schöpft. Gründlicher erörtert wurden dann noch
Mittelstandsfragen. In den Urteilen der Presse über den Kasseler Parteitag herrscht naturgemäß, je nach der Parteistellung, große Verschiedenheit. Ueberwiegend wird die Meinung geäußert, daß sich bei der nationalliberalen Partei nicht viel geändert habe, und daß namentlich auch die inneren Meinungsverschiedenheiten, unbeschadet der äußeren Einigkeit, fortbestehen.
Moabiter Nachroehen.
Am letzten Samstag haben endlich die Unruhen in dem Berliner Stadtteil Moabit aufgehört. Allmählich waren die .Unruhestifter zu der Erkenntnis gekommen, daß es nun doch nicht mehr geheuer sei, sintemalen die Polizei nicht das ge ringste Federlesens mehr machte und nicht nur mit dem Säbel zuschlug, sondern gegebenenfalls auch von der Schußwaffe Gebrauch machte. Im Allgemeinen herrscht die Auffassung vor, daß die Polizei sich ihrer Aufgabe gewachsen gezeigt hat und bei aller erforderlichen Entschiedenheit des Borgehens doch den Kopf oben behalten hat. Ein be bäuerlicher Mißgriff ist allerdings vorgekommen, nämlich die Mißhandlung von vier englischen Journalisten, die in einem Automobil das Aufruhrviertel befuhren und vergeblich ihre Legitimationen gegen den polizeilichen Angriff geltend zu machen suchten. Die Betroffenen haben darüber bitter Beschwerde geführt, in der Öffentlichkeit sowohl wie gegen die Behörden.
Ein soziales Jubiläum.
Ein sozialpolitisches Jubiläum ist in dieser Berichtswoche in Deutschland gefeiert worden: das 25jährige Jubiläum der Unfallversicherung. Sie nahm ihren Ausgang von der berühmten kaiserlichen Botschaft vom 17. November 1881, durch die die soziale Gesetzgebung eingeleitet worden ist. Der Unfallversicherung sind dann die Alters- und Jn- validitätsversicherung und die Krankenversicherung gefolgt, das, was man unter dem Namen Arbeiterversicherung zusammenfaßt. Welche Großtat diese Arbeiterversicherung gewesen ist, darüber braucht man heute kaum noch ein Wort zu sagen. Eine einzige Zahl genügt, um das zu erweisen: daß nämlich im Fahre 1909 24 Millionen Menschen in Deutschland gegen Unfall versichert waren. Und wenn es noch deutlicher gemacht werden soll, so braucht nur erwähnt zu werden, daß im Jahre 1909 162 Millionen Mark Unfallgelder ausbezahlt worden sind: insgesamt sind es seit dem Kestehen der Unfallversicherung 1800 Millionen Mark. An Invalidenrenten wurden im Jahre 1909 190 Milk. Mark gezahlt und seit dem Bestehen dieser Versicherung in 18 Jahren rund 1683 Millionen Mk. Ein solches Jubiläum war also wohl wert, gefeiert zu werden.
Landrsnachrichtrn.
ZM«nL«ig, 8. Oktober.
* Eine ungarische Geigertruppe wird auf ihrer Weltreise auch hier am Donnerstag den 13. Oktbr. im Saale z. grünen Baum gastieren. Große Abwechselung in Musik, Solo- und Chorgesang, außerdem choregraphische Genüsse werden uns geboten. Bezaubernd reich an Lichteffekten u. Verwandlungen ist die Aufführung: Ein Märchen aus 1000 und eine Nacht. Die Landestrachten, besonders die der Damen, sind schmuckvoll und volkstümlich. Die Truppe hielt einen wahren Triumphzug durch die Schweiz, die Niederlande, Frankreich re.
Tic landwirtschaftliche Winterschule Leonberg wird in diesem Jahr, wie aus der Bekanntmachung im heutigen Inseratenteil ersichtlich ist, am 10. November wieder eröffnet. Wir möchten nicht versäumen, daraus hinzuweisen, daß den Söhnen von Landwirten in einer derartigen Schule Gelegenheit geboten ist, sich die nötigen Fachkennt- nisse anzueignen. Da die durch diesen Schulbesuch erwachsenden Kosten nur geringe sind, sollte jeder einsichtige Landwirt, dessen Verhältnisse es erlauben, seinen Sohn eine landwirtschaftliche Schule besuchen lassen.
s! Stuttgart, 7. Okt. Die Herbstversammlung der württembergischen Evangelisch-Sozialen findet am nächsten Montag den 10. Oktober nachmittags drei Uhr hier im .Festsaal der Bauhütte statt. Um drei Uhr ist geschlossene Versammlung der Mitglieder des Evangelisch-Sozialen Kongresses zur Besprechung von Organisationsfragen. Um 4 Uhr ist dann öffentliche Versammlung m't Bor trag von Oberfinanzrat Dr. Lokch-Stuttgart über „Die Veränderungen im Wirtschaftsleben Württem bergs nach den neuesten Zählungen"^ verbunden mit graphischen Darstellungen; anschließend Debatte.
Gchwarzwälder Ton« tags bl,
> st Stuttgart, 7. Okt. (Wahl.) Der Staatsanzeiger veröffentlicht eine Bekanntmachung betreffend die Ersatzwahl eines ritterschaftlichen Mitglieds zur Ersten Kammer für den verstorbenen Freiherrn Otto von Breitschwert. Der Wahltermin ist für den 9. November 1910 vormittags l 1 Uhr im Landesgewerbemuseum anberaumt.
st Stuttgart, 7. Okt. Aus dem hiesigen Untersuchungsgefängnis sind heute nacht drei Gefangene ansgeb rochen. Zwei davon, der angebliche Architekt Karl Engel von Leipzig und der Kelk-, ner Eduard Zerbach sind kürzlich von der Strafkammer wegen Betrugs zu längeren Gefängnisstrafen verurteilt worden. Der dritte, ein haesiger Kaufmann, befand sich in Untersuchungshaft.
st Stuttgart, 7. Okt. In letzter Zeit sind wiederholt ungenügend beaufsichtigte Kinder von Bahn Wärtern durch Züge überfahren und getötet worden. Die Wärter sind deshalb unter eindringlichem Hinweis auf die bestehenden Schutzvorschriften angewiesen worden, für ausreichende Beaufsichtigung ihrer Kinder und insbesondere für deren Fernhaltung von den Bahngleisen zu sorgen.
st Stuttgart, 7. Okt. Wie der Staatsanzeiger hört, hat das Ministerium des Kirchen- und Schulwesens angeordnet, daß vom Frühjahr >911 an die 6jährige Ausbildungszeit sür die Lehrer der Volksschu l e eingeführt wird. Die neue Ordnnug soll in der Weise ins Leben treten, daß die Zöglinge, die 1911 oder später in die Lehrerbildungsanstalten ausgenommen werden, .6 Jahre in diesen Anstalten zu verbleiben haben, während die früher Aufgenommenen wie bisher nach 5jäh- riger Ausbildung in den Schuldienst eintreten. Vorbehalten bleibt, die 1911 aufgenommenen Zöglinge statt im Frühjahr 1917, schon im Herbst 1916 aus dem Seminar zu entlassen, wenn der Lehrermangel dies nötig machen sollte.
sj Obertürkheim, 7. Okt. (Uebersahren. An den: Bahnübergang in der Nähe der Kesselfabrik von Wagner und Eisenmann wurde der 50 Jahre alte in der Maschinenfabrik Eßlingen beschäftigte Arbeiter Friedrich Herzog von Wangen von einer alleinfahrenden Maschine überfahren und sofort getötet. Der Verunglückte war auf dem Weg zur Arbeitsstätte. Da die Hauptschranken geschloj sen waren, benützte er den für Fußgänger bestimmten Seitenweg. Das Unglück ist hauptsächlich darauf zurückzuführen, daß. der Getötete schwerhörig war und daß ein starker Nebel den Weitblick verhinderte.
st Marbach, 7. Okt. (Versammlung. ! Der Verein für ländliche Wohlfahrtspflege hält) hier am nächsten Mitwoch seine Her bst Versammlung ab. Die öffentliche Versammlung (nachmittags Halb drei Uhr) brmgt Vorträge von Amtmann Dr. KlumPP über „Staatsbürgerliche Erziehung und Wohlfahrtspflege" und von Pfarrer Benter-Rotenberg über „Ländliche Muftkpflege": beides Vorträge, die eine reiche Anregung sür die beginnende Winterarbeit versprechen.
st Bonndorf i. Lad. Schwarzwald, 7. Okt. In dem Dorf Fützen brach ein Brand aus. 16 Anwesen wurden zerstört, darunter drei Gasthäuser. DaS Vieh konnte größtenteils gerettet werden, während von den Fahrnissen nur wenig geborgen wurde. Das Feuer war in dem Gasthaus zum Hirsch entstanden.
s! Köln, 7. Okt. Wie die Köln-sche Zeitung aus Dortmund meldet, »ind auf der Zeche Victor drei Bergleute verschüttet worden.
st Berlin, 7. Ott. Der Magistrat beschloß vorbehaltlich der Zustimmung der Stadtverordnetenversammlung, dem Platz am Opernhaus den Namen Kaiser Franz Josephsplatz zu geben.
d Trautenau, 7. Oktbr. Im Karlschacht der Schwadewitzer Kohlengruben sind infolge schlagender Wetter drei Bergleute verunglückt. 2 Mann sind tot, während drei schwer verletzt wurden.
Ausländisches
* Rom, 7. Okt. In den letzten 24 Stunden' sind in der Stadt Neapel 11 Erkrankungen und Todesfälle an Cholera, in der Provinz Neapel 14 Erkrankungen und 2 Todesfälle, in Apulien eine Erkrankung festgestellt worden. l
ss Petersburg, 7. Okt. Hauptmann Mazicwitsch unternahm mit einem Farmanapparat einen Aufstieg. In tausend Meter Höhe zerbrach aus einem unbekannten Grunde der Apparat. Der Aviatiker stürzte ab und war sofort tot.
st Kapstadt, 7. Okt. General Bot ha ist in Losberg ins Bundesparlament gewählt worden. Ein Gegenkandidat war nicht ausgestellt.
tt.
Die Lage in Portugal.
* Lissabon, 7. Okt. Durch Dekret fordert die provisorische Regierung den Klerus aus, die Straßen nicht in Amtskleidung zu betreten, damit Ausschreitungen verhütet werden. Ein weiteres Dekret verfügt die Auflösung sämtlicher Kongregationen, deren Mitglieder das Land binnen 24 Stunden verlassen haben müssen.
st Lissabon, 7. Okt. Marschall Hermes da Fon- seca ist an Bord des Sao Paoli nach Brasilien abgefahren. Der brasilianische Kreuzer Baroso ist hier jeingetroffen.
* Lissabon, 7. Okt. Wie das republikanische Organ „O Mundo" meldet, schiffte sich der Herzog von Opvrtv vorgestern zwischen 5 und 8 Uhr morgens aus der Jacht „Amelie" ein, die nach Ericeira in See ging; zur selben Zeit begab sich die Königin Amelie im Automobil vvn Cintra nach Mafra; die Königin Maria Pia folgte eine Stunde später. Während der Beschießung des Schlosses Necessidades am Dienstag verließ König Manuel den Palast durch eine Hintertüre, begab sich nach Cintra und von dort nach Mafra. Um 10 Uhr morgens machte sich die Jacht „Amelie" zur Flucht segelbereit und warf auf der Höhe von Ericeira Anker. Die königliche Familie begab sich mit zwanzig Schülern der Militärschule dorthin und traf um drei Uhr nachmittags ein.
st Madrid, 7. Ott. Einer hier eingetroffenen amtlichen Depesche zufolge ist an Bord der Nacht Amelie, die die portugiesische Nationalflagge führte, die gesamte königliche Familie, also der König, die Königin-Mutter Amelie, die Königin-Witwe Maria Pia und der Herzog von Oporlo, in Gibraltar ein- getrosfen. Die Fürstlichkeiten gingen hier an Land, wo ihnen die Bevölkerung einen sympathischen Empfang bereitete.
st Madrid, 7, Okt. Aus Vigo meldet man nach Berichten zur Lee eingetroffener Lissaboner, die Zahl der bei den Straßenkämpfen Getöteten betrage etwa tausend, und mehrere tausend seien verwundet; namentlich stark mitgenommen sei die unpopuläre Munizipalgarde. Die Bank von Vigo erhielt ein Telegramm der Bank von Oporto, wonach auch dort die Republik eingeführt und die Ordnung in ganz Portugal gesichert sei. Der Herzog von Oporto sei an der Spitze der Truppen verwundet und gefangen worden. In Vjgo treffen auch zahlreiche Lissaboner Korrespondenten fremder Blätter ein wegen der Strenge der portugiesischen Zensur. Die sonstigen hier in Madrid einlaufenden Nachrichten sind zumeist Londoner oder Pariser Ursprungs.
sj Lonrcnco Marques, 7. Okt Der portng. Generalgouverneur von Mosambique, de Andrade, hat gestern im Gouvernementsrat ein Telegramm mit der Nachricht von der Prvklainiernng der Republik Portugal verlesen und darauf sein Amt niedergelegt. Die Mitglieder des Gouvernementsrats begaben sich sodann zum Versammlungsort der Republikaner, wo die Nachricht mit Hochrufen ausgenommen wurde. Abends fanden Festlichkeiten statt. Ein Manifest der Republikaner tritt für tzine versöhnliche Haltung gegenüber den politischen Gegnern ein.
st Oporto, 7. Okt. Die Prvklainiernng der Republik erfolgte-hier gestern, nachdem die Nummer der Diaris Gouverus, die die Bildung der provisorischen Regierung enthielt, hier eingstroffen war. Die Ruhe ist vollkommen gesichert. Der ehemalige Kriegsm'nister General Pimente! Pinto, der Ordre erhalten hatte, sich im Hauptquartier in Lissabon zu melden, wurde verhaftet.
j! Berlin, 7. Okt. Der portugiesische Geschäftsträger hat heute die deutsche Regierung von dem R e g i m e n ts w e ch s e l in Portugal offiziell in Kenntnis gesetzt.
Hof Schwege. In der Nähe von Osnabrück ist eine recht interessante Beispielswirtschaft für erfolgreiche Heideknltur. Diese Wirtschaft können sich auch solche Landwirte zum Vorbild nehmen, die in der glücklichen Lage sind, bessere Böden zu bebauen. Das, was jeder Landwirt vom Hof Schwege lernen kann, ist, daß man sich nicht den Ratschlägen und Erfahrungen der modernen Landwirtschaftswissenschaft verschließen soll, daß man aber auch nicht blindlings alles nachzumachen braucht, was an anderen Stellen von Nutzen gewesen ist. — Probieren geht über Studieren. Nur durch fortgesetzte Versuche ist in Schwege ermittelt worden, welche Kultur- und besonders welche Dünguugsmaßnahmen notig waren, um diese Wirtschaft allmählich in die Höhe zu bringen.
Man staunt, wenn man sieht, wie dort auf leichtestem Heidesandboden, der früher kaum für anspruchslose Heidschnucken die notdürftigste Nahrung hervorbrachte, jetzt nach erfolgter Bodenbereicherung durch jährlich wiederholte starke Thomasmehl-Kainit-Düngung mit je 3—4 Ztr. vro Morgen zahlreiches, wohlgenährtes Rindvieh vom Mai bis in den Spätherbst hinein ohne ein Pfund Beifutter ausschließlich auf den Grünlandskulturen geweidet werden kann.