Srgen meinem Hause!
W. Lennemann.
In den Abend schreib ich traumversunken,
Feld und Weiden wogen segenschwer,
Meine Seele ist so heimattruuken.
Und die Sehnsuchi brandet wie ein Meer.
Brandet flutend um ein kleines Eigen,
Um ein ln des Weib, ein lächelnd Kind;
Meine Tageswünsche stehn und schweigen.
Nur die heiße Sehnsucht üröml und rinnt.
Und ich Hali' aus starken Ricsenbänden,
Was ein Gott mir gab für Jahr und Tag - Arbeit, Frieden und ein Segenspenden,
Weib und Kind und Feierglockenschlag.
Wartend stehen an des Hauses Schwelle Meme Lieben, sonnenglanzumloht.
Segen über euch! Was mir an Helle,
Dank' ich euch im Kampf uin Tag und Brot.
Der Page.
Aus den Erinnerungen eines Diplomaten.
Von Mar Treu.
Ich heiße Anton Gottfried von Altenau und bin Zögling des Königlichen Pageninstituts!
Noch immer klingen mir diese Worte in den Ohren, noch immer sehe ich ein paar sonnige Knabenaugen freundlich auf mich gerichtet und die schlanke Knabengestalt mit den feinen, fast mädchenhaften Zügen vor mir. Bei irgendeiner Hoffeftlichteit war mir der kleine Page mit dem klugen, von einer Fülle goldblonder Locken eingerahmten Gesicht ausgefallen, und ich hatte ihn nach seinem Namen gefragt. Und in dem kurzen, militärischen Ton, der allen Zöglingen des Instituts eigen war, hatte er mir die Antwort gegeben.
Seit jenem Tage vergaß ich ihn nicht wieder, weder den Namen, noch seinen jugendlichen Träger. War der Knabe doch eine jener sieghaften Kindererscheinungen, die es jedem antun, mit dem sie Zusammenkommen, und die eigens nur dazu geschaffen zu sein scheinen, überall Liebe und Zuneigung zu finden. Häufig freilich tut das den Kindern nicht gut; sie werden verzogen und verhätschelt, lernen bei jeder Gelegenheit ihren Willen durchzutrotzen und entwickeln sich im Laufe der Jahre zu jenen unleidlichen Menschen, die mit einer ins Ungemessene gehenden Anmaßung, mit einem schrankenlosen Selbstbewußtsein, das nichts neben sich duldet, der Schrecken aller werden, die irgendwie mit ihnen zu tun bekommen.
Bei meinem jugendlichen Freunde Anton Gottfried von Altenau aber war von alledem nichts zu merken. Obgleich er mit dem scharf beobachtenden Verstand, wie er intelligenten Knaben in so hervorragendem Maße eigen zu sein pflegt, deutlich erkannte, wie sehr er allerorten beliebt war, und wie leicht es ihm gemacht wurde, gelegentlich seinen Willen durchzusetzen, blieb der damals etwa elfjährige Knabe doch stets gleich freundlich, gleich bescheiden, gleich anspruchslos, gleich höflich und zuvorkommend gegen alle, die ihn kennen lernten. Schon die straffe, militärische Zucht des Pageninstituts bewahrte ihn vor den Unarten und häßlichen Charaktereigenschaften verzogener Kinder, und irgendwelche Gegeneinflüsse, die etwa die Wirkungen dieser Erziehung aufzuheben imstande gewesen wären, schienen nicht vorhanden. Anton Gottfried war eine vater- und mutterlose Waise, er verbrachte daher selbst seine Ferien im Institut, so daß für fremde Einflüsse nur wenig Raum und Gelegenheit vorhanden war. Ueber- dies aber lag auch in dem ganzen Wesen des Knaben etwas Festes und Ruhiges, das er wohl von seinem Vater, einem hervorragend tüchtigen Charakter, geerbt haben mochte, was ihn davor schützte, sich die Verfahrenheit, Launenhaftigkeit und Unliebenswürdigkeit zu erwerben, wie sie den meisten vvtäuts vftöris anhasten.
So war es denn kein Wunder, wenn Anton Gottfried mit Recht der erklärte Liebling aller wurde. Wer in das prächtige, sonnige Blauauge des Knaben sah, wer sein freund- liches, stets dienstfertiges Wesen kennen lernte, mußte ihm gut sein. Und man war ihm gut, ohne Ausnahme, und das Herz des Knaben, dem sorgende und schützende Elternliebe nicht beschicken gewesen war, fand ringsum so viel Liebe und Zuneigung, daß er sich keinen Augenblick verarmt und verwaist fühlen konnte.
Er selbst aber war dankbar für diese Liebe; er wußte und fühlte offenbar, was er daran hatte. Er bemühte sich nach Kräften, diese Liebe auch zu verdienen und ihrer wert zu sein. Der aufmerksame Beobachter jedoch konnte bald bemerken, daß der Page, so freundlich und liebenswürdig er auch allen entgegenkam, doch ein bestimmtes Ideal im Herzen trug, das er nach Knabenweise vergötterte, und dem jeder Schlag seines jungen Herzens geweiht war.
Und dieses Ideal war die Prinzessin Anna.
Schon oft war Anton Gottfried von Altenau zum persönlichen Dienst bei ihr befohlen worden, wenn bei großen Hof- festlichkeiten die Pagen verwendet wurden, und so war es
Tchwarzwiilder Lonntagsblatt.
geschehen, daß er der auffallend schönen, geistig reich begabten Prinzessin nähergetreten war als irgendein andrer. Von ihren Lippen harte er freundliche Worte gehört, aus ihren Händen manche süße Näscherei erhalten. Und so hatte sich in seinem Herzen für die schöne, königliche Mädchenerscheinung jene unschuldige, aber tiefe Schwärmerei entwickelt, wie man sie bei aufgeweckten, gemütvollen Knaben häufig beobachtet, und wie sie ihnen eine sonnige Erinnerung bleibt ihr Leben lang. Was die Prinzessin tat, das war für Anton Gottfried das allein Richtige; was sie sagte, daran konnte kein Zweifel bestehen; was sie duldete, das mußte gut, das mußte edel sein; was sie unterließ, das war gewiß häßlich, schlecht und niedrig; ihre Wünsche waren ihm Befehl — mit einem Worte, die Prinzessin war für ihn das Ideal auf Erden, und jedesmal, wenn Anton Gottfried das wundersame Madonnenbild Guido Renis in der Schloßkirche sah, meinte er, daß der Maler ganz unmöglich schon so lange tot sein könne, wie man ihm erzählt Halle, denn diese Madonna sei doch niemand anders als die Prinzessin Anna, die der Maler auf jenem Bilde gemalt habe. Man wolle ihm nur die Wahrheit nicht sagen.
Die Madonna und die Prinzessin waren ihm eins, und wie jene das Sinnbild alles Guten, Schönen, Reinen und Edlen war, so war es ihm auch die Prinzessin. *
Tiefe Trauer aber zog in sein junges Herz ein, als der Tag herannahte, an dem die Prinzessin sich mit einem fremden Prinzen vermählen und dann ihre Heimat verlassen sollte, um dem Gatten in die Ferne zu folgen. Denn nun würde er sie überhaupt nicht mehr oder doch nur selten sehen und
ihr seine Dienste widmen dürfen. Wer aber von allen Sterblichen wäre fähig und würdig, ihre, der Vergötterten, Stelle in seinem Herzen einzunchmen?
Wenige Tage vor der Hochzeit traf ich ihn einmal.
„Nun, Gottfried," sagte ich, „jetzt werden wir beide unsre beste Freundin verlieren —." Auch ich hatte, gleich einem jeden, die ebenso schöne wie mit Gaben des Geistes und des Gemüts reich ausgestatlete Prinzessin überaus hoch- geschätzt und verehrt. „Was werden wir nun tun?"
Ich sah deutlich, wie eine Wolke der Trauer das blaue Knabenauge umflorte. Aber eine Antivort gab er nicht.
„Tröste dich mit uns allen, mein Junge," fuhr ich fort, „wir alle sehen sie voll Schmerz scheiden."
Er neigte bejahend das Haupt.
„Du hast doch Dienst an ihrem Hochzeitstag?" fragte ich wieder.
Ta hob er den blonden Kopf, und ein sonniges Lächeln huschte über sein Antlitz.
„Ja," entgegnete er stolz. „Auf der Prinzessin besonderen Wunsch habe ich den Ehrendienst in der Kirche — ich stehe bei deZTrauung an ihrer Seite neben dem Altar!"
Und so geschah's.
Es war ein bitterkalter Januartag, als die Hochzeit stattfand, was für uns alle um so empfindlicher war, als die Schloßkirche damals noch keine Heizungsanlage hatte und wir in einer Temperatur ausharren mußten, die trotz der aufgestellten Kohlenbecken nicht höher als bis zu sechs Grad hinaufging. Namentlich die Pagen mußten das bitter empfinden; in der leichten und dünnen seidenen Renaissancekleidung, die sie bei solchen Gelegenheiten trugen, mußte ihnen die Kälte durch Mark und Bein gehen. Ich sah denn auch die armen Jungen zittern, daß sie mir bis ins Herz leid taten. Nur einer fror offenbar nicht. Das war Anton
Gottfried von Allenau, der leuchtenden Auges während de? Trauungszeremonie zur Seite der schönen Braut neben dem Allar stand. Noch heute sehe ich ihn deutlich vor mir in der überaus kleidsamen Tracht. Nichts von der Kälte merkte man ihm an, hochgerötet waren seine Wangen ; war es doch der höchste Ehrentag seiner Gebieterin, der letzte Tag, an dem er bei ihr Dienst tat, und der sollte ihn gewiß nicht schwach und frostig finden.
Während der Trauung ereignete sich plötzlich ein kleines Mißgeschick. Beim Ringewechseln geschah es, daß der Ring der Prinzessin Braut dieser aus der Hand glitt und davonrollte. Und merkwürdig, alles Suchen war vergeblich; der Ring war und blieb verschwunden, er war offenbar in irgendeine Spalte hineingeralen und blieb so den Blicken aller Suchenden verborgen. Man mußte sich schließlich, ohne das Kleinod wiedergefunden zu haben, aus der Kirche entfernen, und auch die Diener und Hofdamen, die noch weiter suchten, mußten in das Schloß zurückkehren mit der Meldung, daß von dem Ringe keine Spur zu entdecken sei.
Der König selbst gab dem immerhin unangenehmen Voriall schließlich eine heilere Deutung und Wendung, indem er sagte, daß man eben einen zweiten Ring machen lassen müsse, und daß doppelte Fesseln desto unlösbarer sein würden. So begab man sich denn ohne Ring zum großen Festmahl.
Es war Sitte, daß bei derartigen Festlichkeiten für dis Pagen in einein Nebenzimmer eine eigne Tafel gedeckt wurde. Als ich einen Augenblick Gelegenheit fand, ging ich dort hinüber.
„Nun, Gottfried," sagte ich scherzend, „du bist aber ein unaufmerksamer Ritter; läßt den Ring deiner Dame davonrollen und vermagst ihn nicht zu finden!"
Eine glühende Röte überzog sein Antlitz, mit einem seltsamen Bück, den ich nie vergessen werde, sah er mich an.
„Der Ring wird sich finden," stammelte er, „gewiß, Herr Graf — morgen — er muß ja da sein —"
„Beruhige dich nur," tröstete ich ihn. „Ein kleines Mißgeschick! So schlimm ist es nicht. Laß dir es gut schmecken, mein Junge."
Ich reichte ihm die Hand und ging. —
Das Folgende habe ich von dritter Seite erzählen hören. Ich erzähle es nach, wie es mir zu Ohren kam.
Als die Pagen abends gegen 10 Uhr vom Dienst entlassen wurden und zum Pageninstitut heim wollten, stellte es sich heraus, daß Anton Gottfried fehlte. In dem Festtrubel hatte man auf den einzelnen nicht Obacht gegeben, wohl auch geglaubt, daß er irgendwie dienstlich in Anspruch getrommen sei, und erst jetzt merkte man, daß er nicht da war. Sofort wurde nach ihm gesucht. Aber wie man auch nachforschte und fragte, man konnte keinerlei Auskunft erhallen: niemand wußte anzugeben, wo der Page geblieben war. Das einzige, was sich feststellen ließ, war, daß Anton Gottfried etwa gegen sieben Uhr in der Militärwachtstube, die im Parterre des Schlosses lag, erschienen war und sich dort eine kleine Handlaterne entliehen harte. Wohin er aber damit gegangen war, konnte man auch hier nicht angeben.
Die Polizei wurde benachrichtigt, die halbe Nacht hindurch wurde gesucht, von dem Pagen aber keine Spur gefunden. Die Sache schien völlig rätselhaft. Es blieb nur die einzige Annahme übrig, daß der Page bei der Tafel vielleicht zuviel Wein getrunken und, von dem ungewohnten Getränk übermannt, irgendwelche Torheit begangen habe, bei I der ihm ein Unglück zugcstoßen sein müsse. Erst in den Morgenstunden begab man sich im Pageninstitut zur Ruhe, ohne das Rätsel gelöst zu haben.
Kurz nach acht Uhr in der Frühe des andern Tages wurde bei dem Gouverneur des Instituts der Küster der Schloßkirche gemeldet, der mit schreckensbleichen Mienen draußen stehe und gewiß eine schlimme Botschaft bringe. Ungesäumt ließ der Gouverneur den Mann vor, der ihn bat, sich sofort in die Schloßkirche zu begeben; es sei ein Unglück geschehen.
Voll trüber Ahnungen folgte der Gouverneur nebst eiwgen Pagen dem erregten Manne, der fortwährend klagte und jammerte, er könne für das Unglück nicht; er habe die Kirche abends um acht Uhr, wie es seine Pflicht sei, verschließen müssen, und da habe er niemand im Gotteshause gesehen. Die Kirche selbst lag abseits vom Schloß mitten in einem Park, der natürlich in dieser Jahreszeit und noch dazu nachts fast menschenleer war. Etwas entfernt davon befand sich die Wohnung des Küsters, der die Kirche jeden Abend avzuschließen und jeden Morgen wieder zu öffnen
- vMW
MMSA z ß