Bekenntnis zu dem Ideal der Wissenschaft und der Freiheit der Forschung zu schönem Ausdruck. Zur Seite des Rector magnisicus Erich Schmidt saß des Kaisers Sohn, Dr. Prinz August Wilhelm von Preußen, bis vor kurzem an der Berliner Uni­versität noch immatrikuliert, und Prinz Rupprecht von Bayern, einst auch ein Schüler der Berliner Universität. Der Reichskanzler, die Minister, der frühere österreichische Minister v. Böhm-Rawerk, die Bevollmächtigten der Bundesstaaten, die gelehrten Größen des Auslandes schlossen sich an. Ueber 600 Teilnehmer zählte dieses Fest, darunter auch eine Abordnung der Studentenschaft und bei ihr das einzige werbliche Wesen in dieser Festversammlmrg, eine junge Studentin in gelber Robe. Der Reichs­kanzler v. Bethmann Hollweg, der nach der Suppe sich zum Trinkspruch auf den Kaiser erhob, sprach mit energischer Betonung, kräftiger, als wir ihn sonst in den Parlamenten hören, in gehaltvollen Sätzen über Einteilung und Aufgaben der Berliner Universität, die ein Sammelpunkt sein sollte aller geistigen und moralischen Kräfte, sprach vom gei­stigen Fortschritt, der politische Werte erhofft, und mit verständlicher und verstandener Anspielung auf die zeitliche Lage von dem freischaffenden Geist und dem Idealismus, der sich in Zeiten nationaler Prü­fung als reale Macht erweist. Seine Worte fanden lebhafte Zustimmung. Prorektor Geheimrat Kahl begrüßte von einer kleinen Rednerbühne aus die beiden Prinzen als Bürger der Berliner Universität. Dann begrüßte er die anderen Gäste. Prinz August Wilhelm brachte dann der geliebten Berliner Uni­versität ein Vivat, floreat, crescat und trank mit dem Prinzen Rupprecht und dem Rector magnisicus auf ihr Wohl aus einem großen, kunstvollen Pokal, einem Jubiläumsgeschenk. Kultusminister v. Trott zu Solz dankte im Namen der Gäste und trank aus das Wohl der Universität. Geheimrat v. Wila- inowitz-Möllendorff. der stiue Kenner des grie­chischen Altertums, grüßte die Gelehrten aus aller Welt als Kollegen und Freunde und knüpfte daran kluge Gedanken über das hohe Ideal der reinen Wis­senschaft, der das Recht zusteht, den Maßstab der Kritik an alle Erscheinungen des Lebens anzulegen. Zustimmung fand er, als er erklärte: Der Aus­tausch der Jugend ist wohl nützlicher als der der Alen. Sie kommt vom Auslande zurück mit neuem Verständnis, neuer Liebe, ohne alle Vor­urteile, aber auch mit erstarkter Liebe zum Va- terlaude. Und zu stürmischer Kundgebung erhob sich die Versammlung, als er das Bekenntnis ablegte: Jede wissentliche Fälschung der Wahrheit ist Felonie gegen die Wissenschaft. Der Forscher muß den Mut der Wahrheit haben, auch gegen den schlimmsten Tyrannen, gegen die öffentliche Mei­nung. Für die akademischen Gäste deutscher Zunge dankte der Leipziger Rektor Holder, für die Frem­den, aber auch in deutscher Sprache, der Gelehrte Theologe Mabaffv aus Dublin. Ein junger Stu­dent huldigte in knappen, klaren Worten den Leh-

Kräftig riß sich der Arrestant los.Das ist ein Irr­tum, ich bin kein Deserteur, meine Militär-Papiere für Deutschland sind in vollster Ordnung. Also lassen Sie mich zufrieden und gehen Sie Ihres Weges."

Mit größter Aufmerksamkeit hatten alle Anwesenden diesen Behauptungen des Polizisten und dem Protest dagegen gelauscht; daß die Stimmung für Klaus Bertram günstiger wurde, konnte man gerade nich: sagen, und diese Erkenntnis gab dem Beamten die Zuversicht, bei der Verhaftung zu be­harren.

Sie nehmen ja den Mund sehr voll," sagte er drohend, aber ich kann Ihnen nur raten, sich zu fügen, sonst be­kommen Sie auch noch eine Anklage wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt. Verstanden? Ist es so, wie Sie sagen, so wird sich das alles finden, vorläufig ist aber noch ein Steckbrief gegen Sie vorhanden."

Das WortSteckbrief" genügte, um bei allen diesen einfachen Leuten die Sache Klaus Bertram's verloren zu geben. Mit Ausnahme des als Tunichtgut bekannten Roten Adolf" hatten sie alle vor dem WorteSteckbrief" einen Heiden-Respekt. Wenn es mit dem Menschen so stand, dann hatte es gar keinen Zweck, ihm irgendwie beiznspringen. And wer am stärksten unter diesem Einfluß stand, das war Frau Rose Wuddicke. Sie trat ein paar Schritte von ihrem Begleiter zurück, um sich ihn noch einmal ordentlich anzu­schauen : Einen Mann, hinter dem ein Steckbrief erlassen war, Hatte sie unter ihrem Dache beherbergt, mit dem hatte sie getanzt? Das konnte sie nicht verwinden, und wenn er auch Khnmal der Bruder des reichen Herrn Christoph Bertram war, er war doch ein verlorener Gesell.

Klaus Bertram lachte wieder sein seltsames Lachen, als er merkte, wie auch diese einfache, aber tüchtige Frau ihn scheu mied. Dann sagte er zu dem Polizisten: »Gut, ich komme mit. Das weitere wird sich ja finden. Und grüßen Sie Me zu Hause recht schön von mir, Frau Rose!"

Die wandte ihr glühendes Gesicht von ihm ab und rannte so schnell, als ihre Füße sie trugen, zu dem Saale hinaus und zum Bahnhof, um die Rückfahrt nach Klein- Friedingen anzutreten.

Fortsetzung folgt.

rern der Universität und schließlich sprach Adolf Har- nack warme und herzliche Worte, Wünsche für die jungen Kommilitonen.

* Berlin, 12. Okt. In der neuen Aula ver- saytmelten sich heute die Lehrer und. die Gäste der Universität zum zweiten Festakte, dem der größte Teil der gestrigen Teilnehmer wieder an­wohnte, auch wieder die paradierende Studenten­schaft. Als Vertreter des Kaisers war Prinz August Wilhelm erschienen. Der Historiker Lenz, der der Historiograph der Berliner Universität geworden ist, sprach über eine Stunde lang in großen Zügen über die Entstehung der Universität. Darauf erfolgte die Verkündigung der Ehrenpromotionen. Der Dekan der juristischen Fakultät, Prof. Köhler, ver­kündete, während sich die ganze Versammlung er­hob, daß der Kaiser zum Do. jur. utriusque pro­moviert worden ist, der Kaiser, unter dessen Re­gierung die Ausgestaltung des deutschen Rechts so große Fortschritte gemacht habe. (Lebhafter Bei­fall.) Der Gesang der Nationalhymne beschloß diesen Akl. Dann verkündeten weiter die Dekane der Fa­kultäten in der üblichen Reihenfolge die große Zahl der Ehrenpromotionen, bei den meisten einen be­sonderen Grund hinzufügend. Von den juristischen Ehrendoktoren nennen wir den Prinzen Rupprecht von Bayern. Von der phisophischen Fakultät wurde der Reichskanzler v. Bethmann Hollweg zum Ehrendoktor ernannt.

st Berlin, 12. Okt. In dem Ehrendiplom der philosophischen Fakultät für den Reichs­kanzler v. Bethmann Hollweg heißt es,den die spöttelnde Menge, indem sie ihn den Philosophen auf dem Ministersessel nannte, eben damit gegen ihren Willen anerkannte als des höchsten Amtes besonders würdig in einem Staate, der, seine Kraft in der richtigen Geistesbildung seiner Bürger suchend, auf Veranlassung des Philosophen Wilhelm Hum­boldt eingedenk seiner Bürger diese Universität ge­gründet hat".

st Berlin, ! 2. Okt. Die juristische Fakultät er­nannte u. a. zu Ehrendoktoren den Württemberg. Staatsmittister v. Schmidlin und Oberbürger­meister Kirs ch ner - Berlin.

Ausländisches.

* Lissabon, 11. Olt. Aus dem Jesuitenkloster Campolide wurden heute abend neuerdings Schüsse gefeuert: bei der daraufhin erfolgten Erstürmung des Klosters durch Truppen wurde ein Soldat getö­tet und einer verwundet. Der vor dem Kloster wacht­habende Bezirksvorstand sagte, daß es diesmal sich vermutlich nicht um Mönche, sondern um in das Klo­ster eingedrungene Diebe handle. Die monarchische Sache wird täglich mehr verlassen.

* Madrid, 11. Okt. Die telegraphischen Verbin­dungen mit Portugal sind neuerdings gänzlich un­terbrochen, was hier phantastisch kommentiert wird. Der Gouverneur von Badajoz meldet, daß die portu­giesischen Nonnen bei ihrem Einzug feindliche Kund­gebungen erregen; Privatmeldungen sprechen von Steinwürfen und Pereatrufen. Der Bischof von Beja hat auf seiner Flucht Huelva erreicht. In Spa­nien wächst die Beklemmung, besonders in Bar­celona wetterleuchtet es. An der Börse herrscht eine wahre Panik. Die Regierung erwartet, daß der Senat morgen, spätestens übermorgen, die Ab­schaffung des religiösen Eides genehmigt.

st London, 12. Okt. Der Herzog von Orleans hat eine Depesche her Königin Amelie erhalten, worin sie ihm mitteilt, sie werde sich mit König Manuel auf der kgl. Jacht Victoria and Mber.t gleich nach ihrer Ankunft in Gibraltar einschiffen und sich 'ofvrt nach England begeben, wo sie die Gastfreundschaft des Herzogs in Wood Norton an­nehmen würden.

* Ncwyork, 12. Okt. Das Aufsuchen der Lei­chen im Waldbrandgebiet dürfte Wochen in An­spruch nehmen. Sie sind so zahlreich, daß man jetzt von 1000 Umgekommenen spricht, während 5000 flüchteten, welche ihr Hab und Gut verloren. Die Brände wüten noch immer, können indessen nur langsam Vordringen, da Windstille herrscht.

Ter Ansstand der franz. Eisenbahner.

st Paris, 12. Okt. Die Eisenbahner aller Linien beschlossen heute nacht den Ge samt aus st and.

ft Paris, 12. Okt. Als in Bois Colombe bei Paris heule nachmittag ein Zug von Streikendem angehalten wurde, fielen die Reisenden über die Ausständigen her und es kam zu einer heftiges Rauferei. Auf dem Bahnhof von Colombe wur­den heute nachmittag mehrere von Lisilux, Havre und Nantes kommende Züge von Ausständigen an der Weiterfahrt gehindert. Als ein Lokomotivführer sich weigerte, seine Maschine zu verlassen, wurde er von den Streikenden mit Revolvern bedroht. Es wurden sogar Lokomotiven quer über die Gleise gestellt, sodaß der Verkehr unmöglich wurde.

ft Paris, 12. Ott. Das Amtsblatt wird mor­gen einen Erlaß veröffentlichen, durch welchen vom 14. ds. Mts. an die Beamten aller Bahnen, ausgenommen der Südbahn, soweit sie wehrpflichtig sind, aus 21 Tage zum Militär einberu- fen werden.

* Brüssel» 11. Okt. Der Eisenbahnerstreik in Frankreich rief hier eine Panik hervor, da die Post weder ankommt no?ß abgeht und Telephon sowie Telegraph nur nach stundenlangem Warten zu benutzen sind und die Züge nur bis zur Grenze gehen. Der Expreß Lüttich-Paris kam mit drei Stunden Verspätung an. Belgien lehnte es ab, die Züge bis Paris mit belgischem Personal weiter­fahren zu lassen.

ft Brüssel, 12. Okt. Seit heute gehen die Ex­preßzüge Köln-Paris nur bis zur Gre nze nach Erquellines. Es werden überhaupt keine Bil­lette mehr für Orte jenseits der Grenze veraü- fölgt.

ft Köln, 12. Okt. (Amtlich.) Infolge der Ar­beitseinstellung bei der französischen Nord- bahn ist der Personenverkehr über deren Li­nien vorläufig gesperrt. Auf den belgischen Li­nien verkehren die Personenzüge bis und von der Grenzstation Erquellines.

Allerlei.

* In Urne sch (Schweiz) hatte ein junger Bursche bei Wasserleitungsarbeiten Dynamit ge­stohlen. Als er seinen Raub daheim am offenen! Herdfeuer seinem Bruder zeigen wollte, erfolgte« eine fürchterliche Explosion. Beide Brüder wurden auf der Stelle getötet. .

* Keinen einzigen zoologischen Garten be­saß das ganze Königreich Italien bisher. Jetzt hat Hagenbeck aus Hamburg die erste derartige An­lage in Rom geschaffen.

* Auch Rom hat einFort Chabrol". Im Engelsburgviertel vertrieb Montag nacht, nachdem er sich mit drei Gewehren versehen hatte, ein Plötz­lich wahnsinnig gewordener Rechtskonsulent seine Familie, verbarrikadierte sich in seiner Wohnung und bedrohte jeden Eindringling mit dem Tode., Die Polizei machte tagsüber erfolglose Anstrengun­gen, des Verrückten habhaft zu werden. Dieser öff­nete gegen Abend das Straßenfenster und schoß auf die neugierige Menge. Er verwundete zwei Frauen und tötete eine. Daraufhin ließ die Po­lizei durch ein Loch in der Zimmerdecke die Woh­nung des Wahnsinnigen unter Wasser setzen und ließ zugleich, um ihn seine Munition verschwenden zu lassen, eine Puppe vor seinem Hoffenster herab!-! hängen, auf die er tatsächlich schoß. Schließlich! gelang es einem Polizeikommissär, den Wahnsiry- nigen zu überwältigen und in einem Feuerwehr­automobil ins Irrenhaus zu verbringen.

Handel und Verkehr.

* Calw, 12. Okt. Die Ob st ernle hat allgemein be­gonnen und ist in einigen Orten bereits beendigt. Die Quantität hat mehrfach zurückgeschlagen, so daß der Vor­rat nicht so groß ist, wie man früher angenommen hatte. Der Preis des Mostobstes stellt sich bei Aepfeln auf 4,20 bis 4,50 Mk., bei Birnen auf 3,50 Mk., bei gemischtem Obst auf 3,804 Mark; teilweise wurden auch höhere Preise erzielt. Für gebrochenes Obst werden 810 MH, bezahlt; auf dem Wochenmarkt wird schon zu 7 Mk. Obst angeboren, das aber kein eigentliches Tafelobst ist. Die Preise für Obst scheinen etwas anzuziehen, auf dem Wald wurden heute über 5,50 Mark, gefordert.

* Reutlingen, N. Okt. Ter Handel in Mo st ob st ist andauernd lebhaft bei behaupteten Preisen von 5.50 bis 5.80 Mk. per Zentner auf dem Holzmarkt, wo ca. 200 Ztr. Aepfel zum V.rkauf stehen, und 4.805.20 Mk. per Ztr. auf dem Güterbahnhof, wo heute 25 Wagen eingetroffen sind

' Horb, 12. Okt. Dem gestrigen Jahrmarkt waren ziemlich viel Schweine zugeführt. Die Preise waren, wohl infolge der schlechten Kartoffelernte, sehr niedrig. Milch­schweine kosteten per Paar 18 Mk. und Läufer 40 Mk. als niedrigste Preise. Auf dem Mehmarkl war der Verkauf mittelmäßig bei hohen Preisen.

* Ludwigsburg-Benningen a. N., 11. Okt. Lese be­ginnt morgen. Offizielle Anzeige erfolgt nicht. Ertrag ea. 150200 bl Rotwein.

" Besigheim-Bönnigheim, 11 . Okt. Der W ein h erbst fällt hier so schlecht aus. daß die Keltern nicht geöffnet werden. Das zu erwartende Quantum deckt nicht einmal den hiesigen Bedarf.

' Hessigheim a. N., II. Okt. Lebhafter Weinverkauf; Preis 220 Mk. für 3 Hl.

Voraussichtliches Wetter

am Freitag, den 14. Oktober: Langsame Wiederaufheiterung kein wesentlicher Niederschlag, mäßig mild.

Verantwortlicher Redakteur: L. Lank, Altrnstrtg.