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Sertchtrstanck tür drlck« VeU» «icalw

Nr. 306

Amts- unä Knzeigeblalt für äen Oberamlsbezirk calw

Montag. den 31. Dezember 1928

Für die Befreiung der besetzten Gebiete

Eine Kundgebung der Pfälzer Presse zur Jahreswende

TU. Frankfurt a. M., 31. Dez. Sämtliche pfälzische Zei­tungen, vereinigt in der Vezirksarbeitsgemeinschaft der pfälzischen Presse, halten es flir ihre Eewisscnspflicht, den eininMgen Gefühlen und Stimmungen der ganzen Bevöl­kerung der Pfalz durch folgende Kundgebung vor aller Welt laut Ausdruck zu verleihen:

Zur Jahreswende wiederholt die Pfälzer Bevölkerung als ihren vordringlichen Wunsch den Nus nach Befreiung »om drückenden Joch einer fremden Besatzung. Zehn harte Jahre tragen wir dieses schwere Joch mit Nuh« und Würde und mit jener bereitwilligen Vaterlandsliebe, der kein Opfer zu groß Ist. Es war eine Selbstverständlichkeit, daß die In der elfhundertjährigen Zugehörigkeit der Pfalz zum deutschen Vaterlande begründete deutsche Treue sich in den letzten Jahren nationalen Martyriums bet uns Pfälzer» als unerschütterlich und unüberwindlich und nicht zuletzt. alS unempfänglich gegen jegliche fremdländische Becinflus» sung erwiesen hat. Gegenteilige Hoffnungen und Absichten, die man jenseits der Vogesen mit dem Einzug und der Wirksamkeit der Besatzung verknüpft hat, sind schmählich zuschanden geworden. Es war eine gefährliche Selbsttäu­schung, die Hochachtung, Ehrfurcht und Versöhnung eines freien Kulturvolkes mit Gewaltmaßnahmen eines fremden Militarismus erzwingen zu wollen.

Wie ein Alpdruck liegt die Besatzung ans dem Pfälzer Volk. Fast hat es den Glauben an wahren Frieden und echte Völkerversöhnung verloren, schier verzweifelt es an der Gerechtigkeit. Allerorts spricht man in schönen Worten von Frieden: wir sehen aber in unserer Heimat zehn Jahre nach Kriegsende immer noch fremde Truppen! Ist es un­seren ehemaligen Gegnern wirklich ernst um die Durchfüh­rung der Verständigung, um die Erhaltung des Friedens, dann mögen sie zunächst das größte Hindernis aus dem Weg räumen: die Besatzung.

Vom Jahre 1929 erwarten wir die volle Befreiung deut­schen Bodens ohne besondere Gegenleistung Deutschlands und damit die volle Freiheit für unsere pfälzische Heimat. Wir erheben Anspruch auf diese Befreiung. Rechtliche, mo­ralische und politisch« Gründe sprechen dafür. Als Grenz­land im Westen unseres Vaterlandes halten wir Ausschau, wo Brücken der Verständigung und Versöhnung zwischen Frankreich und Dentschland geschlagen werden können. In diesem Sinne begrüßten wir es, daß mit dem Tawesab.

kommen, dem Vertragswerk von Locarno, dem Eintritt Deutschlands in den Völkerbund, sowie der Unterzeichnung des Kelloggpaktes eindeutige Tatbeweise für Deutschlands aufrichtigen Friedenswillen erbracht wurden. Nach dem Ur­teil der Botschafterkonferenz in Paris hat Deutschland zu­dem vollständig abgcrüstet und ist seinen Verpflichtungen nach dem Dawesplan restlos nachgckommcn. Wozu also noch Besatzung?

Am 16. Juni 1019 Unterzeichneten Wilson, Clemenceau und Lloyd George eine Erklärung, worin u. a. zugesagt wird:Wenn Deutschland zu einem früheren Zeitpunkt Beweise von seinem guten Willen und befriedigende Bürg­schaft für die Erfüllung seiner Verpflichtungen gegeben hat, so werden die in Betracht kommenden alliierten und assozi­ierten Mächte bereit sein, nnter sich ein Abkommen zur frü­heren Beendigung der Zeit der Besetzung zu beschließen." Deutschland hat diesen guten Willen bewiesen, hat seine Verpflichtungen erfüllt; aber wo bleibt die Einlösung die­ses Männerwortes?

Artikel 431 des Versailler Vertrages verspricht uns: Wenn Deutschland vor dem Ablauf des Zeitraumes von 15 Jahren alle Verpflichtungen erfüllt, welche ihm aus dem gegenwärtigen Vertrage erwachsen, so werden die Be­satzungstruppen sofort zurückgezogen." Deutschland hat diese Verpflichtungen bisher trotz größter Not erfüllt; wo aber bleibt die Vertragstreue der Gegenseite?

All dies sprechen wir heute vor aller Welt offen aus. Als die berufenen Sprachorgane des Pfälzer Volkes fühlen wir uns hierzu verpflichtet Als solche richten mir auch an die gesamte Knlturwelt die ernste Frage: Wie verträgt sich Völkerbund in Genf mit Völkerzwist am Rhein, Selbstbe­stimmungsrecht mit Versklavung in Vesahungsketten, Ent. Militarisierung mit Fremdmilitarisierung, Kriegsächtung mit Fortführung der KrtcgSbesatznng?

Den Machtinhabern aller ehemaligen Kriegsgegner rufen wir zu: Wollt Ihr friedliche deutsche Nachbarscha't und da­mit die Garantie für Eure Sicherheit: wollt Ihr wahre Bölkervcrfiihnung, so beseitigt die Zone des Hasses nnd der Bitterkeit! Macht endlich im Jahre 1919 Schluß mit einer Besetzung, die Euch nicht zur Ehre nnd zum Vorteil gereicht, uns aber seelisch und wirtschaftlich niedecdrückt. Nicht die 79 999 Bajonette am Rhein geben Euch die Sicherheit Eurer Grenzen und Eures Friedens, sonder« der friedliche Sinn einer ans freiem Wollen zur Verständigung bereiten deut­sche« Bevölkerung. Gebt uns am Mein nnd in der P alz, noch che es zu spät ist, die eines enropäischcn Volkes allein würdige Freiheit!

Bezugspreis:

Zn derSlaal40Sc>idp>ennig« wüchenllich mit Trägerlodn Post - Bezugspreis 40 Sold- pfennige ohne Bestellgeld

Schluß äer Anzeigen­annahme S Uhr vormittags

An §SIIen hüherer S»>»aN besteh! kein Nnspru» «ul lieseruns <Nr Seilung «öer auf Rückzahlung üe» vezug-preile»

Zernsprecher Nr S

verantwort!. Schriftleitung: Zriedrtch Han» Scheele Druck und verlaa der A Oelschläger'schen Buchclruckeret

102. Jahrgang

Tages-Spiegel

Die Presse der P'alz veröffentlicht zur Jahreswende eine Kundgebung, in der sie die Befreiung der Pfalz vom Joch -er Besatzung ohne Gegenleistungen Dentschlands fordert«

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Mit dem Zusammentritt der Neparatiönskonferenz in Paris wird nicht vor Ende Januar gerechnet.

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Hoover wird an den Besprechungen CoolidgeS mit den ame­rikanischen Beobachtern bei den Reparationsbesprechungea teilnchmen. da deren praktische Auswirkungen in seine Amtszeit falle«.

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Der französische Staatshaushaltsplan ist gestern von Senat und Kammer verabschiedet worden.

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Infolge eines Konflikts mit seinem Finanzminister hat Poin» cars Rücktrittsabsichte« geäußert.

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Das jugoslawische Kabinett Koroschctz hat beim König seine Demission eingereicht.

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Das Lohnabkommen für die «ürttembergische nnd pfälzische Metallindustrie ist von den Arbeitgeber« gekündigt worden.

obachter erst nach dem Eintreffen Hoovers in Washington. Die oben angeführten amerikanischen Beobachter erklären schon jetzt, daß es schwer halten werde, eine wissenschaftlich« Basis für die kommenden Verhandlungen zu finden. Deutsch, kand müsie, um seinen Ncparationsverpsltchtungen nachzu- kommen, die Ausfuhr erhöhen und die Einfuhr drosseln, was sich zweifellos aus den englischen Handel ungünstig auswir­ken merde.

Mosel und Lahn führen Hochwasser

TN. Bad Ems, 31. Dez. Das plötzliche Eintreten deS Taumetters hat die erheblichen Schneeinassen auf den Ver, gen des Wcsterwaldes zum Schmelzen gebracht. Dadurch wurde ein nicht unerhebliches Steigen der Lahn hervorgeru­fen, die seit gestern die niedriger gelegenen Uferstrecken weit­hin überschwemmte. Die Im Lause des Tages niedergehen­den Regenschauer blieben auf den Bergen als Schnee liegen und vermehren naturgemäß eine Hochwassergefahr. Auch die Mosel ist seit Freitag im Steigen begriffen. In Trier wurde gestern ein Pegelstand von 3,61 fcstgestellt. Das Waller steigt stündlich 4 Zentimeter. An verschiedenen Orten der mitt­leren Mosel mußte der Fährbetrieb wegen des hochgehende» Wassers bereits eingestellt werden.

Verbrecherübersall in Berlin

TU. Berlin, 31. Dez. In der Nacht vom Samstag znm Sonntag haben organisierte Stoßtrupps berüchtigter V r- liner Verbrechervcreine einen planmäßigen UcbersaU auf das Versammlungslokal der Hamburger Zlmmerlen'e in der Nähe des Schlesischen Bahnhofs verübt. Die Verbre­cher feuerten, nachdem sie das Lokal gestürmt hatten, Schuß» salve auf Schnßsalve auf die dort ctngeschlvssenen Zimmcr- lente ab. Ein Toter und sieben Schwerverletzte waren die Opfer.

Der Polizeipräsident will dieses Verbrechen, das in der Berliner Kriminalgeschichte ohnegletchen dasteht, znm An­laß nehmen, einen groß angelegten Schlag gegen das or­ganisierte Verbrechertum In Berlin zu unternehmen.

Eine Fischer-Traqödie

TN. Reval, 31. Dez. Aus dem PeipuS-See im Osten Est­lands spielte sich eine furchtbare Fisclwrtragödie ab. 160 Fi­scher sind auf einer großen Eisscholle durch starken Wind mit allen ihren Stehen in den offenen Peipub-See abge­trieben worden. Mit größter Mühe Ist es gelungen, 5g Fischer zu retten, während die übrigen Ilg als verschollen zu betrachten sind. Die esthnische Negierung beabsichtigt, die Suche nach den Verschollenen mit Flugzeugen anfznneh» men. Inzwischen ist cS gelungen, von den verschollenen Fi­schern noch 37 zu retten. 83 Fischer werden noch vermißt. Es muß angenommen werden, daß sie -um russische« User abgetrieben wurde«.

Um die Reparationsk'onferenz

Zusammentritt der Sachverständigen Ende Januar?

TN. London, 81. Dez. Der Zusammentritt des Sachver- stäudigenauSschusses wird, wie der diplomatische Korrespon­dent des Daily Telegraph berichtet, frühestens Ende Ja­nuar. wahrscheinlich kaum vor Anfang Februar, erfolgen. Ein Meinungsaustausch zwischen den alliierten Negierungen und Deutschland über die Frage der Ernennung der ame­rikanischen Sachverständigen habe noch nicht stattgesnnd'en, da sowohl Berlin wie Paris offensichtlich die Mitteilungen Parker Gilberts abwarten wollten, bevor sie weitere Schritte in dieser Frage ergriffen. Parker Gilbert werde nach seinen Besprechungen In Washington den enropäischen Mächten ge­wisse Anregungen für die Ernennung der Sachverstäiüdigen geben.

Die Verzögerung In der Znsammenvernfung des Aus­schusses hänge damit zusammen, daß die amerikanischen und japanischen Sachverständigen kanm vor Ende Januar in Paris elntrefscn könnten. Tie Hauptvcrtreter der einzelnen Mächte für den Ausschuß ständen nunmehr praktisch fest Großbritannien werde Sir Josnah Siamp entsenden, Frankreich den Gouverneur der Bank von Frankreich, Moreau, Dentschland den Präsidenten der Neichsbank, Schacht, Italien Pirclli, Belgien Franegni, Japan Kangowor, einen früheren Finanzsachverständigen in der japanischen Botschaft in London, und die Bereinigten Staaten wahrscheinlich Owen Boung. Mit Ausnahme von Frankreich, dessen zweiter Vertreter in der Person von Parmentier feststeht, seien die zweiten Vertreter der übrigen Länder noch nicht bestimmt.

Der Bericht des Temps, wonach die Ernennung der Sachverständigen für die Ncparatlonskonscrcnz am 5. Ja. nnar durch die Reparationskommission erfolgen soll, wird von deutscher zuständiger Stelle als zweifelhaft bezeichnet.

Tie Richtlinien der amerikanischen Beobachter

TU. Newyork, 31. Dez. Wie aus Washington berichtet wird, beabsichtigt Hoover mährend seines dortigen zehn­tägigen Aufenthaltes an den Besprechungen CoolisgcS mit Gilbert, General Dawes, Nufus Daives und Uoung teilzu­nehmen, da dabet die Instruktionen für die amerikanischen Beobachter der europäischen Neparationsberatungen festge­setzt werden sollen. Hoover ist an diesen Besprechungen ein­mal deöivegcn interessiert, weil' er seinerzeit als Kabtnetts- mitglied an der Reparationsschuldcnpolittk stark keilgenom. men hatte, dann aber auch, weil die praktischen Auswirkun­gen der kommenden Neparationsabmachungcn in seine Amts- perlde fällt. Hoover ist schärfster Gegner der Neparations- nnd Schuldcuv.rquickung, außerdem gehörte er bisher zu der in Mehrheit befindlichen amerikanischen Wirtschaftsrich« tnng, die der Flüssigmachung deutscher Eisrnbahnbonds aus dem amerikanischen Markte größte Skepsis entgegenbringt. Hoover wird zweifellos Gewicht darauf legen, daß in der kommenden Cachvcrständigenkonferenz nur rein wirt­schaftliche Gesichtspunkte eine Nolle spielen. Aus diesem Grund« Ist seine Interessiertheit stärkstens zu begrü­ßen. Man ist auch hier der Meinung, daß die R h e i n l a n d. räumung zur wirtschaftlichen Wiedergesundung Europas gehöre. Ans diesem Grunde würden Amerikas Beobachter zweifellos eine starke Stütze für Deutschland kein.

Ein« weitere Washingtoner Meldung erwartet die end­gültige Bekanntgabe der Namen der amerikanischen Ve-