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Gegründet

1877.

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.^ Schwarzwälder Sonntagsblatt.'

Rr. 236

Verlag u. Druck der W. Rieker'schen Buchdruckerei (L. Laut), Altensteig.

Eam-tag, de« S. Oktober

DasSchwarzwälder Sonntagsblatt" ist durch die Post separat zu beziehen.

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Wochen-Runvschau.

Nachklänge zu Magdeburg«

Ein Nachspiel zum Magdeburger Parteitage hat es in Stuttgart in einer soziaidemokr. Parteiver- sammlung gegeben, und es ist, wie zu erwarten war, ungemein stürmisch ausgefallen. Die württ. Sozialdemokratie ist, wie man weißj, in der Frage der Budgetbewilligung in zwei Lager geteilt, und daraus haben sich im Zusammenhang mit den: Magdeburger Parteitage heftige häusliche Streitig­keiten sachlicher, wie auch persönlicher Art er­geben. Die württ. Landtagsfraktion, die ja in der Bndgetfrage früher schuldig geworden ist und wahr­scheinlich im nächsten Jahre wieder schuldig wer­den wird, hatte begreiflicher Weise den Wunsch, von den Fesseln der Nürnberger Resolution befreit zu werden. Alle waren darin einig, bis auf den neu­gewählten Abg. Kinkel, den Nachfolger Hiebers in Welzheim. Dieser ging hin und berichtete dem Vor­sitzenden der Stuttgarter Organisation, Westmeyer, über die Aktion der Fraktion, und dieser, ein gu­ter Radikaler, hielt es für seine Pflicht, in einer' sozialdemokratischen Versammlung schnell Gericht über die Fraktion üben zu lassen. Darüber hat man sich nun, wie schon bisher in der Presse, in der Stuttgarter sozialdemokratischen Versammlung gründlich ausgesprochen, und die anwesenden Land­tagsabgeordneten haben dabei aus ihrem Herzen keine Mördergrube gemacht. Sie lehnten es üb, daß die Landtagsfraktion sich von dem neuen Abg. Kinkel überwachen lassen solle. In der Bndget­frage verteidigten die Abgeordneten gegen Pie Ra­dikalen, als deren Wortführer, besonders Westmeyer und Klara Zetkin, auftraten, die Budgetbewilligung. Dabei wurde erklärt, daß man keineswegs ein Ver­sprechen gegeben.habe, es nicht wieder zu tun. Die Radikalen hatten indessen, was ja allerdings nicht zweifelhaft war, Oberwasser. Es wurde eine Ent­schließung angenommen, die besagt, daß die Ver­sammlung ihre volle Uebereinstimmung mit den Be­schlüssen des Parteitags ausspricht und jeden Ge­nossen verpflichtet, im Sinne dieser Beschlüsse zu wirken. Damit waren zwei andere Anträge hin­fällig geworden. Der eine davon erklärte sich im Ganzen mit dem Verlauf des Magdeburger Partei tags einverstanden und bedauerte nur die unnötige Verschärfung in der taktischen Auffassung von der Budgetfrage, die den einzelnen Landesorganisat'.o- nen überwiesen werden sollte. Der andere Antrag erklärte sich zwar nicht mit allen Beschlüssen einver­standen, verlangte aber, daß sie nun dennoch aus Rücksicht auf die Einigkeit der Partei gehalten wer­den. Bei der Abstimmung enthielten sich zahlreiche revisionistisch angehauchte Genossen der Stimme, so- daß die Annahme der erwähnten Entschließung gegen 13 Stimmen erfolgte. ,

Evang. Bund.

Der Württ. Landesverein des evangelischen Bun­des hat am Sonntag und Montag in Schorndorf seine Hauptversammlung abgehalten. Auch sie stand, wie die neulich stattgehabte Jahresversammlung des Evang. Bundes, stark unter der Nachwirkung der Borromäns-Enzyklika. Durch diese pävstliche Kund­gebung hat der Evang. Bund, wie festgestellt wurde, neue Mitglieder erhalten. Insgesamt zählt der Bund jetzt über 430 000 Mitglieder, davon rund 25 000 in Württemberg. Hier sind 49 Bezirks- und W Zweigvereine vorhanden. Zum ersten Vorsit­zenden des Württ. Hauptvereins wurde an Stelle des Regiernngsdirektors Dr. v. Hieber, der das seit dreizehn Jahren innegehabte Amt niedergelegt hat.

der bisherige zweite Vorsitzende, Stadtpsarrer Tranb-Stuttgart, zum zweiten Vorsitzenden Schul­rat Dr. Mosapp-Stuttgart gewählt.

Der nationalliberale Parteitag.

Das politische Ereignis dieser Woche ist der nationalliberale Parteitag in Kassel gewesen, der am Samstag und Sonntag getagt hat. In allen politischen Kreisen hat man dem Verlauf dieser Ta­gung mit ungewöhnlicher Spannung entgegenge- sehen, und die Bedeutung des Parteitags kam auch darin zum Ausdruck, daß die Zahl der Delegierten aus ganz Deutschland so groß war, wie nie zu­vor. Die nationalliberale Partei ist, wie man weiß, durch den Gang der politischen Begebenheiten in Deutschland in eine sehr schwierige Lage geraten. Sie hat sich bei den Kämpfen um die Reichsfinanz - resorm und nach dem Zerfall des alten Blocks ent­schlossen in die Opposition geschlagen und jede Ge­meinschaft mit dem schwarzblauen Block und dem Irenen Kurse abgewiesen. Nun ist es aber nichts weniger als eine Lebensfrage für den Bestand des schwarzblauen Blocks oder doch mindestens für die Regierung des Herrn v. Bethmann Hollweg, daß die Nationalliberalen nicht in der Opposition bleiben, sondernpositiv Mitarbeiten", wie man es nennt, was aber nichts anderes zu bedeuten hat, als die Verantwortung für den Gang der Politik mit zu übernehmen. Es and verschiedene Versuche von ver­schiedener Seite gemacht worden, die Nationallibe­ralen hinüberzuziehen, und es ist dabei mit recht starken Mitteln gearbeitet worden. Ein Erfolg ist aber nicht erzielt worden, obgleich in den eigenen Reihen der Nationalliberalen, bei dem rechten Flügel, der vorwiegend von der rheinisch-westfä­lischen Großindustrie repräsentiert wird, die Nei­gung zur Versöhnung mit der Rechten und zum Anschluß an den schwarzblauen Block, besonders aber zur Unterstützung der Regierung sehr stark ist. Diese Neigung hat sich zeitweise mit so großem Nach­druck geltend gemacht, daß, da der andere Teil, namentlich die Jungl'beralen, einem Einschwenken in das Regierungslager unter den obwaltenden Ver­hältnissen widerstrebt, die Gefahr einer Spaltung der Partei nahegerückt zu sein schien. Der Partei­tag in Kasiel sollte nun eine Auseinandersetzung zwi scheu den beiden Richtungen und eine Klarstellung über die künftige politische Haltung der Partei bringen. Das ist indessen nur bis zu einem gewissen Grade erreicht worden. Man mußte, da die Ge­gensätze sich als unüberwindbar herausstellten, dar­auf verzichten, in einer förmlichen Resolution den Parteiwillen zum Ausdruck zu bringen. Statt des­sen Hai die große Rede, die der Parteiführer Bas­sermann gehalten hat, als Niederschlag dessen, was ist und was geschehen soll, zu gelten. Diese Rede wurde auf dem Parteitage förmlich bejubelt, und zugleich knüpften sich daran gewaltige Kundgebungen für Bassermann als Persönlichkeit und' Parteiführer. Er hat einen großen Erfolg gehabt, und das ist um so inehr zu bewerten, als er in den letzten Monaten vielfachen Anfechtungen, auch ans den eigenen Reihen, ausgcsetzt gewesen ist. Nach Lage der Dinge in der nationalliberalen Partei mußte Bassermann eine mittlere Linie zu ziehen versu­chen, und das ist ihm in meisterhafter Weite ge­lungen. Der rechte Flügel konnte sich mit dem, was er ausführte, abfinden, und der linke Flü­gel, der den liberalen Charakter der Partei entschie­den betont wissen will, konnte es ebenfalls. Für die politische Situation ist vor allem von Beden tung, daß Bassermann die Sammlungspolitik, das heißt die vom Reichskanzler v. Bethmann Hollweg angestrebte Sammlung von Konservativen, Zentrum und Nationalliberalen entschieden und unzweideutig

ablehnte, und zwar unter dem stürmischen BeiWk des Parteitags. Damit ist den Sammlungsparokeü der Boden entzogen. Die nationalliberale Partei bleibt in der Kampfstellung gegen den schwarzblauen Block. Sie verzichtet auch nicht darauf, den Kon­servativen bei den Wahlen entgegenzutreten, na­mentlich auch im Osten. Was das Zentrum be­trifft, so erklärte Bassermann ein Zusammengehen mit diesem für unmöglich. Sehr warm trat Bas­sermann für eine Verständigung taktischer, nicht programmatischer Art mit den Linksliberalen ein, so weit es irgendwie möglich sei. Ein Block von Bassermann bis Bebel ist Unsinn. Die National- liberalen bleiben dabei, die Sozialdemokratie grund­sätzlich und entschieden zu bekämpfen. Hie und da tritt unter den Nationalliberalen allerdings eine Strömung hervor, und sie äußerte sich auch in Kassel, daß unter Umständen, wenn es gegen einen Erzreaktionär geht, auch eine Verständigung mit der Sozialdemokratie nicht von der Hand gewiesen werden sollte. Allein die überwiegende Mehrheit der Partei will davon nichts wissen, und so wird die na^ tionalliberale Partei bei den Reichstagswahlen in allen Fällen gegen die Sozialdemokratie stehen. Sie unterscheidet sich darin von der Fortschritt­lichen Volkspartei, die von Fall zu Fall auch mit der Sozialdemokratie paktieren wird. Der Wunsch weiter liberaler Wählerkreise nach einem geschlos­senen Zusammengehen aller Liberalen bei den Wah­len wird sich nicht verwirklichen, denn sowohl in der nationalliberalen, wie in der Volkspartei gibt es Teile, die auf eine gegenseitige Streitigmachung von Mandaten nicht verzichten wollen. So wird, das steht nach den Kasseler Erörterungen fest, die Haltung der Nationalliberalen ber den kommen­den Reichstagswahlen nicht einheitlich sein. Teils wird man mit der Volkspartei Zusammengehen, teils aber auch mit den Konservativen: die nationdl- liberale Partei behält sich hierüber freie Hand vor, was allerdings eben wegen der widerstrei­tenden Richtungen bedeutet, daß sie aus der Not eine Tugend inacht. Das also ergibt sich an tak­tischen Richtlinien aus der Rede Bassermanns. Zur politischen Lage führte er mit großer Eindring­lichkeit aus, daß die herrschende Mißstimmung, die die Wähler der Sozialdemokratie zntrecbt, nicht durch Parolen, sondern nur durch Taten überwunden werden kann, die an der Wurzel der Unzufrieden­heit rütteln. Das Mittel zur Befreiung aus der jetzigen Lage erblickt Bassermann in der Rückkehr zur Blockpolitik des Fürsten Bülow, wo auch der Liberalismus einen Platz an der Sonne hatte. Daß auf die Wiederkehr des alten Block in abseh­barer Zeit nicht zu rechnen ist, sieht natürlich auch Bassermann. Allein er erwartet von den Wahlen 1911 den Zusammenbruch des schwarzblauen Blocks und der jetzigen Methode. Weite Kreise haben die gleiche Hoffnung, aber ob sie in Erfüllung gehen wird, steht dahin. Von Herrn v. Bethmann Holl­weg erwartet auch Bassermann nicht viel. Er hält ihn nicht für einen reaktionären Mann, aber er bezweifelt, ob er den Ernst der Lage erkennt und ob er Taten tun wird. Vor allem kommt es nach der Ansicht Bassermanns auf die Wiedergutmachung der Reichsfinanzreform und die Erledigung der preußischen Wahlreform an. Bassermann schloß mit der ernsten Mahnung zur Einigkeit in schwerer Zeit. An die Rede schloß sich eine teilweise zugespitzte Diskussion zwischen Vertretern der verschiedenen Richtungen in der Parte:, wobei namentlich auch die Großblockpolitit der badischen Nationalliberalen, die von dem dortigen Parteichef Rebmann tempera­mentvoll verteidigt wurde, Erörterung fand. Ein Schlnßantrag machte der Diskussion vorsichtshalber ein Ende. Damit war auch das Hauptinteresse er

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