Berechtigung zur Furcht vor einer Invasion zn geben. Der Kaiser hat sich in seiner ganzen Regierungszeit als Friedensfürst bewiesen. In der letzten Zeit haben wir in unseren auswärtigen Be­ziehungen eine Besserung zu verzeichnen. In Asien haben wir Interesse an der Bagdadbahn und an einem friedlichen, unabhängigen Persien. Bedauer­lich bleibt die Anpöbelung des Kaisers von Ruß­land durch die sozialdemokratische Presse, die unsere Beziehungen zu einem großen Volke geradezu stören kann. In Marokko haben wir glänzende Ergebnisse nicht erzielt. Frankreich macht fortgesetzt neue Vor­stöße auch in solchen Gebieten, wo die Gebrüder Mannesmann Konzessionen haben. Die Erhöhung des Dispositionsfonds des Auswärtigen Amtes sollte, wie der Etat verlangt, vorgenommen wer den. Dein Rufe zur Sammlung des Abgeordneten Speck können wir nicht folgen angesichts der Anti- modernistenbewegung der letzten Zeit und derartiger Vorgänge. Die innere Verwaltung steht nicht mehr aus der Höhe. Es muß eine Periode der Reform eintreten. Neue soziale Schichten drängen empor und verlangen ihr Recht. Wir wollen vorwärts zu neuen Reformen und Zielen! i

Bethmann Hollweg über die auswärtige Politik.

Nach den Worten des Abg. Bassermann ergreift Reichskanzler v. Bethmann Hollweg zum zweiten Mal das Wort, um einige Fragen über die auswärtige Politik zu beantworten. Der Reichskanzler dankte zunächst den Staatsmännern der verbündeten Staaten für die warmen Worte, die sie in ihrem Parlament über unsere gegenseitigen Beziehungen gesprochen haben und schließt sich sei­nerseits diesen Erklärungen gern an. Das Vor­gehen eines französischen Schiffes nach Agadir hat noch keine amtliche Aufklärung ge­funden: wir werden aber unsere Rechte und die Interessen der deutschen Untertanen mit Nachdruck' schützen. Das Zustandekommen der türkischen Anleihe durch ein deutsch-österreich-ungarisches Konsortium hat die Regierung mit ihrer Sympathie begleitet aus der politischen Erwägung heraus, daß Deutschland durch ein Entgegenkommen gegen­über den finanziellen Bedürfnissen der Türkei gleich­zeitig seinen Bestrebungen einer Aufrechterhaltung des Friedens und des status quv im wesentlichen Dienst leistet. Der Reichskanzler ging sodann auf die deutsch-englischen Beziehungen ein und die angeblichen Verhandlungen über eine Beschränkung der Seerüstungen und führte aus, Deutschland begegne sich mit England in dem Wunsche, jede Rivalität in Beziehung auf die Rü­stungen zu vermeiden und betrachte eine offene und Vertrauensvolle Aussprache und eine darauf folgende Verständigung über die gegenwärtigen wirtschaft­lichen Interessen der beiden Länder als das si­cherste Mittel zur Beseitigung jeglichen Mißtrauens. Dann ging der Reichskanzler ans die Entrevuen des Kaisers mit dem Kaiser von Ruß­land über, die einen befriedigenden und harmoni­schen Verlaus genommen haben. Die deutsche und russische Regierung werden sich in keinerlei Kom­binationen einlassen, die eine agressive Spitze gegen den anderen Teil haben könnten. In Persien müssen wir wünschen, daß unser Handel nicht ge­stört wird und sich Weiterentwickelt. Rußland hat den gleichen Wunsch für seinen Handel, außerdem aber noch besondere Wünsche bezüglich der Siche-

der scharmuziert mit dein Mädchen. Und da geht's klirr, klirr, klirr. Aber warte, mein Junge, Dir will ich es zeigen." *

So eilfertig ihre alten Beine es erlaubten, .rannte sie zur Tür und ries ein gellendes:Pierre, sofort spazierst Du hierher, Du böser Gesell!" hin ans. Im nächsten Augenblick stand auch schon der also herbeizitierte junge Mann in der Tür, aber nicht etwa allein, sondern neben ihm, von seiner Rechten energisch festgehalten, Liese, die umgetaufte Loui- son, mit puterroten Wangen, die nicht allein vom Herdseuer so tief angelaufen sein konnten.

Was hast Du gemacht, Du Strick?" polterte seine Großmutter, während die Familie Bertram mit großen Augen die kleine Gruppe betrachtete. Und was soll Mademoiselle da?" Du hast etwas zerbrochen."

Der junge Mann lachte, daß sich sein ganzes Gesicht verzog.Scherben bedeuten Glück, das weißt Du doch, Großmutter. Will ich der Mamzelle Liesi sagen, daß ich sie Hab' gern, und um einen Kuß bitten, da schreit sie auf und da liegt die schöne Schüssel auf der Erde." s

Und was dann?"

Was dann?" fragte der Gärtner Pierre mit einem Schelmenlachen zurück;dann habe ich die Schüssel ruhig lassen liegest und habe Mademoiselle so länge geküßt, bis sie ja sagte und mich wieder küßte.

Nein", rief Liese und stampfte heftig mit den Füßen auf:es ist nicht wahr, er ist ein garstiger Mensch, er soll mich loslassen."

Mademoiselle hat gesagt, es ist wirklich wahr,

rung in dem persischen Gebiet, das an Rußland grenzt. Desgleichen geben wir gerne zu, daß Ruß­land hier einen besonderen Einfluß haben muß. Die Unterredungen während der Potsdamer Entrevue haben da und dort scheinbare Miß Verständnisse beseitigt und das alte ver t rauensvolle Verhältnis Zwischen Ruß­land und uns bestätigt. (Beifall.)

Es sprachen noch Wi einer (Fortschr. Vp.) und Frhr. v. Ga mp (Reichsp.). Weiterberatung Montags.

Lan-esnschnchten.

12 . Dezember.

* Ein schwerer Unglücksfall versetzte die Fa­milie Spitälverwalter Seizinger in tiefe Trauer. Während am Samstag vormittag Verwalter Seizin- ger in Anwesenheit des Krankenhausarztes seinem Beruf nachging und Frau Seizinger in der Küche war, fiel das 4jährige Töchterchen dadurch, daß cs beim Oeffnen einer Schublade ausrutschte, so unglücklich in einen Kübel heißes Wasser, daß es schwere Wunden erhielt, denen es, trotz der als­baldigen Hilfe, noch am Samstag erlegen ist. Den schwergeprüften Eltern wendet sich allgemeine Teil­nahme zu. ' ,

st Stuttgart, 11. Dez. Der Verkehr am heuti- tigensilbernen Sonntag" war ein recht lebhafter. In der Königstraße wogte bis in die späten Abend­stunden eine große Menschenmenge auf und nieder. Die Geschäftshäuser waren glänzend beleuchtet und es herrschte in ihnen ein reges Leben und Trei­ben. Daß die Landbevölkerung unter dem kaufen­den Publikum stark vertreten war, davon zeugte der Anblick, den der Wartsaal des Hauptbahnhofs darbot. , !

js Stuttgart, ll. Dez. Bei der Bürgerausschuß­wahl am Freitag wurden insgesamt 24 280 Stimm­zettel abgegeben. Das entspricht einer Wahlbetei­ligung von 76 Prozent. Zu wählen waren 14 Bür- gerausjchußmitglieder. Es erzielten die vereinig­ten liberalen Parteien 149 738 Stimmen, davon Nationall. Partei 91 907, Fortschritt!. Volkspartei 57 831, Sozialdemokratie 143017, Zentrumspartei und Konservative zusammen 45 387, davon Konser­vative 26 103, Zentrum 19 284. Die Sozialdemo­kratie erhielt 6 Sitze, Nationalliberale Partei 4, Fortschrittliche Volkspartei 2, Zentrum und Kon­servative je 1 Sitz.

st Schorndorf, 10. Dez. Am 6. Januar findet hier der 11. Württembergs che Handlungsgehilfen­tag statt. Am gleichen Tage tritt der 14. Gautag des Gaues Schwaben im Deutschnationalen Hand- luugsgehilfen-Berband zusammen.

st Riedlingen, 10. Dez. In Beuren wurde der der 18 Jahre alte Dienstknecht Schneider, als er nachts 11 Uhr die Adlerwirtschaft verlassen hatte, um nach Hause zu gehen, von einigen jungen Leu­ten angehalten und von einem mit einem harten Gegenstand so wuchtig auf den Kopf geschlagen, daß er ohnmächtig zusammenbrach und mehr als zwei Tage lang das Bewußtsein verloren hatte, auch heute noch nicht außer Lebensgefahr ist. Als mut­maßlicher Täter wurde ein 19 Jahre alter Dienst­knecht in Haft genommen.

sie will meine Frau werden. Jst's nicht so, Mam- 'zelle Liesi?" Pierre war siegesgewiß und seiner Sache sicher.

Das Hab' ich allerdings gesagt," stammelte Liese,aber das andere . . ."

Ein herzhaftes Gelächter der Familie Bertram unterbrach sie, da war nichts, gar nichts mehr zu protestieren. Und sie mußte mit ihrem Pierre die Glückwünsche Christoph Bertram's und von Frau Eleonore schon annehmen, während Margot in flie- 'gender Eile die deutsch gesprochenen Worte des jun­gen Mannes seiner Großmutter ins Französische übersetzte.

Mutter Jeane hatte indessen kaum begriffen, daß diese Herzensfrage sich wirklich so schnell ent­wickelt hatte, wie sie draußen schon geahnt, als sie der schönen und freundlichen Dolmetscherin da­von lief, ihreLouison" vier Mal umarmte und küßte und dann mit einem solchen Schwall von bald vlämischen, bald französischen Sätzen auf sie drein­redete, daß Liese wieder einmal nicht wußte, wo ihr der Kopf stand. Margot half ihr gewandt aus.

Du kannst lachen, Liese, und Dein Bräutigam dazu; Mutter Jeane will Euch, sobald Ihr Euch verheiratet, dies Unwesen, Haus und Garten, schen­ken, Ihr sollt ihr nur das kleine Stübchen lassen, in dem sie wohnt. Da kannst Du also jeden Tag heiraten. Mädchen, was werden sie bei Dir zu Hause für Augen machen, daß Du so gewissermaßen im Handumdrehen eine Braut geworden bist und in wenigen Wochen eine verheiratete Frau sein kannst?"

Ihr Bräutigam, der schmucke Pierre, lachte strahlend: aber Liese sagte still vor s ich hin:Mir

Aus dem Reiche.

st Pforzheim, 10. Dez. Hier erregt die Ver­haftung des Güter und Rechtsagenten Heinrich Kunz großes Aufsehen. Er besaß früher das beste Geschäft hier, war eine Zeit lang juristischer Bera­ter des Grund- und Hausbesitzervereins und spä­ter auch des Mieter-Vereins und ein Vorkämpfer der Gartenstadtbewegüng. Er wurde verhaftet we­gen Unters chlaMgo.

P ÄÄnn, 11. Dez. Heute mittag wurde am Grabe des Hospredigers Stöcker seine Büste ent­hüllt. Um neun Uhr abends ist seine Gattin nach langem Leiden hier gestorben.

Zur Arbeiterbewegung in Pforzheim.

st Pforzheim, 10. Dez. Die Aussichten auf bal­dige Beilegung des Hiesigen großen Lohnkampfrs sind leider wieder aus Null herabgesunken, nachdem die Vertreter der Arbeitgeber abgelehnt haben, ge­stern auf das Bezirksamt zu kommen, wo zwei Re­gierungsvertreter zwischen den beiden Parteien Eini-. gungsverhandlungen anbahnen wollten. In der Hie­sigen Bürgerschaft ist man indessen sehr ungehalten. Man ist der Ansicht, die Fabrikanten sollten wenig­stens mit denjenigen nicht organisierten Arbeitern, welche Arbeitswillige sind, die Arbeit weiter ver­suchen, um die Stadt und Industrie vor den immer fühlbarer werdenden großen Schäden zu bewahren.

st Paris, 11. Dez. Eine halbamtliche Meldung über die französisch-englischen Vereinbarungen betr. das Wadaigebiet bezeichnet es als einen bemerkens­werten Erfolg der französischen Diplomatie, daß England den französischen Militärbehörden das Recht eingeräumt habe, die Wadaistämme bis in das Gebiet von Dar-Fur zu verfolgen, der zur engli­schen Einflußsphäre gehört.

st Winnipeg, 11. Dez. Nach neuerlichen Mel­dungen sind durch die Explosion in*dem west­kanadischen Kohlenbaugebiete 2 0 Bergleute ge­tötet worden. 18 Bergleute konnten gerettet wer­den, doch sind einige von diesen sehr schwer verletzt.

Von der Kronprinzen-Reise. st Colombo, 11. Dezbr. Der heute zu Ende gehende Aufenhalt des Kronprinzen und der Kron­prinzessin auf Ceylon ist in jeder Beziehung durch­aus befriedigend verlaufen. Heute gab der Gouver­neur zu Ehren des kronprinzl. Paares .ein Ab­schiedsfrühstück. Die Kronprinzessin besuchte hier­auf die Gneisenau und begab sich sodann mit dem Kronprinzen auf den Lloyddampfer Lützow, mit dem sie die Rückreise antritt, während der Kronprinz auf die Gneisenau zurückkehrte. Um 6 Uhr abends verließen beide Schiffe gemeinsam den Hafen. Am 1 4. ds. wird die Gneisenau in Bombay eintreffen, wo der Gouverneur den Kronprinz an Bord begrü­ßen und die zum Stab des Kronprinzen komman­dierten englischen Herren sich melden werden.

Konkurse.

Gustav Kraul, Kaufmann, Inhaber eines Seifenpulver- geschäfls, Neckargartach. Georg Tänzer, Köbler in Schmal- felden. Nachlaß des st Franz Knörle, Kaufmanns in Ravensburg. Nachlaß des am 7. Sept. 1910 gestorbenen Georg Wohlfahrt, gewes. Rotgerbers in Weikersheim.

Beranlwortlicher Redakteur: L. Lauk, Altenstete.

hat's geahnt, als wir abreisten, daß mir ganz etwas besonderes bevorstünde." Und dann als Prerre schon wieder einmal fragte, wann die Hochzeit sein solle, da fuhr sie doch recht entschieden mit der Sprache dazwischen.Nein,.das ginge denn doch nicht so eins, zwei, drei. Sie müßte doch erst ein­mal zu den künftigen Schwiegeeltern gehen, und dann müßte der Pierre mit zu ihrem Vater nach Klein-Friedingen kommen: darauf könnte man dann sehen, ob alles klappte, und sie beide zusammen paßten und dann, ja dann könnte darüber gesprochen werden, wann die Hochzeit sein sollte, die ganz selbstverständlich in Klein-Friedingen gefeiert werden müßte, schon darum, damit die anderen Mädchen sich tüchtig ärgerten, daß. . . Liese stockte. Denn eher hätte sie sich die Zunge abgebissen, als daß sie gerade herausgesagt hätte, wie ihr nun mit einem Male ein solches Glück in den Schoß gefallen war. Die Männer dürfen nicht gar zu viel vou sich denken!

So war, bevor die Heimreise angetreten ward, noch ein frohes, heiteres Bild auf die ernste Veran­lassung gefolgt, die Margot, ihren Stiefvater und Liese zur Fahrt nach dieser Welten fernen Gegend genötigt hatte. Und unter dem Einfluß dieser bei­nahe lustigen Stimmung der anderen verlor auch Frau Eleonore ihren Trübsinn: sie sah nun selbst, daß unser Erdenleben doch viel mehr von einem Sonnenblinken der Freude, wie von einer langen Dauer des Trübsinns und der gramvollen Gedan­ken regiert wird.

(Schluß folgt.)