Deutlichkeit, die nichts zu wünschen übrig läßt. Sie Hetzen rund auseinander, daß die Verhältnisse in Baden die Annahme des Budgets durch die sozial­demokratische Landtagsfraktion aus verschiedenen Gründen unbedingt erfordert habe, daß man in Berlin und anderswo, wo man sich darüber ent­rüste, von diesen Verhältnissen nichts verstehe, und daß schließlich die Parteitagsbeschlüsse gegen die Bud getbewilligung eigentlich Unsinn seien, der so schnell als möglich aus der Welt geschaffen werden sollte, weil sich die Landtagsfraktionen doch nicht daran binden könnten. Das heißt, nicht alle sagen das, sondern nur solche, die viel Courage haben. Da man den badischen Abgeordneten auch vorwirft, daß sie .sich mit höfischen Sachen zu sehr eingelassen haben und daß sie beim Landtagsschluß dem Hoch auf den Großherzog nicht ausgewichen sind, so fra­gen die Badener, warum man den sozialdemokrati­schen Abgeordneten in Württemberg, die ebenfalls beim Hoch auf den König im Sitzungssaale geblieben sind, nicht auch den Prozeß mache. Aber der Vor­wärts, das Berliner Zentralorgan der Sozialdemo­kratie, erklärt das letzte damit, daß die württehn belgischen Genossen beim besten Willen nicht so ge­schwind aus dem Saale hätten entweichen können, sselbst wenn sie mit jungen Beinen versehen wä­ren, denn in Württemberg gehe es bei dem Land- tagsschluß kolossal fix her. Vielleicht glaubt man das in Berlin und den umliegenden Ortschaften: in Württemberg aber wird man darüber wohl la­chen. Es ist also in der Sozialdemokratie ein ganz niedlicher Streit im Gange, und er wird wohl auf dem Parteitage in Magdeburg nachzittern. Schlimm aber dürste es dort doch nicht werden, weil man kein Loch in die Segel stoßen möchte, die ein gün­stiger Wind jetzt so stattlich bläht.

Landesnachrichtrn.

' X Herrenberg, 29. Juli. Im Konkurse des I. G. Weik fand heute im hiesigen Amtsgericht eine Gläubigerversammlung statt, wobei ein neuer Gläu­bigerausschuß gewählt wurde. An dem Geschäfts- gebahren des I. G- Weik wurde stark Kritik geübt. Gestern kam der 20 Jahre alte Ulmerich von Mannheim ins hiesige Amtsgericht und gab an, er habe in Wiesbaden einen Einbruch verübt. Dis sofort vorgenommene Nachfrage ergab die Richtigkeit der Angabe. Der Bursche ist wegen der gleichen Vergehen schon mehrfach vorbestraft.

st Rottweil, 29. Juli. Der wegen Unterschla­gung in Untersuchungshaft befindliche Handelsleh­rer Heppeler machte heute vormittag einen Flucht­versuch. Als er um neun Uhr vom Amtsgerichts­gefängnis mit noch einer Gefangenen zum Land­gericht geführt werden sollte, zwecks Vorführung vor dem Untersuchungsrichter, entsprang er unter­wegs plötzlich der Heiligkreuzkirche entlang, hinter das Oberamtsgebäude in der Richtung gegen die Waldtorstraße. Den ihn sofort Verfolgenden gelang es, den Ausreißer hinter deralten Post" einzuholen und wieder dingfest zu machen.

st Stuttgart, 29. Juli. Heute vormittag scheute in der Ludwigsburgerstraße ein von einem Dra­goner geführtes Offizierspferd. Es riß den Mann zu Boden und schlug ihn mit den Hinterfüßen der­art auf den Kopf, daß er bewußtlos liegen blieb.

st Stuttgart, 29. Juli. Anläßlich der Tagung des Bundesvorstandes der Süddeutschen Vereinig­ung des Christlichen Sängerbundes deutscher Zunge findet am Sonntag den 31. Juli im Festsaal der Liederhalle ein Gesangfest statt, bei dem gemischte Chöre und Männerchöre von Groß-Stuttgart und Eßlingen milwirken werden. Der Christliche Sän-

Schwarzwälder Sonntagsblatt.

i gerbund, eine geschlossene Verbindung von Christi. Gesangvereinen landeskirchlicher und freikirchlicher Benennungen, erstreckt sich über Deutschland, die Schweiz, Rußland, Oesterreich. Etwa 1000 Vereine mit 23 000 Mitgliedern sind bis heute ihm ange- schlossen.

st Leonberg, 29. Juli. Gestern wurde ein Orts­steuerbeamter des vorderen Amtes nach Stuttgart in die Untersuchungshaft gebracht. Es handelt sich um Unterschlagung und damit verbundene Urkundenfäl­schung. Die veruntreute Summe soll 600 Mark betragen.

st Göppingen, 29. Juli. An den Folgen einer Milzb randvergiftung ist kürzlich ein in einer hiesigen Lederfabrik beschäftigter Arbeiter gestorben. Er hatte sich bei der Arbeit an der Haut einer an Milzbrand gefallenen Kuh augesteckt: das Milz­brandgift wirkte derart, daß der Tod sofort nach kaum eintägigem Leiden eintrat. Das Vorliegen von Milzbrandvergiftung wurde durch die Untersuchung von Leichenteilen in Tübingen festgestellt.

st Heilbronn, 29. Juli. Zum Nachteil eines Heilbronner Bankhauses wurde eine schwere Urkun­denfälschung mit Betrugsverjuch begangen. Von Schaffhausen in der Schweiz versuchte ein Betrüger auf den Namen eines z. Zt. in Ferien weilenden hiesigen Beamten einen Geldbetrag zu erhalten, er verlangte umgehende Zusendung von 500 Mark auf das fragliche Konto und zwar sollte ihm der Be­trag mittelst einfacher Briefsendung ohne Wertan­gabe zugesandt werden. Die Bank vermutete sofort eine Schwindelei hinter diesem nicht gewohnten Ver­langen und erstattete Anzeige. Der sofort gefaßte Verdacht wird sich wohl bestätigen und durch die in Schaffhausen alsbald veranlaßt^ Verhaftung des Schneiders Hermann Bertsch von Heilbronn, der aus Heilbronn ausgewiesen ist, der Täter gefaßt fein. Bertsch ist ein vielfach schwer vorbestrafter Mensch, der in Heilbronn durch seine schändlichen Erpresserbriefe förmlich gefürchtet war und nun von der Ferne aus sein verbrecherisches Treiben offenbar fortfetzt.

st Ochsenhausen, OA. Brackenheim, 29. Juli. Schon acht Tage dauert hier die Revision der Dar­lehenskasse. Wie dasNeckarecho" von gut unter­richteter Seite hört, handelt es sich um einen grö­ßeren Fehlbetrag. -

st Geislingen i. Ries, 29. Jüli. Der 30 Jahre alte Maurer Franz Braun fiel von einer Leiter und erlitt einen Tchädelbruch, an dem er starb. Er hin­terläßt eine Witwe mit zwei Kindern.

st Friedrichshafen, 29. Juli. Das Pariser- BoulevardblattLe MatiN" läßt sich durch seinen Berliner Spezialkorrespondenten telegraphieren, daß in der Friedrichshafener Einwohnerschaft eine ge­wisse Mißstimmung gegen den Grafen Zeppelin herrsche, daß ruinöse Verhältnisse hier eingekehrt seien, daß keine Fremden mehr kämen, und daß die Hotels leer stünden. Dazu bemerkt dasSeeblatt": Gerade wegen des Mißgeschickes, das unseren be­rühmten Ehrenbürger in letzter Zeit betroffen, las­sen wir uns in der Verehrung des Grafen von nie­manden übertreffen. Wir müssen diese Unterstellun­gen energisch zurückweifen. Tatsache ist freilich, daß von dergrande saison", die unserer Stadt Fried­richshafen dieses Frühjahr in Aussicht gestellt wurde, fast nichts in die Erscheinung getreten ist, so daß wir diesen Sommer, woran natürlich auch die bis­herige schlechte Witterung die Schuld trägt, leider vielmehr von einersaison morte" reden können. Vielleicht bringen uns die hoffentlich bald zu er­möglichenden Aufstiege desL. Z. 6" etwasLe­ben in die Bude." Luzern hat jetzt seine große

Zeit durch die Passagierfahrten eines französischen Lenkballons, Baden-Baden wird nächsten Monat ein Z.-Schiff erhalten! Wir möchten, in Anbetracht der Tatsache, daß die. hiesige Stadt sowie viele Ge­schäftsleute es sich haben manche Mark kosten lassen, um der in Aussicht gestellten großen Saison würdig begegnen zu können, dem allgemeinen Wunsche Aus­druck geben, denL. Z. 6" recht bald über unseren Häuptern mit recht viel Passagieren fahren zu sehen, damit sich die Straßen der Stadt und die Hotels! und Gasthöfe füllen und frohbewegte Menschenkinder wieder in der Zeppelinstadt Einkehr halten. Dies ist noch unsere einzige Hoffnung in dieser ziemlich toten Saison l910.

Zur Landtagswahl in Welzheim.

st Stuttgart, 29. Juli. Das Ergebnis der Nach­wahl in Welzheim wird in den Blättern aller Par­teien als eine große Ueberraschung empfunden. Der Schwäbische Merkur sagt im ersten Teil seiner Wahlbetrachtung, daß deutschparteiliche Wähler in Hellen Haufen zur Sozialdemokratie übergegangen sind, um dann am Schluß seiner Ausführungen ge­gen den Bauernbund den Vorwurf zu erheben, er habe sich zum Mitarbeiter der Sozialdemokratie her­gegeben, weil er seine Kandidatur nicht zurückzog. Das Blatt fügt hinzu, es sei ein Politischer Skan- dal, wenn in einem Wahlkreis, in dem fast zwei Drittel bürgerliche Stimmen abgegeben werden, die Sozialdemokratie lachend sich zum Herrn machen könne. Das Deutsche Volksblatt sagt dagegen, die Deutsche Partei dürfte sich zum größten Teil selbst! die Schuld an dem Wahlausfall beimessen. Hätte sie ihre frühere freundliche Haltung zum Bauern­bund beibehalten, so wäre ihr das Welzheimer Man­dat nie verloren gegangen. Wandle sie den gegen­wärtigen Kurs weiter, so werde ihr vielleicht die schlauere Bolkspartei vergnüglich einige Sitze weg- Lapern, während die anderen an den Bauernbund Verloren gehen. Der Beobachter bestätigt dem Schwäbischen Merkur, der die Unschuld der Par­teileitung an der Nichtbefolgung der Parole be­teuert, daß die Leitung der Deutschen Partei den getroffenen Vereinbarungen durchaus treu blieb. Er ist keineswegs erbost über die mangelhafte Unter­stützung, kann aber doch die Bemerkung nicht unter­drücken, daß die Deutsche Partei fast restlos ich Bezirk aufgerieben zu sein scheine, und hofft auf die! Zurückeroberung des Bezirks. Die Reichspost er­klärt, die Zweifrontentheorie der Volkspartei habe gestern Schiffbruch erlitten. Das romanische Wahl­verfahren bringe vielleicht die bürgerlichen Par­teien zu der Einsicht, daß für die Minderheit keine. Zwangslage mehr existiert und daß man ehrliche Kompromisse schließen muß, wenn nicht ein Bezirk nach dem andern der Sozialdemokratie in den Schoß fallen soll. Das Blatt sieht die hauptsäch­lichste Bedeutung des Wahlausganges darin, daß die Grundlagen für künftige Wahlentscheidungen ge­legt seien. Die Schwäbische Tagwacht freut sich über den glänzenden Erfolg und evinmert daran, daß bei der Volkspartei schon alle Federn gespitzt gewe­sen seien, um der Welt die Sieghaftigkeit der volks­parteilichen Politik zu verkünden. Die Zweite Kammer setzt sich nun folgendermaßen zusammen: Zentrum 25, Volkspartei 22, Bauernbund und Kon­servative 16, Sozialdemokratie 16, Deutsche Partei l 2 und ein Wilder.

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am Sonntag, den 31. Juli: Vorwiegend, beiter, trocken, heiß, zuweilen gewitterdrohend.

Verantwortlicher Redakteur: L. Lau! Altenstetg. j

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