Geduld bringt Kosen.
Es ist Geduld ein rauher Slrauch,
Voll Dornen aller Enden,
Und wer ihm naht, der merkt das auch An Füßen und an Händen.
Und dennoch sag icki: Laß die Müh'
Dich nimmermehr verdrießen,
Sei's auch mit Tränen, spür und früh,
Ihn lreulich zu begießen.
Urplötzlich wird er über Nach!
Dein Mühen dir belohnen,
Wenn über all den Dornen lacht Ein Strauß von Rosentronen.
Luise von Plönnies.
Der Krieg.
Bor vierzig Jahre».*)
Von K. E. Adolph (Wiesbaden).
Wir liegen schon viele Wochen vor der Feste. Wir Hallen sie umklammrt mit einein eisernen Ringe. Mehr als LOOOOO Menschen, darunter eine Feldarmee von 170 000 Mann, hält der Ring umschlossen. In den langen, an Mühen und Entbehrungen reichen Wochen haben wir immer nach der Stadt hingeschaut. Bei klarem Wetter ist es ein schönes Bild. Da ruht sie im Mosel-Tale, die Unbesiegle. In der Mitte ragt die mächtige Kathedrale empor, um sie lagern die Häuser und Wälle, und nach außen hin dann die Forts. Hie und da blitzt es bei diesen auf; bumm . . . kommt der Ton herüber, mit dem Ton ein schwarz Ding, eine Bombe, die uns selten Schaden zufügt. Eins der schweren Geschütze har gesprochen. Weniger harmlos sind die Ausfälle der Besatzung, deren mehrere gerade uns getroffen haben. Da gill es zu zeigen, daß der eiserne Ring stark ist und nicht gesprengt werden kann, und das haben wir gezeigt. Seit einer Woche sind wir aus die andere Seite der Mosel gelegt worden. Wir sollten nach dem langen Vorposkeiidienft doch endlich Ruhe haben, denn Verluste und Krankheit haben unsere Reihen bedeutend gelichtet. Wir liegen hinter den Vorposten in Reserve in einem Hüttenlager. Weißl du, was das ist? — Nun, bei uns Deutschen sind wirnicht allein Soldaten, sondern auch alles andere. So haben es kundige Hände verstanden
— Baumeister, Zimmerleute, Maurer sind unter uns — ,. das Lagerleben behaglicher zu machen, indem sie dafür Sorge trugen, daß wir nicht den ewig grauen Oktoberhimmet über uns haben, sondern ein Dach. Für die Mannschaften sind langgestreckte große Lagerhäuser aus Holz, Lehm, Weiden gebaut, für die Offiziere kleine Hütten, in denen wir kochen, essen, schlafen — ja manchmal sogar trinken, viel trinken.
Es ist ein Oktobertag. Dichter Nebel deckt die Erde, er verhindert jede Fernsicht. Das Lager liegt grau und gespenstig in der brodelnden Nebelmasse. Wenn ein Luftzug darüber hinstreift, können wir manchmal die Pappeln der Chaussee, fernliegende Häusergruppen erkennen. Nur leiser Lärm, das Summen menschlicher Stimmen, das Geräusch des Lagers klingt an unser Ohr. Es ist Mittagszeit, wir setzen uns eben in unserer Hütte zur Mahlzeit nieder.
Da — was ist das? Heftiges Infanteriegewehrfeuer — dann setzt das Knarren der Mitrailleusen ein, das dumpfe Brüllen des Festungsgeschützes, das hellere des Feldgeschützes dringt an unser Ohr. Die Sache scheint ernst, stärkere Truppenteile sind ins Gefecht getreten. Schon klingt das Alarmsignal im Lager, als wir eben uns bemühen, einige Bissen herunterzuschlucken. Wir verlassen unser Mittagsmahl
— es duftet so verlockend,' ein harter Entschluß! — und eilen zu den Waffen. In wenigen Minuten steht das Regiment unter dem Gewehr vor dem Lager. Spannung zeigt sich auf allen Gesichtern. Was wird der Tag uns bringen? — Sieg ? Verwundung? Einen Tod auf grünein Felde ?
Auf die Beantwortung dieser Fragen werden wir noch viele Stunden zu warten haben, und diese Erwartung ist unangenehm, sie stellt an unser Gemüt schwere Anforderungen. Die Waffen werden zusammengestellt. Mit Spannung suchen wir dem Gange des Gefechtes vor uns zu folgen. Das ist schwer. Wir vernehmen nichts als das anhaltende Rollen des Jnfanteriefeuers, das unangenehme Knarren der Mitrailleusen, das Donnern der Geschütze. Es scheint, das Gefecht nähert sich uns. Der Gefechtslärm steigert sich, mehr Truppen sind ins Gefecht getreten. Es ist ein großer Ausfall das wird uns klar I Der Nebel beginnt sich zu lüsten. Wir sehen rechts von uns die Chaussee, können den Linien der Bäume folgen, die die Straße einfassen, unterscheiden in der Ferne Gehöfte und Baumgruppen, die Felder nehmen Gestalt und Farbe an. Stunde uni Stunde verrinnt. Es ist keine Täuschung, das Gefecht nähert sich, die Unseren
*) Im Obigen faßt ein deutscher Offizier seine Eindrücke von einen! Oktoüertage des Jahres 1870 zusammen Es ist die unge- Awfflkte Wahrheit, die diesen Aufzeichnungen ihren Wert verleiht.
Tchwarzwälder Sonntagsblat t._
müssen zurückgeworsen sein. Schon sehen wir rechts von uns auf der Straße Trupps von Soldaten zurückströmen, es sind verwundete oder solche, die diese geleiten oder vom Truppenteil abgekommen sind. Wir erkennen, daß es Leute von unserer Division sind, den Landwehrtruppen angehörig, die vor uns aus Vorposten standen. Die Sache sieht unbehaglich aus, wir können uns des Gefühls einer gewissen Besorgnis nicht erwehren. Wir glauben, daß in unserer Nähe, rechts von uns am Kirchhofe schon Geschosse einschlagen. Doch das ist wohl Täuschung!
Und so vergehen diese Stunden banger Erwartung, der Nachmittag ist hingegangen. Nachricht über den Gang ües Gefechts ist uns nicht geworden.
Die schwere Luft des feuchten Oklobertages liegt über der Erde und führt uns einen garstigen, brenzlichen Geruch zu, so wie brennendes Holz, qualmendes Stroh und Getreide, gemischt mit dem Erdgerucb. der dem Herbst eigen und an sich so eigentümlich und kräftig, doch vom Vergehenden, Verwesenden spricht. In der Ferne brennen mehrere Ortschaften, man sieht die Feuersäulen. Langsam und träge zieht der niedergedrückte Rauch auf der Erdfläche hin, dazwischen zucken Flammen auf. Die Schrecken der Schlacht sind losgelassen.
Da sind keine Hände, die Helsen, die löschen und die Flammen zügeln wollen, nein, im Gegenteil, wir können in der Ferne deutlich unterscheiden, wie Granaten in die brennende Masse sausen und die Funken hoch aufspringen machen. In den späten Nachmittagsstunden wird die Luft noch klarer, der Nebel ist verschwunden. Wir können in der Ferne die Masse des Pulverrauchs erkennen, der nicht aufsteigen kann, der sich fest an die Erde heftet, der dem eigentümlichen Geruch, welcher zu uns dringt, etwas soldatisch Frohes hinzufügt. Wir riechen Pulver — ivie man zu sagen pflegt.
Und immer noch keine Nachricht — niemand bringt uns Kunde; wir warten und warten. Stunde auf Stunde verrinnt. Das Feuern vorne wird schwächer, Kanonen und Mitrailleusen schweigen. Still kommt die Dämmerung. Schon glauben wir, daß der Tag für uns vorüber. Tatenlos — welch' eine Enttäuschung für ein junges Soldatenherz!
König Manuel von Portugal.
Da — was ist es ? geht Bewegung durch unsere Reihen. Die Linienbrigade soll die vorne verlorenen Stellungen wieder nehmen. Die Spannung löst sich, wir wissen nun, wir komme» an den Feind.
Das Regiment wird nach vorne in Kolonnen auseinandergezogen. Im schwindenden Tageslicht werden die nötigen Bewegungen ausgesührt, und dann wird gehalten. Es ertönt der Befehl: Die Fahnen entfalten! — Der Fahnenträger steht rechts von mir. Die ganze Feierlichkeit des Augenblicks stürmt aus mich ein. Mit zitternden Händen helfe ich dem Fahnenträger den wachsleinenen Ueberzug abzustreifen und zu bergen. — Die Fahne ist frei. — Nur bei feierlichen Gelegenheiten flattert sie wie heute ohne Ueberzug im Winde. Der Augenblick ist voll feierlicher Würde, und aller Augen sind aus die Fahne gerichtet, als der Träger sie hochnimmt. — Und nun treten wir in Kolonnen den Vormarsch quer durch das Feld an, dorthin, wo die Brandfackel der brennenden Dörfer uns im Dunkeln den Weg weist. Es ist eine sehr dunkle Nacht, der Brand und Pulvergeruch macht sich bis zur Belästigung bemerkbar. Wir fallen in Gräben, stolpern über Erhöhungen und müssen dabei die Ordnung in der Kolonne aufrecht erhalten. Die Leute haben leider das Gepäck nicht abgelegt, beim Stolpern und Fallen wird der schwere Tournister zur Qual, der Vormarsch ist überaus unangenehm und anstrengend, und wir atmen befreit auf, als ein kurzer Halt uns gestattet, Atem zn schöpfen.
Wir wissen nicht, wo wir sind, wir stehen auf freiem Felde, um uns die Dunkelheit.
Wir werden in Kompagnien ausgestellt, mit leiser Stimme werden die nötigen Anordnungen getroffen. Leider wird uns nicht gesagt, daß wir uns nahe am Feinde befinden.
Die vorderen Züge schwärmen!
Ich habe den linken Flügelzug, rechts von mir ist der Schützenzug der Nebenkompagnie. Wie im Frieden, genau und ruhig, führen wir die Bewegung aus und gehen vor. Ich ermuntere meine Leute mit leisem Zuruf, doch ja die Verbindung nach rechts hin mit dem Nebenzug zu halten.
So bewegen wir uns vorwärts. Ich selbst zwanzig Schritte vor meinen Leuten, hinter den Schützen folgt nahe die geschlossene Kompagnie. Wie vorher fallen wir in Gräben, stehen wieder auf, stolpern, stoßen uns an Unebenheiten, aber die Ordnung wird nicht gestört, wir bewegen uns langsam vorwärts.
Ganz plötzlich — welche Ueberraschung.'
Vor uns in unmittelbarer Nähe eine feurige Schlangenlinie, über ihr vermeine ich Gesichter und rote Käppis zu unterscheiden, ein scharfes Geknatter. Wir sind gänzlich unerwartet in unmittelbarer Nähe in feindliches Jnfanterie- feuer geraten. Als ich mich umdrehe, sehe ich meine Leute das Feuer erwidern. Ich mache, daß ich zurück zu ihnen komme, es ist unbehaglich zwischen den zwei Feuerlinien. Als ich die Schützen erreiche, will ein Sergeant zu mir sprechen; da faßt er nach der Brust und stürzt mit weitausgebreiteten Armen nach vorne zur Erde, eine Kugel hat ihm die Brust durchbohrt. Und nun ist die Hölle losge- lasien. Von allen Seiten kommt das Feuer, wir müssen uns mitten darin befinden. Ganz nahe bei uns, rechts an der Chaussee, fällt der erste Kanonenschuß. Obgleich ich an dem Feuerstrahl deutlich erkennen kann, daß das Geschütz sich nicht auf uns richtet, ist doch der Eindruck auf unsere Leute unverkennbar. Die Ueberraschung hat ungünstig gewirkt, wir strömen auf die Hauptmasse der Kompagnie zurück, und es bilden sich unregelmäßige Gefechtsklumpen, die, dem rasenden Feuer ausgesetzt, sich zu decken suchen. Es gelingt mir und anderen Offizieren immer wieder, einen Teil mit vorzureißen, aber andere Teile bleiben zurück, ballen sich zusammen, suchen Schutz im Haufen, werfen sich nieder, stehen wieder auf, werden angefeuert, ermannen sich für Augenblicke, um dann doch wieder zu versagen und im Menschenknäuel Deckung zu suchen. Was nutzen unsere Anstrengungen! In der Dunkelheit ist eine Führung der Leute unmöglich, unser Beispiel bleibt wirkungslos, unsere Versuche, vorwärts zu dringen, haben keinen durchschlagenden Erfolg. Unsere Leute liegen schließlich still in dem Feuer und erwidern es in der Dunkelheit, soweit es eben gehen mag. Eine Ueberraschung des Gegners ist nicht geglückt, ein Erfolg ist so gut wie ausgeschlossen, die vor uns liegende Oertlichkeit können mir nicht nehmen.
Wir liegen flach auf der Erde, in Gräben, hinter kleinen Erhöhungen. Ich versuche die Leute zum Vorgehen zu bewegen, und wenn das nicht gelingt, ermahne ich sie schließlich, ruhig mit wagrechtem Anschlag zu feuern.
Ein Adjutant bringt in die Linie die Nachricht, es solle ein allgemeines Vorgehen erfolgen, wenn das Signal: „Rasch avancieren" kommt. Gespannt erwarte ich das wohlbekannte Signal.
Da — es schallt! Jubelnd dringt der Ton an mein Ohr. Alle Hornisten blasen es nach, der Tambour neben mir schlägt zum Sturm. Was kann es Schöneres geben! Das Soldatenherz schlägt hoch auf, der belebende Ton geht durch Mark und Bein, er feuert an zur höchsten Leistung: zum Soldatentod. Ich springe vor, mir folgen die Braven um mich, wir stürzen voran: nicht lange — dann bin ich allein. Das Feuer ist in seiner Wirkung auf die menschlichen Sinne zu mächtig, es wirft alles nieder. Für jetzt ist der Angriff gescheitert, wofür man unseren braven Musketieren einen Vorwurf nicht machen kann. Nachdem wir zwei Stunden den Wirkungen des mächtigen Feuers' ausgesetzt gewesen, werden ivir gesammelt und zur Besetzung der nächsten Oertlichkeit, eines Gehöfts mit Garten und Hofraum, zurückgeführt.
Es ist mir die Wahrheit des Wortes: „Die Nacht ist keines Menschen Freund" in seiner ganzen Bedeutung zu Gemüt geführt worden. Der Feind fährt fort, einen Kugelregen über uns auszuschütten, der regellos abgegeben wenig Schaden tut. Und doch ist die Einwirkung so groß, daß die Leute hinter jedem Gegenstand Deckung suchen. An der Gartenmauer muß ich sie einzeln aufstöbern, damit sie Helsen, diese zur Verteidigung vorzurichten. Immer wieder suchen sie Deckung vor den Kugeln, und erst als das Feuer langsamer wird und schließlich ganz einschläft, vermögen wir Ordnung zu schaffen, die Kompagnieoerbände herzustellcn und Maßregeln für die Festhaltung der Oertlichkeit im Falle eines Vorstoßes des Feindes zu treffen.
Und in der Rückerinnerung lege ich mir die Frage vor: Wie kommt cs, daß die Wirkungen der Nacht so schreckhafter Natur sind? — Es muß tief in der menschlichen Natur begründet sein. Wie könnte es sonst sein, daß unsere über jedes Lob erhabenen braven Leute durch die Schrecken der Nacht so niedergeworfen sind ! Auf beiden Seiten ist es gleich. Die Sinne sind aufs Aeußerste gespannt ; man lauscht in die Nacht, man glaubt Tritte zu hören, man glaubt die unsichtbare Gefahr nahe, der einzige Gedanke herrscht: Da ist der Feind, von da kommt der Tod! Als Wirkung dieser nervösen Spannung ertönt von Zeit zu Zeit heftiges Gewehrfeuer. Beim leisesten Geräusche gehen die Flinten los. Wir versuchen wiederholt, Verwundete zurückzuholen, unter anderem einen verwundeten Offizier, von dem wir wissen, ivo er liegt. Am folgenden Tage wird er verblutet gefunden. Jeder derartige Versuch wird vereitelt. Der Gegner überschüttet das leiseste Geräusch init einem Kugelregen. Unsere Leute fangen an, infolge der Abspannung und Ermüdung einzuschlafen. Wir stehen in Gruppen zusammen und plaudern leise über das Gefecht und die Verluste. Wir erfahren allmählich, daß diese nicht klein gewesen, daß liebe Kameraden und Freunde verwundet oder tot das Schlachtfeld decken. Doch es finden sich mehr und mehr Versprengte ein, es ist nicht so schlimm, als es geschienen.
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