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1877.
Die LagkSausgab- viertsljShrlich im Bezirk Nagold und Nachbarortsverkehr Mk. 1.25
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Die Wochenausgabe (Schwarzwälder Sonntagsblatt) kostet vierteljährlich SO^Psg.
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Unparteiische Tsgeszeitung und AnMgeblatt» verbreitet in den Gbersmtsbezirken Nagold, ZreuLsnftaöt, La!w u. Neuenbüra
Nr. 86.
Verlag u. Druck der W. Rieker'schen j Buchdruckerei (L. Lauk), Altensteig.
Mittwoch, dssr 1. Fevrasr.
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. TÄgespoUtik
Der Allgemeine Deutsche Lchriftverein will durch eine öffentliche Versammlung gegen ,,Die Ausrottung der deutschen Schrift durch die Petitions-Kommission des Reichstags" protestieren. Die Petittons Kommission hat betanntlich unter Zustimmung des Regiermrgsvertre- ters den Antrag des Vereins für Abschrift, daß die Schulkinder sämtlicher Schulen in den ersten drei Schuljahren nur lateinische Schrift zu lernen und zu üben haben, gutgeheißen und dem Reichslcmz- zer zur Berücksichtigung überwiesen. „Da die Manschen", so heißt es in dem Protest des „Deutschen Schriftvereins", „diejenige Schrift fürs Leben an wenden, an die sie in den ersten Schuljahren ge wohnt worden sind, ist die deutsche Schrift durch diesen Beschluß abgeschasft. Eine kurze Erörterung und Beschlußfassung weniger Männer raubt unserem Volke sein tausendjähriges angestammtes valerlän disches Schriftgut!"
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Der „Ehrenschutz", vereinigte Zeitschrift der deutschen und österreichischen Anti.-Duell-Liga, veröffentlicht in Nr. l des neuen Jahrgangs unter der Rubrik „D uellaffciren des Ja h r e s ! I «' >" wiederum eine lange Reihe von Fällen, in denen Kinderei. Flegelei und unmoralische Entartung bunt durcheinander laufen. Es kann sich bei dieser Zusammenstellung natürlich nur um einen auf ungenügenden Hilfsquellen beruhenden Versuch handeln, während umfangreicheres und erdrückenderes Material bei den Behörden ruht. Immerhin entfallen allein nach deutschen Zeitungsberichten auf Deutschland 35, auf Oesterreich 20, ans Ungarn 03 tatsächlich ans- gefochlene Duelle.
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Erhält Elsaß Lothringen seine Verfassung? Die Koniniission von 23 Mitgliedern, welcher der Gesetzentwurf über die Einführung einer neuen Verfassung im Reichslande überwiesen ist, wird nunmehr zu prüfen haben, ob die Möglichkeit einer Einigung über die Vorlage besteht. In den De bat len gingen die Meinungen der Redner ja sehr auseinander: die Elsaß-Lothringer wollten zu viel, die Liberalen mehr, wie der Entwurf bietet, während das Zentrum einzelne Aendernngen befürwortete, und die Konservativen die gemachten Konzessionen als zu weitgehend bezeichneten. Der Reichskanzler von Bethmann Hollweg und der Staatssekretär Zorn von Bulach aus Straßbnrg haben sich e hrliche Mühe gegeben, die Sachlage zu klären und viel Beifall gesunden. Wenn alle Elsaß-Lothringer heute auf dem Boden des Reichsgedankens ständen, wenn die aufreizende franzosenfrenndliche Agitation erloschen wäre, dann konnte das Reichsland seine volle Selbst ständigkeit erhalten. Wir sind aber noch nicht so weit, und so können bei allem Entgegenkommen auch die Reicbsinleressen nicht vernachlässigt werden.
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Zwei sozialdemokratische Abgeordnete machten tinzlich eine Rundreise durch die amerikanischen In dnstiiestädte. Sie waren ansgezvgen in der Erwartung, in Amerika das gelobte Land der Arbeiter zu finden; sic kehrten mit der Erfahrung zurück, daß es den Arbeitern in der deutschen Heimat besser geht als in der neuen Welt. An diese Beleb rnng knüpft der „Schwäbische Merkur" sehr zntref sende Betrachtungen über die Sucht unserer Radi täten, Deutschland unablässig schlecht zu machen zur höheren Ehre des Auslandes. Die Sache ha! eine ernste Seile: denn ganz abgesehen von dein nationalen Ehrenpnnkte muß es schließlich auch unseren Staatsmännern die Arbeit erschweren, wenn sich im Ausland die Meinung lest setz! als wäre das deutsche Volk von der Last seiner militärischen Rüstung zu Boden gedrückt, durch ein willkürliches Regiment um seine politischen Rechte betrogen und nur durch rauhe militärische Zucht und strenge poli
zeiliche Bevormundung zu stummem Gehorsam gezwungen. Der Ausländer, der in Deutschland reist, überzeugt sich bald, daß nichts davon wahr ist. Aber die anderen, die immer wieder diese Erzählungen hören, glauben sie, weil sie auch in manchen deutschen Zeitungen stehen. Die Frage, wie bei alledem das politische Leben ln fast beispielloser: Vielseitigkeit sich entfalten, daneben aber Handel, Industrie und Wissenschaft zu glänzender Blüte sich entwickeln tonnen, stellen sich diese Leichtgläubigen nicht. Wie liegen di? Dinge in Wahrheit? Immer wieder wird bei der Verherrlichung des englischen Parlamentarismus vergessen, daß das dortige Wahlrecht entfernt nicht so liberal ist wie das nnserige. In England Hai etwa, ein Sechstel der Bevölkerung das Wahlrecht. Tie Ueberlragung des englischen Systems ans ^Deutschland würde etwa drei Millionen Wähler ihres Wahlrechts berauben und zwar gerade drei Millionen Arbeiter. Vergessen wird, daß Politil und Parlament in England bis vor ganz kurzer Zeit ausschließlich in den Händen der herrschenden Klasse waren und erst allmählich die unteren Volksschichten sich den
auf unsere täglich erscheinende Zeitung
für die Monate Februar und März wollen alsbald gemacht werden.
Anteil von der Politik gewinnen, den sie längst bei uns haben. Vergessen wird, daß Großbritannien und Irland beispielsweise bis zu dieser Stunde noch keine sozialistischen Tageszeitungen haben. Sie würden in England tagtäglich dem Richter verfallen, wollten sie sich Hetzereien erlauben, wie sie solche in Deutschland ungestört begehen. Eine Sprache, wie sie von der sozialistischen Presse während des Moabiter Prozesses geführt wurde, wäre in England als „Mißachtung des Gerichts" mit den härtesten Strafen gebüßt worden. Ancb an die Belagerung in der Sydney-Straße darf wohl in diesem Zusammenhang erinnert werden. Was würde wobt unsere radikale Presse dazu sagen, wenn man ein militärisches Aufgebot von etwa lOOO Mann mit Geschützen gegen zwei Verbrecher aufgesührt hätte, die vielleicht gar keine gewesen sind? Und wie steht es mit dem anderen gelobten Lande unserer Liberalen, mit Frankreich? Wär es nichk ein Ge- waltstreich, wie der ans dem Sozialismus hervorgegangene und ihm in gewissem Sinne jetzt noch an gehörende Ministerpräsident Briand den Ansstand der Eisenbahner unterdrückte? Soll man an die In toleranz erinnörn, mit der Frankreich alle religi ösen Dinge behandelt nnd mit der es, um ein anderes Gebiet zu nennen, die französische Sprache in an derssprachigen Landesteilen durchsetzt? Wie haben sodann die Diebesfinger der Liquidatoren die reinliche Scheidung zwischen Staats- nnd Kirchenvermögen beschmutzt! Wie.ist, um auch nvch an andere Dinge zu erinnern, die französische Flotte durch die Advokatenherrschaft an den Rand des Verfalls gebracht worden! Welche vernichtenden Ursachen hak man von ernsthafter Seite über das Groß;? nnd Ganze des französischen Parlamentarismus gehört! Auch bei uns gibt es noch viel zu verbessern. Aber mit Recht sagt der „Merkur", daß. wer bei uns kein Vaterland schmäht, um das Ausland zu verherrlichen, sich nicht nur am Patriotismus, sondern auch am Geist der Wahrbeil versündigt.
In T ü r t i s ch-Ar ab ie n dauern die Kämpfe zwischen den Rcgiernngstruppen nnd aufständischen Beduinen noch immerfort: sie verlaufen mit wechselndem Ausgang. Wiederholt erlitten die Beduinen empfindliche Verluste: neuerdings zogen sich aber auch die Truppen eine Schlappe zu. Die bedrohliche Ausbreitung der Cholera wird, wie inan hofft, zwi schen den streitenden Teilen den Frieden herbeiführen.
Mirttemvergischer Landtag.
Stuttgart, 3l. Januar,
Die Zweite Kammer setzte heute nachmittag die Generaldebatte zum Etat fort. Zunächst sprach der Kriegsminister von March tat er. Er ging auf den Prozeß des Oberleutnants Gramm ein und lehnte es ab, sich über dessen Persönlichkeit zu äußern. Wegen der Verfehlungen, die sich Major Weller habe zu schulden kommen lassen, schwebe ein kriegsgerichtliches Verfahren. Man müsse aber auch die hervorragende Tüchtigkeit Wellers anerkennen. Die pren ßischen Offiziere, die einst die Lehrmeister der würt- Lembergischen Truppen waren, seien heute vorzügliche Mitarbeiter an der Kriegstüchtigkeit des Armeekorps, das in disziplinärer Einsicht eine günstige Rangierung innerhalb der Armee habe. Justizminister von Schmidt in gab in ruhiger Welse an der Hand der Akten eine objektive Darstellung der Streikexzesse ln Schwenningen nnd Neckarsnlm und kam dabei zu dem Ergebnis, daß sich für die Behauptungen des Abgeordneten Keil- die Justizbehörden ließen den organisierten Arbeitern keine Gerechtigkeit widerfahren und nicht allen Volksklassen das gleiche Recht zuteil werden, keine Spur von Beweis ergeben habe. Möge das Volk sein Vertrauen zu den Richtern durch Ausführungen, wie diejenigen Keils, nicht erschüttern lassen. Die zweite Garnitur der Parteiredner eröffnte? der Abgeordnete Kübel (D. P.). Er sprach insbesondere sein Bedauern darüber aus, daß viele Beamte glauben, es würde nicht gerne gesehen, wenn sie s ich parteipolitisch betätigen, und wünschte, daß dieser Auffassung entgegengetreten werde. Ministerpräsident von Weizsäcker kam diesem Wunsche sofort nach und erklärte namens der Staatsregierung, es liege ihr eine Beeinträchtigung der staatsbürgerlichen Rechte der Beamten fern, ihre politische Tätigkeit sei ihr sogar erwünscht, jedoch innerhalb derjenigen Grenzen, die durch die gesetzlichen Pflichten des Beamten gezogen seien. Genau seien diese Grenzen nicht umschrieben, doch werde Takt, Gewissen nnd Pflicht dem Beamten den mit seiner Stellung vereinbaren richtigen Weg zeigen. Diese Grundsätze würden von der Regierung wohlwollend zur Anwendung gebracht werden. Der Minister des Innern von Pis chek ergriff gleichfalls noch das Wort, um auf zahlreiche Fragen näher einzngehen. Hervorznhe- ben ist die Entschiedenheit, mit der der Minister die Verstaatlichung der Stuttgarter Polizei verlangte, wobei über die von dem Abgeordneten Kraut erwähnten schauerlichen Zustände bei der Stuttgarter Polizei allerdings keine Aufklärung gegeben wurde. Der.Minister wandte sich dann gegen den Vorwurf, daß es der Regierung an sozialem Verständnis fehle und verwischte das Bild, das Keil von der traurigen Lage der Arbeiter entworfen hatte. Es gebe nicht bloß ein Recht, nicht zu arbeiten, sondern auch ein Recht auf Arbeit und die Regierung werde den Ar beitK'willigen ihren Schutz auch in Zukunft .licht versagen. Schließlich erklärte der Minister, nicht nur der Kaufmann habe bei der politischen Betätigung etwas zu vertieren, sondern auch der Beamte, nämlich das Vertrauen der Bevölkerung zu der unPartei ischen Führung seines Amtes. Zum Schlüsse sprach noch der Abgeordnete Schrempf lB. KD, der namentlich gegen die Sozialdemokratie polemisierte und den Vorwurf der Arbeiterfeindlichkeit entschieden zurückwies. Morgen wird die Generaldebatte fortgesetzt.