artigen Vorbauten gekrönten Stützmauern gegenüber dem Karl-Olga-Denkmal stehen vollendet da. Die neue Trace der Ludwigsburgerstraße ist bis zum Eingang in die Unteren Anlagen verkehrstechnisch fertiggestellt. Ein langer provisorischer Viadukt wird jetzt über die Wolframstraße errichtet, um die Ver­bindung zwischen den neuaufgefüllten Eisenbahndäm- mcn gegen die Anlagen herzustellen. Ein zweiter hölzerner Viadukt überquert beim sogenannten Gal­genhügel die nach Cannstatt führende Bahnlinie. Den ganzen Dag ist der große Dampftran in Bewe­gung, um das Erd- und Steinmaterial des Galgen Hügels abzutragen, das zur Errichtung eines breiten Eisenbahndammes gegen die unteren Anlagen dient. Ein Schienenstrang neben dem andern entsteht teils zur Entlastung der bestehenden Gleise, teils zur Be­nützung für die zahlreichen Materialzüge. Es ist nicht zu viel gesagt, wenn man bezüglich der Pla- nierungs- und Hochbauten, die in verhältnismäßig kurzer Zeit zwischen der Prag und dem Rosenstein- park ausgeführt wurden, von einem Triumph un­serer modernen, heimischen Technik sprächt. Mag auch die neue Zeit mit ihren riütsichtslosen Forderungen manch anmutiges Landschaftsbild zerstören, im Hin­blick auf die enormen verkehrstechnischen Schwie­rigkeiten, die sich der Erbauung eines großzügigen, modernen Zentralbahnhofs inmitten des Stuttgar­ter Talkessels entgegenstellen, hat die Bevölkerung allen Anlaß, den Werdegang dieser ausgedehnten eisenbahntechnischen Riesenanlage mit wachsendem Interesse zu verfolgen.

* Stuttgart, St. August. An» Schalter 8 der Brie (Poststelle des Hauptpostamtes ist gestern abend ein Automat zur Einlieserung von Ein schreibbr iefen in Benützung genommen wor­den. Der grünliche Apparat ist in Schalterhöhe ein­gebaut, er hat ein Tünchen, hinter dem sich ein zirka 45 Zentimeter breiter und 10 20 Zenti­meter hoher Schlitz zum Einstecken der auf- zuliefernden Briefe befindet. Nach Einlegung des Briefes hat man an einer unten angebrachten Kur­bel zu drehen, worauf eine fertige Quittring her­ausfällt. Die Einrichtung ist also sehr einfach und praktisch: sie arbeitet genau, so rasch wie ein Fahr- karten-Äpparat. Briefe, welche frankiert versau dt werden sollen, müssen zuvor vollständig mit Frei­marken versehen sein. Briefe nach dem Ausland müs­sen frankiert sein, mit Ausnahme der nach Oester­reich-Ungarn, Bosnien, der Herzegowina und dem Fürstentum Liechtenstein, sowie der nach den deut­schen Kolonien und nach Orten mit deutschen Post anstalten in Marokko und China bestimmten Briefe. Solche deutschen Postanstalten bestehen zur Zeit in Tanger, Mogador, Saffi, Casablanca. Rctbät, Lar rasch und anderen: ferner in Tientsin, Peking, Tschifu, Shanghai, Amoy, Kanton, Futschau, Swa- tau, Tsingtau, Haukau u. a. Die vom Apparat selbst­tätig gegebene Quittung, ein mit württ. Wappen bedruckter Karton, ist verhältnismäßig klein (grün­licher Farbendruck). Darauf druckt der Apparat in Rotdruck ein R (recommande, d. h. eingeschrieben), die betreffende Einfchreibnummer, Aufgabeort (Stuttgart 1> und Datum. Die vom Apparat ge­lieferten Quittungen haben dieselbe Gültigkeit wie die vom Schalterbeamten ausgestellten. Die Sen­dungen werden alsdann vom Beamten sofort dem Apparat entnommen, gebucht und weiterbehandelt wie sonst. : , :

st Cannstatt, 23. August. In der. Gießerei der Gebrüder Knittel in Schmiden wurden einem Arbei­ter durch ein großes Eisenstück beide Füße abge­schlagen. Er wurde ins Bezirkskrankenhaus über­geführt.

st Bietigheim, 23. August. Gestern nachmittag verunglückte der 21 Jahre alte Müllerbursche Frie- rich Munzinger aus Hagenhof bei Crailsheim in der Kunstmühle von Bareiß und Schund hier dadurch, daß er der Starkstromleitung mit dem rechten Arm zunahekam, wobei ihm das Fleisch daran völlig weg- brannte. Der Unglückliche war sofort tot.

st Klingenberg, OA. Brackenheim, 23. August. Gestern abend gegen acht Uhr geriet beim Baden im Neckar ein 15 Jahre alter bei Gutspächter Hagen- bucher beschäftigter Arbeiter (Pole in eine tiefe Stelle und ertrank. Seine Leiche konnte erst gegen 1 Uhr nachts geborgen werden. Die Schwester des Ertrunkenen ist ebenfalls hier beschäftigt und ist über den Verlust des Bruders untröstlich.

st Sontheim, OA. Heilbronn, 23. August. In­folge häuslicher Zwistigkeiten entfernte sich am Sonn­tag nachmittag die Ehefrau des Gießereiarbeiters Ernst Weber in Bückingen, Mutter dreier Kinder, von zu Hause. Gestern nachmittag wurde nun ihre Leiche auf hiesiger Seite des Neckars ans Land ge­bracht.

st Stangenbach, OA. Weinsbcrg, 23. August. Vergangene Nacht brannten hier vier Wohnhäuser und vier Scheuern nieder. Zehn Familien sind ob­dachlos,

st Langenbeutingen, OA. Oehringen, 23. August. Ein schweres Gewitter brachte unserer unV den be­nachbarten Markungen einen bösen Gast, den Hagel. Zentnerweise liegt das halbreife Obst unter oen Bäumen, die halb entlaubt dastehen. Die Tabak­felder sind zum größten Teil vernichtet. Die Wein­berge irr den höheren Lagen sind der letzten Hoff­nungen berarrbt. Ueberall begegnet man einem trau­rigen Bild der Verwüstung. Die zum Glück abgeern­teten Felder boten lauge Zeir den Anblick einer Sckmeelandschaft. Was die Dürre noch zurückgelas­sen hatte und woraus der Landmaun noch rech­nen zu dürfen glaubte, wenn der ersehnte Regen ein- treten würde, das hat das Uriwetter vollends ver­nichtet,

st Crailsheim, 23. August. Der Stromer, der vor zehn Tagen in der Wirtschaft in Neuhaus einen Einbruchsdiebstahl verübt und dabei über 200 Mk. in Bargeld sowie verschiedene Wertsachen erbeutet hat, wurde in Ulm ermittelt und verhaftet, bevor er sich des Gestohlenen bis zur Neige gütlich tun konnte.

st Cbersbach, OA. Göppingen, 23. August. Ge­stern nachmittag brach in dem Doppelwohnhaus des Schmied Fichtel und des Fabrikarbeiters Rösch Feuer aus, dem das ganze Gebäude in kurzer Zeit voll­ständig zum Opfer fiel. Die Entstehungsursache wird auf einen Kaminbrand znrückgeführt. Von dem Mo­biliar konnte nur wenig gerettet werden. Mit Mühe und Not gelang es der Feuerwehr, die Nachbar­häuser zu schützens. n

st Bovfingen, 23. August. Bei dem gestrigen Gewitter schlug der Blitz in Trochtelfingen in das Anwesen des Söldners Schiele. Die mit Getreide gefüllte Scheuer war in wenigen Minuten samt dem Wohnhaus abgebrannt. Es gelang der Feuer­wehr mit Mühe, die Nachbarhäuser zu retten.

st Ulm, 23. August. Die Oekonomensehefrau Moser aus Schießen wurde mit ihren: 9jährigen Sohne, die mit Seegrasrupfen beschäftigt waren, von einem Rehbocke überrascht. Auf das Händeklat­schen des Knaben, der den Rehbock verscheuchen wollte, griff dieser den Jungen an und riß ihn: die Kleider vom Leibe. Die hinzueilende Mutter verletzte er seh*> erheblich am Fuße. Erst als noch mehrere Frauen herbeieilten, nahm der Bock Reißaus.

st Andelfingen, OA. Riedlingen, 23, August. Ge­stern nachmittag sind drei aneinander gebaute Wohn- uud Oekonomiege-üäude durch ein Feuer vollständig zerstört worden. Bier Familien wurden obdachlos. Die Entstehung des Feuers ist noch nicht bekannt,.

st Friedrichshafen, 23. August. In einer außer­ordentlichen Sitzung haben die Gemeindekollegien einstimmig den Beschluß gefaßt, das schon so oft behandelte Projekt der Erstellung einer Uferprome- uade und eines Gondelhafens nunmehr auszuführen. Die Ausführung erfolgt nach dem von der Firma Baresel, Tiefbauunternehmung in Untertürkheim, im Aufträge eines Gönners der Stadt, des Privatiers Biermann in Bremen, ausgearbeiteten Projekt, das in verschiedenen Richtungen, namentlich hinsichtlich der Linienführung von den Sachverständigen Ober­baurat Braun-Ulm und Diplomingenieur Mehl- Stuttgart Ergänzungen erfahren hat. Die Uferstraße wird vom sog. Spitaleck bis zur östlichen Grenze des Gartens des Kurgartenhotels geführt, wo ein zwei Meter breiter Zugang von der Friedrichsstraße ge­schaffen wird. Der Gondelhafen kommt vor das Kaiserrondell und den Penjionsgarten zu liegen mit Aus- und Einfahrt am sog. Spitaleck., Durch den K. Württ. Nachtklub wird bekanntlich vor den Gär­ten des K. Paulinenstifts und des Buchhornerhofs ein Uachthafen errichtet, dessen Ausführung schon längst der Firma Baresel übertragen ist. Die Kosten betragen rund 204 000 Mark, zu deren Deckung bereits von einigen Gönnern der Stadt 35 000 Mark gezeichnet find. Die Erträgnisse der im Prinzip vom K. Ministerium genehmigten Lotterie, die in zwei Serien zur Ausspielung gelangt, kommen mit 82 000 Mark in Rechnung, jodaß zur Deckung aus Steuer- mitteln noch 87 000 Mark verbleibend

Aus dem Reiche.

st Helhingen, 23. August. In der Schuhfabrik von Moos und Rosental geriet ein seit 30 Jahren dort beschäftigter Werkführer in die Transmission und erlitt lebensgefährliche Verletzungen.

st Gammertingen, 23. August. Gestern abend 1 l Uhr brach ans der Fürstlich Hohenzoller'schen Do­mäne Birkhof ein Brand aus. Der Viehstall wurde total eingeäschert, wobei 68 Stück Vieh den Tod in den Flammen fanden. Als Entstehungsursache wird, wie bei den in letzter Zeit abgebrannten fürst­lichen Höfen, Selbstentzündung des Futters ange­geben.

st Leipzig, 23. August. Heute nachmittag wurde in ihrer Wohnung die verwitwete Frau Pieper, 69 Jahre alt, an der Türklinke erhängt und ihre Zim­mermieterin, die 2l Jahre alte Näherin Helene Walle, mit einer Schlinge um den Hals besinnungs­los im Bett aufgefunden. Wie die Kriminalpolizei mitteilt, hat die Pieper infolge eines Streites das junge Mädchen zu erdrosseln versucht und dann

< M Lesefrrrch».

Geschehenes ist nicht ungeschehen zu machen,

Vergangenes kehrt mcht wieder,

Aber Wunden, die uns nicht tödlich trafen, sind zu heilen.

S1. Privat.

Ueber den Schluß des heldenmütigen Sturmes schreibt Graf Pfeil in seinen Kriegserinnerungen Vor vierzig Jahren":

General v. Pape befahl einem Hornistendas Ganze schnell avancieren!" zu blasen, und so be­gann der letzte Akt dieses Heldensviels: Der Sturm.

Aus den Leichenhügeln erhoben sich die noch lebenden, auch viele leicht verwundete Mann­schaften. Einer riß den anderen mit sich fort, und trotz des von neuem beginnenden Feuers der braven Verteidiger stürmten, unter abermaligen schweren Verlusten, heldenhaft die Trümmer der bis vor kurzem noch so herrlichen Truppe unaufhaltsam nach vorn. ,

An ihrer Spitze die wenigen noch verbliebenen Offiziere, den Degen schwingend, anfeuernd, un­aufhörlichVorwärts! Vorwärts!" rufend.

Da sanken noch viele auf den blutgetränkten Boden. Mit den bereits niedergestreckten Kame­raden: den Vettern von Roeder,»Gebrüder Finken stein und Stülpnagel, den Synoid von Schüz, Schack, Treskow, Keller, Schlegel, Block, Arnim, Wartensleben, den Vettern Rantzau, den Kessel,

Schlüffen, Woyrsch, Manteuffel, Marwitz. Hacke­witz, Medem Helldorff, Koeller, Lancken, Malt- zahn, Lauer, Natzmer, Loewenfeld vereinigten sich die Geyer, Schulenburg, Bonin, die Vettern Alvensleben, die Werder, Krosigk, Brandts, Luch

Die meisten Offiziere waren mehrfach verwun­det. Ein Arnim hatte acht Schuß: ein .Alvens­leben sechs. ! ' , i ,

Arnim erhält, schon nahe am Dorfe, einen Gra­natsplitter ans Knie, stürzt nieder, läuft jedoch gleich weiter und ruft seinen Mannschaften zu: .Leute, es geht noch." Dann erhält er einen Schuß in den Oberschenkel, einen ins Gesicht, verschiedene Streifschüsse, ruft:Zehnte Kompagnie, haltet Euch brav, ich kann nicht mehr" und bleibt liegen,.

Aber wie eine Woge nicht aufzuhalten ist, so auch nicht der Stnrmgeist der Mannschaft. Endlich hörte man wieder das ununterbrochene preußische Hurra, nach so furchtbarem Dulden gegenüber feindlicher Waffenüberlegenheit.

General von Kessel, der irgendwoher wieder ein Pferd bekommen hatte, vereinigte etliche Schützen­gruppen um sich, und an der Seite des von mir so bewunderten Führers ging es mit diesen vorwärts. Rechts von uns stürmten das zweite Garde-Regi­ment und die 4. Garde-Jnfanterie-Brigade. Ueber- alt sah man die Mannschaften die zum Teil nieder­gelegten Mauern erklettern; der General und ich benutzten jedoch eine Oeffnung, und durch diese ge­laugten wir in das so heiß umstrittene, heute den Ehrentag der Garde bildende St. Privat.

Wo man auch hinblickte, Sturm! Sturm! Si­gnale. Trommelwirbel, Schüsse, einschlagende Gra­

naten. Alles drängt nach vorwärts, den einzeln und in Gruppen fliehenden Franzosen nach.

Plötzlich! Ist es möglich in diesem wahn­sinnigen Feuer, die richtigen Trommelschläge des Sturmmasches! Es ist der Tambour Bcyer der 11. Kompagnie, der, wo alle Offiziere seines Ba­taillons tot oder verwundet, vor ein kleines Häuf­lein von Mannschaften springt und durch seine Trommel zum Sturm auffordert. Und nach der alten Gewohnheit des Exerzierplatzes drängen sich i nun er mehr Mannschaften um die wohlbekannten Klänge. Ob auch viele von ihnen von dem Feuer des nicht weichenden Feindes niedergemäht werden, setzen sich dennoch die Feldwebel Münchert und Wach­holz an ihre Spitze und führen mit geschwun­genem Degen, über Leichen und Verwundete hin­weg, über die abgebrochene Dorsmauer, wo das Bajonett seine blutige Schuldigkeit zu tun beginnt.

Aus allen Häusern feuern tapfere Verteidiger auf uns; bald aber lodern diese in Flammen aufs. Die Franzosen wehren sich, einzeln oder in kleineren Abteilungen: sie werden erbarmungslos mit Kugeln oder Bajonett niedergemacht. Die Wut der Mann­schaften über alles das, was sie eben erlebt, ist zu groß, um Gedanken an Milde aufkommen zu lassen. Auch waren ja nur noch wenige Offiziere vor­handen, um sie zurückzuhälten,

Die Türen werden mit Gewalt eingestoßen, die an den Fenstern stehenden Verteidiger über den Haufen gestochen und durch Tür und Fenster hinein­gedrungen. Im Innern beginnt eine jener Schrek- kensszenen, die nur die allergrößte Verbitterung her- beizuführen vermag. Alle im untersten und ersten