war es anderß. Da gab es gelegentlich Zeiten, wo die Frage, kommt er oder kommt er nicht, die Welt in Spannung hielt. Das ist vorbei. Wenn Väter-, chen Zar nießt, verschlägt es nicht rnehr ganz Europa: die Luft und die Staatsmänner an der Newa tragen nicht mehr in ihrer Toga das Geschick der Welt. Insonderheit ist man auch in Deutschland zu Rußland in ein Verhältnis gekommen, das Ge­lassenheit erfordert. Wir leben in guten Beziehe ungen zu dem Zarenreiche, aber diese Beziehungen sind frei von allem Ueberschwang und vor Selbst­täuschungen fühlen wir uns nachgerade sicher. Wir wissen, daß die russische Politik, wenn sie auch mit uns auf leidlichem Fuße zu bleiben trachtet, doch nach der anderen Seite hin neigt, nach der Seite, die vordem von Eduard VII. ihr Stichwort empfing. Darum harren wir auch nicht angespannter Erwar­tung. ob und was etwa eine Begegnung zwischen Kaiser Wilhelm und dem Zaren bringen kann. Eine solche Begegnung wird ja wohl stattfinden, weW sie, da der Zar nun einmal auf deutschem Boden weilt, gewissermaßen selbstverständlich ist. Aber es ist kein' hochpolitisches Ereignis, sondern eine mehr höfische und konventionelle Sache.

Ein neues Königreich.

Europa ist in dieser Berichtswoche um ein König­reich reicher geworden. Es ist ein Königreich en miniature, sozusagen ein Zaunkönigtum. Das Für­stentum Montenegro hat das Bedürfnis gefühlt, sich einen heraufzusetzen, oder vielmehr, der Fürst die­ses Ländchens hat das Bedürfnis gefühlt, und er hat seine goldene Hochzeit zum Anlaß genommen, dieses Bedürfnis zu befriedigen. Da er ein ange­sehener Mann und Potentat, außerdem ein weitver­zweigter Schwiegervater ist, so hat er bei den Mäch­ten allenthalben Wohlwollen und Einverständnis ge­funden. Man wollte ihm und seinen getreuen Lan­deskindern das Vergnügen nicht rauben, und außer­dem ist es schließlich für die Weltgeschichte nicht so wichtig, ob der Abkömmling einer Dynastie ehe maliger hervorragender Schweinezüchter sich Kö­nig oder Fürst nennt. Womit natürlich nicht gesagt sein soll, daß die montenegrinische Rangerhöhung nicht auch eine gewisse politische Bedeutung für die Balkanpolitik haben kann. Der neue König Niko­laus ist nicht nur ein ungewöhnlich kluger, son­dern auch ein ehrgeiziger und zukunftsfreudiger Mann, und seine Montenegriner sind ebenfalls hoch­gemuter Ideen voll. Sie gedenken einmal, wenn es mit Serbien nichts mehr ist, was ja möglicherweise in nicht zu ferner Zeit eintreten wird, der Mit­telpunkt eines Großserbiens zu werden. Darum hat man in Serbien der montenegrinischen Rangerhöh­ung mit schlecht verhehlter Mißgunst zugesehen. In Montenegro läßt man sich freilich nichts anmerken, denn dazu ist man viel zu klug. So ist alles in schönster Harmonie abgelaufen, und man hat in gro­ßen Feierlichkeiten geschwelgt und einen Apparat entwickelt, als ginge in dem neugebackenen Königreich die Sonne nicht unter. Dabei könnte man die ge­samte Bewohnerschaft dieses königlichen Riefenrei­ches in den Behausungen Stuttgarts bequem un­terbringen. Im klebrigen mag noch bemerkt wer­den, daß der König von Italien, der Schwiegersohn des Herrschers der Schwarzen Berge, mit seiner Gemahlin durch ihre Anwesenheit das Fest in Ce- tinje verschönten.

Landesnachrichten.

' 3. September.

-r. Wie im Vorjahr hat auch Heuer wieder der Württ. Landesfischereiverein aus den nordischen Ge­wässern von Schweden und Dänemark über 10 000 Stück Edelkrebse bezogen und dieselben in Par­tien von 200 500 Stück an über 20 ihm ange­schlossene Bezirksvereine gratis verteilt zur Besetzung von hiezu geeigneten Büchen. Auch der Fischerei- Verein' ,,oberes Nagoldtal" erhielt gestern wieder Ä00 Stück, die in die Waldach bei Unterschwandorf, in den Agenbach unterhalb Sulz und in die Na­gold unterhalb der Stadt ausgesetzt wurden. Es sind sehr schöne Tiere, und ist nur zu hoffen, daß sie sich bei uns halten und vermehren.

n. Freudcnstadt, 2. Sept. Gestern mittag 12 Uhr wurde hier die am Hotel zur Post angebrachte Gedenktafel für die Fürstin Eugsnie von Hoheu- zollern-Hechingen enthüllt, die von der Hechinger Bürgergesellschaft ,,Abendverein" zum Gedächtnis an den am l. Sept. 1847 im Hotel zur Post erfolg­ten Tod der damals gerade aus einer Reise be­findlichen Fürstin gestiftet worden ist. An der Feier beteiligten sich eine große Anzahl Hechinger Bür­ger, die Bezirksbeamten von Freudenstadt und die städtischen Kollegien. Die. aus Marmor gefertigte Tafel trägt zwischen dem Hohenzollerischen und Leuchtenbergseben Wappen die Inschrift:Eugenie.

Schwarz Wälder I o n n t a g s b l a 1t.

Fürstin von Hohenzollern-Hechingen, Herzogin von Leuchtenberg, gest. 1. Sept. 1847. Dre verstorbene Fürstin ist ihrem Lande und ihren Landeskindern eine Wohltäterin in des Wortes vollster Bedeutung gewesen. Aus ihren reichen Mitteln hat sie Not und Elend gelindert, wo immer sie es fand. Noch heute genießen viele Arme und Kranke, sowie Kir­chen und Schulen den Segen ihrer zahlreichen Stif­tungen. - Heute mittag ist Oberamtswundarzt Dr. Büttner nach schwerer Krankheit gestorben.

* Hornberg, OA. Calw, 2. Sept. Zur 40jähr. Wiederkehr der großen Tage von ! 870/7 l machte auch die hiesige Gemeinde ihren Veteranen eine Freude. Als-Eh r e n g ab e wurden jedem der noch lebenden 3 Veteran en 25 Mark gespendet.

Ii Stuttgart, 2. Sept. (Strafkammer.) Der Taglöhner Albert Glaser, der einem Arbeiter den Geldbeutel mit 3 Mark Inhalt stahl, wurde als rückfälliger Dieb mit 5 Monaten Gefängnis be­straft. Außerdem wurde der Angeklagte zur Siche­rung des Strafvollzugs in Haft genommen. Der vielfach vorbestrafte Photograph Wilhelm Högg von Ludwigsburg wurde wegen Betruges zu 1 Jahr 3 Monaten Zuchthaus und 3 Jahren Ehrverlust ver­urteilt.. Er hatte bei einer auswärtigen Firma un­ter falschen Vorspiegelungen Waren im Werte von etwa 300 Mark bestellt und sofort veräußert. In Anbetracht seiner vielen Betrugsvorstrafen wurden mildernde Umstände ausgeschlossen.

js Stuttgart, 2. Sept. Die neue Cannstatter Dragonerkaserne soll am 28 Sept. bezogen werden. Die Wachtmeister haben bereits am letzten Samstag ihren Umzug von der alten Stuttgarter in die neue Cannstatter Kaserne vollzogen. An der Vollendung des Kasinogebäudes und der zu diesem hinaufführen­den Staffel (Römerstafsel) wird mit allem Eifer ge­arbeitet; im Souterain ist die Küche, darüber der Speisesaal, oben sind Wohnungen für zwei Fahnen­junker und einen Kasinoverwalter untergebracht. Münster zu. außerhalb des Komplexes, stehen drei Gebäude mit 27 Wohnungen für verheiratete Un- vffiziere w.

- Aalen, 2. Sept. Vom Brieftaubeuverein Lud­wigsburg wurden in Goldshöfen 95 Brieftauben aufgelassen. Nach zwei Stunden waren 88 Tau­ben nach Ludwigsburg wieder zurückgekehrt.

st Neuhaufcn a. F., OA. Eßlingen, 2. Sept. Dieser Tage feierte der Reichstagsabgeordnete und Dekan des Dekanates Neuhausen, Leser, sein 40- jähriges Priesterjubiläum. Leser hat auf seinen früheren Stellen und seit 12 Jahren in Neuhausen überaus segensreich gewirkt und genießt die Vereh­rung der ganzen Gemeinde. Er hat sich als Schriftsteller einen guten Namen erworben und die Leser durch seinen köstlichen Humor und durch le­bendige Schilderung erfreut.

st Steinheim, OA: Marbach, 2. Sept. Unter der hiesigen Kinderwelt trassieren die roten Flek- ken, sodaß die Schulen geschloffen werden mußten. In Höpfigheim herrscht unter der Kinderwelt die Diphteritis.

st Kirchheim u. T., 2. Sept. Gestern nachmittag hat sich ein 16 Jahre alter Lehrling, der im hie­sigen Geflügelhof angestellt war, mit einem Ter- zerol erschösse n. Die Kugel hatte das Herz durch­bohrt, sodaß der Tod sofort erfolgte. Begangene Unregelmäßigkeiten sollen das Motiv zur Tat sein.

Ein a-stern nacht elf Uhr von Schlierbach mit seinem Fuhrwerk beimkehrender Müllerknecht wurde Halbswegs Kirchheim von 3 Burschen überfallen und unter Vorhalten eines Revolvers seiner Barschaft von 12 Mark beraubt. Dir Täter gingen in der Richtung nach Schlierbach flüchtig: es wird eifrig nach ihnen gefahn'kwd

st Zogenweiler, OA. Ravensbu-g, 2. Sept. In Bettenweiler streiken sämtliche Bauern kn echte und haben die Arbeit niedergetegt.

! j Gmünd, 2. Sept. In der letzten Äemeinde- ratssitzung wurde auf Antrag des' Gewerbeschnl- rais beschlossen, zur Bekämpfung der Schundliteratur diejenigen Handlungen und Geschäfte aus der Tur­nusliste für städtische Arbeiten zu streichen, welche Schundliteratur verkaufen. An die Beratung die­ser Angelegenheit schloß sich ein? Erörterung der Frage, ob und in wie weit eine vereinigte Biblio­thek der verschiedenen hier bestehenden vereinzelten Bibliotheken bewirkt werden könne. An di? betei­ligten Kreis? soll die Anregung ergehen, diese Frage zur Aussprache zu bringen. Es wurde hie­bei hervorgehoben und begrüßt, daß zur Zeit für eine derartige große vereinigte Bibliothek eins bes­sere Stimmung in der Bürgerschaft zu bemerken sei als früher. Bemerkenswert ist auch der Beschluß, e'nen Handwerksmeister aus der Turnusliste zu strei­chen, weil er seinen Lehrling nicht zum regel­mäßigen Besuch der Gemeindeschule anhält.

Gmünd, 2. Sept. Heute früb starb hier Oberlehrer Durst, Senior der Lehrer Württembergs,

im 94. Lebensjahr stehend. Der Verstorbene wurde am 9. Dezember 1816 zu Pfauhausen OA. Eßlin­gen geboren, besuchte 1834- 36 das hiesige Schul­lehrerseminar und wirkte von 1845 an in Gmünd. Am 1. Juni 1888 trat er in den Ruhestand. An­läßlich seines 50jährigen Dienstjubiläums im Jahre 1886 ehrte ihn die Stadt Gmünd und zwar als ersten durch Verleihung des Ehrenbürgerrechts.

* Nürnberg, 2. Sept. Der wegen Raubmordes verfolgte Reisende Dick ist bei dem Versuch, ein Fahr­rad zu verkaufen, in Burgkundstadt in Oberfranken verhaftet worden.

* München, 2. Sept. Der seit 5 Tagen und Nächten in Bayern niederströmende Regen und die Wolkenbrüche, die im Gebirge niedergehen, haben reißendes Hochwasserim Gefolge. Die Wild­bäche stürzen von den Höhen tosend zu Tal, alles! überschwemmend, Häuser mit sich reißend. Die Ernte ist vernichtet. Totes Vieh schwimmt in den Flüssen, wie in der Traun, die ans ihren Uferni getreten ist. Auch Isar und Lech steigen stetig. Die Häuser bei Traunstein sind von Wasser umgeben. Die um Hilfe flehenden Menschen sind schwer zu erreichen, da die Kähne fortgerissen sind. Wenn der Regen nicht bald anfhört, so wird ein furchtbarer Notstand einreißen.

st Charlottenburg, 2. Sept. Das neue Dienst­gebäude des Reichsmilitärgerichts wurde heute mit­tag durch den Kaiser eingeweiht. Der Kron­prinz, Bürgermeister Burchard-Hamburg und eine große Anzahl Generäle, Vertreter der Städte Berlin und Charlottenburg, der Polizeipräsident von Ja- gow und Bildhauer Prof. Manzel waren erschienen. Nach der Einmauerung der für den Schlußstein des Gebäudes bestimmten Urkunde vollzog der Kaiser die üblichen drei Hammerschläge, ihm folgte der Kronprinz, sowie der preußische, bayerische, säch­sische und der württembergische Kriegsmiuister. Dann wurde noch ein Rundgang durch das Ge­bäude unternommen. An dem darauf folgenden Frühstück nahm auch der Kronprinz teil. Der Kai­ser stiftete für das Gebäude fein Bild, ebenso der Prinzregent von Bayern und die Könige von Sach­sen und Württemberg.

* Bochum, 2. Sept. Nach dem Genuß von ge­hacktem Rindfleisch sind in Werne 46 Personen un­ter Vergiftungserscheinungen erkrankt. Auch in Lan­gendreer sind eine Anzahl Personen in Mitleiden­schaft gezogen worden. Wie es heißt, ist das be­anstandete Fleisch, das von zwei Werner Metzgern verabfolgt wunde, von auswärts bezogen worden. Mehrere Personen wurden dem Krankenhause zuge- sührt. Ihr Zustand ist bedenklich.

Ausländisches.

st Innsbruck, 2. Sept. Aus einzelnen Gebieten Vorarlbergs treffen Nachrichten von Unwetter­schäden und Hochwassergefahr ein. Infolge der andauernden Regengüsse sind überall die Flüsse und Bäche im Steigen begriffen, teilweise sind be­reits Straßen und Felder überflutet. Der ungerich­tete Schaden ist sehr beträchtlich.

st Innsbruck, 2. Sept. Der Brand des Karer- seehotels hat, wie erst heute bei den Aufräumungs- arbeiten entdeckt wurde, ein Menschenleben ge­fordert. Unter den Trümmern wurde die verkohlte Leiche eines Soldaten gefunden, der bei den Lösch­arbeiten verunglückt war. Sein Verschwinden hatte man bisher als Fahnenflucht erklärt.

* Brüssel, 2. Sept. Die Konferenz der inter­parlamentarischen Union hat gestern ihre Arbeiten beendigt und bestimmt, daß sie 1911 in Rom ragen wird. Die Konferenz nahm den Antrag des belgischen Abgeordneten Frank an, dahin zu wirken, daß die Staaten die Beschlüsse der Lon­doner Seekriegskonferenz von l 908 annehmen. Fer­ner wurde die Aufhebung des Seebeuterechtes und die Begrenzung des Blockaderechtes auf Kriegs­häsen und befestigte Plätze gewünscht. Die Konferenz wünschte die Einsetzung eines Ausschusses, der je­weils Vorschläge machen soll für die Tagesordnung der Haager Friedenskonferenz.

^ Konstantinopcl, 2. Sept. In den Dardanellen erfolgte gestern durch feierlichen Flaggenwechsel die Uebsrgabe der deutschen Kriegsschiffe an die tür­kische Marine. Die Schiffe werden am Samstag im Hafen von Konstantinopet erwartet.

BesteCßM Me sofort rmsere ZeitAttg für Monat September.

Voraussichtliches Wetter

am Sonntag. den 4. September: Vorwiegend bewölkt, vereinzelte Regenfälle, mäßig kühl?