198. Amts- und Anzeigeblatt für den OberamtsbezirL Calw. 87. Jahrgang.

Erscheinungsweise: 6mal wöchentlich. Anzeigenpreis: Fm Oberamts- Lezirk Calw für die einspaltige Borgiszeile 10 Pfg.. außerhalb desselben 12Pfg., Reklamen 25 Pfg. Schluß für Jnferatannahrne 10 Uhr vormittags. Telefon 9.

Samstag, den 24. August 1912.

Bezugspreis: In der Stadt mit Trägerlohn Mk. 1.25 vierteljährlich, Post­bezugspreis für den Orts- und Nachbarortsverkehr Mk. 1.20, im Fernverkehr Mk. 1.30. Bestellgeld in Württemberg 30 Pfg., in Bayern und Reich 42 Pfg.

Das Steigen der Fleischpreise, ll.

(Woher kann frisches Fleisch kommen?)

Am 13. September 1910 empfing der jetzige preußische Landwirtschaftsminister, Frhr. v. Schor- lemer, eine Abordnung des deutschen Fleischer­verbandes zur Entgegennahme ihrer Wünsche auf Beseitigung der damaligen hochgradigen Fleisch- teuerung. Der Verband verlangte zollfreie Einfuhr von Futtermitteln aller Art, Beseitigung aller er­schwerenden Bedingungen zwecks stärkerer Einfuhr von Schlachtvieh aus dem Ausland, Herabsetzung der Eisenbahntarife, Ermäßigung aller Abgaben auf Schlachtvieh, auch der Schlachthofgebühren. Der Minister glaubte die Erfüllung der Wünsche nicht zusagen zu können wegen der Seuchengefahr, aus Rücksicht auf die Reichsfinanzen oder weil er sich von ihnen keinen durchschlagenden Nutzen versprach. Beispielsweise meinte er, eine Aufhebung oder Er­mäßigung der Schlachthofgebühren würde ebenso­wenig die Preise verbilligen, wie ehemals die Aufhebung der Mahl- und Schlachtsteuern. Er ver­tröstete die Deputation mit dem Hinweis auf den damals billigen Kursstand des Schweinefleisches, das über 50^ des Fleischkonsums ausmache, so daß die ärmere Bevölkerung im Bezug ihres Haupt­fleischnahrungsmittels noch nicht benachteiligt er­scheinen könne. Dieser Trost ist nun heute voll­ständig zunichte gemacht durch die außerordentliche Teuerung, die sich inzwischen auch beim Schweine­fleisch eingestellt hat, wenn die Gründe dafür auch nicht klar zu erkennen sind. Die Tatsache der Teuerung besteht leider. Zum Schluß fügte der Minister hinzu, er könne, wenn der Notstand an- halten sollte, nur eine Erleichterung der Fleisch­einfuhr zusagen. Heute ist der Zeitpunkt gekommen, den preußischen Minister für Landwirtschaft, der auch im Bundesrat ein so gewichtiges Wort zu sagen hat, an diese Zusage zu erinnern und nicht zuletzt auch den übrigen Landesregierungen die Wahrung der Interessen der Allgemeinheit ans Herz zu legen. Die süddeutschen Regierungen und Sachsen haben schon einmal die Oeffnung der Grenze für den Transport französischen Viehs nach ihren Staaten im Bundesrat beantragt und durch­gesetzt. Die Maßregel war erfreulich, blieb jedoch nur kurze Zeit in Kraft, da in Frankreich die

Maul- und Klauenseuche wieder ausgebrochen war. Alle die Länder, die für lebendes Vieh gesperrt sind wegen der dort wirklich oder angeblich herrschenden Seuchen, werden gesperrt bleiben, aber anders liegen die Verhältnisse für die Einfuhr frischen Fleisches. Nur aus Belgien, Rußland, den Hinterländern von Oesterreich-Ungarn und aus Amerika ist die Ein­fuhr frischen Rindfleisches gesperrt. Die Einfuhr von frischem Schaf- und Schweinefleisch ist nur aus Rußland und den Hinterländern von Oesterreich-Un­garn verboten. Die Einfuhr frischen Fleisches aus allen übrigen Ländern ist aber gestattet. Und für die Einfuhr von Pökel­fleisch besteht überhaupt gegen kein einziges Land ein Einfuhrverbot.

Demnach bestände also sehr wohl die Möglichkeit, die Lücken unseres Bedarfs an frischem Fleisch durch Bezug vom Ausland her zu decken, und wenn sich für den Handel bei der gleichzeitigen Preissteigerung im Ausland der Bezug nicht lohnen sollte, so könnten doch sicher gemeinnützige Verbände, Gemeinden, Ge­nossenschaften das Geschäft für ihre Interessenten in die Hand nehmen. Allerdings darf frisches Fleisch nur in ganzen Tierkörpern, die bei Rindvieh (aus­schließlich der Kälber) und bei Schweinen in Hälften zerlegt sein können, eingeführt werden. Mit den Tierkörpern müssen außerdem Brust- und Bauchfell, Lunge, Herz, Nieren, bei Kühen auch das Euter, in natürlichem Zusammenhang verbunden sein. Der preußische Landwirtschaftsminister hat offenbar an diese Erschwerungen gedacht, als er bei der Fort­dauer der Fleischnot Erleichterungen der Einfuhr zusagte. Bei der Eilbeförderung frischen Fleisches aus Nachbarstaaten, namentlich in der kälteren Jahreszeit, mögen diese Erschwerungen sich weniger bemerkbar machen, desto empfindlicher werden sie bemerkbar werden bei Schiffsbeförderungen und namentlich aus den Gebieten der heißen Zone. Bei diesen letzteren Sendungen (in gekühltem Zustand bis auf einige Grade über Null) müßte die Aus­lösung der genannten inneren Organe gestattet sein. Zu dem Behufs braucht in den Ausfuhrländern nur eine deutsche Fleischbeschau eingerichtet zu werden. Außer unseren Kolonien, in denen sie besteht, käme nur Argentinien (für Rindfleisch) in Betracht. Die Einfuhr von Rindfleisch und Kalbfleisch aus fest­

ländischen Staaten hat im letzten Jahr zugenommen, aber aus überseeischen Staaten kann Deutschland bisher wegen dieser Erschwerungen überhaupt kein frisches Fleisch beziehen, abgesehen von den skandi- navischenStaaten,aus denen neben Oesterreich-Ungarn auch lebendes Rindvieh bezogen werden kann und wird. Der Vollständigkeit halber sei angeführt, daß die Grenzen auch geöffnet sind für lebende Schafe aus Oesterreich-Ungarn, Dänemark und Amerika, für Schweine aus Amerika. Oestereich-Ungarn (80000 Stück) und Rußland (130000 Stück). Zweifellos wurde durch ein Entgegenkommen der landwirt­schaftlichen Verwaltungen in Deutschland, bezw. des Bundesrats und des Reichstags auch der Handel ermuntert werden, sich der deutschen Fleischversorgung in höherem Maße anzunehmen, als er bisher zu riskieren sich getraute. Man kann gespannt darauf sein, welche Erleichterungen der Einfuhr von frischem Fleisch der preußische Landwirtschaftsminister Vor­schlägen wird.

Stadt, Bezirk und Nachbarschaft.

Calw, 24. August 1912.

Nummer 15 des Kur- und Fremdenblattes wird heute ausgegeben. Inhalt: Die Kurlisten der Vade- bezw. Kurorte Liebenzell, Teinach, Neubulach, Liebels- berg und Unterreichenbach. Der unterhaltende Teil enthält ein stimmungsvolles Gedicht Cäsar Flaisch- lens, dann einen größeren AbschnittVolksbräuche auf dem Calwer Wald", fernerWie Tyll Eulen­spiegel zu fliegen versprach" und eine Reihe weiterer unterhaltender Geschichten.

Die Lage im Schlaf. Wenige Menschen denken daran, welchen großen Einfluß auf die Gesundheit eine normale Lage des Körpers während des Schlafes haben muß. Ein gesunder Mensch sollte immer des Nachts mit seinem Kopfe auf einem mehr als sechs bis sieben Centimeter erhöhten Kopf­kissen liegen. Die Bettdecke darf höchstens das Kinn erreichen, damit die Nase frei ist und möglichst viel frische Luft einatmen kann. Die Lage des Körpers sei eine ungezwungene und natürliche, damit das Blut leichten Umlauf habe und das Herz und die Lungen nicht in ihrer Tätigkeit gehemmt werden. Liegt dagegen der Kopf hoch oder kommen die Schultern in eine vorgebeugte Stellung, so erhalten

Lichtenstein.

17) Romantische Sage von Wilhelm Hauff.

Er hatte sich unter diesen trüben Gedanken lang­sam dem Tore der Stadt genähert, als er sich plötz­lich am Arm ergriffen fühlte; er sah sich um, ein Mann, dem Anschein nach ein Bauer, stand vor ihm.

Was willst du?" fragte Georg etwas unwillig, in seinen Gedanken unterbrochen zu werden.

Es kommt daraus an, ob Ihr auch der Rechte seid," antwortete der Mann.Sagt einmal, was gehört zu Licht und Sturm?"

Georg wunderte sich ob der sonderbaren Frage und betrachtete jenen genauer. Er war nicht groß, aber kräftig; seine Brust war breit, seine Gestalt ge­drungen. Das Gesicht, von der Sonne braun ge­färbt, wäre flach und unbedeutend gewesen, wenn nicht ein eigener Zug von List und Schlauheit sich um den Mund gelagert, und aus den grauen Augen Mut und Verwegenheit geleuchtet hätten. Sein Haar und Bart war dunkelgelb und gerollt; er trug einen langen Dolch im ledernen Gurt, in der einen Hand hielt er eine Axt, in der anderen eine runde, niedere Mütze von Leder, wie man sie noch heute bei dem schwäbischen Landvolk steht.

Während Georg diese flüchtigen Bemerkungen machte, wurden auch seine Züge lauernd beobachtet.

Ihr habt mich vielleicht nicht recht verstanden,

Herr Ritter", fuhr jener nach kurzem Stillschweigen fort; was paßt zu Licht und Sturm, daß es zwei gute Namen gibt?"

Feder und Stein!" antwortete der junge Mann, dem es auf einmal klar wurde, was unter jener Frage verstanden sei;was willst du damit?"

So seid Ihr Georg von Sturmseder," sagte jener,und ich komme von Marien von"

Um Gottes willen sei still, Freund, und nenne keinen Namen," fiel Georg ein,sage schnell, was du mir bringst."

Ein Brieslein, Junker!" sprach der Bauer, in­dem er die breiten, schwarzen Kniegürtel, womit er seine ledernen Beinkleider umwunden hatte, auf­löste und einen Streifen Pergament hervorzog.

Mit hastiger Freude nahm Georg das Perga­ment; es waren wenige Worte, mit glänzend schwar­zer Tinte geschrieben; den Zügen der Schrift sah man aber an, daß sie einige Mühe gekostet haben mochten, denn die Mädchen von 1519 waren nicht so flink mit der Feder, um ihre zärtlichen Gefühle auszudrücken, als die in unseren Tagen, wo jede Dorfschöne ihrem Geliebten zum Regiment eine Epistel, so lang als die dritte St. Johannis, schreiben kann. Die Chronik, woraus wir diese Historie entnommen, hat uns jene Worte aufbewahrt, welche Georgs gierige Blicke aus den verworrenen Zügen des Pergaments entziffer­ten:

Bedenk deinen Eid, Flieh bei Zeit.

Gott dein Geleit. Marie dein in Ewigkeit."

Es liegt ein frommer, zarter Sinn in diesen Worten; und wer sich ein liebendes Herz dazu denkt, wie es mit diesen Zeilen in die Ferne fliegen möchte, ein Auge voll Zärtlichkeit, umflort von einem Schleier stiller Tränen, einen holden Mund, der das Blättchen noch einmal küßt, verschämte Wangen, die bei diesem geheimnisvollen Gruße erröten, wer dies hinzudenkt, der wird es Georg nicht verargen, daß er einige Augenblicke wie trunken war. Ein freu­diger, glänzender Blick nach den fernen blauen Ber­gen hin dankte der Geliebten für ihren tröstenden Spruch; und wahrlich, er war auch zu keiner andern Zeit nötiger gewesen als gerade jetzt, um den ge­sunkenen Mut des jungen Mannes zu erheben. Wußte er doch, daß ein Wesen, das Teuerste, was für ihn auf Erden lebte, ihn nicht verkannte. Der Schluß jener Zeilen erhob sein Herz zur alten Freu­digkeit, er bot dem guten Boten die Hand, dankte ihm herzlich und fragte, wie er zu diesen Zeilen ge­kommen sei.

Dacht ich's doch," antwortete dieser,daß das Blättchen keinen bösen Zauberspruch enthalten müsse. Denn das Fräulein lächelte so gar freundlich, als sie es mir in die rauhe Hand drückte. Es war vergangenen Mittwoch, als ich nach Blaubeuren kam, wo unser Kriegsvolk stand. Es ist dort in der Klosterkirche ein prächtiger Hochaltar, worauf die Geschichte meines Patrons, des Täufers Johan­nes, vorgestellt ist. Vor sieben Jahren, als ich in großer Not und einem schmählichen Ende nahe war,