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1877.

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Unparteiische Tageszeitung und Anzeigeblatt, verbreitet in den Mberamtsbezirken Nagold, Aeudenstadt, Lalw u. Neuenbürg.

«r S47.

Verlag u. Druck der W. Rteker'schen Buchdruckerei (L. Lank), Altensteig.

Freitag, de« St. Oktober.

Amtsblatt sSr Psalzgrefemvkilek.

LSW.

ss Tuttlingen, 20. Okt. Wie früher berichtet, verunglückte nach Schluß der bad. Kvrpsmannöver

Tagespolitik

Bei den Kommissionsberatnugen über die Reichst) erst cherungsordttung ist eine Be­stimmung der Vorlage zur Annahme gelangt, durch welche die Versicherungsanstalten und Bsrufsgenos- senschaften verpflichtet werden, mindestens ein Viertel ihres Vermögens in An leihen des Reiches oder der Bundesstaa­ten anzulegen. Bei dieser Verpflichtung han­delt es sich um eine finanzpolitische Maßregel.

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Den geringen Wert internationaler Ver tr.äge zwischen Großmächten zum Schutze der Selbständigkeit lebensfchwacher Staaten haben Ma­rokko/Korea und die Mandschurei in jüngster Zeit genugsam erfahren; jetzt soll Persien die Süßig­keit des internationalen Schutzes zu schmecken be­kommen. Es ist von Interesse, dem Gange der Dinge einmal im einzelnen nachzugehen. Infolge der Wirren im Innern Persiens verhängten Ruß­land wie England ihren unverlangten schütz über das Reich des Schah mit der Erklärung, daß sie nicht daran dächten, auch nur einen Fuß breit Lan­des sich anzneignen. Rußland hielt es von vorn ­herein für notwendig, militärischen Sclmtz zu lei­sten, und postierte in dem ihm benachbarten nörd liehen Persien Truppen. England ließ Rußland nicht nur stillschweigend gewähren, sondern will jetzt be­kanntlich gleichfalls Truppen nach Persien entsen­den. Dem persischen Reiche ist die Aufteilung durch Rußland und England in kultureller Beziehung zwei­fellos heilsam; das ändert aber nichts an der Tat­sache, daß England sich s elber erlaubt, was es an­dern Mächten, und speziell Deutschland, als ein Verbrechen gegen das Völkerrecht auslegen würde. Es wird daher nützlich sein, sich das englische Vor­gehen in Persien für etwaige Zuknnftsfälle etwas genauer zu merken.

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Dem Potsdamer Zarenbesuch in den ersten Novembertagen mißt man an leitenden Petersbur ger Stellen jetzt hohe, politische Bedeutung bei. Man spricht von der beabsichtigten Revision der aus­wärtigen Politik Rußlands und behauptet, daß spe­ziell die russisch-deutschen Beziehungen noch intimer gestaltet werden sollten, als sie zur Zeit sind. Dem Zarenbesnch wird der russische Ministerpräsident Stolypin beiwohnen; dieser Umstand beweist, wie die. Petersburger Blätter glauben, daß es sich in Potsdam nicht nur um einen Höslichkeitsakt, son­dern gleichzeitig auch um eine hochbedeutsame po­litische Aussprache handelt, die besonders für un­sere kleinasiatischen Bahninteressen wertvoll sein könnte.

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Die neue portugiesische Regierung, die anerkennenswerte Ordnung im Lande zu halten ver­steht, wird von den Mächten anerkannt werden, nur muß zuvor ihre Anerkennung durch das Landes- Parlament erfolgt sein. Als erster Gesandter hat derjenige des deutschen Reiches, von Bodmann, nach der Umwälzung die Amtsgeschäfte in Lissabon wie der ausgenommen. Ihm folgte der spanische. Die spanische Regierung wünscht und hofft jedoch, daß die. verbannte portugiesische Königsfamilie niemals nach Spanien kommt, sondern dauernd in Eng­land bleibt. England ist ans Rücksichtnahme auf die königliche Familie, der es ein Asyl gewährt, noch nicht mit einer bestimmten Erklärung hervorgetre ten; seine Anerkennung der neuen Verhältnisse steht jedoch außer Frage.

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Portugiesische Jesuiten haben in den letzten Wochen Zuflucht in deutschen Klöstern ge­sunden. Mit Rücksicht auf diese Tatsache wird darauf hingewiesen, daß von 1866 bis l 906 die Zahl der

Ordensniederlassungen im Deutschen Reick von 996 auf 5211, der Ordenspersonen von 9736 auf rund 60 006 gestiegen ist.

Landesnachrichten.

Attenkeiz, 31. Oktober.

* Heute tritt der in weiten Kreisen bekannte Kameralamtsdiener Mee.h hier in den wohlver­dienten Ruhestand. Als Anerkennung seiner lang­jährigen und treuen Dienste wurde er durch Kgl. Entschließung vom l l. ds. Mts. mit der goldenen Verdienstmedaille des Friedrichsordens ausgezeich­net. Meeh hat die Feldzüge von 1666 und 1870, 71 mitgemachl und 8- Jahre in der Stenerwache ge­dient; 1877 hat er seinen Altensteiger Posten, den er stets pflichtgetren und zur allgemeinen Zufrie­denheit bekleidete, übernommen. Möge dem nun mehr mit der goldenen und silbernen Verdienstme­daille, den Kriegsdenkmünzen von 1866 und 1870 71, der Landwehrdienstauszeichnung, sowie der Centenarmedaille dekorierten Pensionär noch ein langer und schöner Ruhestand in »niern Mauern vergönnt sein.

* Der gestern zur Veröffentlichung gekommene Stundenplan der Gewerbeschule Altensticig bringt für die hiesigen Gewerbetreibenden eine keines­wegs angenehme Neuerung. Nach dein genannten Stundenplan für das Winterhalbjahr 1910/11 ist der Unterricht für die Gew er beschäl er in die Zeit von halb 5 bis halb 8 Uhr abends verlegt, also znm Teil in di? Arbeitszeit. Wie wir erfahren, ist die Festsetzung der Unterrichtszeit von halb 5 bis halb 8 Uhr als Uebergangsstadinm zum gesetzlichen Tages- und Jahresunterricht anzusehen, der in den meisten Städten schon besteht. Die Stadt Alten­steig ist von der Durchführung der Neuordnung der Gewerbeschnlverhällnisie. soweit es sich uw be­sondere Schulz im in er und einen anznstellenden Gewerbelehrer handelt, bis znm Frühjahr 1913 dispensiert. Der Grund zur Festsetzung der Unterrichtszeit auf die bezeiclmeten Stunden be­steht darin, daß die Schüler so eine größere Frische, als nach der Tagesarbeit haben und somit ein größerer Erfolg des Unterrichts erzielt wird

bezw. werden soll. Auch soll den Flegeleien der nach 9 Uhr aus der Schule entlassenen Schüler vor- gebeugl werden. Mit der Verlegung des Unterrichts ans nur zwei Abende gegenüber der früheren 3- 4 sollen die Meister geschont werden. Die Ver legung des Unterrichts mag mancbe Vorteile ha­ben, aber ans der anderen Seite sind auch die wesentlichen Nachteile nicht zu unterschätzen, welche den Gewerbetreibenden, besonders aber den kleinen Meistern, durch die Neuregelung entstehen. Wir sind der Ansicht, daß- man damit ebenfalls bis 1913 hätte warten können.

* Freudenstadt, 25. Okt. Die bürgert. Kol­legien beschlossen, lt. Gr., in ihrer heutigen Sit­zung mit großer Stimmenmehrheit, den neuen Friedhof an die Musbacherstraße zu verlegen.

st Tübingen, 20. Okt. Die Mänseplage ist auch ans hiesiger Markung so groß, daß man ge schlossen mit Mäusetyphnsbazillns Vorgehen will. Das Stadtpolizeiamt vergibt das Mittet, mit dem man recht gute Erfahrungen gemacht hat, zum Selbstkostenpreis.

1! Rottwcil, 20. Oktbr. -Gasvergiftung.) Heute früh acht Uhr wurde die 65 Jahre alte' Witwe des Pulverarbeiters Joh. Merz in ihrem Hause tot vor ihrem Bette liegend anfgefnnden. Der Schwiegersohn, Schlosser Rädle, und seine Ehefrau wurden im bewußtlosem Zustande, aber noch lebend angetrosfen. Es ist fraglich, ob sie am Leben er­halten werden können. Die Kinder der Rädler'schen Eheleute, zwei Mädchen, das eine ein Jahr, das andere 6 Wochen alt, wurden verhältnismäßig we­nig betroffen und waren bald wieder munter. Das Unglück entstand durch den Bruch eines Gasrohrs.

bei Neu Hausen der Infanterist Karl Bieß von Schwetzingen. Er wurde alsbald hierher verbracht und weilte, seither im hiesigen Krankenhaus. Gr ist nun wieder soweit hergestellt, daß er in den nächsten Tagen dasselbe wieder verlassen kann. Ein Auge ist verloren, die Nase übel zugerichtet. Wäre es nicht ein Streifschuß gewesen, so hätte der junge Mann wahrscheinlich sein Leben lassen müs­sen. Das Unglück soll ein Kamerad verursacht ha­ben, der unvorsichtigerweise eine noch im Gewehre befindliche Platzpatrone zur Entladung brachte.

Der 17 Jahre alte Fabrikarbeiter Heuberger, der sich aus Eifersucht am letzten Sonntag abend beim Hühnerhof eine Kugel in den Kopf schoß, ist heute nacht seinen Verletzungen im .Bezirkskranken­hause erlegen.

st Stuttgart, 20. Okt. Die Nachweisung der Rechnungsergebnisse des Staatshaus­halts für das Rechnungsjahr 1908 (1. April 1908 bis 31. März 1909) ist heute im Druck erschienen. Die Gesamteinnahmen weisen gegenüber dem Etat­satz ein Mehr von 488,548 Mark 96 Pfennig auf, die Ausgaben ein Mehr von 758 384 Mark 09 Pfg. Das Gesamtergebnis der laufenden Verwaltung für 1908 berechnet sich somit gegenüber dem Etat ungünstiger um 269 835 Mark 13 Pfg. Da aber der Etat mit einem Ueberschuß von 237 751 Mt. abgeschlossen hatte, so ergab sich nur ein Fehlbe­trag von 32 084 Mart l.3 Pfg., der durch einen Zuschuß aus der Restvermaltung gedeckt wurde. Von den Etatüberschreitungen sind bei den Ausgaben der laufenden Verwaltung folgende hervorzuheben: Staatsschuld Plus 313 l 15,44, Pensionen Plus ,05 886, Departement der Justiz 470 585, Depar­tement des Innern 31 l 259, Departement des Kir­chen und Schulwesens 259 973, ständische Kasse l 27 288, Aufwand an Postporto 106 464 Mark. We­niger ansgegeben wurde gegenüber dem Etat u. a.- für Unterstützung 89 405, und für die Leistungen an das Densiche Reich 879 274 Mart. Was die (An­nahmen anlangt, so zeigt der Ertrag des Kammer- gnts gegenüber dem Etatsatz eine Mehreinnahme von 625 351 Mark 89 Pfg.; sie ist hauptsächlich ans den Mehrertrag der Forsten zurückzusühren, der allein 569 064 Mark 30 Pfg. beträgt. Die Berkehrsanstalten haben eine Mehreinnahme von 65 501 Mark 67 Pfg. ergeben, und zwar stammt diese Mehreinnahme von der Post- und Telegraphen­verwaltung. Die Ablieferung ans dem Ertrag der Staatseisenbahnen betrug, statt wie im Etat vor­gesehen 18 380 000 Mark nur 16 430 597 Mark 10 Pfennig, sodaß aus dem Eisenbahnreservefonds 1 949 402 Mark 9>> Pfg. zugeschvssen werden muß­ten. Sehr günstig ist das Ergebnis der direkten Steuer: hier zeigt sich eine Mehreinnahme von 1 275 310 Mark 61 Pfg., hievon entfallen l 059 188 Mark allein auf die Einkommensteuer, dagegen ist der Ertrag der indirekten Steuern hinter dem Etat­satz um 1 320 881 Mark zurückgeblieben. Der größte Teil hievon entfällt ans die Wirtschaftsabgaben, die ein Minus von l 163 71 1 Mark 70 Pfg. aufweisen. Am Schluß des Reclmnngsjahres 1908 betrug der Kassenbestand 8 736 373 Mark 98 Pfennig.

st Stuttgart, 20. Okt. Ans einem Neubau in der Wolframstraße stürzte heute nachmittag 4 Uhr von dem Maschinengerüste eine Diele herunter und traf den 62 Jahre alten Taglöhn^l-Anton Brand,- der so schwer verletzt wurde, daß er bald nach seiner Verbringung ins Krankenhaus starb.

st Stuttgart, 20. Okt. -Schöffengericht. Vor dem Schöffengericht gelangte heute nachmittag die Beleidigungsklage des Vorsitzenden des Würt­temberg. Viehhändlervereins, Ferdinand Levi, gegen den Redakteur desSchwäbischen Landmann", Theodor Körner, zur Verhandlung. Körner hatte Widerklage erhoben. Gegenstand der Klage und Widerklage war ein Briefwechsel zwischen bei­den und ein von Levi iwBeobachter" veröffent­lichterOffener Brief" im Anschluß an einen im