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1877.

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l Verlag u. Druck der W. Rieker'schen j Buchdruckerei (L. Laut), Altenfteig.

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Tagespolitik.

An Steile Singers ist der Abg. M olle n buhr znui Vorsitzenden der sozialdemokratischen Reichs iagssrattion gewählt worden.

Die Mitteilungen des Vereins für das Demsch- tmn inr Ausland entnehmen derDeutschen Briest zeirung", denn Organ der deutschen Briesgesellschast, die Zuschrift eines deutschen Geschäftsmannes aus Adas Tuman im Kaukasus zur Frage des Ver­lustes der R e i ch s a n g e h v r i g k e i t, die wieder beweist, wie bitter gerade die deurschbewußten Aus­ländsdeutschen die Unzulänglichkeiten der deutschen Gesetzgebung, betr. Erwerb und Vertust der Reichs- angehörigkeit, empfinden. Es heißt in dem Briefe: Es ist die Stimme eines deutschen Landsmannes, der einst als schlichter Tischlergeselle anszog, als solcher fast den ganzen Continent durchwanderte, bis er drunten im Kaukasus, fern vom Vaterlande, seßhaft wurde und zu leidlichem Wohlstände kam.. Ich bin bis heute ein guter Deutscher geblieben, wenn ich auch nicht blind bin für Mängel, die dem neuen Reiche noch anhaften. Für uns Auslands deutsche ist das Reich immer noch das Vaterland und das Mutterland, und für uns gilt das Wort: Einmal deutsch, ewig deutsch'. Leicht wird es uns aber nicht, daran sestzuhalten, daß dieser Satz als unumstößliche Wahrheit gilt. Das Reich sollte seine Kinder im Auslande stärker an sich fesseln ' und mehr, als bisber geschieht, seine starke Hand dar­über breiten. Jeder andere Staat gewährt seinen Angehörigen mehr Schutz und Beistand, als das deutsche Reich. Ich weiß, wie der unbemittelte Deutsche draußen in seinen Konsulaten und Gesandt sclMften behandelt wird, will aber die Fälle nicht anfzählen. Besonders dann, wenn er nickst durch Matrikel den Fortbestand seiner Staatsangehörig- kei! Nachweisen kann. Die Staatsangehörigkeit dürste niemals nach einer Reihe von Jahren von selbst erlöschen, wie das jetzt der Fall ist, sondern nur bei ausdrücklichem Verzicht, Und auch dann noch dürfte ein Deutscher, der den Schutz seines Vater­landes nachsucht-, nicht abgewiesen werden.

Italien feiert in diesem Jahre das fünf­zigjährige Jubiläum seiner Einigung und zugleich der Proklamation Roms als seiner Hauptstadt; zur Feier gehören eine große Kunstausstellung in Rom und eine Industrieausstellung in Turin. Selbstver­ständlich würden es die Italiener mit Freude be­grüßen, wenn Ser Kaiser gerade in diesem Jahre nach Rom käme, und da er auf dem Wege nach Korfu, wo ein Aufenthalt des Kaisers geplant ist, durch Italien reist, wird er Rom nicht gut um­gehen können. Kommt er aber nach Rom, so wird er, wie bei seinen früheren Besuchen, auch beim Papst einkehren wollen. Dieser bat jedoch erklärt, das Jahr >9ll sei für ihn ein Trauerjahr, weshalb er keine kirchlichen Feste veranstalten, keine Pilger züge und auch keinen Souverän: empfangen werde, er sei katholisch oder nicht. Aber zu diesem ita­lienischen Fest, das leicht den Charakter eines Trutz festes gegen den Vatikan auuehmeu kann, zu kommen und an ihm teilzunehmen, ohne den Papst zu be­suchen, das dürfte dem Kaiser mit Rücksicht auf die. deutschen Katholiken etwas schwer fallen. Man darf neugierig darauf sein, wie die Diplomaten des Qui rinals, des Vatikans und des Berliner Auswärtigen Amtes diese Schwierigkeiten lösen werden. Zunächst hat das Wolffsche Bureau von Berlin aus erklärt, es bemerke zu den Gerüchten über einen bevorstehen den Besuch des Kaisers beim Papst, daß, wie in früheren Jahren, ein Aufenthalt des Kai­sers in Korfu geplant sei; die an die Reise geknüpften weiteren Kombinationen seien unzutreffend.

Württemvergischer Landtag.

Stuttgart, 9. Februar.

In der Zweiten Kammer teilte heute Präsident v. Payer mit, Amtsrichter Seisriz am K. Amtsgericht Ehingen a. D. habe schriftlich erklärt, er nehme seinen Antrag auf Genehmigung der Strafverfol­gung des Abg. Dr. Rübling wegen Körperverletzung zurück, da zwischen Dr. Rübling und dem Privat- tläger Johannes Burkhardt in Talsteußlingen ein Vergleich zustandtzgetonnnen sei. (Bravo und Hei­terkeit. >

Das Hans beriet dann den Staatsvertrag zwi­schen Württemberg und Baden betreffend die Her­stellung von Eisenbahnverbindungen von Kloster- reich enb ach über Schönmnnzach nach Wer senach und von Breiten über Knittlingen und Der dingen nach Kürnbach. Dr. Eisele (B.) erklärte die Zustimmung seiner Partei zu dem Staatsvertrag, sprach seine Genugtuung darüber aus, daß es ge­lungen sei, die Fortsetzung der Bahn Br?neu Kürn bach nach Leonbronn in den Vertrag aufzunehmen und hoffte, daß die Bahnen möglichst bald gebaut werden können. Die Abgg. Hornung (Soz.j und Rösler :D. P. stimmten dem Vertrag gleichfalls zu. Ministerpräsident v. Weizsäcker begrüßte es, daß der Vertrag ohne Ausschnßberatung angenommen werde. Zunächst werde die Linie Bretien-Kürnbach gebaut werden. G als er B. empfahl den tunlichst baldigen Ausbau der Murgtatbahn. Präsident y. Stieler teilte mit. daß zur Zeit eine Untersu­chung darüber statFinde, ob Baden und Württemberg die Murgtalwasscrkräfte nicht gemeinsam aus« ät­zen können. Aus würtkembergijchem Gebiet würden sich einige Pferdekräfte gewinnen lassen. Durch die- Ausnütziing der Wasserkräfte werde der Bahnban nicht alkeriert. Schaible B.K. > stimmte' namens seiner Freunde dein Vertrag gleichfalls zu, ebenso der Abg. B-alz, der die Auffassung vertrat, daß die bisher gerauten Nebenbahnen an dem Ejsenbahndefizit einen nur sehr geringen Anteil haben. Re mb old Gmünd lZtr. bemerkte, daß. seine Partei dem Ver­trag ohne Ansschnßberatnng znftimme. Keßler, lZir. betonte, er wende dem Vertrag nur beipflich- len wenn die Regierung verspräche, mit Baden dar­über zu unterhandeln, in welcher Weise Württemberg für den Fraclsienansfall infolge der Ableitung des Verkehrs durch die Murgialbalm nach Baden ent schädigt werde, Ministerpräsident v, Weizsäcker erwiderte, Keßler täusche sich. Auch Baden habe einen Einnahmeausfalk. Keßler (ZtrJ: Die An­sicht des Ministerpräsidenten sei durchaus unrichtig, (Heiterkeit, Der Minister dürfe nicht glauben, je­mand zu beruhigen, wenn er ohne jeden Rach- weis eine Behauptung aufstelle, Ministerpräsident v. Weizsäcker: Er habe seine Mitteilung auf Grund einer eingehenden Untersuchung gemacht. Es sei nicht möglich, sich im Plenum ans Einzelheiten einzulassen. Der Staatsvertrag wurde sodann an genommen.

In der nun folgenden zweiten Beratung des Gesetzentwurfs betreffend die Gewährung etiles Dar­lehens an die Gemeinde Böhmenkirch begründete Herbster (Ztr.! einen Anrxag. das Darlehen von 140 000 Mark auf 180 000 Mark zu erhöhen. Mi­nister v. Pis chek hob hervor, daß Böhmenkirch bei ! 40 000 Mark im Vergleich zu dein, was die Gemeinden Binsdors und Darmsheim erhalten ha­ben, nicht schlecht fahre. Gras Heidenheim B K., unterstützte den Antrag unter Hinweis auf die un­günstige Lage Böhmenkirchs. Werde der Antrag ab gelehnt, so sollte wenigstens der Slaaisbeiirag für den Straßenbau wesentlich erhöht werden. Minister v. Pis ch e k erwiderte, der Antrag bringe ihn in eine mißliche Lage. Er handle gewiß nicht aus Uebel- wollen gegen Böhmenkirch, sondern glaube, nur seine Pflicht gegen den Staat zu erfüllen, wenn er sage, daß derÄntrag zu weit gehe und eine ungewöhnliche Begünstigung Böhmenkirchs wäre. Dr. Elsas (P.: Wohin soll es führen, wenn ans Parteirücksichien über die Regiernngsvorschläge hinausgegangen wird ? Fischer (Soz.): Auch wir sind für die Vor­

lage und gegen den Antrag. Gras ^B.K.): Wir ha­ben nicht aus Parkeiinreressen gehandelt. Herostev (Ztr.-: Es handelt sich ja nur um ein Darlehen, das wieder zurückbezahli werden muß. Wenu man immer aus die mißliche Finanzlage hinweist, jo ist es nicht verständlich, wie inan 10 Millionen für die Beamtenausbesserung ansgeben kann! Ich beantrage namentliche Abstimmung. Der Antrag Herbster wurde hierauf mit 89 gegen 84 Stimmen des Zen­trums, des Bauernbunds und der deutschparteilichen Abgeordneten Dr. Mülberger und Bantlevn abge- lehnl und der Entwurf im einzelnen angenommen.

Morgen Airfragen betreffend Maul- und Klauen­seuche, Aufhebung des Geheimen Rais, Sportelge- setz, Gerichtskostenordnung. Zuschlag zu den Ge­richtskosten- und Rotariatsgebühren. Schluß der Sitzung drervierlel ! l Uhr.

Deutscher Reichstag. ^

Berlin, 9. Februar.

Die zweite Lesung des Gesetzentwurfs betr. Aen- deruug der Gerichtsverfassung wird fortgesetzt bei Pa­ragraph 7 c, der die Zusammensetzung der Strafkam­mer regeln Nach der Kvmmissivnssassung sollen die Strafkammern, die in der Hauptverhanolung ent­scheiden, aus zwei Richtern und drei Schöffen zu- jammengesetzt sein, die Berufungskammer allein ans drei Richtern. Ein Antrag Gröber will die letzrere Bestimmung streichen. Ein fortschrittlicher Anrrag Müller Meiningen will in erster und zwei.er In­stanz die Kammern mit zwei Richtern und drei Schöf­fen besetzeir. Ein svzialdemvkratisck-er Antrag Al- brechl sieht für die erste Instanz einen Richter und vier Schöffen vor. Es enispiunt sich über diese- Anträge eine lebhafte Debatte, während welcher Staatssekretär Lisco erklärt, daß die ganze Vorlage bei Annahme der Anträge für die Regierung unan­nehmbar sein würde. Nachdem mehrere Redner zum Wort gekommen sind, wird ein Antrag ans Schluß der Debatte angenommen. Abstimmung und Weiter- berattnlg morgen 1 Uhr. Schluß halb 7 Uhr>

LauvemlachrichlLsi.,

W. Februar.

* Wichtig für Lehrhecreu. Ein Fabrikant in Eßlingen war im April des vorigen Jahres vom Gewerbegericht zu 830 Mark Schadenersatz verur­teilt worden, weil er seinen Lehrling ungenügend ausgebildet habe. Der Beklagte machte seinerzeit den Einwand, daß der Lehrling schwach begabt und faul gewesen sei und daß. ihn; eine Schuld an man­gelhafter Ausbildung nicht treffe, legte Berufung an das Landgericht ein und hat damit einen vollen Erfolg errungen, indem der Kläger unter Abände rung des Urteils des Gewerbegerichts Eßlingen mit der erhobenen Klage abgewiesen wurde und die Ko­sten des Rechtsstreits in beiden Instanzen zu tragen hat. Aus deir Urterlsgründen sei nachstehend einiges angegeben: darnach war ein wesentlicher Grund- für die ungenügende Ausbildung des Lehrlings in des­sen eigener Unbegabtheit und seinem mangelnden Fleiß zu juchen. Es wurde durch Zeugen glaub­haft nachgewiesen, daß es trotz stundenlanger Un­terweisung und trotz vier bis fünfmaligen Vorzei- gens der gleichen Arbeit nicht gelungen fei, an den Lehrling etwas hinzubringen, auch habe dieser da ­bei viele Ware unbrauchbar gemacht. Neben der Tat­sache, daß der Lehrling zum Teil mit andern als! mit eigentlichen Metalldrückerarbeiien beschäftigt worden sei, kommen wesentlich wiederum dessen schon erwähnte schlechte Eigenschaften in Betracht. Es kann einem Lehrherrn nicht zugemutet werden, daß er ungewöhnliche, mit Opfern an Zeit und Bersnchsmakeriak verbundene Anstrengungen macht, m» die Unbegabtheit eines Lehrlings auszügleichen und demselben die normale Ausbildung beiznbrin- gen. Der Lehrling habe seine mangelhafte Ausbil­dung in der Hauptsache sich selbst znznschreiben und könne lsterwegen vom Beklagten keinen Schadener-