Gegründet 1877.
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Tagespolitik.
Der Bundes rat des deutschen Reiches ist vor eine folgenschwere Entscheidung gestellt. Die Regierung des zweitgrößten deutschen Bundesstaates wünscht die Gestattung der Viehein fuhr aus Frankreich und Däne mark. Entspricht der Bundesrat dem Anträge Bayerns, so kann er später folgenden Gesuchen anderer deutscher Regierungen auch nicht mehr seine Genehmigung verweigern'.' Bisher beziehen Baden und Elsaß-Lothringen Vieh ans Frankreich.
Der Prozest wegen der Unruhen in Moabit, der nach dem Vorbilde französischer und englischer Rechtspflege den Ausschreitungen auf dem Fuße hätte folgen müssen, solange die Erinnerungen noch frisch waren, ist bis heutigen Tags nickt in Gang zu bringen gewesen, denn die Verteidiger erheben Einwand auf Einwand.
Die Flotte n r ü st u n g betreibt Frankrei eb, seinem englischen Freunde gleich, mit Feuereifer. Die beiden im neuen Jahre fertig zu stellenden Li menschiffe nach dem englisch-amerikanischen Dreadnought-Typ bleiben nicht weit hinter den Riesen-Di- mensionen des geplanten englischen Ueber-Schiffes zurück. In Frankreich gibt es Generale wie Admirale, welche die Weltlage immer für bedroht halten; einigen von ihnen erscheint gegenwärtig die Kriegsgefahr so groß, daß sie für Frankreich eine mächtige Hochseeflotte und für England ein starkes Landheer fordern. Woher die Leute nur die viele Angst bekommen mögen'?
Mittwsch, s»« 16. November.
Amtsblatt für Pfaltgrafenweiler.
LanSesnachrrchten.
Att-rrtt-lZ, 16. November.
^ An dieser Stelle ist schon, anläßlich der Beendigung der diesjährigen ertragsreichen Heidelbeer- ernte, über den umfangreichen Heidelbeerversand' berichtet worden und dürfte es von Interesse sein, nunmehr auch zu einer Feststellung über den heurigen Ovstversand zu gelangen. In der Zeit vom 1. Oktober bis 10. November d. Js. kamen auf dem hiesigen Bahnhof 186 110 Kilogramm Obst (Most- und Tafelobst) znm Versand. Hievon wurden verfrachtet 129 250 Kilogramm in 14 Waggonladungen. 56 860 Kilogramm in Einzelstücksendungen. Rechnen wir einen Durchschnittspreis von nur 7 Mark pro Doppelzentner, so ergibt is'ich allein aus dem mit der Eisenbahn versandten Obstquantum ein Erlös von über >3 000 Mark. Weniger erfreulich ist der Ertrag der Henrigen Kartoffelernte. Daß mit diesem Ernteertrag der Bedarf an Kartoffeln für die hiesige Gegend auch nicht annähernd gedeckt werden konnte, mag die Tatsache beweisen, daß bis jetzt schon 13 Eis enb a h nwa g g on Kartoffeln mit ca. 150 000 Kilogramm hier eingeführt wurden. Weitere Sendungen sollen noch be- vorstehen.
Freudenstadt, 15. Nov. Gestern ist der in den 30er Jahren stehende Steinbrecher Friedr. Laistner im städt. Steinbruch verunglückt. Ev war init Stein- brechen beschäftigt, als sich über ihm ein Stein löste und ihm auf den Kopf fiel. Es wurde ihm die Schädeldecke gespalten: die Verletzung ist eine sehr schwere. Gr.
l! Teinach, OA. Calw, 15. Nvo. Einige. Italiener machten nächtlichen Lärm und widersetzten sich dem ruhegebieienden Schutzmann. Dabei zog einer der Burschen unbemerkt den Revolver und schoß nach dem Schutzmann, dem die Kugel an der Brust vorbeiging. Schließlich wurde der Täter mit Hilfe von Zivilpersonen verhaftet.
!f Lrebenzell, OA. Calw, 15. Nov. Eine lustige Fahrt machten letzten Sonntag 3 hiesige Herren. Sie bemühten sich in dem Dorf Maisenbach energisch um den Absatz von Spirituosen. AlZ ihnen dies vollauf gelungen war, fanden sie es für ratsam, den Heimweg nicht auf Schusters Rappen zu machen, sondern mit einem Bauern um 5 Mark
die Heimfahrt zu akkordieren. Leider hatten sie vergessen, die Bespannung sestzusetzen, und so rückte denn der Bauer in Ermangelung von Chaise und edlen Rossen mit einem Leiterwagen und 2 Ochsen an. Langsam aber sicher ging es so selbsechst nach Hanse.
j s Tübingen, l5. Nov. Ein F leis ch abs ch la g ist hier eingetreten bei Ochsen- und Rindfleisch um je vier Pfennig sür^das Pfund.
st Stuttgart, 15. Nov. Gestern abend 7 Uhr entgleisten in Rufringen beim Einstellen von Wagen in den Güterzug 7078 zwei leere Latrinen- wagen. Das Hauptgleis war vier Stunden lang gesperrt, so daß an der Unfallstelle umgestiegen' und der Zug D 37 Mailand-Stuttgart-Berlin über Plochingen umgeleitet werden mußte. Verletzt wurde niemand.
st Stuttgart, 15. Nov. Direktor v. Strebet hat von der deutschen Studentenschaft der landwirtschaftlichen Hochschule in Hohenheim eine herzliche Bertrauenskundgebung erhalten in Gestalt einer Adresse, worin aufgeführt wird, daß die Vertreter der überwiegenden Mehrheit der deutschen Studentenschaft Protest gegen die Verunglimpfungen Strebels einlegen und in ihm nicht nur den alten, erfahrenen Lehrer, sondern noch mehr den väterlich sorgenden Freund der Studenten verehren. Die Studentenschaft ist überzeugt, daß Strebet sich bei seinem Vorgehen nicht von politischen Beweggründen, sondern nur von der Liebe zu seinen Lchülern und von der Fürsorge für die Hochschule leiten tießj.
j! Stuttgart, 15. Nov. Bei der heutigen Ziehung der Geldlotterie zu Gunsten des Krankenhauses in Lauchheim fiel der Hauptgewinn von 15 000 Mark auf Nr. 35 857, der zweite Gewinn von 5000 Mark auf 20 184, der dritte Gewinn von 2000 Mß. auf Nr. 57 474. Je 1000 Mark sielen auf Nr.. 74 347, 65 114, je 500 Mark auf Nr. 35 788,, 36 676 (ohne Gewähr.'
!! Cannstatt, 15. Nov. An der Neckarfähre in Hofen ist ein 5 Jahre alter Knabe, des Straßenwärters Geiger von dort ins Wasser gefallen und erkennte n.
!! Eßlingen, 15. Novbr. Hier wird die Anfrage lebhaft besprochen, die das Bürgeransschuß- mitglied Lang in der letzten Sitzung der Bürgerlichen
Freunde in der Not Gehn zehne aus ein Lot;
Und sollen sie behilflich sein, Gehn zehne auf ein Quentelein.
Der Franzose.
Erzählung aus der neuesten Zeit von M. Reinhold.
(Fortsetzung.) Nachdruck verboten.
Ein lautes Getümmel erhob sich unter den einfachen Leuten von Klein-Friedingen. „Kümmere Dich um Deine eigenen Geschichten, damit hast Du genug und übergenug zu tun." — „Stecke Deine Nase nicht in fremde Dinge!" So und anders klang es aus der Runde wider. Auch ein derber Vorschlag kam zu Tage: „Werft den Kerl auf die Straße!" Aber man war doch gutmütig, vom „Roten Adolf" mancherlei gewöhnt, worauf man kaum achtete, und so dachten die meisten: »Red' Du und der Teufel. Treib's noch ein bischen ärger, so bekommst Du vom Karl Wuddicke handgreiflich zu merken, daß sich kein Klein-Friedinger mehr, als nnbedingt nötig ist, gefallen läßt."
Auch Karl Wuddicke war der Ansicht; er hatte seine Rechte gewichtig auf den Tisch gesetzt, gerade hier vor dem aufdringlichen Menschen und nur gesagt: „Du!" Das hatte der lockere Patron verstanden, er verhielt sich seitdem still. Von all' dem vielen Alkohol, der in den Jahren in feine Kehle geträufelt war, hatte er bis zum gewissen Sinne die Herrschaft über sich selbst verloren, und jetzt nach der Kra- kehlerei schien er zu schlafen. Da störte ihn der Ruf eines Gastes, der ohne jede höhnische Beimischung laut ries: „Karl Wuddicke, Dein Wohl, sollst leben, viele lange Jahre noch!"
Da sprang der „Rote Adolf" auf und schrie: „Jawohl, viele lange Jahre noch, wenn der Franzose, den er heute so uett heruntergeputzt hat, längst verfault ist. Hoch, Karl Wuddicke, hoch der Franzosentöter, hoch!" Damit fiel er auf seinen Schemel zurück. *
Wuddicke jun. erhob sich in seiner ruhigen, bedächtigen Weise, jetzt wieder ganz der alte, der mehr auf den Willen seiner Frau zu achten pflegte, wie auf seine eigenen Gedanken, und sagte ganz trocken: „Hör' mal, laß die Redereien. Zum ersten weiß keiner, ob der Franzose maustot ist oder ob er das wird, und zum zweiten könnte wieder einer sagen, was gebt Dich „Roter Adolf", diese ganze Geschichte an? Also jetzt ernstlich, reden wir von der ganzen Geschichte keinen Ton mehr."
Auf diese letzten Worte hatte der Trunkene aber schon ganz und gar nicht mehr gehört. „Was, es soll keiner wissen, ob der Kerl maustot ist!? Nach solchem Treffer, wie er bekommen hat, da ist er hin und sagt keinen Ton mehr. Das weiß ich!"
„Na, da weißt Düs falsch," sagte einer aus der Runde; „der alte Sanitätsrat aus Friedingen hat ihn in der Behandlung, und der meint, es wird noch mal wieder was mit ihm werden. Das hat Frau Rose meiner Alten über'n Zaun zugerufen. Und warum soll ein tüchtiger Kerl, der weit in der Welt herumgekommen ist und sich den Wind ordentlich um die Nase hat wehen taffen, nicht wieder gesund werden? Ha, warum soll er das nicht. Jetzt steh' mal Red' und Antwort."
Adolf hatte Mühe, ein würgendes Schlucken, das ihm mit einem Male in die Kehle geraten war, zu überwinden. „Warum nicht? Weil die Herren vom Gericht unseren Karl Wuddicke einlochen werden, wenn der Franzose am Leben bleibt und gegen den Karl aussagen kann. O Du, Du, ich hätte besser getroffen!"
Jetzt war aber doch die Geduld des jungen Wuddicke vorüber. Wieder sprang er auf, lief auf den „Roten Adolf" zu, hielt ihm seine Faust unter die Nase und rief: „Noch ein Wort so weiter, Du Schuft, und ich sag's Dir auf den Leib zu, daß Du es warst, der auf den Franzosen geschossen hat. Wenn einer einen so reinlegen will, wie Düs mit mir tust, dann hat er selber kein reines Gewissen, sondern stand hinter der Tür, bei der er einen andern wähnte. Du mich nämlich, verstanden? Aber um Deinetwillen laß ich mich noch lange nicht ins Gefängnis hinaustransportieren, das kannst Du Dir merken."
„Bravo, Karl", lärmte es von allen Seiten, „bravo, auf Dein Wohl."
Mit verkniffenen Augen schaute Adolf rechts und links, er wußte wohl, daß für ihn hier keine Lorbeeren mehr zu pflücken waren, daß er alle ohne Ausnahme gegen sich hatte, daß sie diesem Karl, der in seinen Augen ein Einfaltspinsel war, doch mehr glaubten wie ihm, dem geriebenen Gesellen.
„Ich schrei auch Bravo mit", sagte er deshalb mit höhnischem Lachen, „aber weshalb, Hab' ich vorhin gesagt. Und mein Bravo bedeutet was anderes, wie Eures. Wenn's zum Gerichts-Termin kommt, dann kann ich den Mund halten, und das nützt dem Karl mehr, wie Euer Reden. Das tu ich blos aus Freundschaft."
„Werft den Kerl auf die Straße", hieß es jetzt von allen Seiten, und genug waren da, aus dem guten Willen eine ganze Tat zu machen. Doch der Adolf ließ sich für diesmal nicht beirren, er faßte in seine Westentasche und zog ein Stückchen Papier hervor, aus dem er einen Knopf herauswickelte.
„Seht, den habe ich an der Stelle gefunden, von wo auf den Franzosen geschossen sein muß. Ich Hab' davon kein Wörtlein gesagt, werde es auch künftig nicht tun, lieber beiß' ich mir die Zunge ab, und von all' den guten Freunden