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Nr. 77.

Ausgabe 1« Altensteig-Stadt.

Samstag, d<» 1. April.

Amtsblatt sSr Psalrgrafeumeiler.

1S11.

Ein Wort zur Konfirmation.

Die krumme Esche werde ich nicht vergessen, die ich als zehnjähriger törichter Bursche verdorben hatte. Damals war sie ein schlankes Bäumchen, das gerade zum Himmel emporstrebte; und sie stand so geschützt hinter der Scheune am Teich, hatte guten Boden und hatte Raum, sich zu entwickeln. In gedankenlosem Uebermut gab ich ihr einen Schlag, daß sie in der Mitte einknickte. Abends beim Beten erinnerte ich mich meiner ruchkosen Tat und ich schämte mich ihrer. .Am nächsten Tage schlich ich mich hin, um sie wieder gerade zu richten; aber der Bruch war nicht mehr zu heilen. Zwanzig Jahre später kam ich einmal wieder in meine Heimat und frischte alle Kindheitserinnerungen auf. Da stand hinter der Scheune am Teich ein großer, greulich krummer Baum. Das hatte ich verschuldet, daß statt eines gerade gewachsenen, zum Himmel emporstre- benden Baumes dieser Krüppel dort wuchs.

Die jungen Menschenkinder, die jetzt zum Konfirma­tionsaltar treten, sind in der Mehrheit gesunde junge Eschen, die gerade zum Himmel emporstreben, die für alles Gute empfänglich sind und unter gu­ter Leitung gern gute Vorsätze fassen. Gott und Menschen haben Wohlgefallen an ihnen. Kein ern­sterer Wunsch in den Herzen der Eltern, als der, daß sie gerade gewachsene Menschen werden; dazu hat der Kvnfirmandenunterricht Anleitung und Hilfe geben wollen. Nichts leichter, als sie durch Ge­dankenlosigkeit oder durch Verführungskünste zu gei­stigen und moralischen Krüppeln zu machen. Darum ist die Warnung an alle, sowohl an Eltern als an Freunde als an Arbeitsgenossen, wohl am Platz,: Hütet euch vor gedankenlosem Uebermut, vor zwei­deutigen Reden, vor jeder Störung ihres gesunden Wachstums. Denke jeder an seine Verantwortlich­keit der Jugend gegenüber.

Die jungen Menschen sind ja noch nicht fertig und noch nicht fest in ihren Ueberzeugungen, in ihrer Lebensrichtung. Die Jahre, in denen sie sich für ein gutes, arbeitsfreudiges, gottgefälliges Leben oder für Egoismus und Genußsucht und Glaubenslosigkeit entscheiden werden, kommen ja jetzt erst. Kann man ihnen denn bessere Ziele fürs Leben geben, als das Christentum es tut, das ihr Gewissen an Gott und an Wahrheit und Reinheit binden, das sie zu evan­gelischer Freiheit und gehorsamer, opferwilliger Ar­beit erziehen will? Kann man ihnen stärkere Kräfte bieten, als das Christentum es tut, das ihnen Gott­vertrauen und den festen Glauben an den Führer der Menschheit Jesus Christus' in die Seelen zu pflanzen sucht? Laßt sie werden, wozu Gott die An­lagen gegeben hat: gerade gewachsene Menschen!

Wochen-Nunvjchau.

Vom württ Finanzausschuß.

Der Finanzausschuß der württ. Abgeordneten­kammer ist bei der Beratung des Staatshaushalts in dieser Woche bis zum Kultetat gekommen. Sie ge­staltete sich naturgemäß sehr eingehend, und es wur­den allerhand wichtige Angelegenheiten zur Sprache gebracht. Der Kultusminister teilte mit, daß das Tübinger Stift umgebaut werden soll, was einen Kostenaufwand von rund einer halben Million er­fordern wird. Das Internat, dessen Abschaffung verschiedentlich verlangt morden ist, soll beibehal- ten werden, dagegen die Haus-, und Studienordnung geändert werden. Von Interesse war auch die Mit­teilung des Kultusministers über die Verhandlun­gen mit dem bischöflichen Ordinariat in Rotten­burg wegen des Falles Heilig, der Entlassung eines Zöglings aus dem Priesterseminar wegen Verdachts modernistischer Gesinnung. In allen Fällen, wo es sich um den Austritt oder die Entlassung eines Zög­lings handelt, muß die Staatsregierung unter Vor­legung der Akten benachrichtigt werden.

Ein neues Ouartal

nimmt mit der heutigen Nummer unserer Zeitung seinen Anfang. Wer noch nicht Abonnent ist, bestelle so fort die Zeitung

Ans de» Tannen"

bei dem zuständigen Postamt oder dem Briefträger. Auch von unseren Austrägern und in der Expedition werden fort­während Bestellungen angenommen.

Nach Beendigung der jetzt noch laufenden Novelle lassen wir zunächst die Schilderung einer Besichtigungsreise in Posen erscheinen, um hierauf die hochinteressante Erzählung

Neuer Frühling"

zum Abdruck zu bringen. Diese fesselnde Handlung spielt teilweise in unserem Schutzgebiet Südwestafrika und enthält zahlreiche Episoden aus dem Herero-Aufstand.

Außerdem werden wir iin laufenden Quartal noch einen wertcollen Beitrag zur Geschichte unserer engeren Heimat unter dem TitelGeschichte von Altensteig-Itadt, Alteusteig-Dors und dessen Fiiialorten Zumweiler, Heselbronn und Lengcnloch" veröffentlichen, der von Herrn Hauptlehrer Böhmle r-Altensteig ausgearbeitet und uns in liebenswürdiger Weise zur Verfügung gestellt wurde.

Mit all diesen Erwerbungen hoffen wir, unseren Lesern auch im kommenden Quartal wiederum etwas wirklich Ge­diegenes zu bieten.

Niemand versäume die Bestellung uuserer Zeitung!

Eine LandtagsersatzwaU.

Landtagsabgeordneter Jmmendorfer, seit l902 bauernbündlerischer Vertreter von Leonberg, ist im Älter von 62 Jahren gestorben. Er war Landwirt und erfreute sich im ganzen Bezirk eines großen Ansehens. In der Kammer war er persönlich be­liebt, trat aber wenig hervor. Die Ersatzwahl wird interessant werden, da dem Bund der Landwirte das Mandat energisch streitig gemacht werden wird. Bei der letzten Wahl siegte Jmmendorfer im ersten Wahlgange mit 2869 Stimmen, während für die Volkspartei 1585 und für die Sozialdemokratie 1106 Stimmen abgegeben wurden. Der Bauernbund wird, wie verlautet, den Rechtsanwalt Roth in Leonberg ausstellen, der bisher den Wahlkreis Böblingen- Leonberg-Vaihingen im Reichstage vertritt, aber hier nicht wieder kandidieren will.

Bethmann Hollweg und die Konservativen.

Reichskanzler v. Bethmann Hollweg hat es mit den Konservativen verdorben. Sein Tun und Lassen gefällt ihnen nicht, und sie lassen ihn das mit aller Deutlichkeit merken. Letzthin hat ihn der kon­servative Führer v. Heydebrand im preußischen Abge­ordnetenhause wegen der elsaß-lothringischem Verfas- sungsvorlage zur Rede gestellt und ihm eine Preis­gabe der Machtstellung Preußens im Reiche durch die Gewährung von drei Bundesratsstimmen an El­saß-Lothringen vorgeworfen. Einen stärkeren Vor­wurf kann man dem leitenden Staatsmann eigent­lich nicht machen, und ein schärferes Mißtrauens­votum kann man ihm nicht ausste-llen. Daß sich der Führer der Freikonservativen, Frhr. v. Zedlitz, dem Vorstoß des Abg. v. Heydebrand anschloß, und ihn teilweise noch verschärfte, vervollständigt das Bild. Herr v. Bethmann Hollweg aber hat sich dadurch nicht ins Bockshorn jagen lassen. Höflich und verbindlich in der Form, wie es sich für den Verkehr mit der maßgebenden Rechten schickt, aber ungemein entschieden in der Sache hat er die An­griffe zurückgewiesen und sein Verhalten gerecht­fertigt. Er wies darauf hin, daß der Einfluß Preu­ßens im Reiche nicht von der Addition und Sub­traktion der Bundesratsstimmen, sondern von ganz anderen Umständen abhänge, und er betonte scharf, daß Preußen nicht kleinlich sein dürfe, sondern ohne

Partikularismus eine nationale Politik treiben müsse. Herr v. Bethmann Hollweg erklärte rund heraus, daß er von anfang an für die Gewährung vonj Bundesratsstimmen an Elsaß-Lothringen gewesen sei, aber wegen der formalen Schwierigkeiten zunächst da­von abgesehen habe. Es war eine wahrhaft nationale Rede, und sie hat weithin einen vorzüglichen Eindruck gemacht, auch dort, wo man sonst von Herrn v. Bethmann Hollweg nicht viel wissen will. Die Rede hat nicht nur für die Frage der elsaß-lothringischen Verfassungsreform Bedeutung, sondern in weit höhe­rem Maße. Sie zeigt, daß Herr v. Bethmann Holl­weg und die Rechte dauernd nicht in Eintracht le­ben können. Er will und kann kein Kanzler des schwarzblauen Blocks sein, so sehr er auch bisher versucht hat, Mehrheitsverhältnissen sich anzupas­sen. Die Konservativen verlangen von dem leiten­den Staatsmann, daß er nach ihren Wünschen re­giert, durchaus nach ihren Wünschen, und wenn er das nicht tut, so stürzen sie ihn zwar nicht (die Konservativen haben, wie sie behaupten, noch nie einen Minister Seiner Majestät gestürzte, aber sie machen ihm das Leben unmöglich. In den kon­servativen Organen, bis hinauf zur offiziellen Par­teikorrespondenz, kann man schon Töne vernehmen, die lebhaft an die Zeit erinnern, da Fürst Bülow auf der Rechtenuntendurch" war. Einstweilen braucht ja Herr v. Bethmann Hollweg nicht um seinen Skalp zu bangen. Vor den Reichstagswahlen wird und kann man ihm nichts tun. Und was nachher kommt, weiß man nicht. Es wäre immer­hin möglich, daß der Ausgang der Wahlen den Herrn v. Heydebrand etwas kleinlauter machte. Herr v. Bethmann Hollweg ist, wie gesagt, einstweilen nicht in Gefahr. Auch die Gunst und das Vertrauen des Kaisers besitzt er unvermindert. Man kann das daraus entnehmen, daß ihn der Kaiser letzthin zum Generalmajor befördert hat. Bisher war Herr v. Bethmann Hollweg nur bis zürn Major der Garde­dragoner gekommen. Jetzt ist er gleich ein paar Staffeln hinaufgerückt. Die Beförderung erfolgte anläßlich des Stapellaufs des LinienschiffsKaiser", wobei der Reichskanzler die Taufrede hielt. Der Anlaß wurde iu der offiziellen Kundmachung an­scheinend mit Geflissentlichkeit hervorgehoben, damit man die Beförderung nickt etwa in Zusammenhang bringe mit der Rede des Herrn v. Bethmann Holl­weg im preußischen Abgeordnetenhause.

Aus dem Reichstage.

Im Reichstage schleppt sich die Etatsberatung mit einer unendlichen Breitspurigkeit dahin, und es ist meist kaum der Mühe wert, den Sitzungsbericht zu lesen. Erwähnung verdient indessen, daß der Kolonialetat diesmal glatt und ohne lebhafte De­batten erledigt worden ist. Früher ging es bei solchen Gelegenheiten scharf her und es hagelte al­lerhand Angriffe gegen die Kolonialpolitik wie gegen die Kolonialverwaltung. Das ist nun anders ge­worden. Der grundsätzlichen Kolonialgegner gibt es nur noch wenige, und die Kolonialverwaltung fin­det, nachdem Dernburg den Augiasstall ausgeräumt hat, weitgehend Vertrauen, und der Nachfolger Dern- burgs, Staatssekretär v. Lindequist, verdient es wohl auch. Sein Auftreten im Reichstage hat einen gu­ten Eindruck gemacht. Er weiß, was er will, und er weiß Bescheid. Wie gesagt, es ging recht glimpf­lich ab, wobei übrigens auch der Umstand gewürdigt werden muß, daß sich unsere Kolonien in guter Entwicklung befinden. Aus der Beratung des Etats der Reichseisenbahnen verdient erwähnt zu wer­den, daß der Gedanke einer Vereinheitlichung des deutschen Eisenbahnwesens wieder mehrfach Für­sprecher fand. Besonders eifrig in dieser Bezieh­ung ist unser Landsmann Wetzel, der nationallibe­rale Vertreter von Eßlingen. Allerdings sind wir von der Verwirklichung des Zieles noch recht tveit entfernt. Letzthin war der Aeltestenausschuß des Reichstags beisammen, um über den Arbeitsplan zu beraten. Es sieht nämlich mit den Geschäften sehr schlimm aus, und der Himmel mag wissen, wie der sterbende Reichstag damit fertig werden wird.