und dcr preußische Kriegsminijwr Hesriugen., Haus und Tribüne sind gut besetzt. Präsident Gras Schwerin-Löwitz eröffnet die Sitzung um I ISO Uhr. Die Beratung des Etats wird fortgesetzt.
Reichskanzler v Bethmann Hollweg:
Der Zusammenhang zwischen F i n a n z r e s o r m ünd Etat liegt auf der Hand. Bei der Ein-> bringuug der Steuervorlage handelte es sich nicht um diese oder jene Art von Steuern, sondern um die Interessen der Nation, da es mit der bisheri gen Finanzwirtsehaft nicht weiter ging. (Sehr rich tig bei der Mehrheit, Unruhe links. > Fürst Bü - low hat denn auch aus der Ablehnung der Erbschaftssteuer nicht die Konsequenzen gezogen, den Reichstag auszulösen, sondern der Notwendigkeit eines sofortigen Zustandekommens der Finanz reform feine eigene Person untergeordnet. Der Etat ist die stärkste und bündigste Rechtfertigung des Ent schlusses der verbündeten Regierungen, die Reichsfinanzreform ungeachtet einzelner Bedenken anzu nehmen. Der Reichskanzler betont sodann die Not Wendigkeit einer intakten A u s r e ch t e r h a l t u n g eines st arten und schlagfertigen Heeres und des gesetzmäßigen Ausbaues der Flotte. Beides stehe erfreulicherweise im Programm aller Parteien, soweit sie nicht auf dem Boden prinzipieller Negation ständen, u. wurzle tief in dem Empfinden der ganzen Nation, weil nur auf diesem Boden die Politik ruhiger Entschlossenheit möglich sei, die das Volk wünsche. In das Gebiet der Fabel gehöre alles, was von Krisen und Konflikten zwischen der Armee und der Heeresverwaltung einerseits und der Reichsfinanzverwaltung andererseits erzählt werde. Die Anwesenheit der Herren v. Tirpitz und v. Heeringen sei besonders ein ausreichender Beweis dafür, daß, das ihnen anvertraute nationale Gut nicht verkümmern werde. Der Reichskanzler dankte sodann den Parteien für die gemeinsame Förderung des Werkes der Rerchs- v e r j i ch e r u n g s o rd nu n g u. sprach die Hoffnung aus, daß das segensreiche Werk noch in dieser Session vollendet werden möge. Hoffentlich werde auch die r e i ch s län d i s ch e V e r f as s u n g s f ra g e und das Gesetz betreffend die Staatsangehörigkeit noch in dieser Session zur Erledigung kommen. Was die Wirtschaftspolitik anlange, so werde er an den bewährten Grundlagen unserer Wirtschaftspolitik mit allem Nachdruck festhalten, auch im Hinblick auf die bereits eingeleiteten Verhandlungen mit Schweden und Japan behufs Abschlusses eines Handelsvertrages. Wie auch die Reichstagswahlen ans- fallen mögen, eine „Götterdämmerung" werde auch dann nicht anbrechen. Die Nation werde in ihrer vorwiegenden Mehrheit an den Reichstag die Frage richten, ob er die Wehrmacht, die staatliche Ordnung und die bewährten Grundlagen des Wirtschaftslebens beibehalten und schützen wolle, und es werde sich dann Herausstellen, ob es klug war, daß diejenigen Parteien, die trotz der Verschiedenheit ihrer Parteiansichten in den Grundfragen der Nation demselben Ziele zusteuerten, sich jetzt so bitter lich befehdet haben.
Der Reichskanzler kann sich nicht mit irgend einer Partei oder einer Parteikvnste-llation identifizieren. Er müsse es ablehnen, sich aus eine bestimmte Partei festzulegen. Der Reichskanzler diene auch nicht dem Parlament. Er führe die Politik, die nach seiner sachlichen Uebcrzeugung dem Wohle
des Vaterlandes dienen müsse, solange er dazu die Zustimmung des Kaisers und der verbündeten Regierungen fordere. Auf dieser Grundlage suche der Reichskanzler zu einer Verständigung mit dem Reichstag zu gelangen.
Der Kanzler geht sodann auf sein Verhältnis zur Sozialdemokratie über. Bei Gelegenheit der Reichstagsinterpellation von Albrecht und Genossen legte der Abg. v. Heydebrand die Gefährlichkeit der revolutionären Umtriebe dar und verlangte Gegenmaßregeln. Der Reichskanzler stellt sich nicht auf den Standpunkt, daß die Parteien, die den gegenwärtigen Zustand für lückenhaft und ungenügend erachten, nun auch sofort Gesetzesvorschläge machen. Das zu tun, sei vielmehr die Pflicht der Regierung. Er könne nicht im Lande den Ein druck aufkommen lassen, als bedürfe die Regierung eines besonderen Ansporns, um für den Schütz der amtlichen Ordnung zn sorgen. Die mit der Reform unseres Strafgesetzbuches betraute Kommission ist zu der Ueberzeugung gekommen, daß das geltende Recht im Kampfe gegen die Tätigkeit fanatischer Hetzer, gegen die Aufwiegelung und gegen die Verherrlichung begangener Verbrechen nicht ausreicht, und bei der Weiterarbeit wird geprüft werden müssen, inwieweit die persönliche Freiheit und das Selbstbestimmungsrecht durch das Strafgesetzbuch nachdrücklicher geschützt werden kann als bisher. Jcb glaube nicht, daß die Sozialdemokratie revolutionärer geworden ist, aber der revolutionäre Ausdruck tritt mit brutaler Deutlichkeit hervor. Der Abg. Bassermann hat ihr kürzlich den Rat gegeben, sich offen und ehrlich zur Monarchie zu bekennen. Sie (zu den Sozialdemokraten^ werden diesen Rat ablehnen. lSehr richtig bei den Sozialdemokraten.t Wir sehen, ich habe Recht., (Lebhafte Zustimmung und Heiterkeit. - Es ist notwendig, daß unser Volk über die Ansichten und Absichten der Sozialdemokratie klipp und klar Bescheid weiß. In Magdeburg ist die Selbstbestimmung der Massen verkündet worden, u. diese Massen werden von Jugend auf gelehrt, daß alle Einrichtungen des Staates nur der Knechtung und Entrechtung dienen. Wer predigt, daß nur in der Zerstörung das Heil liege, ist mit schuld daran, wenn die Masten daraus die Konsequenzen ziehen. So ist auch die Sozialdemokratie mit verantwortlich für die Exzesse in Moabit. Wer Wind sät, erntet Sturm! Der Kultus der Sozialdemokratie gilt der Macht der brutalen Zahl. Dadurch wird in den Massen ein Dünkel großgezogen, der sich in den schlechten Elementen in wilde Auflehnung nmsetzt. Daß es sich in Moabit um einen wohlüberlegten Provokationsplan der Polizei gehandelt habe, ist eine willkürliche, uner- erwieiene, unsinnige Behauptung. lWidersPruch bei den Sozialdemokraten, Zustimmung rechts und in der Mitte. Ich möchte öffentlich aussprechen, daß die Polizei in Moabit ihre Pflicht getan hat. (Zuruf des Abg. Ledebours: „Skandalöse Beeinflussung eines schwebenden Prozesses." Stürmische Rufe der Mehrheit: Ruhe, Ruhe. > Hinter der Provokationsthese will die Sozialdemokratie nur ihre "moralische Mitschuld verstecken. Dieser Versuch wird nicht gelingen, aber er wird neue Ausschreitungen zur Folge haben. Die Stimmung, die in Moabit los- gebrochen ist, ist ein Werk der Sozialdemokratie. Die Frage, ob das gemeine Recht bei furchtloser Anwendung ausreiche zur Bekämpfung der in ihren Zielen gesetzwidrigen Machtpolitik der Sozialdemo
kratie, ist von dem Fürsten Bülow bejaht worden. Derselben Ansicht bin ich auch. Vorschläge zu Aus- nahmegeietzen nuiche ich nicht. Was die Sozialdemokratie höchstens erreichen kann, ist, daß viele Menschen in den byzantinisch umworbenen Massen ins Unglück kommen. Ihre politischen Endziele und Wirts chaftl. Utopien lehnt das deutsche Volk in seinem He rzen ab. (Lebhafte Zustimmung aller bürgerlichen Parteien.) Die Politik sozialer Fürsorge hat mit der Sozialdemokratie nicht das mindeste zu tun. Die Energie in der Niederwerfung der Widersetzlichkeit wird wachsen mit der Widersetzlichkeit selbst. Der Reichskanzler schloß mit einem Appell an alle bürgerlichen Parteien, in gemeinsamer Arbeit zu erhalten, was in gemeinsamer Arbeit ges ch affe n w orden i st. (Lebhafter, nz ft d erholter Beifall.)
Bass ermann (natl.): Bei allen Betrachtung gen über die Finanzreform muß der Gesichtspunkt festgehalten werden, daß es weniger darauf an- tommi, daß das Geld beschafft wird, sondern wie es gewonnen wird. Fürst Bülow hat damals den Reichstag auflösen wollen, weil die Finanzresorm den sozialen Gedanken verletzte. Die Reform der Strafprozeßordnung, die Pensionsversicherung der Privatbeamten, die Reform der elsaßlothringtschen Verfassung begrüßen wir. Die Worte des Kanzlers über die wirtschaftliche Lage des Reiches können wir Wort für Wort unterschreiben. (Bravo! Sehr richtig. : Industrie, Handel und Landwirtschaft sind unter ihr aufgeblüht. Wir freuen uns, daß der Kanzler über den Parteien stehen null und Ausnahmegesetze ablehnt. Die Sozialdemokratie hat nicht durch eigene Kraft in letzter Zeit werbende Kraft bewiesen. Die Wissenschaft und auch Politiker, wie der verstorbene Kardorfs, verwerfen Umsturzgesetze. Die Moabiter Vorfälle dürfen in ihrer Gesamterscheinungsfvrm nicht unterschätzt werden. Sie sind zweifellos mit durch die verhetzende Tätigkeit der Presse veranlaßt worden. Zu ihrer Bestrafung müßte ein beschleunigtes Verfahren nötig sein, ohne daß c-s zu einem Monsterprozeß kommt. Die Finanzreform mußte selbstverständlich Millionen bringen: vielleicht wäre sie in der Form nicht gekommen, wenn wir damals den jetzigen Staatssekretär gehabt hätten. Die Veteranensürsorge ist heute eine absolute Notwendigkeit. (Sehr richtisg.)! Eine Wehrsteuer zu ihrer Deckung wäre nicht zu verwerfen. Die jetzige Finanzreform wirkt unsozial, wir waren zu einer gerechteren bereit, die dasselbe Ergebnis gehabt und auch die großen Vermögen betastet hätte. Die Kritik, die man heutet Sleuerhetze nennt, ist aus dem Volke, nicht aus dem Parlament gekommen. Der erfreuliche Aufschwung der Industrie ist zum Teil auf die jährliche Bevölkerungszunahme von 900 000 Personen zurückzuführen. Trotzdem besteht die Tatsache, daß die Industrie unter den neuen Steuern sehr leidet. Der Abkehr vom Quinquennat im Heereswesen möchte ich widerraten. Eine Vermehrung der Artillerie ist nötig angesichts der Uebermacht der französischen Artillerie. Leider gehen die Pioniere ganz leer aus trotz der großen Bedeutung dieser Waffe. Die Heeresvorlage hätte etwas umfangreicher sein können. Der Verkauf des Tsmpelhofer Feldes hat lediglich Bedeutung in sozialer Hinsicht. Die Flotte hat sich dank der zielbewussten Arbeit des Staatssekretärs v. Tirpitz gut entwickelt, ohne England
mit seinem französischen und vlämischen Namen nannte, während Liese das deursche Wort hinzufügte. Das machte ihnen so viel Spaß und interessierte die junge Deutsche so, daß sie allmählich doch der An sicht wurde, es könne am Ende doch nicht sv schwer und müsse schließlich ganz interessant sein, hier ein paar Monate, und wenn es selbst ein Jahr wäre, zn bleiben.
Diese Ansicht wurde in ihr noch bestärkt, als jetzt ein stattlicher, blonder junger Mensch, noch einen Kops höher, wie die wahrlich nicht kleine Liese, sich bemerkbar machte, nachdem er schon ein ganzes Weilchen lauschend hinter der Tür gestanden und das fremde Mädchen, das mit Mutter Jeane um die Wette lackte, wohlgefällig betrachtet hatte. Er räusperte sich laur, die beiden Frauen sahen von ihrer geschäftigen Arbeit, die trotz allen Erzählens aucb nicht einen Augenblick geruht hatte, auf, und die Alte stellte den Burschen als ihren Enkel Pierre vor. Als der merkte, wie ihn Liese ungewiß anschaute, gab er in etwas unbeholfenem, aber doch ganz gut verständlichem Deutsch die erforderliche Erklärung. Er war Gärnter, im unfangreichen Geschäft seines Vaters tätig, und hatte schon länger Lust gehabt, einmal nach Deutschland zu kommen und vor allem Köln am Rhein zu besuchen. Und das dauerte gar nicht so lange, da waren die beiden sungen Menschenkinder ans dem besten Wege, einander zu tief in die Augen zu schauen, und Pierre's Großmutter mußte imm"r dran erinnern, daß die Herrschaften drinnen auf die Mahlzeit warteten.
Damit war es freilich nicht so eilig, ancb
denen verging die Zeit wie im Fluge. Mit sicht lichem Behagen promenierte Christoph Bertram in dem kleinen, netten Anwesen umher und fand es erklärlich, wie mau hier wirklich Genesung finden könne. Dann aber mußte Margot erst mir ihrem Fragen noch Recht haben, sie kam sonst vor Neugier um. „Und jetzt, Papa, bitte ich vor allen Dingen um Bescheid, wie kommst Du hierher? Kaum, daß ich mit Mama ein paar Worte gesprochen habe, bist Du hier?"
„Ganz einfach, liebe Margot," sagte er lächelnd : „es erschien mir doch erwünscht, Dir und Deiner Mutter sofort zur Seite zu stehen, und da reiste ich eben hierher." .
„Das kann ich mir schon denken," versetzte sie mit süßen Schmollen; „aber wir sind doch von Friedingen mit dem direkten Zuge hierher gefahren."
„Gewiß das seid Ihr. Aber ich fuhr zwei Stunden später mit dem internationalen Luxuszuge und kam nur ein Weniges nach Euch in der nächsten Hanptstation an, von wo ich dann ein Automobil direkt hierher benützte. Und da bin ich. Aber wenn Du meinst, ich sei nun doch zu viel . / ."
„Lieber Papa!" sagte sie innig, und auch Frau Eleonore trat zu den beiden heran und schlang ihre Arme um den Gatten und die Tochter. Sie waren alle drei so ergriffen, daß sie kaum sprechen konnten. Nur Klaus fehlte noch in dieser Gruppe, aber den sah man sa bald in Mariengrnnd wieder.
Es pochte. Mutter Jeane trat ein, um den Tisch zu decken. Wortreich bedauerte sie nun doch, daß die Stunden so schnell vorübergingen. Dann trug sie offenen Wein herzu und darnach das einfache.
aber kräftige Mahl. Daraus wollte sie schnell wieder in ihre Küche hinaus, aber Margot hielt sie freundlich zurück.
„Nichts da, Mutter Jeane: was in der Küche draußen noch zu besorgen ist, das kann die Liese erledigen, Sie bleiben hier und essen mit uns."
Da Bertram und seine Frau ihre Bitten mit denen ihrer Tochter vereinigten, so blieb die wackere Alte, indem sie einmal über das andere, versicherte, daß es ihr eine ganz bes'ondeve Ehre sei, die sie nie wieder vergessen werde. Und ans die Mademoiselle Louison könne sie sich verlassen, das sei ein gutes Mädchen.
„Mademoiselle Louison?" fragte Margot erstaunt. '
„Nun ja, das ist das junge Mädchen, das mit Madame vorhin gekommen ist, und mit dem ich sehr nett in der Küche geplaudert habe."
„Liese?" rief Margot; „aber sie spricht doch weder vlämisch noch französisch?"
„O, sie lernt es sehr bald", rief die Alte mit lebhaften Gestikulationen; „sie ist ein kluges, ein sehr kluges Mädchen, wie es nichk viele .
Klirr, klirr, tönte es da von draußen her in die begeisterten Lobsprüche ans Louison, wie Mutter Jeane Liese umgekauft hatte, hinein. Alle sprangen in die Höhe. „Mein Gott, was richtet die Liese denn da an," rief Margot erschrocken. „Sie ist doch sonst wirklich sehr umsichtig."
Die Alke wollte ein böses Gesicht machen, aber es gelang ihr nicht. „O, ich weiß schon", rief sie, „da ist nicht Mademoiselle Louison dran Schuld, das ist dieser Tunichtgut, dieser Bursch, der Pierre,