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Verlag u. Druck der W. Rieker'schen Buchdrucker» (L. Laut), Altensteig.

Mittwoch, de« 3. Arrgrrk.

«mtSblatt fir Pfal»grkfe«weiler.

Der spanische Konflikt mit dem Vatikan

Ein Jahr ist verflossen, seitdem Spanien von jener Erschütterung heimgesucht wurde, die als eine der schwersten in der an Wechselfällen überreichen Geschichte des Landes verzeichnet steht. Es war in den letzten Tagen des Juli, als der Mißerfolg der spanischen Truppen in Marokko den Anlaß zu solch tiefgehender Erregung über die kriegerischen Kolo­nialabenteuer einer reaktionären Regierung führte, daß aus der allgemeinen Empörung des Volkes schließlich der offene Aufstand erwuchs. Während die spanischen Truppen die öden Berge und steilen Schluchten um Melitta mit ihrem Blute tränkten, kämpften die Arbeiter Barcelonas und anderer Orte Kataloniens auf den Barrikaden gegen die Regi­menter, die das Ministerium Maura zum schütze der bedrohten Kirchen und Klöster aufgeboten hatte. Aber schon rauchten hundert und mehr der zahl­losenheiligen Häuser" in Trümmern, als Flam­menzeichen eines stets von neuem geschürten und lange verhaltenen Hasses. Es zeigte sich, daß die Religion in Spanien nie die Wirkung auf die Gemü­ter der Menschen geübt hatte, die ihres Wesens eigentlicher Sinn sein sollte. Eine ihren wahren Zwecken entfremdete Kirche hatte aus der Religion ein Mittel zur Verwirklichung selbstsüchtiger irdi­scher Machtgelüste und einen scheinheiligen Vor­wand geschaffen, um im Namen Gottes die Werke der Freiheit und der Zivilisation zu unterdrückend Sie hatte in die spanische Volksseele den Samen des Fanatismus gepflanzt und mußte es darum er­leben, daß der Geist, der aus der Saat hervorsproß, ihr selber gefährlich wurde.

Wenn die klerikale Frage sich in der Gegen­wart zu einer ungeahnten Schärfe zugespitzt hat, so geschah es, weil sie mehr und mehr einen öko­nomischen Charakter angenommen hatte. Das Land ist mit Klöstern übersät, die im Lanfe der Zeiten dem Nationalreichtum ungeheure finanzielle Mittel entzogen haben. Kaum daß man noch von einer toten Hand" zu 'reden vermag. Denn die Riesen­kapitalien des kirchlichen Vermögens sind heute in Industrien, im Handel, im Gewerbe, in der Land­wirtschaft, kurz allenthalben fruchtbringend und sich von selbst vermehrend angelegt. Die nach Hundert- taüsenden zählenden Klvsterinsassen machen unter dem Schutz der Steuerfreiheit und billigster Pro- duktionsmöglichkeiten den erwerbstätigen Ständen des Volkes jede Art unlauterer Konkurrenz und ihr mühelos erworbener Gewinn bereichert wiederum die Kirche und befestigt ihre tiefwurzelnde wirt­schaftliche Macht von Tag zu Tag mehr, - im dessen das Land verarmt und sich entvölkert. Mehr als zweitausendfünfhundert Angehörige der höhe­ren Geistlichkeit und mehr als einundvierzigtausend der niederen muß die ausgebeutete Nation noch über­dies aus Staatsmitteln ernähren. Das sind die inneren Ursachen, die vor einein Jahre zu den blu­tigen Klosterstürmen von Katalonien führten. 'In diesen Tatsachen ruhen auch im wesentlichen die treibenden Kräfte, die den gegenwärtigen Kon­flikt mit dem Vatikan beherrschen und die nun wohl nicht mehr eher zur Ruhe kommen werden, als bis die Emanzipation vom Joche einer Priester- Herrschaft, die Spanien seit Jahrhunderten geistig und wirtschaftlich nur ausgebeutet hat, zur Wahr­heit geworden sein wird.

Es hat Zweifler genug gegeben, die das spanische Volk schon nicht mehr für fähig hielten, diesen Be­freiungskampf zu Ende zu führen, die vielmehr meinten, daß die. ewigen Fesseln klerikaler Fremd­herrschaft in ihm den ernsten Willen und die Kraft zum Kulturfortschritt völlig zunichte gemacht hätten. Aber auch den Skeptikern u. kritischsten Beurteilern mußten die Barrikadenkämpfe von Barcelona und die mächtige Bewegung, die der Erschießung Fer- rers folgte, zu denken geben. Darum hat die po­litische Welt die Aera des demokratischen Ministe­riums Canalejas von anfang an mit starkem In­teresse verfolgt und blickt jetzt, da der mutige Staats­mann den Fehde-Handschuh, den ihm die übermütige

Kurie hinwarf, init kühner Energie ausgenommen hat, mit Spannung auf den beginnenden ungewöhn­lichen Kampf. Man erinnert sich wohl noch ver­äußeren Anfänge des Konflikts. Das demokratische Kabinett war mit dem Programm einer nationalen Erneuerung zur Regierung gekommen. Spanien sollte auf dem Wege großzügiger sozialer Reformen neu belebt und gekräftigt und gleichzeitig durch die Verweltlichung des Staatswesens politisch selbstän­dig gemacht und aus der Ausnahmestellung, die es als eine Provinz der Papstherrschaft bisher in der Welt einnahm, erlöst werden. Spanien unter die modernen Knlturnationen einzureihen, das war die hohe Aufgabe, die sich Canalejas zum Ziel gesetzt hatte! Bei solchen Plänen mußte es von vornherein klar sein, daß es zwischen Madrid und Rom zu heftigen Reibungen, vielleicht sogar zu schwerem Streite kommen würde. Hat doch der Vatikan noch niemals freiwillig auf Rechte verzichtet, die er sich infolge der Schwäche kurzsichtiger Regierungen hatte anmaßen können. In einem Dekret vom 10. Juni erlaubte Canalejas den nicht katholischen Kultus­gemeinden, ihre Gotteshäuser, was ihnen bis dahin verboten war, durch äußere Zeichen und Symbole vor den Augen der Bevölkerung kenntlich zu machen. Mit dieser Verfügung, die einer kulturellen Selbst­verständlichkeit auch für Spanien Geltung zu ver­schaffen wagte, begann der offene Konflikt. Der Vatikan protestierte gegen dieses allereinfachste Ge­bot der Toleranz. Er behauptete, die Regierung habe damit das Konkordat, das die katholische Re­ligion zur alleinigen Staatsreligion erklärt, und gleichzeitig die Privilegien, die das Papsttum stets genossen, einseitig verletzt. Angesichts der offen­kundigen Absichten Roms, die bereits vorher von Madrid aus angeknüpften Verhandlungen zur Re­form des Konkordats endlos in die Länge zu ziehen, ging Canalejas nunmehr außerdem daran, die Zahl der religiösen Orden einzuschränken und diejenigen ganz aufzulösen, die den gesetzlichen Be­dingungen ihrer Zulassung nicht Genüge geleistet hat­ten. Auch gegen dieses Vorgehen legte der Papst Verwahrung ein. Zahlreiche diplomatische Noten sind in diesen letzten Wochen zwischen der spani­schen Regierung und dem Vatikan gewechselt wor­den. Die letzte, die der Kardinalstaatssekretär Merry del Val im Namen des Papstes in seine spanische Heimat sandte, trug den Charakter eines Ultima­tums. Canalejas hat die Herausforderungen der anr eine unnatürliche und falsche Machtstellung po­chenden Kurie mit der Abberufung des Botschafters Ojeda beantwortet. Er hat mit dieser Tat eine pa­triotische Gesinnung und Selbstachtung bewiesen, wie sie seit den Tagen Mendizabals, noch keinem spanischen Staatsmann eigen war. Der Minister­präsident hat nicht etwa jäh und in der Hitze kriege­rischer Stimmung zum Bruch getrieben. Die intran sigente Gesinnung war auch in diesem Falle wieder ganz allein beim Vatikan. Hat doch Canalejas stets betont, daß er gern bereit sei, alles zu versuchen, um mit der Kirche zu einer versöhnlichen Lösung der sie betreffenden Fragen zu gelangen. Doch müsse man, so fügte er hinzu, auch bedenken, daß es Fra-> gen gäbe, bei denen der Staat keine andere Auto­rität als die eigene gelten lassen dürfe. Die öffent­liche Meinung werde verstehen müssen, daß es sich bei diesem ernsten Schritt um die Ehre und Würde der Nation gehandelt habe.

Der Ministerpräsident hat die Urteilskraft des spanischen Volkes in der Tat nicht unterschätzt. Das Land ist bei den Vorgängen vollkommen ruhig geblie­ben, viel ruhiger, als Vs Frankreich nach den Maß­nahmen Combes' gewesen ist. Nur die klerikalen Elemente haben ein Interesse daran, an Unruhen glauben zu machen. Die reaktionäre Presse hatte lange genug durch Drohen mit dem Bürgerkrieg ver­geblich versucht, das Ministerium einzuschüchtern. Nun, da der Bruch zur Wirlichkeit geworden, täuscht sie völlige Zufriedenheit über den Ausbruch des offenen Konfliktes vor, weil er ganz sicher auch das Ende der fortschrittlichen Regierung sein werde. Einsichtige klerikale Kreise werden sich jedoch kaum

der Erkenntnis verschließen, daß Canalejas' Sturz der Anfang einer Aera von Abenteuern sein würde, die zu vermeiden die Monarchie aus Gründen der Selbsterhaltung das allergrößte Interesse hat. Die Monarchie aber ist, das darf man auch in Rom nicht vergessen, noch immer die treueste Stütze und Bun­desgenossin des Papsttums in Spanien gewesen.

Tagespolitik.

Zur Reichstags wähl in Cannstatt- Ludwigsburg wird der Franks. Ztg. geschrieben: Wenn jemals Ursache und Wirkung eines starken Um­schwunges der politischen Stimmung in den weitesten Kreisen des Volkes deutlich und unmittelbar erkenn­bar waren, so ist das der Fall zwischen der Reichs- ficha n z r e f o r m des vorigen Jahres und der nicht nur in der gesamten bürgerlichen Linken, sondern nach rechts und links über diese hinaus eingetre tenen Erbitterung, die sich in allen möglichen For­men kundgegeben hat und kundgibt und die bei den. inzwischen erfolgten Ersatzwahlen zu einer Verstär­kung der radikalsten Partei geführt hat. Gewiß, es haben zu dem Umschwung in der Srimmung der Wähler, der seit den Wahlen von 1907 sich jetzt fühlbar macht, auch noch andere Momente beige­tragen. Aber kein urteilsfähiger und objektiver Mensch kann leugnen, daß die weit überwiegende Hauptursache darin liegt, daß das konservative Ag- rariertum im Bunde mit dem Zentrum die zum ersten Male von einem Reichskanzler vorgeschlagene und im Bundesrat durchgedrückte, einigermaßen gleich und gerecht wirkende Besteuerung des Besitzes aus wirtschaftlichem Egoismus abgelehnt und an ihre Stelle den Verkehr schwer belastende Abgaben gesetzt, den Block gesprengt und den Fürsten Bülow zum Rücktritt gezwungen hat.

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Die Welzheim er Wahl soll wegen eines von sozialdemokratischer Seite verbreiteten Flugblat­tes angefochten werden. DerBeobachter" schreibt dazu: Unsere Freunde teilen uns mit, daß sie diese Wahl, die von der Sozialdemokratie in so schwindel­hafter Weise durchgeführt wurde, anfechten werden und sie hoffen mit Erfolg.

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Der Handel in Kiautschou hat sich nach den soeben veröffentlichten Ausweisen des chinesi­schen Seezollamtes für das l. Quartal 1910 wie­derum recht erfreulich weiter entwickelt. Die Gesamtzolleinnahmen betrugen 401 933 Hk. Tls. gegenüber 313 996 im Vorjahre und 939 363 Hk. Tls. im Jahre 1903. Der Schiffsverkehr ist von 107 auf 147 Dampfer gestiegen, auch der in der Statistik nicht besonders namhaft gemachte Dschun­kenverkehr hat zugenommen. Von wichtigen Aus­fuhrgütern des Schutzgebietes sind zu nennen: frische Eier, von denen anstatt 1 600 000 Stück im Vorjahr 7 330 000 Stück exportiert wurden: Erd­nüsse, die von 33 000 Pikuls auf 390 000 stiegen; Bohnenöl, von dem anstatt 373 Pikuls 6470 ausge­führt wurden. Zum ersten Male zeigt sich auch die Wirksamkeit der in dem Schutzgebiet neu ange­legten Salzpfannen, bei denen durch Sonnenaus- dünstnng des Meerwassers, ähnlich wie das die Ja­paner seit Jahren tun, Salz gewonnen wird. Es wurden fast 83 000 Pikuls exportiert. Ziegenfelle sind von 46 000 auf 70 000 Stück, Strohborten von 17 000 auf 94 000 Pikuls gekommen. In der Einfuhr ist namentlich bei den Metallwaren eine kräftige Steigerung zu konstatieren: auch die Ein­fuhr chinesischer Güter hat stark zngenommen. Der Rivale" Tsingtaus, Tschifu, ist um über 19 Proz. in seinen Zolleinnahmen zurückgegangen: Tsingtau hat um 73 Prozent zugenommen. Mit diesem Er­gebnis darf das Schutzgebiet recht zufrieden sein.