Aus dem Gerichtssual.
1s Hechingen, 16. Mai. Das Schwurgericht hat Len Ämtsgerichtssekretär Wesener aus Sigmaringen wegen Amtsunterschlagung in 163 Fällen über einen Gesamtbetrag von etwa 6000 Mark zu 3 Jahren und 4 Monaten Gefängnis, abzüglich 4 Monaten Untersuchungshaft verurteilt. Die Unterschlagungen wurden durch Verwandte gedeckt. Sie reichten 13 Jahre weit zurück. Der Staatsanwalt hatte nur 2 Jahre Gefängnis beantragt.
* Innsbruck, 16. Mai. Heute früh um halb acht Uhr wurde der Martinswand tunnel der von Innsbruck nach München führenden Mittenwalderbahn durchgeschlagen.
ss London, 16. Mai. „London Gazette" meldet die Ernennung des deutschen Kronprinzen zum Chef des 11. (Prince Ulberts Owe> Husarenregiments.
Die Denkmalsenthüllung in London«
* London, 16. Mai. Punkt 12 Uhr schloß König Georg durch Druck auf einen Knopf einen elektischen Strom, der den die Verhüllung haltenden Draht verbrannte. Als die Hülle fiel, wurde von einer im St. James-Park aufgestellten reitenden Batterie ein Salut von 41 Schuß abgegeben. Die Truppen, die im weiten Halbkreis vor dem Palast standen, präsentierten. Nach der Enthüllung des Denkmals formierten sich die Truppen zum Vorbeimarsch und defilierten vor dem Kaiser und dem König. Alle Truppen des Londoner Distrikt waren zusammenge- zc-gen und auch von Aldreshot waren viele Detachements nach London befohlen worden. Die in der nächsten Umgebung des Denkmals aufgestellten Truppen waren von den Leib- und Fuß-Garderegimentern und von denjenigen Regimentern gestellt, zu denen die verstorbene Königin in besonderer Beziehung gestanden hatte. Auch ein Marinedetachement war anwesend. Nach dem Vorbeimarsch nahmen die Truppen an dem Wege Aufstellung, aus dem der Kaiser und der König nach dem Palais zurückkehrtsn.
In einer Ansprache, die der Enthüllung vorausging, sagte der König u. a.: Es ist für mich und meine Familie eine Quelle tiefer Befriedigung, daß mein lieber Vetter, der deutsche Kaiser, begleitet von der Kaiserin, bei dieser historischen Feier anwesend ist. S. Kaiser!. Majestät ist der älteste Enkel der Königin Viktoria, die er immer mit natürlicher Zuneigung geliebt und verehrt hat. Seine Anwesenheit und die Sympathie, die er uns in den letzten > Tagen ihres Lebens und später entgegengebracht hat, werden von mir und meinem Volke nie vergessen werden. Starke und lebendige Bande der Verwandtschaft und Freundschaft vereinigen unsere Kronen und Personen, und mein Volk freut sich mit mir darüber, daß er heute hier ist, um an der Enthüllung dieses Denkmals teilzunehmen.
An die Ansprache schloß sich eine gottesdienstliche Feier. Einige Augenblicke später folgte unter dem Salut der Geschütze und unter den Klängen der Nationalhymne die Enthüllung des Denkmals.
Bei der Denkmalsenthüllung trug der Kaiser, ebenso der König Feldmarschallsunisorm mit dem Band des Hosenbandordens. Der Kaiser und die Kaiserin, der König und die Königin standen während der ganzen Feier auf der Plattform des Denk-
> mals nebeneinander. Nach der Enthüllung legte der Kaiser an dem Denkmal einen schönen Lorbeerkranz nieder, ebenso die Abordnung des Gardedragonerregiments Königin Viktoria von Großbritannien und Irland.
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>s Berlin, 16. Mai. Die Nordd'. Allg. Ztg. schreibt: In London wird heute das Denkmal der Königin Viktoria feierlich enthüllt. Es entspricht dem pietätvollen Sinn des Königs Georg und des britischen Volkes, daß der erste festliche Akt nach Ablauf des Jahres der Trauer um König Eduard der Vollziehung des Vermächtnisses gilt, das er mit dem unvollendeten Denkmalsbau hinterlassen hatte. Das viktorianische Zeitalter wird als eine Periode dauernden Glücks und gewaltigen Aufschwungs eines der glänzendsten Blätter in der Geschichte Großbritanniens ausfüllen. Als Zeichen dieser großen Zeit werde das Denkmal der Königin, das Dankbarkeit und Liebe errichtet habe, dem Herzen jedes Briten teuer sein. Unser Kaiser hat seine Verehrung für die Königin Viktoria aufs neue bekundet, indem er sich auf Einladung des Königs Georg mit Ihrer Majestät der Kaiserin und der Prinzessin Viktoria Luise zur Denkmalsseier nach London begeben hat. Der herzliche Empfang, der den Kaiserl. Herrschaften bei diesem Anlaß bereitet wurde, begegnete in Deutschland der aufrichtigsten Genugtuung.
Die Hungersnot in Südchina«
* Köln, 15. Mai. Bischof Henninghaus, der apostolische Vikar von Süd-Schantung in China, teilt der „Kölnischen Volkszeitung" über die Hungersnot in Südchina mit, daß selbst Begüterte nichts mehr zu essen haben. Eine der reichsten christlichen Familien in Hsien, die 300 bis 400 Morgen Land besitzt, kann sich z. B. am Tage nur eine armselige Mahlzeit leisten: Die meisten Familien haben überall nichts zu essen, sodaß sie. des Hungertods sterben. Die Kinder setzt man aus. Junge Frauen und Mädchen werden verkauft. Die Häuser werden stellenweise eingerissen, um aus dem Erlös des verkauften Materials das nackte Leben zu retten. Zum Unglück treten im Gefolge der Hungersnot Typhus und andere Krankheiten aus. Man hofft, daß die Weizenernte, die in etwa anderthalb Monaten beginnt, Linderung bringen werde.
Marokko.
* Paris, 16. Mai. Aus den im Ministerium des Aeußern bis heute mittag eingetroffenen Telegrammen ergibt sich, daß die vereinigten Kolonnen Brulard und Gourand vorgestern ihren Marsch in der Richtung nach Fez fortsetzten. Die Eingeborenen versuchten einen mit Heftigkeit unternommenen Angriff, wurden aber ohne besondere Verluste mit dem Bajonett zurückgeworfen. Der Weitermarsch nach Fez sollte gestern fortgesetzt werden, doch sah man neue Scharmützel mit den Eingeborenen voraus, weil insbesondere die Stämme der Zaer und der Zemmur sich parallel der französischen Marschrichtung zu konzentrieren schienen.
js Merada, 16. Mai. Nach dem Kampfe am 10. Mai, in dem auf Seiten der Marokkaner 100 Mann getötet und 200 verwundet wurden, eröffneten die Feinde in der Nacht vom 13. zum 14. ds. Mts. von neuem ein Gewehrfeuer auf das Lager.
Der mexikanische Ausstand.
* Mexiko, 16. Mai. Die Aufständischen nahmen widerstandslos den 60 Meilen nordöstlich von Mexiko gelegenen Ort Pachuca, der in einem der reichsten Bergwerksdistrikte liegt. Der Gouverneur ist geflüchtet. Eine Telephonistin teilte dies der Hauptstadt mit und fügte hinzu, die Aufständischen sprengten das Regierungsgebäude mit Dynamit in die Luft. Die Gefangenen wurden aus dem Gefängnis befreit; die Geschäftshäuser sind rich geplündert, nur die Nationalbank und die Hidalgobank.
Handel ««» Verkehr.
* Nagold, 15. Mai. Liegenschaft. Dieser Tage hat Privatier Widmaier die Wirtschaft z. „Eisenbahn"' an den seitherigen Pächter Hermann Lutz um 24000 Mk. käuflich abgetreten.
ss Stuttgart, 16. Mai. (Schlachtviehmarkt.) Zugetrieben 224 Großvieh, 239 Kälber, 1020 Schweine.
Erlös aus Hs Kilo Schlachtgewicht: Ochsen 1. Qual, a) ausgemästete von 94 bis 98 Pfg., 2. Qual, b) fleischige und ältere 90 von bis 93 Pfg.; Bullen (Farren) 1. Qual, a) vollfleischige, von 86 bis 88 Pfg., 2. Qualität b) ältere und weniger fleischige von 83 bis 85 Pfg., Stiere und Jungrinderl. Qual, a) ausgemästete von 99 bis 102 Pfg., 2. Qualität b) fleischige von 95 bis 98 Pfg., 3. Qualität o) geringere von 89 bis 93 Pfg.; Kühe 1. Qual, a) junge gemästete von — bis — Pfg., 2. Qualität b) ältere gemästete von 66 bis 78 Pfg., 3. Qualität o) geringere von 46 bis 57 Pfg., Kälber: 1. Qualität») beste Saugkälber von 109 bis 114 Pfg., 2. Qualität b) gute Saugkälber von 102 bis 107 Pfg., 3. Qualität o) geringere Saugkälber von 90 bis 98 Pfg., Schw ei ne 1. Qual. ») junge fleischige 60 bis 61 Pfg., 2. Qualität b) schwere fette von 58 bis 59 Pfg., 3 Qualität e) geringere von 50 bis 53 Pfg.
Kurzer Getreide-Wochenbericht der Preisberichtsstelle des deutsche« Landwirtschaftsrats
vom 9. Mai bis 15. Mai 1911.
Es stellten sich die Preise für inländisches Getreide am letzten Markttage in Mark pro 1000 Kg. je nach Qualität, wobei das Mehr (-j-) bezw. (—) Weniger gegenüber der Vorwoche in ( ) beigefügt ist, wie folgt:
Weizen Roggen Hafer
Frankfurts. M. 212hZZ-1hg) 1810, (-l-lVs)190(—)
Mannheim 220(- 5) 182'/st-st2J) !85(-s-2h,)
Straßburg 212'/zs-2hJ 180(-st5) 185(—)
München 225(—) 200(-j-6) 203(-j-2)
Voraussichtliches Wetter
am Donnerstag, den 18. Mai: Vorwiegend bewölkt, einzelne
gewitterhafte Regenfälle, keine ernstliche Abkühlung.
«erantwortüchrr Redakteur: L. Lau!, Mtenstrig.
Druck u- Verlag der W. Rieker'schen Buchdruckerei, L. Lauk, Nltenftckg.
Der Gisela-Verein (Lebens- und Aussteuer-Versicherungsanstalt a. G.) hat 1910 30 000 neue Policen mit 31,3 Mill. Mark Versicherungskapital ausgefertigt und einen Jahresschlußstand von 188 000 Policen mit 201,8 Mill. Mark Bersicherungskapi- tal erreicht, dabei wurden im Berichtsjahre 6103 Policen mit Mark 5 500 000.— Versicherungskapital ausbezahlt. i
ihnen begreiflich, daß nur die größte Ruhe und äußerster Widerstand sie vor einem grausamen Tode bewahren konnte. Ergebung an diese wilden Horden oder Flucht bedeutete den sicheren Tod oder die elendeste Sklaverei.
Ein kurzer, aber heftiger Kampf entbrannte. Me Hinterlader-Gewehre der Verteidiger räumten tüchtig auf unter den Angreifern. Namentlich die in der Front gegen die Mauer Ansturmenden erlitten große Verluste, so daß der Angriff hier sehr bald in's Stocken geriet. Me Herero warfen sich nieder und krochen zurück, hinter federn Strauch, jedem Erdhngel Deckung suchend. Die Reiter wagten sich überhaupt nicht näher heran, da sie an der in der letzten Nacht erhaltenen Lektion noch genug hatten, und nur zu gut wußten, daß sie ein noch sichereres Zielobjekt boten, als ihre zu Fuß kämpfenden Gefährten.
Dagegen warfen sich die Reiter jetzt auf die abseits von der Besitzung stehenden Vorratshäuser, trieben die außerhalb j der Farm befindlichen Herden von Rindvieh und Schafen zusammen, plünderten die Schuppen und Scheunen und steckten zuletzt die Gebäude in Brand.
Dieses Beispiel wirkte ansteckend aus die kämpfenden Herero. Warum sollten sie ihr Leben in die Schanze schlafen, wenn ihnen eine gefahrlose Beute winke? So ließen auch sie von dem Angriff auf die Farm ab und stürzten sich ebenfalls auf die Wirtschaftsgebäude, um auch ihr Teil « der Beute zu erhalte«.
Mit bitterem Schmerz sah Wilhelm sein Eigentum verwüstet und in Flammen aufgehe«, seine Herden — die seinen Hauptreichtum bildeten — -usammengetriebe» und W» de« Herero bewacht. Anfangs wollte er versuchen, He Heinde durch wohlgezielte Schüsse von den Wirtschasts-
acbäiidcn fein zu halten. Doch bald genug sah er die Nny- lonakeir ü>i!o>r Vewübunaen ein, denn die Raul-'' diel'-'n
sich gut in der Deckung und zogen pch rasch zurua, nachdem sie die Gebäude in Brand gesteckt hatten.
„Sie werden jetzt wohl wieder verschwinden," sagte er traurig, „nachdem sie mein Eigentum zerstört und ausgeraubt haben."
„Glauben Sie das nicht," entgegnete Jan. „Solange es noch etwas zu rauben gibt, werden die Kerls hier nicht abmarschieren. Sie hoffen immer noch, uns überwältigen zu können. Sehen Sie, dort hinten am Busch scheinen sie ihr Lager aufschlagen zu wollen."
Es war ein kleines Akazienwäldchen, welches sich neben einer Quelle gebildet hatte. Mese Quelle — die außerordentlich wichtig für die gesamte Ansiedlung war, weil sie fast das ganze Jahr über Wasser gab — hatte Wilhelm sorgfältig durch Mauerwerk umfassen und schützen lassen. Durch eine Röhrenleitung wurde das Wasser der Farm zugeführt, wo ein Bassin gebaut war, damit die Besitzung stets mit einem gewissen Wasservorrat versehen sein sollte.
An dieser Quelle schlugen die Herero ihr Lager auf und bald sah man. Raiuh und Feuer cmporlodern — ein Zeichen, daß sie einige Stücke von dem geraubten Vieh geschlachtet hatten und diese nun am Feuer brieten.
„Wenn ich nur ein Dutzend Soldaten der Schutztruppe zur Verfügung Hütte!" sagte Wilhelm zornbebend. „Dann würde ich einen Angriff auf das Lager machen, um den Räubern mein Eigentum wieder abzunehmen und sie an der Zerstörung der Wasserleitung zu hindern. Aber mit diesem Kaffern- und Hottentottengesindel wäre ein Angriff Wahnsinn, die Burschen würden in fünf Minuten davon- laufent"
„Wäre es nicht möglich, einen Boten nach Windhuk zu senden, um von dort Unterstützung zu erhalten?" fragte Else.
„Das ist schon geschehen/' entgegnete Wilhelm. „Ich habe heute nacht gleich nach dem .üainpfe Kntts, den Buschmannjungen, nach Windhuk geschickt. Tu weißt, mit welcher Schnelligkeit diese Leute große Strecken durcheilen; wenn er nicht durch die Herero abgesangen worden ist, muß er schon in Windhuk sein uiio wir können bald die erbetene Hilfe erwarten. Wenn wir diese Nacht noch aushatten, dürfen wir hoffen, morgen gerettet zu sein."
„Gott gebe es!" seufzte Else mit traurigen Blicken.
Ter Tag verging, ohne daß die Herero einen neuen Angriff versucht hätten. Sie ließen sich augenscheinlich die erbeuteten Vorräte trefflich munden. Man sah, wie mehrere Ochsen und eine Anzahl Schafe geschlachtet wurden; man hörte den Jubel der Schmausenden, die sich au dem erbeuteten Branntwein berauschten. Einzelne Herero stürmten wohl noch in trunkenem Mute gegen die Farm an; sie entflohen jedoch sofort wieder, wenn ihnen die Gewehre der Verteidiger entgegen krachten.
Ein ernsthafter Versuch der Herero, sich der Farm zu bemächtigen, wurde jedoch nicht unternommen.
Fortsetzung folgt.
H«mor des Auslandes. Chef: „Ich werde Ihr Gehalt dieses Jahr um hundert Mark erhöhen. Sie haben in den verflossenen zwölf Monaten sehr korrekt und sorgfältig gearbeitet. Es ist Ihnen ja wohl kein einziger Irrtum unterlaufen?" — Buchhalter: „Nur einer." — Chef: „Welcher war das?" — Buchhalter: „Ich dachte, ich würde eine Gehaltserhöhung von mindestens zweihundert Mark bekommen."