Landes Nachrichten.

Atl«rr!7«!g, 2. Dezember.

* Während der Vesperpanse stürzte heute vor­mittag ein Schüler beim oberen Schulhaus von einer Mauer auf den Kopf und blieb zunächst be­sinnungslos liegen. Der Abgestürzte trug eine starke Gehirnerl chütterung davon.

- Ein Erlast der O b e r s ch n l b e h ö r d e n vom IS. November bestimmt über die Feier des 18. Januars lüll: Die 40. Wiederkehr der Erinne­rung an die Kämpfe und Siege von 4870,'< 4 wird in den meisten Schulen schon bisher Aulast gege­ben haben, der großen Ereignisse dieser Jahre zu gedenken. Insbesondere sollte der 18. Januar lOll als der 40. Jahrestag der Annahme der Kaiser- ivürde und der Gründung des Deutschen Reichs nicht vorübergehen, ohne daß in den Volks und Fortbildungsschulen, den höheren Schulen, sowie an Len Gewerbe und Handelsschulen die bedeutungs­vollen Errungenschaften jener großen Zeit in ein- orrrcksvoller Weise der Jugend vergegenwärtigt wer den. Es wird daher mit Ermächtigung des K. Mi nisterinms des Kirchen und Schulwesens für die Volks und höheren Schulen angeordnet, daß an dem genannten Tag gegenüber den Schülern der­jenigen Altersklassen, bei denen hiefür ein Ver ständnis vorausgesetzt werden darf, die nationale. Bedeutung des Tages hervorgehoben und, wo es die Verhältnisse gestatten, eine förmliche Feier mit Erzählungen, Gesängen und' Gedichtsvorträgen der anstaltet wird. In denjenigen Schulen, die eine Feier veranstalten wollen, kann sämtl. Schülern, gen sie zu der Feier zugezvgen werden oder nicht, der ganze Tag schulfrei gegeben werden. In den Gewerbe- und Handelsschulen sowie in den all­gemeinen Fortbildungsschulen sind kleinere auf die .einzelnen Klassen beschrankte Gedächtnisakte wäh­rend der pflichtmäßigcn Unterrichtszeit abzuhalten.

Spielberg, l. Dez. (Korr. Nachdem schon am Sonntag den 4. Sept. der hiesige Kriegerverein zum Andenken an die 40jährige Wiederkehr des Tages von Sedan sich versammelt hatte, wurde am 30. November von abends 7 Uhr ab eine schön ver­laufene Chanipig nyfei er im Gasthaus zum Rößle veranstaltet. Mit dem Choral von Leuthen, der im Kriege von 4870, 7 4 so oft angestimmt wurde, nahm die Feier ihren Anfang. Der Vorstand des Kriegervereins begrüßte hierauf die eingeladenen Gäste Herrn Pfarrer Burger, Herrn Schultheiß Keller, die anwesenden Herren Gemeinderäte sowie die Ve­teranen und Mitglieder des Vereins. Nach dem gemeinsam gesungenen Lied:Brüder reicht die Hand zum Bunde" hielt Herr Pfarrer Bürger: einen Vortrag über die Kämpfe vor 40 Jahren bei der Belagerung von Paris, besonders wurde der Tapferkeit der Württemberger in den Schlachten von Champigny und Villiers gedacht. Der schwe­ren Zeiten gedenkend hat der hiesige Gemrinderat den Veteranen und den Witwen zweier verstorbenen Veteranen je eine Gabe von 5 Mark durch Herrn Gemeindepfleger Hanfetmann überreichen lassen, wo­für auch hier der gebührende Dank ausgesprochen wird. Darauf wurden zwischen kurzen Borträgen patriotische Lieder, z. B.Das achte Regiment" gemeinschaftlich gesungen. Mit verbindlichstem Dank an alle, die zu dieser ernsten aber doch schönen Gedenkfeier beigetragen haben, schloß der Vorstand des Vereins, Hauptlehrer Heckh, die Versamm lung mit dem Wunsche, daß die hiesigen Veteranen, auch an dem Veteranenappell am kommenden Sonn­tag vor Seiner Majestät dem König mit inniger Vaterlandsliebe und Königstreue teilnehmen mögen.

ji, Stuttgart, >. Dez. Unerhörte Geldmacherei nennt derBeobachter" die Absicht, die monatlich -erscheinenden Mitteilungen des K. Statistischen Am­tes nickt mehr als Beilage zumStaatsanzeiger" erscheinen, sondern die württembergischen Blätter darauf um jährlich vierzig Mark abonnieren zu lassen. Das Blatt bemerkt, das Statistische Landes­amt habe einfach die Pflicht, seine Mitteilungen .zu publizieren.

" Stuttgart, l. Dez. Der Geh. Hofrat Dr. vi 'P fe iffer hat anläßlich seines 75. Geburtstages der Dadtgemeinde l 00 000 Mark zu wohltätigen Zwecken überwiesen. Der Betrag soll hauptsächlich zur Heilung und Pflege tuberkulöser Kinder ver­wendet werden. Die. Stadt hat die Stiftung an­genommen.

st Stuttgart, i. Dez. Nach Schluß der Schwur­gerichtssitzung versammelten sich die Geschwore­nen des 4. Quartals zusammen mit Mitgliedern des Gerichts und der Staatsanwaltschaft zu einem Peselligen Beisammensein im Hotel Royal. In ver­schiedenen Ansprachen wurde die Pflichttreue und Ausdauer der Geschworenen, ebenso aber auch das Lehrreiche und Interessante einer solchen Schwurge- wichtsperivde für die Geschworenen selbst anerkannt. Die gegenseitige Aussprache führte auch noch zur Bekanntgabe verschiedener Unklarheiten, über welche die Geschworenen bei verschiedenen Fällen, nament­lich in prozessualer Beziehung nicht wegzukommen

vermochten. Es wurde deshalb allseitig als wün sehenswert bezeichnet, daß die Geschworenen mit den Mitgliedern des Gerichts auch außerhalb des Ge- richtssaats in Berührung kommen, damit in künf­tigen Fällen dem Verständnis der Geschworenen immer mehr entgegengekommen und ihnen ihre schwierige und opfervolle Arbeit erleichtert werden kann.

* Stuttgart, l. Dez. Um die öffentliche Lehr­stell e n v e r mi tt l u n g zu fördern und wirksamer zu gestalten und dabei sowohl auf die Wünsche der Lehrherren als auf die zweckmäßigste Berufswahl für den schulentlassenen Knaben die größtmögliche Rücksicht zu nehmen, haben sich im vorigen Jahr die berufenen Vertreter des Handwerks, der In­dustrie und des Handels für eine Zentralisierung der Vermittlung ausgesprochen. Die Vermittlung soll durch die an das städtische Arbeitsamt ange­schlossene Z e n t r a l st e l l e für gewerbliche und kauf mäunische L e h r ft e l l e n v e r m i t t l u n g der Stadt Stuttgart bewirkt werden. Zur Unterstützung bei der Vermittlung und zur Beratung der Lehrstellcsuchen- den bezw. deren Eltern und Vormünder wurde mit Zustimmung des Gemeinderats ein Beirat gebildet, der sich aus Vertretern der Schulen, der Kgl. Zen tralstelle für Gewerbe und Handel, der Handwerks kannner, der Handelskammer, der Gewerbevereine, des Handelsvereins, der Vereine für Jugendfürsorge und des Arbeitsamts zusammensetzt.

" Stuttgart, 30. Nov. Der Verband der In­haber des Eisernen Kreuzes im Königreich Württemberg brachte heute bei der 40. Wiederkehr des Ehrentags von Villiers Geldunterstützungsn an neun bedürftige Kameraden und sieben Witwen ver storbener Kameraden zur Verteilung. Seine Maj. der König, der selbst Mitglied des Verbandes ist, hatte aucki in diesem Jahr wieder einen namhaften Beitrag gespendet. Dem Eisernen Kreuz-Verband, an dessen Spitze Reichsbankbeamter Witte-Stutt­gart steht, gehören nahezu sämtliche Inhaber des Eisernen Kreuzes an: es sind allerdings nur noch 66, darunter 25 Offiziere.

st Vaihingen a. E., >. Dez. Gestern abend wurde ein Mann namens Wilhelm Gerlach aus Nußdort hinter demSt. Peter" blutüberströmt auf- gefnnden. Wahrscheinlich ist Gerlach auf die hinter dem Denkmal liegenden Steine gestiegen, dabei suchte er sich an der Säule des Denkmals zu hal­ten, wodurch das obere Kreuz herabstürzte und Ger­lach die Hirnschale zerschmetterte, sodaß der Tod alsbald eintrat. Untersuchung ist eingeleitet.

st Backnang, l. Dez. (Konkurs der Ver­einigten Lederwerke, L. Nebinger, Graub- ner und Scholl G. m. b. H... Dem Bericht des Kon­kursverwalters ist zu entnehmen: Die Firma L. Nebinger, ursprünglich eine Rohhäutehandlung in Stuttgart, hat im Jahr 180l eine Gerberei in Back­nang erworben. Im Jahre 1001 wurde die Firma in eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung unter der Firma Lederwerke L. Nebinger umgewandell. Das Stammkapital betrug 508 000 Mark. Es ist aus der Liste der Gesellschafter ohne weiteres ersicht­lich, daß diese Gründung dadurch veranlaßt wurde, daß der bisherige Inhaber, Louis Nebinger, in fi­nanzielle Schwierigkeiten geraten war. Am 13. Dezember 4900 beschloß die Gesellschaft die Er­höhung des Stammkapitals auf 2 000 000 Mark, um die Firma Graubner und Scholl in Unterlie­derbach bei Höchst a. M. mit Aktiven und Passi­ven zu erwerben. Schon wenige Wochen nachher mußten zur Bezahlung der fälligen Verbindlichkei­ten Darlehen ausgenommen und dafür Waren als Licherhe.it übereignet werden. Die Verbindlichkei­ten an den einzelnen Wechseltagen betrugen manch­mal bis zu 480 000 Mark. Da die Gesellschaft ihre kurrantesten Waren festgelegt hatte, jo war ein Wei­terbetrieb auf die Dauer nicht mehr möglich. Vom 1. Juli an wurde kein Wechsel mehr mit eigenen Mitteln der Gesellschaft eingelöst, die Wechsel von Ende Juli an gingen sämtlich in Protest und wur­den eingeklagt. Am l. Nov. wurde das Konkurs­verfahren eröffnet. Die Aktivmasse würde an greif­baren Mitteln ergeben 83 000,80 Mark. Die Masse­kosten und Masseschulden, sowie die bevorrechtigten Forderungen betragen aber ohne Zweifel mehr als dies? Summe, so daß für die unbevorrechtigten Gläu­biger von ca. 4 500 000 Mark eine Dividende über­haupt nickt zu erwarten wäre. Das Ergebnis des Konkurses für die unbevorrechtigten Gläubiger hängt fast ausschließlich von dem Ausgang einer Anzahl Prozesse ab.

st Böckingen, OA. Heilbronn, l. Dez. Ein von Lanffen gebürtiger Schuhmacher, der unlängst von Nordheim hieher zog und hier ein Haus erwarb, wurde gestern durch den Landjäger verhaftet und dem Landgericht eingetiesert. Er soll, laut Nek- karecho, seine Frau mißhandelt haben, auch soll er im Verdacht stehen, an dem Tod seiner in Nordheim verstorbenen Kinder schuldig zu sein.

st Löwenstein, OA. Weinsberg, l. Dez. In der vorigen Woche wurde einem hiesigen Bürger ein Schwein gestohlen. Um es am Schreien zu

verhindern, schnitten die Diebe dem Schweine den Kopf ab und ließen ihn liegen, während sie den Rumpf Mitnahmen. Nun kam Sherlok nach- wensteiu, um die Diebe ausfindig zu machen. Zwei­mal nahm er die Spur auf, bis er zwei Männer ver­bellte, die dann auch vom Landjäger in Haft ge­nommen wurden. Von dem gestohlenen Schwein konnte bis jetzt keine Spur entdeckt werden.

st Ulm, l. Dez. Der Taglvhner G- Weidner versetzte gestern abend in der Breitegasse seiner Ge­liebten, der Kellnerin Rimmele, nach einem Wort­wechsel zwei lebensgefährliche Stiche in die Brust und stellte sich dann selbst der Polizei.

Aus dr« GrrichtsMr«.

st Stuttgart, 4. Dez. (Strafkammer.) Der 53 Jahre alte verheiratete Graveur Karl Neuber von Gmünd hatte sich wegen Diebstahls und der 44 Jahre alte Goldarbeiter Josef Reichenmüller von da wegen Anstiftung zum Diebstahl und gewerbs­mäßiger Hehlerei zu verantworten. Ersterer arbei­tete seit einem Jahr bei dem Silberwarenfabri- kauten Gvttlieb Kurz in Gmünd und hatte bei die­sem eine Vertrauensstellung, dis er dazu benützte, Silber im Gesamtwert von mindestens l400 Mark zu entwenden. Er gab an, dazu von dem Mitange­klagten Reichenmüller angestiftet worden zu sein, der ein eigenes Geschäft gekauft, aber kein Geld hatte. Diesem brachte Neuber das Silber und er­hielt dafür von ihm etwa 130 Mark bares Geld und einige Wechsel im Gesamtwert von etwa 70 Mark. Reichenmüller gab zu, das Silber von Neu­ber erhalten zu haben, bestritt aber, diesen zum Diebstahl angestiftet und in der ersten Zeit gewußt zu haben, daß das Silber von Neuber aus dem Kurz'scheu Geschäft entwendet worden sei. Das Ge­richt erachtete nicht für erwiesen, daß Neuber von Reichenmüller zum Diebstahl angestiftet wurde und verurteilte Neuber wegen Diebstahls zu sieben Mo­naten Gefängnis und Reichenmüller wegen gewerbs­mäßiger Hehlerei zu einem Jahr Zuchthaus. Bei­den Angeklagten wurden je sieben Wochen der er­littenen Untersuchungshaft auf ihre Strafen unge­rechnet.

st Heilbronn, l. Dez. i Strafkammer.) Wegen Vergehens gegen das Postgesetz stand der Prokurist Anton Friedrich Dreher von der Firma Emil Seelig A.-G. hier und der Kaufmann Eugen Hermann Buck aus Blaubeuren vor Gericht. Dreher hatte dem Buck 050 verschlossene Briefe mit Kaffee­proben im Gewicht von je 35 40 Gramm als Bahn-

fracbt zugesandt, die dieser dann durch einen Pri­vatboten austragen ließ. Ein Steuerwächter be­anstandete dieses Verfahren, da es gegen 'das Post­gesetz verstoße. Die Briefe hätten zur Post gege­ben und mit je 20 Pfg. pro Stück frankiert wer­den müssen. Das Gericht verurteilte in der Tat den Prokuristen Dreher zur Strafe des vierfachen Betrags der ersparten Portosumme., insgesamt 760 Mark, Buck wegen Beihilfe zu 400 Mark und beide zusammen zu den Kosten des Verfahrens. Die Firma Emil Seelig will diese Sache, die noch strittig ist, alle Instanzen durchlaufen lassen, um eine prinzi­pielle Entsckreidung zu bekommen.

Aus dem Reiche.

st Pforzheim, !. Dez. Der Arbeitgeberverband der Bijouteriebranche hat gestern abend in einer fast vollzählig besuchten VeH'ammlung einstimmig die Stillegung der Fabriken bis zum 2. Januar beschlossen. Die Arbeitswilligen erhalten Unter­stützung.

st Berlin, 4. Dez. Der preußische Gesandte in Hamburg, Graf Götzen, ist heute abend gestorben.

st Berlin, l. Dez. Die Stadtverordnetenver­sammlung von Berlin hat den Plan des Magistrats, eine vom Belleälliance-Platz nach der Seestraße führende städtische Nord-Süd-Untergrundbahn zu bauen, einstimmig gutgeheißen.

st Cottbus, 1. Dez. Heute früh klingelte in einem Hause der Sonnenwalderstraße in Finster­walde bei einer Frau Wägner ein unbekannter Mann. Als ihm geöffnet wurde, versuchte er die Frau zu würgen und zog einen Revolver hervor, wurde aber durch Geräusch im Hause verscheucht, floh nach dem Bahnhof und bestieg einen Zug nach Cottbus. Hier wurde er bei seiner Ankunft ver-, haftet und dem Gerichtsgefängnis zugeführt. Der Verhaftete ist der aus Biberach stammende Koch Rudolf Betz)

Ein Eisenbahnunglück.

st München, l. Dez. (Amtlich.! Heute nach­mittag gegen 3 Uhr fuhr der Personenzug 314 von Meiningen nach Schlveinfurt auf den vor dem Einfahrtssignal der Station Ebenhausen in Unter­franken haltenden Güterzug 1 7 029. Von dem Per­sonenzug 314 wurden der Postschaffner schwer, 13 Reisende leicht verletzt.