Landesnachrichten.

Att«rrfl«ig- 3. August.

* Das Konsulat der Allg. Radfahrer-Union Jena i. Th. trifft heute abend auf seiner Wanderfahrt hurch den Schwarzwald hier ein. Das Ziel der Fahrt ist Heilbronn und das dortige Radfahrerfest. Die Mitglieder des hiesigen Radfahrervereins wer­den voraussichtlich die Gäste begrüßen.

* Freudenstadt, 3. August. Vom heutigen Tage ab ist in den Zeichensälen des Realschulgebäudes eine Wanderausstellung gegen den Al lo­hn lismus untergebracht, welche bis 10. August täglich von vormittags 8 Uhr bis abends 8 Uhr geöffnet ist. Die Ausstellung führt in objektive« Darstellung alle Tatsachen vor, die sich auf den Mißbrauch der geistigen Getränke beziehen und gibt ein anschauliches Bild von dem, was wir über den Alkoholismus wissen.

s Herren alb, 2. August. Bei Maisenbach wurde durch den Landjäger ein Fabrikarbeiter von Zainen beim Wildern ertappt und eine längere Strecke weit verfolgt. Schließlich gab der Landjäger einen Schreckschuß ab, worauf der Wilddieb festgenommen werden konnte.

* Tübingen, 2. August. (Strafkammer.) Wegen Diebstahlsrückfall wurde der Schmiedgeselle Karl Riebet von Alpirsbach zu 4 Monaten Gefäng­nis verurteilt. Er hat beim Verlassen seiner Arbeitsstätte in Kusterdingen seinem Arbeitsgenos- scu. Lehrling Lutz, 1 Mark 30 Pfg. gestohlen.

j s Tübingen, 2. August. Der in der Paulinen- pflege Kirchheim erzogene und seit Frühjahr bei einem Schreinermeister in Urach in der Lehre be­findliche 14 Jahre alte Friedrich Kilian von Stutt­gart versuchte das Anwesen seines Meisters nieder­zubrennen, um aus der Lehre zu kommen. Der bis jetzt gut beleumundete junge Mensch wurde heute zu 1 Jahr drei Monaten Gefängnis verur­teilt.

js Mtdorf, OA. Böblingen, 2. August. Heute vormittag brach in der Scheuer der Jakob Hahn Witwe am Bach auf bis jetzt unaufgeklärte Weise Feuer aus, das sie vollständig in Asche legte. Die angrenzende Scheuer des Johs. Hermann wurde teil­weise zerstört.

st Horrheim, OA. Vaihingen, 2. August. Trotz vorhandener Warnungstafeln berührte ein Mann die vorhandene elektrische Motorleitung, zuerst mit einer Hand und dann mit beiden Händen. Er litt große Schmerzen, bis ihn ein Eingeweihter aus seiner schrecklichen Lage befreite. Bon Glück kann er sagen, daß er mit dem Leben davongekommen ist.

st Leonberg, 2. August. Gestern abend fuhr ein Automobil des Automobilgeschäfts Paul Staiger in Stuttgart auf einer Probefahrt auf dem Engel­berg auf einen Baum und wurde vollständig zer­trümmert. > Die zwei Chauffeure kamen mit dem Schrecken davon, während der Hausmeister Emil Koch aus Stuttgart, Vater von vier unmündigen Kindern, den die Chauffeure unterwegs zur Mitfahrt eingeladen hatten, mit schweren Verletzungen ins Leonberger Krankenhaus geschafft werden mußte, wo er heute nacht gestorben ist.

X Zuffenhausen, 2. August. Am Sonntag abend gegen sieben Uhr wurde, wie bereits kurz gemeldet.

die seit Anfang voriger Woche vermißte 12 Jahre alte Helene Faber aus dem Mühlkanal unterhalb der Neckarbrücke bei Cannstatt gezogen. Das sehr kräf­tig entwickelte Mädchen scheint aber, wie sich jetzt zeigt, freiwillig aus dem Leben geschieden zu sein, da es schon vor einigen Wochen eine solche Absicht Schulkameradinnen gegenüber geäußert hat. Das Mädchen hat die Tat jedenfalls aus übertriebenem Ehrgefühl ausgeführt, da sie sich schämte, daß ihr von andern Mädchen zum Vorwurf gemacht wurde, daß sie nur das Adoptivkind der Faberhchen Ehe­leute sein. Die Tat ist um so unbegreiflicher, als das Mädchen von seinen Adoptiveltern wie ein eige­nes Kind behandelt und erzogen wurde.

st Stuttgart, 2. August. Der Verein württ. Verwaltungskandidaten hält am 7. d. Mts.- in Stuttgart (Bürgermuseum > seine diesjährige Lan- desversammlung ab.

st Stuttgart, 2. August. (Strafkammer.) Ein Schäfer von Münchingen wurde zu 1 Tag Gefängnis verurteilt, weil er es unterlassen hätte, den Aus­bruch der Räude unter seiner Schafherde der Poli­zeibehörde anzuzeigen.

* Stuttgart, 2. August. An der Kamerz des Restaurateurs K. Elser, Ecke See- und Wiedsrhoild- straße, sind die ersten gefärbten Trauben zu Mhen. Es naht der Herbst'.

st Ludwrgsburg, 2. August. Von der gleislo­sen elektrischen Straßenbahn Ludwigs- burg-Aldingen, deren Teilstrecke Ludwigsburg-- weil schon bis Ende dieses Monats dem Betrieb übergeben werden sollte, hört man noch nicht viel. In den letzten Tagen hat der Gemeinderat den Ko­stenvoranschlag der Firma Köhlers Bahnpatente in Bremen für Bau und Ausstattung der Bahn ge­nehmigt. Er beläuft sich auf 280 000 Mark, worun­ter 16 250 Mark Betriebskapital.

st Hellbraun, 2. August. In der vorletzter» Nacht wurde ein hiesiger Schlosser von einem auf Urlaub befindlichen Artilleristen auf der Straße vor einer Wirtschaft mit dem Säbel am Kopfe so schwer verletzt, daß er in das Krankenhaus ver­bracht werden mußte, wo er nach Anlegung eines Verbandes wieder entlassen wurde. Der Täter ist festgestellt.

st Gmünd, 2. August. Gestern fand hier der 13. Berbandstag der selbständigen Buchbinder Württembergs statt.

st Gmünd, 2. August. Dieser Tage feierte die Firma Gebr. Kühn, Tilberwarenfabrit hier, das Ju­biläum ihres 50jährigen Bestehens. Das gesamte Kontor- und Geschäitspersonal, gegen 400 Perso­nen, Vereinigte sich mit der Familie des Chefs, Fabrikanten Gustav Kühn, zu einer würdigen Feier. Am Tage der Feier war zugleich der 50. Geburts­tag des Chefs, der nun seit 25 Jahren als Cchef tätig ist. Also ein dreifaches Jubiläum.

st Saulgau, 2. August. Bei der heute stattge­habten Stadtschultheißenwahl haben von 68 l Wahl­berechtigten 604 äbgestimmt. Gewählt wurde Rats­schreiber Lutz mit 573 Stimmen.

st Vom Bodensee, 2. August. Einen Gleitflisger von ansehnlicher Dimension haben zwei Studierende der Konstanzer Jngenieurakademie in aller Stille fertiggestellt. Er wird in den nächsten Tagen nach dem von den Aviatikern Schlegel und Züst zur Ver­fügung gestellten Aeroplanschuppen auf dem Exer­

zierplatz übergeführt werden. Der Apparat soll prakti­schen Studien dienen und am Fürstenberg seinen ersten Flug wagen. - Neben zwei Fe­riensonderzügen von Norddeutschland traf gestern nachmittag halb 5 Uhr ein ganz merkwürdiger Son­derzug im Lindauer Stadtbahnhof ein, ein Zi- geune rextrazug, der vorgestern in Schirmeck an der französischen Grenze abgegangen war und abends in Bregenz eintrefsen sollte. Der Sonderzug enthielt außer einem Personenwagen 3. Klasse, in dem 33 Zigeuner und 5 elsässische Gendarmen Platz genommen hatten, zwei Güterwagen mit einem Pferd, mehrere Bären und Affen, sowie einige Wa­gen, auf dem die Zigeunerwohnwagen sich befan­den. Es waren österreichische Zigeuner aus Bos­nien, die seit 14 Jahren in der Welt herumziehen, von Frankreich ausgewiesen wurden und seit nahezu 6 Monaten in Schirmeck unter polizeilicher Auf­sicht interniert waren. Die Kosten, die diese vaga­bundierenden Gesellen dem Reich bis jetzt verur­sacht haben, belaufen sich jetzt schon, wie einer der begleitenden Gendarmen versicherte, auf über 10 000 Mark. Im Bahnhofe zu Lindau wurde den Zigeu­nern ein Empfang zu teil, wie ihn wenig Sonder­züge erhalten. Außer zahlreicher Polizeimannschaft und bayerischer Gendarmerie, bayerischen und öster­reichischen Grenzschutzbeamten waren der Magi­stratsvorstand mit einem Polizeioffizianten, ein Ver­treter des Bezirksamts, ein österreichischer Polizei­oberkommissär, ein bayerischer und ein österreich­ischer Grenztierarzt, bayerische und österreichische Bahn- und Zollbeamte anwesend. Der Extrazug sollte eine halbe Stunde Aufenthalt haben, allein trotz vorheriger schriftlicher und telegraphischer Kor­respondenz u. telephonischer Verständigung der Be­hörden untereinander gab es Schwierigkeiten über Schwierigkeiten. Zuerst wollten die österreichischen Zollbeamten den Zug nicht weiter fahren lassen, ehe nicht der Zoll für das Pferd, den Bären und die Affen bezahlt sei, die österreichischen Bahnbe- amrsn verlangten Bezahlung der Fahrt bis Bregenz trotz der österreichischen Uebernahmszusicherung. Endlich gelang es, diese Schwierigkeiten zu behe­ben bis auf eine, die zum Schluß der österreichische Tierarzt machte. Er erhob Bedenken gegen die Ein­fuhr des Pferdes nach Oesterreich. In letzter Minute wurde auch dieses Bedenken noch beseitigt. Es fand sich ein Lindauer Bürger, der dem Zigeunerhäupt­ling bare l00 Mark auf die Hand legte, wogegen das Zigeunerrößlcin morgen den Weg alles Irdischen gehen wird, uni alsLandjäger" wieder seine Auf­erstehung zu feiern.

st Pforzheim, 2. August. In Pforzheim, der Goldwaren stad t, liegt bekanntlich Goldstaub auf der Straße. Aber auch Diamanten sind bisweilen zu finden. So verlor dieser Tage jemand einen Ring mit einem Diamanten von zweieinhalb Karat, im Wert von über 800 Mark. Ein anderer verlor ein Portemonnaie, das noch mehr wert war, denn es enthielt l200 Mark. Die ehrlichen Finder haben sich bescheidenerweise noch nicht gemeldet.

st Baden, 2. August. In Villingen-Skadt .ist das Sammeln von Heidelbeeren und Preiselbeeren allen Fremden verboten. Eine Anzahl Schwenninger wurden dort beim Beerensammeln angetroffen. Die Polizei belegte die gesammelten Beeren mit Beschlag

Laß Dich in Deines Schaffens Lauf Durch Mißerfolge nicht verdrießen Und wirs die Flinte nicht ins Korn,

Sonst hebt ein anderer sie auf,

Den Vogel damit abzuschießen.

E. Pein.

Die Brillantagraffe.

Erzählung von Reinhold Ort mann.

(Fortsetzung ) (Nachdruck verboten.)

Nach dieser Unterhaltung war Frau Myra erst recht nicht mehr in der Stimmung, Akos Szakälys glühenden Brief zu be­antworten, und sie verbrachte einen ihrer übelsten Tage. War sie doch in der fatalen Gemütsverfassung eines Menschen, der mit Ungeduld auf etwas wartet, daß er sichssehnlich wünscht und dessen Eintritt er doch aus eigener Macht nicht zu be­schleunigen oder herbeizuführen vermag. Und ob sie sich auch sträubte, es ihrem eigenen Herzen zuzugestehen, dieses Etwas war in Wahrheit nichts andres als der Besuch des Dr. Hain- roth, auf den sie schon seit dem frühen Morgen im stillen ge­hofft hatte, und der nun doch ausblieb. Der Doktor hätte nach ihrem Dafürhalten nicht nur ein Recht, sondern geradezu die Pflicht gehabt, sich heute nach ihrem Befinden zu er­kundigen, sowohl in seiner Eigenschaft als ihr Arzt, den sie schon wiederholt wegen unbedeutender nervöser Beschwerden konsultiert hatte, wie vor allem als ihr Kavalier vom gestrigen Abend und als ein Zeuge des unangenehmen Vorkommnisses in seines Oheims Hause.

Und es gab zu alledem noch etwas andres, das sie nach ihrer Meinung berechtigt hätte, gerade heute seinen Besuch zu erwarten. Ihre Unterhaltung während der gestrigen Abend- tafel war keines von den gewöhnlichen, nichtssagenden Tisch­gesprächen gewesen, mit denen man sonst in der Gesellschaft die Zeit zu röten pflegt.

Akos Szakälys eifersüchtiger Argwohn hatte so ziemlich das Rechte getroffen, als er in dem Benehmen des Arztes den Wunsch zu erkennen geglaubt, Frau Myra zu gefallen. Nur daß es durchaus kein Hofmachen im landläufigen Sinne des Wortes gewesen war. Für einen sogenannten Flirt machte seine ernste Natur den Dr. Hainroth sehr wenig geeignet. Er war weder ein glänzender Plauderer, noch ein liebenswürdiger Charmeur. Seine persönlichen Vorzüge bestanden vielleicht einzig in seiner rückhaltlosen Aufrichtigkeit, in der Schlichtheit seines Wesens und in dem mitleidsvollen Verständnis, das er für alle Besonderheiten und Schwächen seiner Nebenmenschen hatte. Unter den Männern, die Frau Myra seit ihrer lieber, siedlung nach Berlin entgegengetreten waren, war er sicherlich weder der imposanteste noch der bestechendste. Und wenn sie ihm trotzdem während des gestrigen Abends ziemlich unzwei­deutig zu verstehen gegeben hatte, daß keines andern Mannes Gesellschaft ihr soviel Freude bereite als die seinige, so konnten es einzig seine Ehrlichkeit und seine Herzensgüte gewesen sein, die ihm zu solchem Erfolge verholfen hatten. Aber eine Frau, die mit der Offenbarung ihrer Empfindungen bis an die Grenze des Zulässigen gegangen ist, kann nicht tiefer gekränkt, in ihrem weiblichen Stolz nicht tödlicher verwundet werden als durch ein Nichtverstehen oder ein Nichtbeachten ihres er­mutigenden Entgegenkommens. Und das Benehmen des Doktors seine unbegreifliche Zurückhaltung bei ihrem gestrigen Aufbruch, wie sein heutiges Ausbleiben ließen kaum eine andere Deutung zu als die, daß er seinen Beziehungen zu der jungen Witwe einen intimeren Charakter nicht zu geben wünsche.

Die Tiefe des Schmerzes erst, den sie darüber empfand, machte ihr offenbar, welche Rolle die nun zerstörten Hoffnungen

in ihrem Leben bereits gespielt hatten, und die schöne, viel- beneidete junge Frau fühlte sich heute so unglücklich, wie kaum je in ihrem Leben.

Am Nachmittag des folgenden Tages, als sie es längst aufgegeben hatte, ihn zu erwarten, ließ Dr. Hainroth sich dennoch bei ihr melden. Myras Herz klopfte rascher, und ihre Wangen brannten wie die eines schämigen jungen Mädchens.

! als sie das Zimmer bettat, in dem er ihrer harrte.

Aber ein einziger Blick auf sein Gesicht belehrte sie, daß st« keine Veranlassung habe, sich seines Besuches zu erfreuen. Denn er sah noch ernster aus als gewöhnlich, und die Ver­beugung, mit der er sie begrüßte, war so steif, wie wenn er damit von vornherein etwas wie eine unsichtbare Schranke zwischen sich und ihr anfrichten wolle.

Er erkundigte sich nach ihrem Befinden; aber er tat es . ausdrücklich im Aufträge seines Oheims, der zu seinem Be­dauern durch eine Ueberlast von Geschäften bisher verhindert worden sei, der gnädigen Frau seine Aufwartung zu machen. Dann, nachdem er sich ihrer Einladung folgend in einiger Entfernung von ihr niedergelaffen, gab es ein pein­liches, sekundenlanges Schweigen, ehe er zögernd und mit einer Unsicherheit, die sie bisher niemals an ihm wabrgenommen hatte, sagte: "" . - --.7- --

Ich komme soeben aus dem Detektivvnrrau, oas mn ven Nachforschungen über den Verbleib Ihrer Brillantagraffe be­baut worden ist. Und ich habe es übernommen. Ihnen von rem bisherigen, leider noch sehr unbefriedigenden Ergebnis >er Recherchen Kenntnis zu geben."

Frau Myra, die seiner verletzenden Steifheit gegenüber :asch die gewohnte Haltung der selbstsicheren Weltdame wieder« zesunden hatte, machte eine leicht abwehrende Geste.

Zch bin Ihnen sehr dankbar, Herr Doktor, daß Sie sich