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1877.
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ML 33
Verlag u. Druck der W. Meter'scheu Vuchdruckerei (L. Laut), Altenfteig.
Donnerstag, sr» 9. Kebrna*.
Amtliches.
Die Schulaufsicht im Bezirk Neuenbürg ist dem Stadlpfarrer Rösler in Wildbad auf 15. Februar Übertragen worden.
Tagespolitik.
Zur Reichstagswahltaktik erklärte aus der rheinischen Provinzialversammluag des Bundes der Landwirte der Vorsitzende, Freiherr von Wan, genheim, daß die Freisinnigen bei den nächsten Way len auf keinen Fall irgendeine Wahlhilfe oon den Konservativen zu erwarten hätten. Die National- liberalen würde man sich von Fall zu Fall sehr genau darauf ansehen, ob man sie unterstützen könne.
Die Potsdamer Begegnung hac es Engländern und Franzosen dauernd angetan; sie befürchten ein künftiges Bündnis der drei Kaisermächte und suchen sich daher nicht nur selber aufs engste zinsanunenzuschließen, sondern auch Italien zu sich hinüberzuziehen. So und nicht anders sind die Darlegungen des englischen Premierministers As- quith gelegentlich der Ädreschebatte im soeben znjam mengetretenen englischen Unterhanse aufznfassen. Der Minister versicherte zwar in Uebereiiistimmung mit der Thronrede, daß Englands Beziehungen zu allen Mächten andauernd freundlich seien; er hob aber die besondere Herzlichkeit der Beziehungen zu Frankreich so stark hervor und gedachte Italiens mit jo warnren Worten, daß die jetzige Unterlassung Zeder ausdrücklichen Erwähnung Rußlands auffal lend erscheinen und den Eindruck Hervorrufen mußte, als habe die Tripleenlente für England ihren Wert verloren und als rechne man in London mit der Möglichkeit einer baldigen Neubildung der inler nationalen Beziehungen. Auch der Eifer, mit dem so wohl die Regierung und das Parlament Frankreichs wie Engtänds für starte Rüstungen zu Wasser und zu Lande eintreten, unterstützt die Auffassung, daß beide für alle möglichen Eventualitäten vorbereitet sein wollen. Der Reichskanzler v. Betchmanu Hol! weg bezeichnele es als das Ergebnis der Potsdamer Begegnung., daß weder Rußland noch Denlschland sich in eine Kombination entlassen würden, die eine ag gressive Spitze gegen den anderen Teil hätte. Sollte das den vorgeblichen großen Friedensfreunden in Paris und London wirklich schon zuviel gewesen sein ? .. .
Italien erscheint uns Deutschen immer noch als das Land der Poesie und Romantik, in dem nach vieler Leute Meinung das Glück zu Hanse sein müsse. Ein Riesenprozeß, der in kurzen! seinen An sang nehmen wird, belehrt uns, daß im schönen Süden nvch Zustände herrschen, die viele Deutsche kaum zu ahnen, geschweige denn zu begreifen vermö gen. Im Süden der Halbinsel herrscht die Macht der geheimen Verbindungen noch in einem solchen Umfange, daß die staatlichen Behörden dagegen so gut wie ohnmächtig sind. Nicht deutlicher konnte das ausgesprochen werden, als durch diesen Prozeß, gegen den Häuptling d er Kamorra in Neapel, einen gewissen Eriecvne, und seine Mitgenossen, die ive gen Mordes, Erpressung und anderer Missetaten angeklagt worden sind. Statt, wie es sonst in der ganzen Wett der Fall ist, den Prozeß am Tatorte zu erledigen, ist zu 'seiner Verhandlung die mit telitalienijche Stadt Viterbo gewählt worden. Das geschieh! zu dem Zweck, um eine Einschüchterung der Geschworenen durch die Kamorristen zu vorhin dein. Aber dein Frieden traut man auch so «roch nicht, ganz Viterbo ist mit Gendarmerie und Polizei überfüllt, um eine Störung des Prozesses zu vor hüten. Natürlich müssen auch alle Zeugen von Ne apel nach Viterbo kommen, und man kann daraus berechnen, welche Summen der Prozeß verschlingen wird. Trotzdem bezweifelt man in ganz Italien, daß eine wirklich strenge Strafe eintreten wird) Denn auch die Geheimbündler sind in Hellen Haufen in der Prozeßstadt anwesend, und die Geschworenen wie Zeugen blicken mit Angst in die Zukunft. Das!
ist „Recht" im modernen Italien. Die Mordtat, die in dem Prozeß die Hauptrolle spielt, ist von den Kamorristen verübt worden, weil die gelöteten Personen, es handelte sich um xin Ehepaar, Ver- rälerei geübt hatten. Es hatte selbst dem Geheim^ bunde angehört und gegen diesen vor der Behörde ansgesagt. Darin beruht die unglaubliche Macht der Kamorra, daß sie jeden Verrat unerbittlich mit dem Tode bestraft. Das weiß auch der Staat sehr genau, und darum ging sein Bestreben von je dahin, diesen Mördern und Erpressern beizukommen. Die energischsten Beamten sind stets als Präfekten nach der Vesuvftadt geschickt, keinem von ihnen ist es gelungen, ein beachtenswertes Resultat zu erreichen. Im Gegenteil hat so mancher Präfekt dem Oberhaupt der Verbrecherbande, der ein wirklicher Herrschet in Neapel ist, noch gute Worte geben müssen. So war es einmal bei einem Besuch des italienischen Königspaares am blauen Golf; die Kamorra wollte jhm zeigen, wer zu bestimmen habe, und jo wa reu für den Einzug der hohen Gäste keinerlei Pferde in der ganzen Stadt zu bekommen und kein Kutscher wollte fahren. Der hohe Staatsbeamte mußte den Leiter des Aeheimbnndes bitten, diesen Streik der Rosselenker aufznheben, was denn auch geschah. In Zukunft wurde der Präfekt von seinen-Gegnern dermaßen geärgert, daß er freiwillig seine Entlast jung einreichte. Das ist der beinahe komische Punkt in dieser Sache, daß jeder weiß, in wessen Hand die Fäden dieser Verbrecher Verbindung liegen, daß aber niemand erwas dagegen tun kann, ohne selbst schweren Schaden leiden zu müssen. Durch ihre weitverzweigte Organisation weiß die Kamorra jeden abznfinden, der Geld hat, den sie ans irgend einem Anlaß schröpfen kann. Zeitweise war es so arg, daß sie sogar die städtischen Beamtenernennnngen beeinflusste und sich von jedem bezahlen ließ, der Beamter werden wollte. Da ist es denn auch gar kein Wunder, daß viele staatliche und städtische Ange stell.'e um den Plackereien ans dem Wege zu gehen,' selbst Kamorristen wurden und nun den Interessen des Geheimbundes dienten. Die Polizei ist jo gut wie ohnmächtig, und wenn die Zeitungen nicht zuweilen Lärm schlügen, io geschähe überhaupt nichts. Die Presse ha. auch das Verdienst, den neuesten Prozeß veranlaßt zu haben.
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Die Familie des Zaren wird Anfang Mai wieder nach Friedberg übersiedeln, da die Zarin ihre Kur in Bad Nauheim sortsetzen will. Der Zar selbst wird erst Anfang Juni in Friedberg erwartet.
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In alten Dörfern auf dem Wege von Chardin nach Peking ist die Pest festgestellt.l In Peking ist Verwirrung ausgebrochen. Sämtliche Konsulate in Tientsin sind isoliert. Der Verkehr ans den chinesischen Bahnen ist eingestellt. Die chinesische Re
gierung ist vollständig kopflos geworden und erwar Lei einen antidhnastischen Aufstand. Die deutsche Behörde verbietet das Anlegen von Dampfern in der Kiautschou Bucht, lieber das Pachtgebiet wurde der Kriegszustand verhängt.
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Die tieferen Gründe des Ansstandes auf Ponape enthüllt ein soeben eingetroffener Bericht des stellvertretenden Gouverneurs von Deutsch Neuguinea, Regierungsrats Dr. Oßwald, den die „Nordd. Allg. Ztg." veröffentlicht. Man halte die Leute früher äußerst schonend behandelt. Unter dem neuen Bezirksamtmann Böder nahm die Entwickelung ein schnelleres Tempo an. Es wurde von den Dschokadsch-Leuten verlangt, daß sie nicht nur für das Jahr NNO, sondern auch für das vor hergehende die Steuerarbeit leistetetn. Der Wegebau wurde infolgedessen rasch gefördert, öffnete die wenig zugängliche Insel der Dschokadsch dem Verkehr und brachte deren alte Freiheit in Fortfall. Das schuf eine tiefe Gärung. Außerdem unterschätzten die Eingeborenen die deutsche Macht und bildeten sich auf Grund von Ereignissen aus spanischer Zeit ein, daß sie uns vielleicht doch überlegen seien.
Amtsblatt für Pfatzgrafesweilrr.
,vrl.
Württeinvergischer Landtag.
Stuttgart, 8. Februar,.
Im Einlauf der Zweiten Kammer befanden sich heute Gesetzentwürfe betreffend Aendernng des allgemeinen Sportelgesetzes, betreffend Aendernng einiger Vorschriften der G e ri ch ts 1 v ste n o rd n u n g und betreffend einen Zuschlag zuden Gerichtstosten. Vor Eintritt in Pie Tagesordnung berichtete Vizepräsident Dr. v. Kiene namens des Gesamtvvrstandes der Kammer über den Ablauf des Vertrags mit der Firma Karl Grüninger, die die Drucksachen der Kammer herstellt. Der Antrag, den Vertrag zu erneuern, wird angenommen. Sodann wurde in die Tagesordnung eingetreten. Minister v. Pis chek erklärte sich bereit, die Anfragen des Zentrums und des Bauern bunds über Maßnahinen zur Bekämpfung der Maul und Klauenseuche morgen oder übermorgen zu beantworten. Kriegsminister v. Marchtaler teilte mit, daß er bereit sei, die weitere Anfrage des Bauernbundes und der Konservativen betreffend den Getreideautauf durch die Proviantämter und betr. die württ. Remonteu sofort zu beantworten. S trö- bel B.K. begründete die Anfrage. Neuerdings ver mehre sich die Neigung der Proviantämter, anstatt bei den Produzenten, bei den Händlern zu taufen., Darin liege eine Schädigung der Landwirte, zumal da die Proviantämter gegenüber den Händlern cvu- lnnter sein sollen als gegenüber den Landwirren. Die Pferde des Landes feien ebensogut wie die der anderen Bundesstaaten. Die Pferde sollten in grö ßerem Umfang und zu angemessenen Preisen von den württ. Landwirten gekauft werden. Kriegsmi- nister v. March: aler erwiderte! Die Proviantämter sind seit Jahren angewiesen, in erster Linie von den Produzenten und vop den landivirtschaft- lichen Verkaussgenossenschafren ihren Bedarf zu dek ken Voraussetzung ist dabei natürlich gute Beschaffenheit und kein höherer Preis als der des Händlers. Im Jahre ! 900 10 wurden gekauft von den Produzenten bezw. den Händlern Weizen und Kernen 70 bezw. 27 Prozent, Roggen ö5 und 45, Prozi, Haber 6! und 00 Prozent, Heu 6b und 04 Prozent, Stroh 70 und 00 Prozent. Diese Zahlen werden sich zugunsten der Produzenten verändern lassen, sobald die Militärverwaltung nach Vergrößerung ihrer Unterbrrngnngsränme ihren Bedarf gleich für das ganze Jahr anfkanfen kann. Mit den Berkanfs- genvsfenschaften haben wir sehr gute Erfahrungen gemacht. Was die Remonteu betrifft, so braucht das Armeekorps jährlich etwa 5,00 Pferde, von denen die Hälfte für die Kavallerie von den preußischen Depots, die andere Hälfte für Artillerie und Train von Breithüllen bezogen wird. Das Depot Breit hüllen kauft die Pferde dreijährig und gibt sie vierjährig an die Truppe ab. Der Kauf erfolgt in erster Linie im Lande, in Holstein und Ostpreußen. Der Kauf im Lande hat sich im Laufe der Jahve, gehoben. Die württ. Pferde stehen den anderen nicht nach. Gut sind besonders die von der staatlichen Fohlenaufzuchtanstalt bezogenen Pferde. Wir hoffen von Jahr zu Jahr den Bedaick im Lande besser decken zu können.
Da eine Besprechung der Anfrage nicht ver lange wurde, war der Gegenstand erledigt und das .Haus ging nun zur Beratung des Gesetzentwurfs über die Aufhebung des Geheimen Rais über. Mi nisterpräsident v. Weizsäcker begründete die Vorlage. Wenn die Regierung vorschlage, die Hand an eine altehrwürdige Einrichtung zu legen, so geschehe das nicht ohne Grund. Politisch sei der Ge Heime Rat oon keiner Bedeutung mehr. Eine besondere Geheimratspolitik sei heutzutage unmöglich. Die technischen Aufgaben des Geheimen Rats können von den Ministern erfüllt werden. 0. Balz (D.. P.): Es hat Ob Jahre gedauert, bis endlich etwas auf- gegeben wird, was längst als entbehrlich bezeichnet worden ist. Wir freuen uns über das tatkräftige Eingreifen des Ministerpräsidenten, der dadurch seinem Versprechen Rechnung trägt, eine Vereinfachung