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1877.

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^ Schwarzwälder Sonntagsblatt. ..-

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Verlag u. Druck der W. Rieker'schen Buchdruckerei (L. Laut), Altensteig.

Wochen-Rundschau.

Zwei Parteiversammsungen.

Die Nationalltberale (Deutsche) Partei Würt­tembergs hat am Sonntag in Geislingen ihre Herbst- Versammlung abgehalten, die gewissermaßen einen Landesparteitag bildete und auch darum von be­sonderem Interesse war, weil sich hier der Kasseler- Parteitag deutlich widerspiegelte. Landtagsabgeord. Kübel, der Nachfolger Hiebers als Parteiführer in Württemberg, meinte in einer programmatischen Rede, der Kasseler Parteitag habe gezeigt, daß die Einigkeit in der Partei nie größer gewesen sei als gerade jetzt, daß der Unterschied zwischen dem rech ten und dem linken Flügel, zwischen den Alten und den Jungen heute geringer sei, als je zuvor. Auch Abg. Kübel ist der Anschauung, daß der alte Block wiederkommen müsse und wiederkommen werde, wenn erst die Konservativen durch Schaden klug geworden seien. Sehr freundlich äußerte sich der Redner über das Verhältnis der Nationcillibe raten Partei zu der Fortschrittlichen Volkspartei, und von allgemeinem Interesse ist, daß Abg. Kübel in aller Form Mitteilung machte von den Verhand lungen zwischen den beiden liberalen Parteien über ein Wahlbündnis.In Württemberg haben, so be merkte Abg. Kübel, die beiden liberalen Parteien, die Nationalliberale Partei und die Fortschrittliche Volkspartei, alle Ursache, zusammenzuhalten, ohne daß die eine oder andere Partei ans ihre Selbst Müdigkeit verzichtet. Wir haben deshalb schon vor Wochen der Volkspartei das Anerbieten geinacht, sich mit uns über ein Zusammengehen bei den näch sten Wahlen zu einigen. Da die Vvtkspartei in. einer Reihe von Wahlkreisen den Ansturm der So­zialdemokratie abzuwehren hat, so zwingt wohl der Selbsterhaltungstrieb sie dazu, sich mit uns zu eini gen und uns im Jnleresie des Zustandekommens einer solchen Einigung auch entsprechende Gegen­leistungen zu bieten. Von der Parteileitung muß an die Mitglieder im Lande die- dringende -Bitte gerichtet werden, keinerlei lokale Abmachungen zu treffen, sondern die Verteilung der Mandate den beiderseitigen Landesausschüssen zu überlassen." Die­ses natronallib.-voltsparteil. Wahlbündnis bezieht sich zunächst auf die Reichstagswahlen, aber es wird vermutlich auch für die künftigen württembergischen Landtagswahlen nicht ohne Einfluß bleiben. Der Gedanke eines Großblocks liegt, das wurde in Geis­lingen entschieden festgestellt und liegt in den württembergischen Verhältnissen begründet, den Na tionalliberalen Württembergs vollkommen fern. Auch Prof. Kindermänn, der in Kassel für den Großblock eintrat, ließ bestätigen, daß er dabei an Württemberg nicht gedacht habe. Die nationallibe­rale Partei Württembergs stimmt in Beziehung ans die Stellung zur Sozialdemokratie durchaus mit den Ausführungen des Abg. Bassermann überein. Das schließt allerdings nicht aus, daß die nationalliberale Fraktion des württ. Landtags gelegentlich mit der sozialdemokratischen Fraktion Hand in Hand geht, und den sozialdemokratischen Landtagsabgeordneten wurde das Zeugnis ausgestellt, daß sie ehrlich be- streksi gewesen seien, praktisch mitzuarbeiten. Als Redner über die Reichspolitik trat in der Geislin- ger Versammlung der Abg. Osann ans Darmstadt auf. Seine Ausführungen über das Verhältnis zu den anderen Parteien wollten nicht recht zu den vorangegangenen Erörterungen passen. Sie fanden übrigens ein Echo insofern, als ein Redner, Dr. Bickes-Fenerbacb, erklärte, in Württemberg könne von einem Anschluß nach rechts keine Rede sein, das müsse nach den Kämpfen um die Reichsfinanzreform Mit aller Deutlichkeit ausgesprochen werden. Mit

SamStag, de« 15. Oktober.

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1910 .

einer Partei, die den Block gesprengt habe, die mit dein Zentrum zusammengehe, und die in Württem­berg eine demagogische Verhetzung betreibe, die sich sogar von derjenigen der Sozialdemokratie in nichts unterscheide, könne man nicht zusammengehen. Die nationalliberale Partei in Württemberg werde da­her nur Anschluß nach links suchen können, selbst­verständlich unter der Voraussetzung voller Parität und Gegenseitigkeit. Das dürste ungefähr der Auf­fassung des größten Teils der nationalliberalen Wählerschaft entsprechen.

Die Sozialdemokratie Württembergs hielt am Sonntag in Stuttgart ihre Landesversammlung ab. Die Gegensätze in der Partei und die persön­lichen Differenzen unter den württembergischen Ge­nossen entluden sich in heftigen Auseindersetzungen, die allerdings meist hinter verschlossenen Türen ab gemacht wurden. Wie sehr man sich erregt hat, mag schon daraus entnommen werden, daß sich West- meher, einer der Geschäftigsten unter den württem­bergischen Radikalen, darüber beschwerte, daß ihn der Reichstagsabgeordnete Hildebrand einentrau rigen Denunzianten" genannt habe. Die württ. Ab­geordneten hatten wieder scharfe Angriffe anszu- halten, und schließlich wurde eine Resolution an­genommen. die einem Mißtrauensvotum verzweifelt ähnlich sieht: allerdings hatte sich dafür nur eine Znfallsmehrheit von einer Stimme gefunden, da die Mehrzahl der Delegierten, des langen Haders müde, sich entfernt hatte. Dem sozialdemokratischen Parteiorgan in Stuttgart wurde auch einiges am Zeuge geflickt: es soll sich einerpräziseren und exakteren" Stellung befleißigen als bisher. Das wird allerdings nicht ganz einfach sein, denn in der Redal ion. deren Chefredakteur der Abg. Keil ist und der Westmever angekört, ziehen die einen links, die anderen rechts am Strange. Sehr heftig wurde gegen die Dopveltandidatnren vorgegangen, und auch das bewies, wie wenig die jetzigen Man- dccksinhaber aus Rosen gebettet sind. Ans dem Be­richt des Abg. Keil über die Landtagstätigkeit sind einige Bemerkungen hervorzuheben. In Württem­berg ergebe ach. so sagte er. die unerfreuliche Aussicht, das: der schwarzblane Block auch bei uns zur Herr­schaft gelangen könne. Das müsse verhütet werden. Die Sozialdemokratie würde für sich erobern, was möglich lei, sie inerde aber auch nach der Taktik d»s kleineren Nebels verfahren und mit den Par­teien. die ihr am nächsten stünden, da wo es nö­tig wi, zusammengehen.

Tie Republik Portugal.

Europa hat eine Monarchie weniger. Das nigreich Portugal ist eine Republik geworden. So zusagen über Nacht. Ein kräftiger Stoß, und die Monarchie war gestürzt, die Dynastie entthront. So heruntergekommen waren beide, Monarchie und Dy nastie, daß sie nicht einmal kräftigen Widerstand leisteten. Zwar versuchten anfangs einige Rcgimenter der Garnison von Lissabon, dem König treu zu sein und für ihn zu kämpfen; aber gar bald er­lahmte ihr Eifer. Sie gaben den Kampf auf, gin gen wohl gar auch ihrerseits zu den Republik» nein über. Und im Schlosse des Königs entstand, als von den meuternden Kriegsschiffen einige Ge­schosse einschlugen, Heulen und Zähneklappern. Ver­jünge König selbst soll allerdings eine gute Haltung bewahrt haben; es fehlt aber auch nickt an gegen teiligen Angaben. Jedenfalls gab auch er seine Sache ohne weiteres verloren und machte von der Gelegenheit zum Entkommen, die ihm die revo lutionären Leiter gelassen hatten, unverzüglich Ge­brauch. In Mafra traf er mit seiner Mutter, der Königin Amelie, zusammen und dann ging es aufs Schiff, auf die Jacht Amelie, wo sich schon die

Königin-Witwe Maria Pia, die Großmutter des Kö­nigs Manuel, und der Herzog von Oporto einge­funden hatten. Das gesamte portugiesische Königs­haus war also beisammen, und es beeilte sich, die ungastlichen Gestade Portugals zu verlassen und aus dem englischen Felseneiland Gibraltar an der Südküste Spaniens Zuflucht zu suchen. Die Flücht­linge kamen dort in ziemlich dürftigem Zustande an, und der Königssalut, der ihnen zu Ehren abge- scuert wurde, konnte sie über die rauhe Wirklichkeit nicht täuschen. Auch nicht die Höflichkeit und Ehr­erbietung des englischen Gouverneurs, der sie emp­fing, als wäre noch alles wie zuvor. Das erste Geschäft der fürstlichen Herrschaften war, sich mit den notwendigsten Kleidungsstücken zu versehen, und, um das tun zu können und überhaupt etwas Mit­tel zu bekommen, mußte erst von einer Bank in London eine telegraphische Geldanweisung erfolgen. Und das Schiff, das sie hergebracht hatte, kehrte am Dienstag nach Lissabon zurück, denn es ist portu­giesisches Staatseigentum. Ein italienisches Kriegs­schiff bringt nun die Königin-Witwe Maria Pia, die eine italienische Prinzessin ist, und den Herzog von Oporto nach Italien, während König Manuel mit seiner Mutter sich nach England begibt. Dort werden sie das Weitere abwarten, und vielleicht ha­ben sie Hoffnung, daß die Republik nicht von lan­ger Dauer sein, daß ihnen noch einmal eine Rück­kehr zu Glanz und Herrlichkeit bevorstehen werde. Es ist ja allerdings die Frage, ob die Republik in Portugal von Dauer sein wird. Die Schuld an der Mißwirtschaft, die in Portugal seit langer Zeit geherrscht hat, ist nicht nur den Herrschern allein aufzuladen, obgleich sie ihr vollgerüttelt Teil daran haben. Das Uebel liegt wesentlich auch im Volke selbst, namentlich in seinen führenden Schichten. Die Menschen aber ändern sich nichr von heute auf mor­gen, mögen sie auch noch so sehr in repubsi kan sichert Hochgefühlen und Tugenden schwelgen. Den führen­den Männern der provisorischen Regierung wird Lauterkeit der Gesinnung und ernstes Wollen nach- gcsagt: aber unter denen, die nun im republika­nischen Lager sich hervortun, sind manche, die es sich vordem unter der monarchischen Korruption ha­ben Wohlsein lassen. Ob unter diesen Umständen eine Wiedergeburt der portugiesischen Nation und eine Läuterung von Grund auf möglich und erwart­bar ist, muß dahingestellt bleiben. Vielleicht wird man eines Tags finden, daß es für Portugal ziemlich gleichgültig ist, wie die Firma heißt. Allerdings ein Unterschied wird sein, und kein geringer: das Schmarotzertum einer verschwenderischen und leicht­fertigen Dynastie wird nicht mehr am Staatssäckel zehren. Einstweilen allerdings läßt sich für die Republik alles gut an. Die Revolution hat nicht allzu viel Blut gekostet, so an die ZOO Tote genau weiß man es nicht und das Leben ist bald, wieder in seinen geregelten Gang gekommen. Auch die Provinzen haben, so viel bekannt geworden ist, ohne weiteres sich mit den vollzogenen Tatsachen abgcfunden und die Annahme, es werde möglicher­weise von dort her eine Gegenrevolution versucht werden, nicht erfüllt. Das Königtum hat eben offen bar allenthalben abgewirtschaftet gehabt. Die Ge­fahr alter Revolutionen und der Militärrevolutioneu zumal, daß die Führer die Zügel nicht genügend fest zuhalten vermögen, hat sich indessen auch hier ge­zeigt, und es bleibt abznwarten, welche Folgen dar­aus entstehen. Es sind in Lsisabvn ganz bedenk liche Ausschreitungen gegen die Klöster und die Ordensgeistlichen vorgekommen, und es hat dabei allerhand wilde Szenen gegeben. Der ganze Haß, der sich gegen die kirchlichen Zustände und die kirch licken Einflüsse im Staate. Einflüsse, denen der Niedergana Portugals vor allein zugeschrieben wird.