Auf dem Papier ist alles allerdings so weit, in die Reihe gebracht. Man hat sehr genau, beinahe aus den Tag, festgestellt, was bis Ostern, was bis Pfingsten und was nachher erledigt werden solch. Aber es wird ganz gewiß mit dem Plan nicht gehen, darüber ist alles im Herzen einig. Namentlich ist die Frage, wovon viel für das weitere abhängt, ob die Reichsversicherungsordnung, ein Werk von an- nähernd 200 Paragraphen, bis Pfingsten erledigt werden kann. Wenn das überhaupt ermöglicht wer­den soll, muß zu sehr radikalen Maßregeln gegrif­fen werden. Nun gibt es aber Parteien, vor allem die Sozialdemokratie, die von einer Durchpeitschung nichts wissen wollen und sich ihr entschieden wi­dersetzen werden. Was bis zum Sommer nicht ser tig wird, soll dann in einer Herbstsession nachgeholt werden. Die Regierung hat dem Seniorenkonvent mitgeteilt, daß sie eine solche Herbsttagung zu ver­anstalten beabsichtigt. Diese Mitteilung ist darum wichtig, weil sich aus ihr ergib:, daß die Neuwah­len dann erst im neuen Jahre, e-wa Ende Januar, stattfinden sollen. Die Rechte und auch das Zen­trum wünschen eine Hinausschiebung der Neuwah­len bis zum äußersten Termine, weil sie daraus hof­fen, daß die ihnen ungünstige Strömung in der Wäh­lerschaft bis dahin etwas abslauen und sich wohl gar irgend ein Glückssall ereignen werde. Ans der Linken hat man dagegen den Wunsch, die Wahlen je früher, desto lieber vorzunehmen. Die Regie­rung möchte nun noch möglichst viel von dem gro­ßen Material, das dem Reichstage vorliegt, erledigt haben, damit man nicht sagen könne, Herr v. Beth- mann Hollweg habe nichts fertig gebracht. Aber das Mißliche ist, daß eben dieser Reichstag nur noch eine geringe Leistungsfähigkeit besitzt. Alles denkt nur an die Wahlen und alle Erörterungen stehen unter diesem Zeichen. Und so gibt es sehr sach­verständige Beurteiler, die meinen, es werde eben doch nichts anderes übrig bleiben, als den Reichstag im Sommer auseinandergehen zu lassen und im Herbste zu wählen. Alle Parteien richten sich dar­auf ein.

Der Kaiser und einiges andere.

Der Kaiser ist am Mttwoch mit der Kaiserin und der Prinzessin Viktoria Luise auf Korfu ange­kommen, ivo im Achilleion ein längerer Erholungs­aufenthalt genommen wird, den besonders die Kai­serin nötig hat. Aus der Reise nach Korfu machte das Kaiserpaar mit der Prinzessin und dem Prin­zen Joachim, dessen Pathe Kaiser Franz Joses ist, einen kurzen Besuch in Wien, um den greisen Kai­ser von Oesterreich zu begrüßen. Auch die Kinder des Kronprinzenpaars waren dabei: sie wurden von den Großeltern mit nach Korfu genommen, wo das Kronprinzenpaar demnächst aus Aegypten ein­trifft. Der Besuch in Wien hatte einen durchaus pri­vaten Charakter. Von Wien reiste das Kaiserpaar nach Venedig, wo es ein paar Tage verblieb. Eine offizielle Begrüßung fand nicht statt. Es traf sich gerade, daß der Kaiser zu Beginn der offizieltest Festlichkeiten aus Anlaß des 50jähr. Jubiläums der Einheit Italiens in Venedig anwesend war. Der Kaiser zeigte seine Anteilnahme an der Feier und seine freundlichen Gesinnungen für Italien in bei­nahe ostentativer Weise. An den König von Italien richtete er ein herzliches Telegramm, das ebenso herzlich erwidert wurde. Da wir gerade bei Italien sind, mag vermerkt werden, daß das Ministerium Lnzzati, dem der Atem ausgegangen war, durch! ein Ministerium Giolitti abgelöst worden ist.

Parlamentskrisis in Rußland.

Aus der russischen Ministerkrisis ist eine Par­lamentskrisis geworden. Jntriguen gewisser Ele­mente des Reichsrats hatten die Vorlage über die Verwaltung der westlichen Gouvernements zu einem Angriff auf die Stellung des Ministerpräsidenten Stolypin benutzt, aber der Rücktritt Stolypins unter­blieb, da dem Zaren über die wahren Beweggründe der Gegner des Ministerpräsidenten und ihre un­sauberen Mittel die Augen geöffnet wurden. Er veranlaßte daher Stolypin zur Zurücknahme seines Rücktrittsgesuchs. Stolypin benutzte die Gelegen­heit, Bedingungen zu stellen und die Entfernung seiner Hauptgegner im Reichsrate durchzusetzen. Da­gegen wäre ja nicht viel einzuwenden: allein der Ministerpräsident ging weiter und führte zugleich einen Schlag gegen das Parlament Er vertagte die Sitzungen einige Tage, um auf diese Weise von der verfassungsmäßigen Möglichkeit, die Semstwo- vorlage durch kaiserliche Verordnung in Kraft zu setzen, Gebrauch machen zu können. Dagegen lehnte sich die Duma auf. Ihr Präsident Gutschkoff legte sein Amt nieder, und die Duma nahm eine Ent­schließung an, worin das Verfahren der Regierung für ungesetzmäßig erklärt wird. Solypin wird sich darum freilich nicht viel kümmern, denn das reak- Oonär? Regime ist nachgerade in Rußland so stark, daß pe mit der Duma jederzeit fertig werden kann.

Rußland und China.

Der russisch-chinesische Konflikt, der zu kriege­rischen Verwickelungen zu führeil drohte, ist bei-

gelegi worden. Rußland hat letzthin in Peking in aller Form ein Ultimatum einreichen lassen, das als Frist für die bedingungslose Erfüllung der rus­sischen Forderung den 28. März setzte. Und als es solchermaßen ernst wurde, gab China nach und sagte alles zu, was von ihm verlangt.wurde, sintemalen es sich gegen die russischen Truppen, die einmarsch- bereit an der Grenze stehen, nicht wehren kann.

TandrsnÄchn chteu.

1- April.

* Der ans 4. April sestgesetze Biehmarkt fin­det hier, da die Biehmärttc im Bezirk wegen der Maul und Klauenseuche bis aus weiteres verboten sind, nicht statt. Der Krämermarlt wird dagegen a b g e h a l t e n.

Ebhausen, 31. März. (Korr.) Gssangbereins- sache. Der hiesige Gesangverein tritt Heuer in das 59.' Jahr seines Bestehens ein.. Wie wir hören, beabsichtigt der Verein, dieses Jubiläum am Sonntag den 0. Juli durch eine Feier zu begehen.

Hi uterkanAeubach. 31.' März. Korr, l Die er­ledigte Forstwartsstelle mit der vielbesuchten Ton- ristenherbergezum balzenden Auerhahn" ist in die­sen Tagen in die Hände des K. Forstwarts A lbrecht in Zwickgabel übergegangen. Sie ist eine der we­nigen Fvrstwartsstellen des Landes, mit der ein Wirtschaftsbetrieb verbunden ist.

ss Roh-rau, OA. Herrenberg, 31.. März. Bei der gestern hier abgehaltenen Schultheißen- wahl wurde Gemeindepfleger Wörmer gewählt.

ss Deißlingen, OA. Rottweil, 31. März. Hier brachte der Flaschnermeister Bechwld feine rechte Hand in die Futterschneidmas'chine. Es wurden ihm alle fünf Finger vollständig zermalmt.

s s Stuttgart, 31. März. In seiner A b s ch ieds - rede bei der heurigen gemeinschaftlichen Sitzung der bürgerlichen Kollegien wies Oberbürger-c in ei st er v. Gauß nochmals auf dke Gründe hin, die ihn zu seinem Rücktritt veranlaßt hätten, be­sprach sodann sein Verhältnis zu den bürgerlichen Kollegien und betonte, es werde auch fernerhin nö­tig sein, daß der Stadtvorstand so wie er jeder Zeit seine Usberzeugung entschieden geltend mache. Er dürfe sich durch keine Gegnerschaft davon abschrek- ken lassen, das zu tun, 'was er für richtig Haltes. Wähxend seiner Amtszeit habe er vielleicht in vielem geirrt, aber sich den Ausgaben des Amtes stets aufs Ernsteste gewidmet. Der Redner nahm Abschied mit dem Wunsche, daß er keinen Nach­folger erhalten möge, der keinen eigenen Willen besitze. Für die ihm vielfach zuteil gewordene Un­terstützung und für jede Freundlichkeit, die er er­fahren habe, sprach er herzlichen Dank ans. Bür­germeister Dr. Rettich und Bürgerausschußobmann Dr. Erlanger widmeten dem .Scheidenden herzliche Dankesworte, indem sie seine Verdienste um den Fortschritt der Stadt hervorhoben. Das dienstälteste Gemeinderatsmitglied rief dem Scheidenden gleich­falls ein herzliches Lebewohl zu.

st Stuttgart, 31. März. Der Flieger Fiedler wird am Palmsonntag ans den Firnauer Wiesen bei Eßlingen Schauflüge ausführen, die ohne Zwei­fel stark besucht sein werden.

st Bückingen, 31. März. Die Arbeiter der Ma- schinen-Ziegelei stehen in einer Lohnbewegung. Sämtliche Ofenarbeiter haben ihre Kündigung einge­reicht.

st Heilbroun, 31. März. (Gewitter.) Ein schweres Gewicker, verbunden mit wolkenbruchar- ligem und mit Graupeln vermischtem Regen, ist gestern abend niedergegangen. Unheil wurde in der Stadt nicht angerichtet. Auch in Kochendors ist gestern abend von 9 Uhr ab ein schweres Gewitter, verbunden mit Hagel und wolkenbruchartigem Re­gen niedergegangen. Das sonst stille Bächlein, wel­ches durch den Ort fließt, glich einem reißenden Fluß. Biele Aecker und Wiesen stehen im Wasser) In Heuchlingen hat ein Wolkenbruch große. Ver­heerungen angerichtet. Das Wasser schoß in Strömen Herab, gegen den Haltepunkt und das Wärterhaus hat sich das Wasser durch große Aushöhlungen sei­nen Weg gebahnt. Fast wurde das Wärterhaus ganz nnterwühlt. Die Bewohner desselben kamen aber mit dem Schrecken davon. Das Gleis wurde über­schwemmt und der Schnellzug D 37 nach Würz­burg mußte über Neckarelz umgeleitet werden. Dank dem fckmellen Eingreifen der Bahnarbeiter war das Gstid bis gegen 12 Uhr freigelegt. Das sonst so romantische Schloß, dessen Umgebung schon den Frühling verkünd?:«, sieht jetzt aus der Ostseite ganz verödet aus. In Duttenberg richtete der wolken- bruchartige Regen großen Schaden an, indem er große Mengen Erde mit wegschwemmte. Aus der Straße von hier nach Heuchlingen liegt die gute Ackererde stellenweise bis zu 15 Zentimeter tief an­geschwemmt. Die Wissen stehen bei Heuchlingen meistens unter Wasser. Auch aus sonstigen Gegenden des Landes wird über das heftige Gewitter berichtet.

j s Wemsberg, 31. Mürz. Der Bezirks ra t hat einen Beschluß gefaßt, der Nachahmung verdient. Das vom Schw. Schillerverein heransgegebene Buch Schwäbisches Hausbuch" soll aus Kosten der Amts­körperschaft sämtlichen Ortslesebibliotheken des Be­zirks überwiesen werden.

* Mbsrach, 31. März. Das 3 Jahre alte ein­zige Töchterchen des Fabrikanten Vollmers geriet beim Spielen in einen Bach und ertrank, bevor Hilfe zur Stelle war.

jj Friedrichshofen, 31. März. Das Luftschiff D e n t s ch land " unternahm heute vormittag drei­viertel nenn Uhr nochmals einen Aufstieg unter Füh­rung des Grafen Zeppelin. Das Luftschiff bewegte sich über dem See und kehrte wieder nach Fried­richshafen zurück. Morgen werden die Passagierfahr­ten ausgenommen. Die Anmeldungen für die Pas­sagiersah rten sind leider nicht in dem gewünschten Umfang eingegangen und es wäre deshalb zu wün­schen, daß d'e Beteiligung an den Passagierfahrten etwas reger werde, damit die Delag die Ausfüh- rung der Fahr en nn Bodenseegebiet noch für einige ZeU ermöglichen kann.

Aus dem Reiche.

Eins Explosion ans dem Panzerkreuzer Porck.

sj Kiel, 31. März. Auf dem in der kaiserlichen Werft liegenden Panzerkreuzer Aorck erfolgte heute nachmittag gegen leinhalb Uhr bei Uebernahme von Spiritus eine Explosion Ein Ober-Maschinisten- maat und zwei Maschinistenmaate wurden getötet, ein Maschimsteumaat, drei Heizer und ein Werft­arbeiter wurden verwundet. .Die im Hafen liegende Flotte hat halbmast geflaggt.

ss Kiel, 31. März. Die ans dem Kreuzer Aorck Getöteten sind Obermaschinistenmaat Gsnske und die Mas chi nistenmaake Eick und Paethe.

RuLuMinsches.

ss Paris, 31. März. Der Senat beriet heute nach Erklärung der Dringlichkeit den Gesetzentwurf betreffend die Stapellegung zweier Panzer im Jahre 1911. Flaissieres protestierte ge­gen die maßlosen Rüstungen mrd sagte, es würde Zeit sein, bald Beschwichtigung in die inter­nationalen Beziehungen zu bringen,. Marineminister Delcassee erwiderte, bis man die Morgenröte der allgemeinen Abrüstung anbrechen sehe, die die Rede des deutschen Reichskanzlers nicht von heute ans morgen zu erwarten gestatte, sei es dis Pflicht Frankreichs, an die dringende Notwen­digkeit der nationalen. Verteidigung zu denken. (Viel­seitige Zustimmung.)

jl Petersburg, 31. März. Die Kommission für die Landesverteidigung hat dis Kredite für den Bau von vier Linienschiffen cm Baltischen Meer und das Rekrutenkontingent von 1911 angenommen.

jj Rio de Janeiro^ 31. März. Aus Anlaß der Indienststellung der direkten Kabelverbi ndung zwischen Brasilien und Deutschland hat Präsident Hermes de Fonseca ein Glückwunschtele­gramm an den deutschen Kaiser gerichtet, das von diesem erwidert wurde.

Das Krouprinzenpaar in Korfu cingetroffen.

sj Korfu, 31. März. Der Kaiser, die Kai­serin und Prinzessin Viktoria Luise begaben sich nachmittags an Bord der Hohenzollern zmn Emp­fang des Kronprinzen und der Kronprin­zessin, die um 3einhälb Uhr mit dem Dämpfer Prinzregent Luitpold eintrafen. Die Majestäten emp­fingen die kronprinzlichen Herrschaften am Fäll­reep mit Kuß und Umarmung. Der Kronprinz und die Kronprinzessin sahen vorzüglich aus. Bald nach 4 Uhr begaben sich ^sämtliche Herrschaften gemein­schaftlich zum Achilleion,

De? Durchschlag des LötschLsrg-Trmnels.

* Kanhersteg, 31. März. Der Lötschberg-Tunnel wurde heute morgen 4 Uhr 50 durchschlagest. Beide Seiten trafen gut auseinander. Böllerschüsse Hallen durchs Tal und verkünden der Bevölkerung die Vollendung des Werkes. Als um 4 Uhr 50 die Scheidewand fiel, stürzten Bauleiter, Ingenieure und Arbeiter von beiden Seiten herbei und umarm­ten und küßten sich im Jubelrausch.

Handel nnli Verkehr.

* Grömbach, 31. März. Bei dem gestrigen Holz- verkauf der hiesigen Gemeinde wurden 16 - 22'st Proz. über die Taxpreise erzielt.

Voraussichtliches Wetter

am Sonntag, den 2. Vpril: Zeitweise beiter, kein wesentlicher Niederschlag, mild.

Verantwortlicher Redakteur: L. Lauk, Altensteig.

Truck u. Verlag der W. Rieker'schen Buchdruckerei, L. Lauk. Altensteis.