KrgrLsvet

1877.

Dir Ltt'MWSysü-; vierteljährlich im Bezirk Nagold und Nachbarortsverkehr Mk. 1.85

außerhalb Mk. 1.38.

Die Wochenausgabe (Schwarzwälder Sonntagsblatt) kostet vierteljährlich 80 Pia.

LS

misolall

Mr

KMüARkerhairMazhlük

Fern frecher Nr. 11.

Anz-igtrapr«?»

bei einmaliger Ein­rückung 10 Big. dir «nivaltige Zeilen bei Wederholurigen enrivrechender Rabatt.

Rekhtmeü 18 Big. "ie Terveüe.

MesMng U die LSemmisdezirke Nagold, Ne»dk»ft»dt and Mw.:: Mit der Wochen-AuvdeSchworzwälder SonntagMM."

«» «»

Ausgabe in Altensteig-Stadt.

Vamttag, d«« 15. April.

«mtsblatt sLr vfalzgrasrnweiler.

1911.

Wochen-Rundschau.

Die Königsfeier.

Die Feier der silbernen Hochzeit unseres Kö­nigspaares hat einen wahrhaft erhebenden Verlaus genommen. Es ist ein Fest des ganzen »Volkes ge­worden. Das zeigte sich so recht in Stuttgart, wo hoch und niedrig, alt und jung, an der Feier teil-! nahm. Der König hat in seinem Trinkspruch bei der Gälcuafel und in anderen Kundgebungen bewegten Herzens zum Ausdruck gebracht, wie sehr ihn die allgemeine und herzliche Anteilnahme und die An­hänglichkeit, die darin hervorgetreten ist, erfreut hat. Besonders hervorgehoben zu werden verdient, daß der König aus Anlaß seines Ehejubiläums eine Reihe von Begnadigungen verfügt hat, die seiner Menschenfreundlichkeit und seiner Milde ein neues ehrenvolles Zeugnis ausstellen. Das finanzielle Er­trägnis der Blumentage ist überaus erfreulich, lieber eine halbe Million ist zusammengekommen und der König hat von sich aus. die Summe noch aufge­rundet.

Aus dem Parteileben.

Das Wahlabkommen zwischen der nationallibe­ralen Partei und der Volkspartei in Württemberg ist in der letzten Zeit wieder einer unerquicklichen Störung ausgesetzt gewesen. Im vierten Wahlkreise sind die Volksvarteiler unzufrieden damit, daß der Wahlkreis der nationalliberalen Partei überlassen worden ist, die dort den früheren Parteisekretär Kei- nath als Kandidaten aufgestellt hat. Nun wurde die Mitteilung an die Oeffentlichke.it gebracht, daß die volksparteilichen Vertrauensmänner des Wahlkreises den Beschluß gefaßt hätten, eine Unterstützung der Kandidatur Keinath zu verweigern. Das war na­türlich Tusch. In der Parteipresfe gab es ein Echo, das für das liberale Wahlbündnis das schlimmste befürchten ließ. Die Leitung der Voltspartei beeilte sich infolgedessen eiuzugreifen. Sie erließ einen Appell zur Disziplin, ohne die jegliche Parteiarbeit un­möglich sei, und erklärte, daß die Volkspartei das Wahlabkommen durchaus halten werde. Die Ver­trauensmänner aller vier Oberämter des 4. Wahl­kreises wurden zu einer Versammlung nach Stuttgart berufen, und hier wird ihnen die Parteileitung wohl einigermaßen den Kopf gewaschen haben. Das Er­gebnis war eine Erklärung, daß die Volkspartei im 4. Wahlkreise im Interesse der Allgemeinheit das zwischen den Parteileitungen getroffene Abkom­men ihrerseits loyal durchführen wird. Damit ist also die Sache nun in Ordnung. Von manchen Seiten wird indessen immer noch gehofft, daß es gelingen werde, Böblingen und Ulm auszutanschen, derart, daß in Ulm die Nationalliberalen, in Böb­lingen dagegen die Volksparteiler den Kandidaten stellen. Es wäre,, wie die Dinge liegen, entschie­den die beste Lösung sehv unangenehmer Fragen. Im l0. Wahlkreise Göppingen-Gmünd sind wegen der Kandidatenaufstellung Unstimmigkeiten vorhanden, und auch hier hat mangelhafte Parteidisziplin im volksparteilichen Lager dies an die große Glocke gebracht. Es wird versucht, den bisherigen volks­parteilichen Abgeordneten Wieland, der nicht mehr kandidieren möchte, zur Wiederannahme der Kandi­datur zu bewegen. Die Konservativen und der Bund der Landwirte stellen in diesem Wahlkreise einen eigenen Kandidaten auf, gleichwie im 5., Eßlingen, und jedenfalls auch wieder im zweiten. Es ist ja überhaupt als allg. Taktik der Konservativen ver­kündet worden, keinerlei Rücksicht gegen die Libe­ralen zu üben, auch wenn das der' Sozialdemo­kratie zustatten kommt.

Gegen die Maul- und Klauenseuche.

Die Deutsche Partei hat im württ. Landtage den Antrag eingebracht, die Regierung zu ersuchen, sie möge im Bundesrate dafür eintreten, daß zur Erforschung der Maul- und Klauenseuche und der

Mittel zur. Bekämpfung im Reichsetat ausreichende Mittel bereitgestellt werden. Der Antrag ist sehr zeitgemäß. M muß entschieden auf diese Weise et­was gegen diese verheerende Seuche getan wer­den. Die Grenzsperre allein genügt nicht, und auch die Sperrmaßregeln tun es nicht allein. Sie kön­nen, mögen sie auch scharf sein, die Verbreitung der Seuche nicht hindern, wie sich jetzt wieder so augenfällig zeigt. Es muß dahin gestrebt werden, wirksame Heilmittel zu finden. Daran fehlt es bis­her. Man weiß überhaupt von der eigentlichen Natur der Seuche verhältnismäßig wenig.

Herrenhaus und politische Lage.

Als letztes der Parlamente ist das preußische Herrenhaus in die Osterferien gegangen. Kür ge­wöhnlich ist es nicht erforderlich, sich mit dieser Körperschaft, in der die erlauchten und edlen Her­ren Preußens sitzen, eingehender zu beschäftigen!. Sie kommen ja auch selten zusammen, und dann machen sie es kurz. Jetzt aber hat es bei der.Etats- beratung Erörterungen gegeben, die teilweise poli­tisch sehr bemerkenswert sind. Da hielt Graf Aorck v. Wartenberg, ein früherer Landrat, eine Rede über den Modernisteneid und neue päpstliche Po­litik in ihrer Wirkung auf den Staat und das Zu­sammenleben der beiden Konfessionen, die bei al­ler Vornehmheit und Sachlichkeit geradezu Aufsehen machte. Graf Dorck v. Wartenberg sprach ernste Befürchtungen wegen der zukünftigen Entwicklung der Dinge aus und erklärte, daß sich die Frage einer Trennung von Staat und Kirche von selbst auf- wersen werde. Kardinal Kopp, Fürstbischof von Bres­lau, erwiderte mit einer sehr diplomatisch gehal­tenen Rede, in der er sich auf den Standpunkt stellte, daß es sich um innere Angelegenheiten der katholischen Kirche bandle. Er ließ indessen durch- blicken, daß er gewünscht hätte, wenn der Papst mehr Rücksicht auf die deutschen Verhältnisse genom­men Härte. Bemerkenswerter noch als die Moder- nist'ndebatte war der Vorstoß der Konservativen ge- gr n die elsaß-lo'h inqische Berfaisungsreform. .Das Wort führte der frühere Hausminister v. Wedel- Piesdorf und wenn er auch nicht in der Art des Herrn V. Hehdebrand vorging, so ließ er doch keinen Zweifel darüber, daß auch er und seine Gesinnungs­genossen im Herrenhause von der Verfassungsreform nich's wissen wollen, weil die Elsässer noch nicht ruf sind, weil durch die Gewährung der Bundesrats­stimmen das preußische Selbstgefühl verletzt wird und v ul das allgemeine und direkte Wahlrecht in Elsaß- Lothringen gelten soll. Das hauptsächlich ist den Konservativen ein Aergernis. Herr v. Wedel wies es von der Hand, daß man dem Reichskanzler etwas tun wolle, man halte nur die Verfassungsvorlage für schädlich und hoffe, über ihrer Asche dem Reichs­kanzler wieder die Hand reichen zu können. Das merkwürdigste Begebnis der Erörterung war indessen das Auftreten des früheren preußischen Ministers des Innern und nachmaligen langjährigen elsaß- lothringischen Staatssekretärs v. Köller. Er fühlt zwei Seelen in seiner Brust. Die eine, die echt- preußische, fühlt sich aufgebracht über die Kränkung Preußens über die drei Bundesratsstimmen Elsaß- Lothringens, die andere Seele des Herrn v. Köl­ler ist dagegen eine gut elsässische. Und diese elsäs- sische Seele veranlaßte ihn, auf Elsaß-Lothringen und seine Bewohner ein Loblied in hohen Tönen zu singen. Ein schönes Land und brave Leute. Was auszusetzen ist, haben Demokraten, meist aus Alt­deutschland, verschuldet. Auch die Presse ist schuld. Ehedem, als man noch'nicht die neumodischen Preß- und Vereinsgesetze hatte, war es besser. Ganz be­sonders aber war alles in Ordnung, als er selbst, Matthias v. Köller, im Reichslande wirkte. Da war alles ein Herz und eine Seele. So wie die Ver­fassungsreform gemacht werde, so sei es nichts. Man hätte es den Elsaß-Lothringern überlassen sollen, ihre Verfassung selbst zu machen. Man würde dann schon gesehen haben, was dabei herausgekommen wäre. Und wenn es nichts Rechtes geworden

wäre, hätte der Bundesrat und der Reichstag in Berlin ja noch immer eingreifen können. Min­destens hätte man die Elsaß-Lothringer fragen und mitreden lassen müssen, ehe man die Verfassungs- Vorlage einbrachte. So ungefähr redete Herr Mat­thias v. Köller, einer der echtesten preußischen Jun­ker. Man weiß nicht recht, wollte er dem Reichs­kanzler Schwierigkeiten machen oder nicht, denn er ist ein schlauer Herr. Daß er dem Reichskanzler und der elsaß-lothringischen Verfassungsreform keine gu­ten Dienste geleistet hat, steht fest. Im Reichslande sind alle die zweifelhaften Elemente hoch entzückt von der Köllerschen Rede, weil sie ihr in den Kram paßt. Man vergißt ganz, daß der besagte Staats­mann, als er Staatssekretär in Elsaß-Lothringen war, auch nicht das allergeringste getan hat, die Lösung dieser Frage zu fordern oder dem Lande zu einer größeren Selbständigkeit zu verhelfen. Wenn er gedrängt wurde, half er sich immer mit der Ausrede, man wolle in Berlin nicht. Und im üb­rigen besteht seine Regierungsmethode darin, die so­genannte Notabeln zu verhätscheln und ihnen über die Hintertreppe allerlei zu Gefallen zu tun, wofür sie ihm dann seine Ruhe ließen. Das ist der echt Preußische Junker v. Köller. Wenn es heute im Reichslande in mancher Beziehung so übel aussieht, so ist das großenteils seine Schuld. Die Erörte- . rung im Herrenhause hat, und das ist politisch von Wichtigkeit, eines neuerdings klargestellt, daß die Verfassuugsreform für Elsaß-Lothringen nur gegen die Konservativen gemacht werden kann. Herr v. Bethmann Hollweg scheint entschlossen zu sein, das zu versuchen. Wenigstens hat er durch die Nordd. Allg. Ztg. verkünden lassen, daß er ungeachtet der Schwierigkeiten von konservativer Seite an der für richtig erkannten Vorlage festhälten werde. Deren Schicksal ist allerdings höchst ungewiß, da das Zen- num wegen der' Wahlkreiseinteiluug Schwierigkeiten macht. 'Von dem Ausgang hängt viel ab. Manche meinen, Herr v. Bethmann Hollweg spiele hier um seinen ministeriellen Kopf. So viel ist allerdings richtig, daß es bisher kaum je da war, daß ein so wichtiges Gesetzgebungswerk gegen den offenen Wi­derstand der Konservativen gemacht werden muß.

Attendiebstahl in Paris.

In Frankreich hat man wieder eineAffäre". Man ist nämlich dahintergekommen, daß aus dem Auswärtigen Amt vertrauliche Schriftstücke entwen­det und abgeschrieben worden sind, und nicht etwa bloß aus Neugier, sondern zu bestimmten Zwecken. Der Hauptmacher ist ein dunkler Ehrenmann na­mens Maimon, der die englische Reichsangehörig­keit besitzt, aber angeblich irgendwo aus Galizien stammen soll. Nach anderen Angaben hätte er ir­gendwo in der Türkei das Licht der Welt erblickt,. Jedenfalls ist er ein äußerst gerissener und vielge­wandter Herr, der in allen mögt. Kreisen Zugang gehabt und allerhand Geschäfte betrieben hat. Seine Spezialität waren Bahnprojekte in der Türkei, und er ging sogar damit um, die Bagdadbahn durch ein Gegenprojekt zu durchkreuzen. Zuletzt landete er in Paris, wo er durch einen jungen Beamten im Ministerium des Auswärtigen, einen Vizekonsul Rouet, sich allerhand geheime Schriftstücke verschaf­fen ließ. Was er damit gemacht hat, weiß man noch! nicht sicher: man ist jetzt, da die beiden verhaftet wurden, mit der Untersuchung beschäftigt. Festge­stellt ist indessen, daß es Maimon gewesen ist, der den Entwurf des deutsch-russischen Abkommens nach der Potsdamer Zusammenkunft in einem Londoner Blatte veröffentlichen ließ. Für die französische Re­gierung ist das indessen nicht das unangenehmstes es scheint vielmehr, daß Maimon auch geheime; Schriftstücke erhalten und verwertet hat, die füp die französische Regierung sehr fatal sind. Die Sache muß schon arg gewesen sein, denn die Londoner Re­gierung, die davon Kenntnis erhielt, machte schließ« lieh das Pariser Kabinett aus reiner Freundschaft darauf aufmerksam.