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1877.
Die TagrSauSgabr Lostet vierteljährlich im Bezir! Nagold und Nachbarortsverkehr Ml. 1.35
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Ausgabe in Altensteig-Stadt.
GarnStog, s«« 11. A-br«ar.
Zur gesikM Zesch»«!
In einem neuen Gewände präsentiert sich henre unsere Sonntags-Ausgabe, das „S ch warzwälder Eonnta g s b lat t".
Um unserer Zeitung immer mehr neue Freunde zu erwerben, werden wir von jetzt ab den texta liehen Teil der jeweiligen Sonntngsnnnnner so reich haltig als nur möglich ausgestellten.
Durch sorgfältige Auswahl in jeder Beziehung einwandfreien, sowohl unterhaltenden als belehren den Lesestoffes wollen wir unsere Zeirung immer mehr zu einem Kamilienblatt heranbilden, das in jedem Hanse heimisch sein soll und zu dem jeder mann in seinen Mußestunden gern greift.
Neubestellungen auf unsere Zeitung wer den fortgesetzt entgegengenommen.
Wochen-Rundschau.
Württembergische Etarsdebatten.
Sieben Tage hat in der württenrbergischen Abgeordnetenkammer die allgemeine Beratung des Etats gedauert. Bon weittragender Bedeutung wa reu die Erklärungen des Kultusministers v. Fleischhauer, der vom Standpunkt des Staates die Schwierigkeiten und Spannungen kennzeichnete, die sich ans der Entwickelung der Dinge in üer katholischen Kirche infolge der päpstlichen Mastregeln ergeben müssen und insbesondere erklärte, daß die Regie rnng den Geistlichen, die den Modernisteneid ver weigern, Schutz gewähren wird, soweit sie dazu in der Lage ist. Die ganze Entwicklung dränge, so sagte der Kultusminister, von selbst aus eine klare Auseinandersetzung über das Verhältnis zwischen Staat und Kirche hin. Borarbeiten für eine fi- nanzietle Auseinandersetzung sind schon seit einigen Jahren iw Gang, und sie sollen nun beschleunigt werden. Eine Denkschrift mit Vorschlägen ist bereits sertiggestellt, Die Schwierigkeiten einer Regelung sind groß, sie wird in der Weise zu geschehen haben, daß der Staat ans der Grundlage des mutmaßlichen Betrags des Kirchengnts und des jetzigen Bedarfs der Kirchen drxsen eine feste Rente answirft. Diese finanzielle Auseinandersetzung geht in ihrem Untergrund ans die vor hundert Jahren erfolgte Einziehung der Kirchengüter an den Staat zurück. Nun sollen die Kirchen finanziell wieder ans eigene Füße gestellt werden. Wir wollen, so schloß der Kultusminister. ..keinen Kampf, wir wünschen den Frieden. Wir werden auch fernerhin der Kirche geben, was ihr gehört. Wir sind aber auch der Meinung daß eine vermögensrechtliche Auseinander setznng möglich sein sollte, um die Reibungen auf beiden Seiten zu vermindern." Abg. Hanstmann tVolksvartei begrüßte die angekündigte finanzielle Auseinandersetzung mit lebhafter Befriedigung und meinte, die Trennnna von Staat und Kirche werde sich bei dem von allen Seiten anerkannten Paritätischen Sinn unseres Königs setzt leichter und sicherer vollziehen lassen als später unter wäg sicherweise sehr komplizierten Verhältnissen infolge der katholischen Thronfolge . Abg. Gröber JZen kann hielt dagegen nicht Trennung, sondern Zusammengehen von Staat und Kirche für nötig. Im übrigen handle es sich bei dem Modernisteneid MW, um innerkirchliche Angelegenheiten, die niemand sonst etwas angehen. Nach dein päpstlichen Brief an den Kardinal Fischer hat aber sogar die .Köln) Botksztg," anerkannt, daß dadurch eine Anssprache zwischen Staats- und .Kirchenbehörde notwendig geworden sei. Einen breiten Raum in der Eiats- debatte nahinen die verschiedenen Beamtenfragen ein. Als Ergebnis ist vor allem festzustellen, daß
Annahme der Gehaltsvorlage gesichert ist. Alle Parteien erklärten sich grundsätzlich damit einverstanden. Die Aufwendungen für die Gehaltserhöhungen gehen bis an die Grenze dessen, was das Land noch nagen kann, und mit dieser Vorlage wird aus lange hinaus mit den Gehallserhöhungen Schluß, sein. Den Beamten, die in der Oeffentlichkeit und beim Lanotag noch fortwährend mit Wünschen kommen, wurde von verschiedenen Seiten bedeutet, daß sie sich mit dem, was ihnen jetzt, nach einer schon rech! erheblichen Alisbesserung iln Jahr 1V07 geboten wird, zufrieden geben können und müssen. Im Zusammenhänge mit der Beamtenaufbesscrniig wurde auch die Frage der Vereinfachung und Verbilligung der Staatsverwaltung erörtert. Abg. Haußsmann wünschte eine solidarische Verbindung von Aufbesserung und Vereinfachung, denn wenn die Beamten einmal ihre Ausbesserung hätten, würden sie sich gegen Vereinfachung und Siellenverwindernng sträuben. Ministerpräsident v. Weizsäcker erklärte dazu, daß allerdings die Zahl der akademisch gebildeten und auch der mittleren Beamten vermindert werden soll. Auch er appelliere an die Beamten, sie möchten Rücksicht nehmen auf die Stimmung in der Kammer und in? Lande, Der Minister Ks Innern Dr. Pischek fügte noch hinzu, daß, die Vor schlage der Regierung über die Reform der Lttaats Verwaltung sehr gründlich sein werden, Beispiels weise werde die Aushebung nicht nur zweier, sondern aller vier Kreisregrernngen vorgeschlagen.
Ans dem Reichstage.
Der Reichs.'ag hat sieh in dieser Berichtswoche hauptsächlich mit der Justiznooelle beschäftigt. Gelegentlich kam dabei noch einmal der Moabiter Kra- wallprozeß zur Sprache. Der preußische Jnstiznn nister Dr. Beseler hat es nämlich für nötig gehalten. den Vorsitzenden des Schwurgerichts Landgerichtsdirektor Unger wegen dessen Rcchrsbeleh- rung zu einer Aenßerung zu veranlassen, Unger hatte nämlich darauf hingewiesen, daß gegen Ueber griffe der Polizeiorgane unter Umständen Notwehr berechtigt sei. Die Äeußerungen des Schwurgerichts Vorsitzenden stimmten nicht recht mit dem hoben Lob überein, das der Reichskanzler der Berliner.- Schutzmamrschafr wegen ihres Verhaltens bei den Moabiter Krawallen gezollt har. und es stimmte überhaupt nicht zusammen mir dem, was die Behörden in dieser Sache getan und gewünscht baden. Es ist daher begreiflich, daß man in Regie rnngskreifc'n gegen den Landgerichtsdirektor Unger etwas auf grbrachr ist. aber das braucht einen unabhängigen Richter nicht weiter zu kümmern. Nun hat aber, wie gesagt, der preußische Justiznrinister den -schwur gerichtsoorsitzrnden zu sich kommen lassen und ihn über den Inhalt und die Unterlagen seiner Rechts belehrung befragt. Er will das znm Zwecke der Jnforwation mit Rücksicht ans die Erörterung im preußischen Abgeordnetenhause getan baden, aber es wird vielfach als eine unzulässige Einmischung in die richterliche Tätigkeit angesihen. Im Reichstage ist denn auch von der Linken das Verhalten des preußischen Ministers und überhaupt die Art und Weise, wie von oben her der Moabiter Prozeß de handelt worden ist, lebhaft kritisiert worden. Freilich wurde vorn Regierungstisch bestritten, daß irgendwelche Beeinflttsiungsoersnche gemacht worden seien.
Der Kaiser und die militärischen Besichtigimgerw
Eine ben,erkenswer.e Kabinerrsorder hat der Kaiier jüngst erlassen. Danach soll beim Militär nicht mehr so viel besichtigt werden, und die Höheren Vorgesetzten sollen sich nicht so viel in den Ans- bildirngsgang mischen. Der Truppe soll die erforderliche Ausbildungszeit möglichst unverkürzt gelassen werden. Dann werde sie inil Freude und guter Zuveriicht und im Bewußtsein guten Könnens an die Prüfung heranireten, Diese Kabinettsorder wird überall in der Armee mit Genugtuung begrüßt werden, Sie trifft eine Plage, unter der bisher viel geseufzt worden ist.
SmtSdlarr -»r Vfalzgrafenweiter.
Ml.
Staat und Vatikan.
Eine Rede des preußischen Gesandten beim Vatikan. Dr. v. Mühlberg, hat letzthin eine starke Preßerörterung hervorgerufen. Der Gesandte sollte nämlich bei einem Festmahl aus Anlaß des Geburtstags des Kaisers die Haltung des Vatikans getadelt und ihn ermahnt haben, mehr Rücksicht aus, die Verhältnisse in Deutschland zu nehmen, als es in neuerer Zeit geschehen ist. Indessen ist mittlerweile offiziös sestgestellt worden, daß der Gesandte sich nur mit der Vergangenheit beschäftigt und nichts gesagt habe, was etwa dem Vatikan wehe tun konnte. Daß Schwierigkeiten infolge der Haltung des Vatikans bestehen, wird allerdings auch von der Nordd. Allg. Ztg. zugegeben. Sie 'wären ja auch beim besten Willen nicht zu leugnen. Denn der Modernisteneid und der Papstbrref an den Kardinal Fischer in Köln wirken sehr weit in die staatliche Sphäre, und die Berliner Regierung kann ebensowenig wie eine andere das still hinnehmen, Die Professoren sind zwar von dem Modernisteneid entbunden, aber der Papst hat zu erkennen gegeben, daß er nichtsdestoweniger und gerade von ihnen in erster Reihe die Leistung des Eides erwartet. Wenn das geschieht, kann der Staat zunächst nichrs dagegen tun: wohl aber wird er diejenigen Professoren, die wegen der Nrckttleistung des Eides etwa kirchliche Schwierigkeiten bekommen, beschützen müssen. Und überhaupt greifen alle diese Dinge io störend in das konfessionelle Zusammenleben ein, daß die Berliner Regierung allen Grund hat, dagegen Einwendungen zu erheben. Es ist freilich für sie eine heikle Sache, schon mit Rücklicht ans die innervolitischen Verhältnisse und das Zentrum, das wegen seiner Machtstellung von Herrn o, Betknnann Hollweg nicht verstimmt werden darf, Sv wird die Berliner Regierung die Sache mit äußerster Vorsicht behandeln und sie gewissermaßen an sieb herankommen lassen.
Ein Fnstisirrlum.
Daß die Justiz sehlbar ist. dafür hat ein Prozeß. der letzthin in Essen verhandelt worden ist, ein geradezu erschütterndes Beispiel geliefert. Bor reichlich lö Jahren wurden mehrere sozialdemokratische Bergarbeiter, darunter der ..Kaiserdele- gierle" Schröder, der Sprecher der Bergarbeiterab- ordnnng, die 18-K9 bei dem großen Bergarbeiter- ansstand vom Kaiser empfangen wurde, wegen Meineids zu schweren Strafen verurteilt. Es Handelle sich darum, ob Schröder in einer stürmischen BergarbeiLerversamnrlring von einem Gendarmen namens Münter zu Boden gestoßen worden sei. Schröder und die anderen hatten das behauptet, andere! Zeugen hatten es bestritten, und der Gendarm Munter selbst nahm es ans seinen Diensteid, daß er Schrö der nicht zu Boden gestoßen habe. Infolgedessen wurden Schröder und Genossen wegen Meineids verurteilt. Sckn-öder erhielt tzeinbalb Jahre Zuchthaus. Er bat die Strafe wie die anderen verbüßt Aber da er sich unschuldig fühlte, betrieb er die Wiederaufnahme des Verfahrens, und nach langen, langen Jahren gelang es, das zu erreichen^ Nun wurde vor dein Schwurgericht in Essen ein neuer Prozeß geführt, und er gestaltete sich wesentlich anders als der Prozeß vor 1 ä Jahren, Fest- gestellt wurde vor allem, daß der unterdessen verstorbene Gendarm Munter ein wenig einwandfreier Mensch war und daß die Angeklagten damals nn schuldest verurteilt worden und. Der Staatsanwalt selbst beantragte ihre Freisprechung, und das Urteil lautete demgemäß. Die Opfer jenes Fehlurteils werden nun nicht alle sind mehr am Leben, vom Staat eine Entschädigung kür ihren Vermögens- Verlust infolge der Verurteilung bekommen. Aber damit ist das, was sie erduldet haben, natürlich! nickß weitgemacht. Wie alles Menschenwerk ist ja auch die Justiz Fehlern und Jrrtümern unterworfen. und man brauchte das menschliche Mitgefühl mit den bedauernswerten Leuten nicht zu einer Anklage wider die Rechtspflege zu erweitern, Mer leider sprechen die Umstände dafür, daß bei dem
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