide stattliche Gebäude wurden vollständig eingeäfchert.

st Eislingen, OA. Göppingen,. Sept. In der Fleischerjchen Papierfabrik explodierte der Dampf­zylinder einer Farbmafchine, wodurch einige Maschi­nen stark beschädigt wurden. Ein in der Nähe wei­lender Arbeiter trug schwere Brandwunden davon und mußte ins Krankenhaus verbracht werden. Einige andere Arbeiter wurden leicht verletzt.

st Hellbronn, 15. Sept. Heute früh hat der Füsilier Weiß aus Offenau in der Arrestzelle der Kaserne sich erhängt. Weiß ist in Münfingen stand­rechtlich zu vier Wochen strengen Arrest verur­teilt wordeu Wege« wiederholter unerlaubter Entfer­nung vom Heer (er war schon dreimal wegen des gleichen Delikts vorbestraft und ist zur Verbüßung seiner Arreststrafe in der vorigen Woche hierher ein­geliefert worden.! Hier hat er, wie die Neckarzeitung berichtet, Berufung ans Kriegsgericht eingelegt, aber deren Ergebnis nicht abgewärtet, sondern in der Untersnchungsarrestzelle heute früh mit Hilfe seines Bettuchs sich erhängt. Die alsbald angestellten Wie­derbelebungsversuche waren erfolglos.

st Friedrichshasen, >5. Sept. Wegen zu niederen Wafferstandes wird die Schiffsstation Arbon am Bvdensee ab 15. September 1011 bis auf weiteres nicht mehr befahren. Die Kurse: 00, 07, 05 und 92^ 00, 94 fallen aus, Kurse 90, 121 und 98 verkeh­ren direkt zwischen Rorschach und Romanshvrn.

Hirth verunglückt.

st Bibi-rach, 15. Sept. Hirth ist bei Mittel- biberach in eine auffahrende Batterie hiu e i ii g e r a t e u. Die zwei Mann und das Pferd wurden durch einen Propeller verwundet. Die Sol­daten befinden sich im hiesigen Bezirkskrankenhaus. Auch Hirths Apparat ist beschädigt. Hirth und sein Fahrgast blieben unverletzt. iHirth kam mit seiner Taube um 8 Uhr hier durch.-

jf Biberach, 15. Sept. Die bei der Landung Hirths in MittelbPerach Perwündeten Artilleristen sind zwei Fahrer von der ersten Batterie des 29. Feldartillerieregiments in Ludwigsburg und heißen Brücker ans Vöhrenbach bei Bilfingen, sowie Grind- ler aus Tailfingen bei Herrenberg. Brücker erhielt durch einen Flügel des Propellers im Rücken bedeu­tende Verletzungen und sehr schwere Lungenquetsch­ungen. Sein Zustand ist nicht unbedenklich. Es wur­den ihm die Sterbfakramente gereicht. Grindler er­hielt ebenfalls durch einen Propellerflügel einen Hieb, der ihm am Hintertopf bedeutende Hautab­schürfungen verursachte. Sein Zustand ist befriedi­gend. Lebensgefahr besteht nicht. Hirth und fein Fahrgast, ein Ulanenofsizier, sind durch den Unfall sehr bedrückt. Hirth führt die Ursache des Unglücks darauf zurück, daß beim Landen der von ihm nüs- geschaltete Motor durch einen unglücklichen Zufall, vielleicht durch die starke Erschütterung beim Auf- fetz-m auf den Boden, von selbst sich wieder einschal- tetc und das Flugzeug in rasender Eile über die Felder hintrieb, sodaß Hirth nicht gleich im Stand