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173. Amts- und Anzeigeblatt für den Oberamtsbezirk Calw. 87. Jahrgang.

Erscheinungsweise: 6mal wöchentlich. Anzeigenpreis: Im Oberamts- bezirk Calw für die einspaltige Borgiszeile 10 Pfg.. außerhalb desselben I2Pfg.. Reklamen 25 Pfg. Schluß für Jnseralannahme 10 Uhr vormittags. Telefon 9.

Freitag, den 26. Juli 1912.

Bezugspreis: In der Stadt mit Trägerlohn Mk. 1.25 vierteljährlich. Post­bezugspreis für den Orts- und Nachbarörtsverkchr Mk. 1.20, im Fernverkehr Mk. 1.30. Bestellgeld in Württemberg 30 Pfg.. in Bayern und Reich 42 Pfg.

Stadt, Bezirk und Nachbarschaft.

Lalw, 26. Juli 1912.

Vom Rathaus.

Der Eemeinderat versammelte sich gestern nach­mittag zu einer Sitzung. Als Vertreter für den z. Z. in Urlaub weilenden Stadtvorstand führte G.R. H. Wagner den Vorsitz. Von den Gemeinderats­mitgliedern waren 8 erschienen.

Zunächst handelte es sich um die Vergebung von Pflasterarbeiten. Man will die Straße zwischen den Häusern der Herren Costenbader und Beißer umpflastern, soweit dies erforderlich ist. Wie schon bei der Etatsberatung gelegentlich erwähnt, soll in Verbindung damit auch eine Auswechslung der Gasrohren (eine Erweiterung) dieser Strecke vor- genommen werden. Die Kosten für Pflasterung und Erweiterung sind in der Hauptsache in den laufenden Etat eingestellt. Die Steinlieferung wird einer Horn­berger Firma oder einer solchen in Kandern über­tragen werden. Die Sandlieferung wird der Firma Rau hier zugeschlagen. Die Straßenpflasterung soll gleichzeitig auch zur Ersetzung der dort liegenden Dohle durch eine neue Gelegenheit geben. Berechnet auf 3540 Meter Strecke, würde die Legung der Dohle MitZementröhren.350Mk. kosten; dieBenützung von Steinzeugröhren würde die Kosten auf 600 Mk. erhöhen. Der Gemeinderat entschied sich für Ver­wendung von Steinzeugröhren, um erhöhte Dauer­haftigkeit verbürgt zu sehen. , Die Bewohner der Eisenbahndienstwohngebäude im Krappen kamen um Begießen der Strecke durch den städtischen Wagen ein. Die Gebäude dort sind staatlich, die Stadt be­kommt davon keine Steuern . Der Gemeinderat ent­schließt sich, die Straßenstrecke dort durch den städti­schen Wagen begießen zu lassen unter der Voraus­setzung, daß die Eisenbahninspektion für diesen Som­mer noch 25 Mk. Beitrag zu den (jährlich auf 200 Mk. berechneten) Kosten liefert.Frl. Aigelinan der Frauenarbeitsschule hat ihre Stelle gekündigt. Zu ihrem Ersatz schweben z. Z. Unterhandlungen mit einer Dame aus Liebenzell, die für das Winterhalb­jahr die Stelle von Frl. Aigelin einnehmen soll, bis aufs Frühjahr nach dem Examen wieder eine defi­nitive Besetzung stattfinden kann. Frl. Aigelin kommt nach Ulm. Bierbrauereibesitzer Schechinger kommt umKonzessionierung seiner vor 2 Jahren er­bauten Kegelbahn ein; sie wird vom Gemeinderat befürwortet. Dasselbe geschieht mit der Verleihung

des Feuerwehrdien st ehrenzeichens an Metzgermeister und Gemeinderat Widmaier. Die Rechnungsabhör der Stiftungspflege brachte keine Erinnerungen.Das Dienstgebäude der Straßen­bauinspektion wird mit 50 Mk. Wasferzins eingeschätzt; für das während der Bauzeit benötigte Wasser werden 30 Mk. berechnet. Die Stadt löste aus ihrem Dinkelverkauf aus dem Land bei der Cchafscheuer 132 Mk. und 4 Mk. aus demxKar- toffelverkauf. Das Grundstück kostete die Stadt sei­nerzeit 400 Mk. Rechnungen usw. bildeten den Abschluß der Verhandlung.

)( Erinnerung. Gestern, am 25. Juli, waren 10 Jahre verflossen, daß der frühere Stadtschultheiß Haffner, der Vorgänger unseres jetzigen Stadt­vorstandes, aus dem Leben schied.

st. Bestandene Prüfung. Auf Grund des Er­gebnisses der in Gmünd abgehaltenen Aufnahme­prüfung ist neben anderen in das dortige Lehre­rinnenseminar Paula Zapp von hier ausgenommen worden.

Konzert. (Eingsdt.) Fräulein Marta Weber, Opernsängerin, wird am nächsten Dienstag mit Herrn Harry de Earmo, Opernsänger, im badischen Hof hier ein Konzert veranstalten und dabei nur auserlesene Perlen der Musik zu Gehör bringen. Fräulein Weber hat sich hier durch einige Konzerte bereits in vorteilhafter Weise bekannt gemacht, während Herr de Earmo hier noch unbekannt ist; der Umstand aber, daß beide Künstler einem ersten Institut Deutschlands als Mitglieder angehören, Hamburger Stadttheater dürfte für einen äußerst genußreichen Abend Garantie leisten. Auch die Pianistin Frau Roos aus Stuttgart hat sich hier ebenfalls in einigen Konzerten als perfecte Begleiterin am Klavier eingeführt und es wäre den Künstlern zu wünschen, wenn das musikliebende Publikum die seltene Gelegenheit eines wirklich gediegenen Konzertes sich nicht entgehen ließe.

Das 8. Deutsche Sängerbundesfest in Nürn­berg. Ein Fest, wie die Geschichte der deutschen Ge­sangvereine keines aufweist, nimmt mit dem morgi­gen Tage seinen Anfang. Aus Deutschlands sanges­frohen Gauen werden schätzungsweise 40 000 Lied­begeisterte nach der Hans-Sachs-Stadt pilgern, um dem deutschen Lied eine gewaltige, brausende Huldi­gung darzubringen und zu geloben, für alle Zeit dem

deutschen Lied in Treue anzuhangen. Auch unser Schwäbischer Sängerbund, der z. Z. in seinem Vorsitzenden List-Reutlingen die Führung der Geschäfte des Deutschen Sängerbundes innehat, nimmt selbstverständlich lebendigsten Anteil an diesen großen Tagen. Er wird mit 62 Vereinen mit 2200 Sängern vertreten sein, die Zahl der aus Württem­berg am Fest Teilnehmenden wird auf 4300 Mann angegeben. Zu ihrer Beförderung nach Nürnberg werden morgen Sonderzllge von Stuttgart, Tübin­gen, Heilbronn, Göppingen und Ulm ausgeführt, außerdem ein weiterer Sonderzug am Sonntag, der Stuttgart 4 Uhr 15 früh verläßt. Aus Calw reisen zum Feste 7 Mitglieder des Liederkranzes. Die Beneidenswerten werden sich morgen nach Nürnberg begeben. Glückliche Fahrt, recht viel Freude und frohe Rückkehr ihnen!

s. Die Tage werden kürzer. Vorerst ist die Abnahme des Tages noch eine geringe, sie wird jedoch mit dem Monat Juli schneller vor sich gehen. Die Abnahme im Juli allein beträgt 1 Stunde 5 Minuten, im August 1 Stunde 45 Min. usw. Bis zum 21. Dezember macht der Unterschied zwi­schen dem längsten Tag 8 Stunden 40 Min. aus.

b. Wohnungsüberfiillung in alter Zeit. Man spricht in unserer Zeit gerne von den überfüllten Wohnungen, in denen die Bewohner nicht den nöti­gen Räum an Luft und Licht haben. Was sollen wir aber erst dazu sagen, wenn uns aus alter Zeit berichtet wird, daß im Jahre 1417 auf der Burg Hohenentringen OA. Herrenberg zu gleicher Zeit fünf Edelleute mit ihren Familien friedlich zu- sammenlebten. Diese fünf Edelleute hatten zusam­men 100 Kinder, nämlich drei Herren von Hailfingen zusammen 60, ein Herr aus Ehingen 19 und ein Herr von Eültlingen 21. Wenn diese Familien zusammen in die eine Viertelstunde entfernte Dorfkirche in Prozession zogen, so bildeten sie eine Reihe, deren Anführer die Kirche betrat, wenn der letzte noch bei der Burg war. Dies erzählt uns der berühmte Jörg von Ehingen, gestorben 1508 als Obervogt in Tü­bingen, der selbst auf der Burg Hohenentringen ge­boren und eines der 19 Kinder des erwähnten Rit­ters von Ehingen war. Immerhin sind 100 Kinder auch für eine geräumige Burg eine etwas starkeBe­satzung".

8eb. Mutmaßliches Wetter. Der Luftwirbel im Westen hat sich vertieft. Der Hochdruck Uber Mittel­

Sie Lmdwirtschaft des Bezirks Alm i» Mer und neuer Zeit.

Aus W. Mönch,Heimatkunde vom Oberamt Calw".

I. Anbauflächen.

Das Oberamt Calw umfaßt eine Fläche von 32 000 Hektar. Der landwirtschaftlichen Nutzung dienen 12 400 Hektar, etwa 38 Prozent. Die größte angebaute Fläche hat Stammheim (1000 Hektar), die kleinste Ernstmllhl (9 Hektar). Die Markungen der Eäuorte bestehen meist zu zwei Dritteln aus Wald. Ursprünglich wurden nur die fruchtbareren Böden des mittleren Muschelkalks angebaut. Die zu­nehmende Bevölkerung war später genötigt, auch die besseren Stücke des oberen Muschelkalks (Egarten oder'Aegezen) in Kultur zu nehmen, um ihnen noch etwas Roggen, Esper, Linsen und Kartoffeln abzu­gewinnen. Im Laufe der Zeit wurden sogar die Almanden, die ursprünglich zur Weide dienten, für den ärmeren Teil der Bevölkerung nutzbar gemacht, oder gleichmäßig an die Bürger vergabt, teilweise auch verkauft, so z. B. in Dachtel im Jahr 1797 zur Aufbringung der französischen Kriegskostenentschädi­gung. Das Fleckenbuch in Möttlingen meldet vom Jahr 1625:Es ist der Gmeind Meinung, diejeni­gen, so ein Hanfland, Krautgart oder ein halber

Morgen Acker in einer Zwelg mangelt, Macht haben sollen eins umzubrechen, aber nicht weiter, oder es soll ihnen verwüstet werden".

Vor dem dreißigjährigen Krieg war die Acker­fläche teilweise größer als jetzt, wenigstens in den Eäuorten. In manchen Wäldern sehen wir heute noch Steinriegel, die auf früheren Ackerbau Hin­weisen. Auf dem Calwer Wald liegen die Aecker meist im Gebiet des oberen Buntsandsteins, der wenig fruchtbare mittlere Buntsandstein bleibt dem Wald überlassen. Die Täler dienten früher fast ausschließlich dem Wiesenbau. Im Teinach- und Nagoldtal treffen wir an den Hängen auch Aecker an, die vorzugsweise dem Kartoffelbau dienen und nur mit der Haue bearbeitet werden können. Seit der Einführung des Kunstdüngers wurden auch auf den Höhen Wiesen angelegt und dafür vielfach die abgelegenenWässerwiesen" im schattigen Tale auf­gegeben und mit Tannen oder Fichten bestockt. In früheren Jahrhunderten, als die Bevölkerung noch dünn war, wurden wegen Mangel an Dung nur die in der Nähe des Orts liegenden Markungsteile an­gebaut, die entfernteren dienten als Weideland.

II. Erzeugnisse.

Auf der Eäuseite wird die Hauptfrucht der Ala­mannen, der Dinkel, heute noch vorherrschend ange­

baut. Andere Getreidearten des Gäus sind Haber, Weizen, Gerste und Einkorn, letzteres nur auf den Böden des oberen Muschelkalks, den sogenannten Rumplern". Früher wurde der Ileberschuß an Ge­treide in Calw, einem der Hauptfruchtmärkte des Landes, abgesetzt. Mit dem steigenden Verkehr und der Zunahme der Viehzucht verlor er seine Bedeutung und hat in den letzten Jahren fast ganz aufgehört.

Nächst dem Erlös aus dem Viehstand bildet gegen­wärtig der Haber die größte Einnahmequelle der Gäubauern. In kleinerem Maßstabe werden noch Linsen und Mohn gebaut. Solange die Calwer Zeughandlungskompagnie blühte, wurden auch Farb- pflanzen und Weberkarden gezogen. Mit dem An­bau von Kartoffeln wurde erst begonnen, nachdem andere Bezirke längst vorangegangen waren. Etwa um 1760 wurden die ersten Versuche in Bulach, Stammheim und Liebenzell gemacht, nicht zuerst von den Bauern, sondern von den oft mit Hungersnot kämpfenden Zeugmacherknappen. Um den Kartoffel­bau zu fördern, und um die ärmere Bevölkerung zu unterstützen, ließ die Gemeinde Althengstett 1790 ein Stück Wald roden und zu Kartoffelallmandstücken anlegen.

In den letzten fünfzig Jahren hat sich der An­baufläche der Kartoffel gerade verdoppelt. Auch der Kleebau wurde etwas später als in anderen Landes-