Gegründet

1877.

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Unparteiische Lageszettung und Anzeigeblatt, verbreitet in den Oberamtsbszirken Nagold, Keudenstadt, Calw u. Neuenbürg

warzwälder Sonnlagsblatt.

»k. 866 .

Verlag u. Druck der W. Rieker'schen Buchdruckerei (L. Laut), Allensieig.

Samstag, de« 12. Novemdes

DasSchwarzwälder Sonntagsblatt" ist durch die Post separat zu beziehen.

1916.

Wochen-Nundschau.

Beamte und Politik.

In, Württemberg hat es in dieser Berichts­woche eine politische Sensation gegeben, die wahr­scheinlich noch lange die Oeffentlichkeit beschäftigen wird. Es handelt sich dabei um die politische Tä­tigkeit der Beamten, eine Frage, die in der letzten Zeit auch anderwärts, namentlich in unserem Nach­barlande Baden, akut geworden ist, vor der man aber in Württemberg nachgerade sicher zu sein schien. Nun erschien aber eine parteivffiziöse Notiz über eine Vorstandssitzung der nationalliberalen Partei in Stuttgart, worin eine Aktion in Aussicht ge stellt wurde, weil Beamte von ihrer Vorgesetzten Behörde veranlaßt worden sein sollen, ihre poli tische Tätigkeit aufzugeben. Es war wohl ein Feh­ler, in dieser Weise an die Oefsentlichkeit zu tre- ier, ohne zugleich mit dem Material aufzuwarten; indessen ist zuzngeben, daß das letzte seine Beden­ken und Schwierigkeiten haben mag. Sei dem in­dessen, wie ihm wolle: man war zunächst eben mehr oder weniger aus Vermutungen angewiesen. Vor allem gingen diese auf die Person des Prof. Kindcr- wann in Hohenheim, und es hac sieb sehr bald ge­zeigt, daß man dabei auf dem richtigen Wege war. Aber dieser Fall ist nicht der einzige: schon ist der Name, des Amtmanns Bazille in Stuttgart ge nannt worden, und anscheinend ist das noch nicht alles Material, was vorliegt. Dieses ist indessen, um es zu wiederholen, bisher von der national- liberalen Parteileitung noch nicht veröffentlicht wor­den. Am lT Nov. tritt in Stuttgart der Lan- desansschnß der Nationalliberalen zusammen und dabei wird jedenfalls, über die weitere Behandlung der Angelegenheit Beschluß gefaßt werden. Die Re­gierung hat zunächst durch den Staatsanzeiger ein Eingehen ans die Sache abgelehnt, so lange nicht bestimmt Fälle namhaft gemacht werden. Im Falle des Prof. Kindermann wurde indessen gleichzeitig mitgeteilt, daß, wie dem Kultministerinm.nachträg­lich zur Kenntnis gekommen sei, der Direkto.r der Landwirtschaftlichen Hochschule mit Kindermann Rücksprache" genommen habe, inwieweit die von ihm geübte außeramtliche Tätigkeit mit den Pflich­ten seines Amtes und den Interessen der Hochschule vereinbar sei. Dagegen werde, wie der Staatsan­zeiger hinznsetzte, ein begründeter Einwand nicht zu erheben sein. Das Kultministerium hat sich also bcc-ilt, den Direktor der Hochschule in Hohenheim zu decken, und das war, wie sich herausstell!, ein Fehler, da der Fall eben dock nicht so einfach liegt, wie das Kultministerinm anscheinend auf Grund unvollständiger Informationen es darstellt. In Wirtlichkeit hat nämlich Direktor v. Strebet keines­wegs mit dem Pros. Kindermann Rücksprache ge twmmen, sondern an diesen einen Brief geschrie ben, von dem Pros. Kindermann angenommen hat, daß er nicht nur eine amtliche Aenßernng der Di­rektion der Hochschule sei, sondern auch nicht ohne Kenntnis der Regierung ergangen sei, daß cs sich also um ein offizielles Vorgehen gegen seine vo lilische Tätigkeit handle. Eine Folge dieses Vor twhcns ist schon dadurch zu Tage getreten, daß Pros. Kindermann ans die Kandidatur im ersten Pcichstagswahlkreise, die er schon angenommen hacke, verzichtete. Nun erhebt sich vvn selbst die Frage, wie denn die politische Tätigkeit Kinder- nianns beschaffen war. Er gehört der nativnallibe- ralen Partei an, auf deren linkein Flügel er steht.

seinem Politischen Auftreten hat er den schwarz blauen Block entschieden bekämpft und ein Zusam -"'"«geben aller. Liberalen, unter Umständen sogar

ein Zusammengehen mit der Sozialdemokratie zur Ueberwindung des jetzigen Regimes befürwortet. Er ist ferner für den Hansabund und für den deut­schen Bauernbund eingetreten. Alles das aber in sachlicher Form. Mit seiner Lehrtätigkeit steht das indessen in keinem Zusammenhang. Wenigstens hat inan auch von seinen Gegnern noch nie Klage darüber gehört, daß er auf dem Katheder sich von seinen politischen Anschauungen hätte von der Wissen­schaftlichkeit abbringen lassen. Vom B. d. L.'ist nun allerdings Prof. Kindermann seit geraumer Zeit schon scharf befehdet worden. Letzthin erschien in der Stuttgarter Deutschen Reichspost ein Artikel, worin Prof. Kindermann als eine Gefahr für Hohen­heim bezeichnet und der Regierung unverblümt ein Vorgehen gegen Kindermann nahegelegt wurde. Da­durch scheint sich nun Direktor v. Strebet zu sei­nem -Schritte veranlaßt gefühlt haben. Man weiß nicht recht, hat er ihn getan im vollen Bewußtsein der Tragweite eines Eingriffs in die politische Be­tätigung eines Hochschullehrers, eines Beamten, oder hat er ihn getan, weil er tatsächlich in Sorge war, es könnte der Hochschule in Hohenheim ein Scha­den erwachsen, oder ist es nur eine Schwäche ge­wesen. In jedem Falle ist es eine böse Sache, die dein Direktor v. Strebe! wie der Regierung noch ernste Ungelegenheiten machen wird. Das gilt in ähnlicher Weise auch vvn dem Falle Bazille. Amt­mann Bazille war bisher bei der Stuttgarter Stadt- dircktion und hat sich eifrig politisch in der national­liberalen Partei und als Korrespondent der Süddeut­schen Korrespondenz betätigt. Er ist dabei wieder­holt in heftige Fehde mit der Stuttgarter Stadt­verwaltung n. dem Oberbürgermeister v. Gauß gera­ten, die sich infolgedessen veranlaßt sahen, über das Auftreten Bazilles bei dessen Vorgesetzter Behörde Beschwerde zu führen. Da Bazille eben der Ver­treter des Vorstands der Stadtüirektion war und jo cn die Lage kam, gegenüber der Stadt Stuttgart die Aufsichtsbehörde zu vertreten, so ergaben sich ans den öffentlichen Auseinandersetzungen Bazil­les mit der Stuttgarter Stadtverwaltung immerhin etwas heikle Lagen. Nun ist Amtmann Bazille zur Zentralstelle für Handel'und Gewerbe versetzt wor­den, und der Vorstand, Staatsrat v. Mosthaf, hat ihn ersucht, seine politische Tätigkeit künftig einznstellen. Zuerst ist das von dein konservativen und bauern- bündleriscken Organ in Stuttgart berichtet wor­den, zugleich mit der Behauptung, daß, Bazille eben ein Opfer volksparteilicher Machenschaft sei. Allein so liegen die Dinge doch kaum. Alles in allem wird die Regierung nickt umhin können, im Land­tage Rede und Antwort über diese Dinge zu stehen. Tenn so weit darf es in Württemberg nickt oder nicht wieder kommen, daß die Beamten in der Aus­übung ihrer staatsbürgerlichen Rechte zu politischer Betätigung gehindert werden. Im ltebrigen kann man natürlich verschiedener Meinung darüber sein, ob das politische Hervortreten von Beamten er wünsch! ist oder nicht.

Zarenbesnch.

Der Zar hat Ende der letzten Woche in Pots­dam am deutschen Kaiserhofe seinen Besuch gemacht, und es ist dabei sehr glänzend hergegangen, wie es bei solchen Gelegenheiten der Brauch ist. Hier brauchen uns alle die verschiedenen Einzelheiten, die der offiziöse Draht mitgeteilt hat, nicht wer rer zu kümmern. Es genügt, wenn wir uns an das Gesamtergebnis halten, und das ist, wie lebhaft versichert wird, recht erfreulich. Die beiden Herr­scher stehen persönlich in den besten Beziehungen, aber das genügt für die Politik heutzutage nicht

mehr. Darum ist es von Wert, daß zwischen dem neuen russischen Minister des Auswärtigen und dem Reichskanzler v. Bethmann Hollweg und Staats­sekretär o. Kiderlen-Wächrer eingehende Ausspra­chen stattgefunden haben, die zwar, was niemand anders erwartet hat, die politischen Orientierungen, und Gruppierungen nicht verändern, aber doch in den deursch-russischen Beziehungen eine günstigere Position schaffen. Daß in den letzten Jahren Mißverständnisse und ^Schwierigkeiten vorgetommen sind, wird in dpr offiziösen Kundgebung gar nicht verhehlt. Schon deshalb nicht, weit es keinen Zweck hätte. Aber man ist, wie verlautet, üüereingekom- men, künftig sofort bei austauchenden Schwierigkei­ten eine offene Aussprache zu halten, und das kann nur nützlich sein. Auch im Auslande, lurmentlich in Paris und London, rechnet man damit, daß Deutschland und Rußland künftig wieder auf bes­serem Fuße miteinander stehen werden, und das ist etwas, was nicht überall ungemischte Freude erregt. Hie und da freilich ist inan zum Nachdenken dar­über veranlaßt wurden, und das gilt namentlich für England, ob es denn wirklich nicht besser wäre, endlich daraus zu verzichten, den politischen Kurs ständig gegen Deutschland zu richten und ob es nichc auch für England besser wäre, sich mit Deutsch­land ans guten Fuß zu stellen. Das sind aller­dings vorläufig nur -Ltimmnngsmomente und als solche zu bewerten. Uebrigens hat Kaiser Wil­helm, der zur Jagd nach Donaueschingen fährt, dem Zaren und der Zarin in Darmstadt einen Be­such gemacht. Es ist eine Höflichkeit gegen die Zarin, die wegen ihres Gesundheitszustandes nicht mit nach Potsdam kommen konnte.

Die Kronprinzenreise,

Das deutsche Krvnprinzenpaar befindet sich auf. der Asienreise unterwegs nach Ceylon, wo der erste größere Aufenthalt genommen wird. Von dorr wird die Kronprinzessin, während ihr Gemahl die Reise nach Ostasien sortsetzt, die Heimfahrt antreten. Die Einschiffung des Krvnprinzenpaares in Genna auf dem Lloyddampfer Prinz Ludwig war, obgleich die Herrschaften inkognito als Gras und Gräfin von Ravensberg reisen, eine Sache, die viel Schau­lustige anzog und freundliche Kundgebungen aus­löste. Ueberhanpt erregt die Reise große Auf­merksamkeit, und im Ausland will man ihr hie und da politische Bedeutung zumessen, was natürlich unrichtig ist. Das schließt ja nicht aus, daß auch unter dem politischen Gesichtspunkte die Reise ein gewisses Interesse besitzt. Von Wert ist sie vor allem für den Kronprinzen selbst, und man möchte wün­schen, daß in dieser Beziehung die darauf gesetzten Erwartungen in Erfüllung gehen.

Ein neues Kabinett Briand.

In Frankreich sind in diesen Tagen bemerkens­werte Dinge vor sich gegangen. Da gab es alsbald nach dem Zusammentritt des Parlaments lange und heftige Auseinandersetzungen über den Eisenbahner- streit, die das Kabinett Briand zeitweise in ernste Gefahr brachten. Schließlich aber erlangte der Mi­nisterpräsident ein Vertrauensvotum, und das be­nützte dieser, um seine Negierung auf eine neue Grundlage zu stellen. Da sich nämlich im Mini­sterium über die zu ergreifenden Maßregeln gegen die Wiederholung solcher Lahmlegung des öffent­lichen Dienstes Meinungsverschiedenheiten gezeigt hatten, führte der Kabinettschef Briand den Riick- tritt des gesamten Kabinetts herbei, um auf diese Weise eine starke Veränderung vorzunehmen. Po­litisch ist das neue Ministerium durchaus radikal