I Weinoberg, 15. Juni. Gestern wollte das 9 Jahre alte Söhncheu des Steinhauermetsters Ganzenmüller einen mit einem Güllensaß beladenen Wagen den Marktplatz herabfahren. Der Wagen kam auf dem steilen Marktplatz ins Laufen und drückte den Knaben gegen das Kaufmann Welz'sche Hau«. Der Knabe erlitt einen Schädelbruch und war sofort tot.
^ Kochendorf, OA. Neckarsülm, >5. Jnni. Gestern mittag ereignete sich im hiesigen Salzbergwerk ein schwerer Unglncksfall. Der 32jährige ledige Bergmann Josef Krebs von Ostenan wurde von einem Sprengfchuß derart getroffen, daß er schwere Verletzungen davontrng und kaum am Leben bleiben dürfte. Er ist' jd-ie einzige Stütze seines blinden Vaters.
si Geislingen n. St., 15. In nt. In der gestrigen Sitzung der bürgerlichen Kollegien wurde der Eingemeindungsvertrag zwischen Geislingen und Altenstadt einstimmig angenommen. Auch die Altenstad- ter Kollegien haben den Vertrag unterzeichnet, so- daß die Eingemeindung vorbehältlich der Genehmigung des Ministeriums mit dem 1. Juli d. I. in Kraft treten kann. Die Gesamtgemeinde führt den Namen „Geislingen a. d. Steige", das seitherige Altenstadt den Namen „Geislingen-Altenstädt".
si Min, 15. Juni. Für eine Bahn von Unterlenningen nach Ulm sind nun die generellen Projekte scrtiggestellt. Die Kosten der Projektierung betragen 2000 Mart. Von diesen Kosten trägt je ein Drittel die Stadt Ulm, die Amtskörperschaft Kirchheim u. T. und das letzte Drittel wird von den in Betracht kommenden Gemeinden der Alb getragen.
Aus den: Reiche.
* Aus der Pfalz, 13. Juni. Der älteste Mann der Pfalz, Jakob Boppel in Obermoschel, ist gestern im Atter von nahezu 105 Jahren gestorben.
* Worms, >4. Juni. Ein für Weinhandel und Weinproduktion bemerkenswertes Gutachten hat die Handelskammer Worms nach ihrem Jahresbericht über die bekannte Weinmarke „Liebfrauenmilch" dem Verband der rheinhesfischen Weinhändler erstattet. Die Kammer steht auf dem Standpunkt, daß die Bezeichnung „Liebfrauenmilch" an sich als Phantasiename anzufehen sei, und daß sich, obgleich der Name seinen Ursprung von den Weinbergen im Liebfrauenstift zu Worms hat, seit vielen Jahrzehnten der reelle Weinhandel ungehindert dieser Marke für Rheinweine von qualitativ guter und lieblicher Art bedient.
!! Köln, l5. Juni. Einem Berliner Telegramm der Köln. Ztg. zufolge hat die türkische Regierung die Großmächte von den in Albanien getroffenen Maßregeln auf diplomatischen! Wege in Kenntnis gesetzt und dabei den Wunsch ausdrük- ken lassen, sie möchten nunmehr in Cetinje auf eine korrekte und ruhige Haltung Montenegros hinwirken. Dem türkischen Wunsche wird von deutscher Seite Folge gegeben werden.
* Berlin, l 4. Juni. Der französische Minister des Reichern, Herr Cruppi, soll erklärt haben, der deutsche Konsul habe die französische Expedition nach Fez gewünscht. An hiesiger amtlicher Stelle ist davon nichts bekannt; man weiß von
keiner amtlichen und privaten Aeußerung des Konsuls, die in diesem S-iime gedeutet werden könnte.
ss Kiel, 14. Juni. Der Panzerkreuzer „von der Tann" hat heute nachmittag die Ausreise nach Vlis- singen angetreten, wo sich der Kronprinz und die Kronprinzessin zur Fahrt nach England an Bord begeben werden.
Luslsndllches.
* Graz, 15. Juni. In Steierma rk und Kram wurden 5 katholische Pfarrer wegen ihrer freiheitlichen Agitation bei der Reichs- ralsWahl durch den Fürstbischof ihres Amtes entsetzt. Viele Laibacher Katholiken beabsichtigen, eine slawisch-orthodoxe Gemeinde zu bilden und den gemaßregelten Pfarrer Vrchvvnik zu ihrem Pfarrer zu wählen.
* Paris, l5. Juni. Präsident Fallieres empfing heute mittag den Kronprinzen von Ser bien, der ihm die Insignien zum Großkreuz des Ordens Karageorgewitsch überreichte. Fallieres lud den Kronprinzen mit Gefolge zum Frühstück ein. In den ersten Nachmittagsstunden erwiderte Präsident Fallieres den Besuch, wobei er dem Kronprinzen das Großkrenz der Ehrenlegion überbrachte.
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„Aus den Tannen"
sl Brüssel, 15. Juni. Es hat sich heute nachmittag herausgestellt, daß die ausländischen Seeleute sich dem Ansstand der belgischen Berufsgenossen nicht anschließen. Der Dampfer Marquette der Read-Star- Line ist pünktlich abgegangen.
si Antwerpen, 15. Juni. Die ausständigen Seeleute in Antwerpen hielten heute vormittag eine Versammlung ab, in der der Gewerkschaftsführer milteilte, daß die deutschen Seeleute telegraphisch erklärt hätten, sie würden die Anwerbung deutscher Seeleute für alle Schiffe unter belgischer, englischer und holländischer Flagge verhindern, sich aber gegenüber der Anwerbung für Schiffe unter deutscher Flagge nicht ablehnend verhalten, da die Forderungen der deutschen Seeleute bewilligt worden seien.
ss Petersburg, 15. Juni. Der Kaiser hat heute nachmittag dem amerikanischen Geschwader auf der Rhede von Kronstadt einen Besuch abgestattet.
st Konstantinopel, 15. Juni. Eine aus 52 Teilnehmern bestehende türkische Reisegesellschaft, unter der sich der Gouverneur von Pera, Muhi Eddiu, Chefredakteur Dschahid und andere Journalisten, ferner Beamte, Offiziere und Kaufleute befanden, reiste heute abend mit Sonderzug nach Berlin ab. Auf dem Bahnhof fanden sich zum Abschied der deutsche Geschäftsträger Botschaftsrat Dr. v. Miquel und ein zahlreiches Publikum ein. Chefredakteur Jäckle-Heilbronn, der die Gesellschaft führen sollte, mußte krankheitshalber zurückbleibeu.
ss Saloniki, 15. Juni. Der Walt von Monastir ist angewiesen worden, zur Auffindung des Ingenieurs Richter in seinem Distrikt energischer vorzugehen und verdächtige Personen durch Ausübung eines entsprechenden Drucks zu Aussagen zu veranlassen, durch die Anhaltspunkte für den Aufenthalt Richters gefunden werden könnten.
* Nesküb, 14. Juni. Der Albanesenhäuptling Batusch wurde vom Sultan empfangen.
* Rewyort, 14. Juni. Nach einer Meldung des „Journal" erfolgte in Mexiko abermals ei n Erdbeben. Der Erderschütterung fielen 112 Personen zum Opfer, darunter mehrere, die noch vom früheren Erdbeben her verwundet in Hospitälern lagen. Eine amtliche Mitteilung gibt die Zahl der Opfer der letzterwähnten Katastrophe mit 1450 bis 1500 an.
Sturm in der Adria.
* Triest, 15. Juni. In den gestrigen Abendstunden entlud sich hier ein Gewitter, das gegen Nacht in einen orkanartigen Stur m ausartete. Sogar im inneren Hasen bildeten sich fünf bis sechs Meter hohe Wellen. Das Wasser wurde bis Piazza Grande getrieben. Viele im Hafen und auf der Reede verankerte Schiffe wurden stark beschädigt. Eine griechische Barke, welche außerhalb des Wellenbrechers des Franz Josef-Hafens verankert war, ist unterge- gangen. Die Bemannung von angeblich zehn bis zwölf Personen ist umgekommen. Zwei größere Segler liegen auf dem Wellenbrecher, wohin sie der Sturm geschleudert hat. Der größere Dampfer, „Andromeda", ist beim Mole Sanita untergegangen. Nur der Mastbaum ist sichtbar. Die Besatzung ist gerettet. Am Eingang des Canale Grande riß der Sturm an einein Segler den Mastbaum um, welcher den Kapitän und angeblich auch einen zweiten Mann erschlug. Mehrere Fischerbarken sind gesunken oder schwer beschädigt. Dem im Jnnenhafen verankerten Stationsschiff des Oesterreichischen Lloyd, einen! älteren Schraubendampfer, wurde der Bug weggerissen. Ein schwimmendes Bad wurde total zerstört. In Triest wurden bisher zwanzig Leichen geborgen.
h Wien, l b. Juni. Die Neue Freie Presse meldet aus Triest: Aus den meisten Küstenstädten Istriens fehlen bisher Nachrichten. Aus Porto Rose wird gemeldet, daß auch dort die Springflut wütete und ungeheuren Schaden anrichtete. Eine benachbarte Ortschaft soll gänzlich verwüstet sein.
p Triest, 15. Juni. Der nächtliche Orkan forderte, wie ergänzend gemeldet wird, nach den bisherigen Feststellungen achtzehn Opfer. Zwei griechische Barken strandeten im Hafen, wobei 14 Mann ertrunken sind. Ein Dampfer einer hiesigen Rhederei sank im Molito St. Carlo, ein Segler aus Capo d'Jstria bei Barcola. Letzterer verlor zwei Mann. Das Arsenal des Lloyd und die Werft des Sabilimento Technico sind unbedeutend beschädigt. Dagegen sind einzelne Molen, Teile des Strandes und die Dämme stark mitgenommen. Auf dem Meere treiben Bretter und Fässer. Das Hafen- schifs Stadion sowie Leichterboote wurden an den Strand geworfen. Das Baggerschisf eines hiesigen Hafenbauunternehmers ist gesunken. Die verloren geglaubte Fischerbarke des Nachbardorses Santa Cruze, die mit vierzig Fischern bemannt war, ist zurückgekehrt. Eiu Mann ihrer Besatzung ist ertrunken. ! . : !
^«s.s»ucyt. A
Die Gewalt, nicht die Meinung ist die Königin der Welt; aber die Meinung nützt die Gewalt aus.
V. Pascal.
Neuer Frühling.
Erzählung aus der Gegenwart von O. Elster. Fortsetzung. Nachdruck verboten.
2 2. Kapitel.
Else war in das Elternhaus zurückgekehrt, müde an Leib und Seele.
Tie furchtbaren Erlebnisse der letzten Zeit und die schweren seelischen Kämpfe hatten ihre Kraft erschöpft. Me Ruhe und Stilles die in ihrem Elternhaufe herrschte, wirkte wohltuend auf ihre Nerven. Sie scheute sich, wieder hinauszutreten in die Welt; sie floh förmlich vor den Menschen, deren Blicke sie neugierig auf sich gerichtet glaubte — neugierig oder mitleidig — und beides vermochte sie nicht zu ertragen. Vor der Neugier der Menschen scheute sie zurück, deren Mitleid fürchtete sie — denn im Innern Ihres Herzens schien eine leise Stimme sie daran zu mahnen, daß sie diese- Mitleid nicht verdiene.
War sie durch den Tod Robert- nicht vor einem quak» sollen Zusammenleben mit ihm bewahrt worden? Hatte oer Tod Roberts ihr nicht ihre Freiheit wieder gegeben- War es von ihrer Seite doch nicht jene ideale Treue ge» -vesen, welche die Menschen, wie es schien, so sehr bewunderten? Hatte sie nicht, als sie den Wunsch des Sterbenden rrfüllte, einen heimlichen Gedanken an späteres Glück, an
späteren Sonnenschein gehegt?
Tiefe Gedanken peinigten sie unaufhörlich und machten es ihr unmöglich, sich des wiedergewonnenen Lebens, der wiedergeschenkten Freiheit zu freuen.
Ms Hermann von Lauenau sie besuchen wollte, ließ sie seinen Besuch abweisen. Sie wollte ihn wicht wieder sehen. Sie glaubte sich von dem heimlichen Vorwurf, den ihr Herz ihr machte, nur dann befreien zu können, wenn sie Robert auch über das Grab hinaus die Treue hielt.
Sie litt unsagbar unter diesen Gedanken.
Kopfschüttelnd beobachtete Herr Lange seine Tochter. Er sah ihre Wangen immer blasser, ihre Augen immer trüber werden. Der einfache Mann verstand die heimlichen Regungen ihrer Seele nicht; er verletzte sie, ohne es zu wollen, durch seine gutgemeinten Worte und Ratschläge und schließlich sprach er mit Else überhaupt nicht mehr über diese „verrückte Ehe mit einem Toten," wie er es nannte.
In den Park ging Else nicht mehr, obgleich er jetzt im herrlichsten Blütenschmuck prangte. Sie wagte es nicht, jene Plätze wieder aufzusucheen, wo sie noch vor kurzem so glückliche Träume geträumt. Sie fürchtete sich, Hermann zu begegnen: sie wußte, daß auch er unglücklich war, und sie konnte ihm doch, nicht helfen.
In diese trübe Zeit siel die Ankunft ihres Bruders Wilhelm.
Er war nach Deutschland gekommen, um sich von einem hitzigen Malaria-Fieber, dem er beinahe zum Opfer gefallen wäre, zu erholen. Jetzt befand er sich auf dem Wege der Besserung, und sein kerniges, frisches Wesen war sehr geeignet die trüben Nebel zu verscheuchen, welche das Gutshaus von Lauenau umlagerten.
Schon am ersten Abend seiner Anwesenheir mutzte ihm die Schwester alles erzählen.
Wilhelm und Else saßen allein auf der Veranda; die letztere hatte ihren Kopf an des Bruders Schulter gelehnt, und nach Und nach öffnete sie ihm ihr Herz.
Er strich ihr liebreich über das blonde Haar.
„Tu hast schweres ertragen und erfahren, meine arme Else," sagte er sanft. „Aber glaube mir, so sehr ich das Schicksal Roberts beklage, sein Tod war dennoch eine Erlösung für ihn — und für Dich ! Ich habe es Wohl bemerkt, liebe Else, daß Dein Herz doch nicht so ganz Robert gehörte." -
„Wilhelm!"
„Laß uns offen miteinander sprechen, Schwester. Dil weißt, das Leben da draußen in dem wilden Lande läßt unS die Sentimentalität unserer Zivilisation vergessen. Wir können mit Phrasen da draußen nichts anfangen, da gilt einzig und allein die Tat. Ich glaubte, meine kleine tapfere Schwester hätte das auch eingesehen. Du hast dem armen Robert Dein Jawort mehr aus Dankbarkeit gegeben, als ans Liebe — und Du hast ihm die Treue mehr aus Mitleid gehalten, als aus Liebe. Das ist edel, das ist bewunderungswürdig von Dir gehandelt — aber nun ist es auch genug! Nun mußt Tu dem Leben wieder frisch und mutig in die Angen sehen — Du hast Mut im Unglück bewiesen, so zeige nuu auch Mut im Glück!"
„Woher sollte mir das Glück kommen, Wilhelm?"
„O Du kleine Närrin! Wer weiß, woher einem das Glück kommt? Es ist wie der Wind — wie der Sonnenschein — aber es wird schon kommen! Es wird kommen, ehe Tu es merkst. Ganz plötzlich ist es da — und sieht Dich mit lachenden Augen an! Ich mache Dir nicht den Vor-