Ter Thronwechsel in England.

Das große Ereignis der Woche ist der schnelle Tod Königs Eduard von England. Eine Erkältung, die er schon bei seinem Aufenthalt in dem fran­zösischen Bade Biarritz gehabt hatte, war bei sei ner Heimkehr nach England noch nicht völlig über wunden und führte bald zu einer Bronchitis, die nach ein paar Tagen eine Lungenlähmung herben iührte. In der Nacht zum Samstag um ll Uhr 45 Min. starb der König. Sein Tod hat allent halben, nicht nur in England selbst, außerordent liehen Eindruck gemacht. Er war nicht nur einer der bekanntesten und interessantesten Herrscher, son dern auch einer der bedeutendsten. Niemand hat so wie er in den letzten Jahren die Öffentlichkeit be schäftigt, nicht einmal der Deutsche Kaiser und nie mand hat so wie er den Gang der Weltpolitik be­einflußt. Das ist schon deshalb merkwürdig, weil die englische Verfassung der Betätigung des Monar chen enge Grenzen zieht. Es hat sich indessen ge zeigt, daß sich auch in diesem engen Rahmen ein bedeutender und zielbewußter König maßgebenden Einfluß auf den Gang der Politik verschaffen kann. Merkwürdig war diese politische Rolle des Königs Eduard aber auch deshalb, weil man nach seinem ganzen Vorleben darauf so gar nicht gefaßt sein konnte. Fast 60 Jahre war er alt, als er zur Re­gierung kam, und in seinem Leben hatte er bis dahin nicht die geringste Gelegenheit zur politischen Betätigung gefunden. Kronprinzen dürfen das nicht, und seine Mutter, die Königin Viktoria, hielt ihn noch besonders geflissentlich davon fern. Der Prinz von Wales, wie der Thronfolger hieß, benutzte den Müßiggang, zu dem er gezwungen war, zu Sport und Spiel und Liebschaften. Er war ein Lebemann von Weltruf, und er genierte sich bei der Ausübung seiner Neigungen wenig. Das wurde mit einem Schlage anders, als er im Januar 1901 nach dem Tode der Königin Viktoria zur Regierung kam. Zwar soll er auch dann noch seine Vorliebe für das weib­liche Geschlecht nicht ganz abgeschworen haben, aber keinerlei Passion störte ihn mehr in der Ausübung seines Herrscheramts. Er nahm es ernst damit, und er sah auf die Würde und den Glanz seiner Stel­lung, aber er blieb doch zugleich ein Mensch von ungezwungener und natürlicher Art. Er kannte die Menschen wie kaum einer, und er wußte sie zu behandeln: das hatte er in seinem bewegten Le­ben gelernt, und das kam ihm min zu statten, als er daran ging Politik zu machen. Und Politik zu machen war seine Leidenschaft, europäische Politik, Weltpolitik. Ruhig und geduldig, aber unablässig und zielbewußt knüpfte er seine Fäden, verfolgte er seine Ziele. Sein erstes Ziel war die Beendig ung des unglückseligen Bnrenkrieges, und der Er folg der hier eingeschlagenen Politik ist gewesen, daß die Buren heute loyale Untertanen des briti scheu Reichs sind. Dann kam das englisch-japanische Bündnis, das dazu führte, daß dis Japaner Eng land von der Bedrohung durch Rußland befreiten. Nun streckte König Eduard seine Fühler nach Frank­reich, und der Abschluß desherzlichen Einverneh­mens" zwischen England und der französischen Re­publik ist sein eigenstes Werk. Die englisch-fran­zösische Freundschaft führte naturgemäß zu einer Annäherung zwischen Rußland und England, und diese Annäherung zu einer Entente auszuüauen, war ein eifrig angestrebtes Ziel Eduards VII. Es ist auch, wenigstens bis zu einem gewissen Grade erreicht worden. Die Besiegelung bildete der Besuch des Königs von England beim Zaren in Reval im Jahre 1908. Bei dem russisch-englischen Einverneh­men handelte es sich nicht nur um den Ausgleich alter Gegensätze und entgegenstehender Interessen namentlich in Asien, sondern es sollte auch in der europäischen Politik wirksam werden, besonders auf dem Balkan, vor allem aber gegen den Dreibund und gegen Deutschland. So eifrig nämlich König Eduard Freundschaften schloß undEntenten" her­beiführte, an einer Macht ging er vorbei: an Deutschland. Man hat es von England und auch von Frankreich immer bestritten, daß eineEinkrei­sung" Deutschlands beabsichtigt war, aber es nt doch so, und die Tatsachen haben das unwiderleglich be wiesen. Die Einkreisung Deutschlands, das war das Ziel der Politik König Eduards. Dem Deutschen Reiche, das er nicht liebte, das England im Handel und in der Marine unbequem ist, sollte die Be­wegungsfreiheit genommen werden. Es war eine gefährliche Politik und sie hat Europa und die Welt jahrelang in Atem gehalten, gelegentlich auch an den Rand des Kriegs gebracht. Das englisch-fran­zösische Marokko-Abkommen war ein Streich gegen Deutschland, und König Eduard hatte den französi­schen Minister Delcafsee dabei dermaßen begönnert und gefördert und durch das Versprechen kriegerischer Hilfe dermaßen ermutigt, daß es auf ein Haar zum Kriege gekommen wäre, wenn nicht besonnene Männer in der französischen Regierung Delcafsee, den Freund Eduards von seinen! Post"« entfernt

Ichwarzwälder Sorrrrtagsblatt.

hätten. Später hat dann König Eduard Deutsch­land in der Abrüstungsfrage Schwierigkeiten zu ma chen versucht, allerdings vergeblich. Bon dieser Zeit an begannen der Politik des englischen Königs die Erfolge auszubleiben. In der Balkankrisis vergriff sich England mit Rußland in seiner Haltung zur Annexion Bosniens und der Herzegowina durch Oesterreich vollständig, und mußte, da Oesterreich, gestützt auf den unzweideutig kundgegebenen Willen Deutschlands zu seiner Unterstützung mir den Waf­fen im Notfälle. dem Demütigungsversuche- standhielt, den Rückzug anrreten. Mit diesem Fiasko Englands und Rußlands in der Baltankrisis hati? zugleich auch die Einkreisungspolitik gegen Deutschland Fiasko erlitten. Alan mußte sich zu der Erkenntnis be­quemen. daß eine Macht wie Deutschland und das mit ihm verbündete Oesterreich von.Italien zu schweigen, aus Vas im Dreibünde unter dem Ein fluß der englisch französischnr Entente kein Ver­laß mehr ist nicht linsgeschaltet und raltgesteklr werden kann. Seitdem zog die Politik König Eduards gegen Deutschland etwas mildere Saiten auf. Er stattete den bis dahin unterlassenen Besuch am Kai­serhofe in Bertm ab und gab bei jeder Gelegenheit zu erkennen, wie sehr er dem Weltfrieden und der Freundschaft mit allen Mächten zugetan sei. Es mag ja wohl sein, daß er friedliche 'Absichten ge­habt bat: aber es ist Tatsache, saß seine Regie­rung Kriegsgefahren schwerster Arr gebracht hat. Wir in Deutschland haben gar keine Ursache, das bei seinem Tode zu vergessen.

Landesnachrichlen.

Alt«nst«ig, 1t. Mai.

* Ladenschluß am Pfingstmontag betr. Wir wer­

den gebeten, daraus hinzuweisen, daß. die Lüden, gesetzlicher Vorschrift entsprechend, am zweiten P fi n g stf e ie r t a g nur wie Sonntags ge­öffnet sein dürfen, also hier von 12 4 Uhr und

nicht etwa den ganzen Nachmittag.

st Herren borg, l 8. Mai. Der Taglöhner F rank hier hat im Streit mit seiner Frau ein aus dem Tisch liegendes spitzes Brotmesser zur Hand genom­men und es der Frau in die Brust gestoßen und die Lunge durchstochen. Der Unhold wurde noch in der Nacht dem Gericht übergeben.

st Stuttgart, 13. Mai. > Strafkammer.s Dis Verhandlung gegen die Einbrecher Balenta, Schillin g u. Gen., die am Mittwoch abend durch den Selbstmordversuch des Angeklagten Gustav Rode unterbrochen wurde, wurde heute fortgesetzt. Das Urteil lautete gegen den Haupttärer Balenta wegen 7 Verbrechen des vollendeten und 2 Verbrechen des versuchten schweren Diebstahls und wegen Bedroh­ung ans 7 Jahre Zuchthaus und !0 Jahre Ehrver­lust, gegen Schilling wegen 4 Verbrechen des vol­lendeten und l Verbrechens des versuchten Dieb­stahls auf 3 Jahre 6 Monate Zuchthaus und H Jahre Ehrverlust, Gustav Rode erhielt wegen ge­wohnheitsmäßiger Hehlerei l Jahr 6 Monate Zucht­haus und 5 Jahre Ehrverlust: je 4 Monate Unter­suchungshaft gehen ab. Bei dem Angeklagten Ba­lenta erkannte das Gericht außerdem auf Zulässig­keit von Polizeiaufsicht. Alfred Rode erhielt wegen Unterschlagung und ! Vergehens des einfachen Dieb­stahls 4 Monate Gefängnis, verbüßt durch die Un­tersuchungshaft. Die übrigen Angeklagten wurden sreigesprochen. Balenta legte über die ganze Ver­handlung ein freches Benehmen an den Tag.

* Stuttgart, 14. Mai. Der am Pfingstmontag in den Kgt. 'Anlagen stattsindende B l nni e n k o rs v wird sich einer lebhaften Beteiligung von Wagen, Automobilen und Reitern erfreuen, außerdem wird eine historische und eins Bolkstrachtengruppe am Korso teilnehmen. Am Pfingstsonntag von ! Uhr mittags ab sind die Anlagen für Besucher ohne Karten gesperrt, doch sind 14 Kassenhäuser au den Eingängen für den Verkauf der Karten ausgestellt. An dem Korso, an welchem sich auch der Hof mit einer Anzahl Wagen beteiligt, konzertieren an ver schiedenen Stellen der Anlagen 5 Mnsikkorps.

st Gmünd, i 3. Mai. Die seit dem Liederfest l->07 in Obhur der Stadt gegebene große Sängerhalle wird zur Zeit znm Versandt nach Heil­bronn fertig gemacht. Die Halle verbleibt dann bis zum übernächsten Sängerfest im Jahr 1913 in der diesjährigen Sängerfeststadt.

it Welzheim, 12. Mai. Um den Landtagsabge- ordneten des Bezirks, Dr. Hieber, seinen Wahlkreis u. damit der Zweiten Kammer zu erhalten, wird hier am Pfingstmontag eine große Versammlung einberu­fen werden, die den nunmehrigen Direktor'des Ober­schulrats nahelsgen soll, sein Landtagsmandat bei­zubehalten. In beteiligten Kreisen stützt man sich vor allem auch darauf, daß einst auch Minister- Präsident v. Mitrnacbt und Direktor Balz Abge­ordnete waren.

* Durch den Sturm sind am Mittwoch in den Karlsruher Waldungen viele Tausende von Bäumen abgebrochen worden. In der Stadt selbst wurde kein Schaden angerichtet.

* Berlin, 13. Mai. Der Reichskanzler erschien heute nachmittag in der amerikanischen Botschaft, um den Besuch Roosevelts zu erwidern.

* Berlin, l3. Mai. Heute mittag fand bei dem amerikanischen Botschafter zu Ehren Roosevelts ein Frühstück statt, an dem u. a. die Minister Sydvw, v. Beseler, v. Heeringen, v. Arnim, v. Breitenbach, die Staatssekretäre Delbrück und Dernburg, außer­dem Graf Zeppelin, General v. Löwenfeld, Geh. Kommerzienrat Goldberger und eine Anzahl von Mitgliedern des Reichstags und des Abgeordneten­hauses teilnahmen.

Marine-Unfälle.

* Berlin, >3. Mai. Amtlich wird mitgeteilt:

Die Detonation einer Sprengpatrone auf dem der Minensuchdivision zugeteilten kleinen Torpedoboot S. 33 ereignete sich bei einer Nachtübung aus der Lckstlligreede. Dabei wurden getötet: Minen­obermatrose Detlev Jensen aus Flensburg, Minen­matrose Heinrich Kleinseldt aus Lübeck, Minenober­heizer Anton Wilmser aus Mannheim, die Minen­heizer Ernst Rutkowsky aus Neidenburg in Ost­preußen, und Ernst Junge aus Hohenhorst Kreis Eutin. Schwer verletzt wurde der Maschinistenmaat Schmidt, leicht'verwundet Bootsmannsmaat Nenn- süel. lieber die Ursache des bedauerlichen Unglücks liegen noch keine amtlichen Berichte vor. '

* .Cilxhaven, l 3. Mai. Das Minensuchboot, von dessen Besatzung gestern durch vorzeitige Explosion einer Sprengpatrone fünf Mann getötet und mehrere verwundet wurden, ist heute früh hier eingeschleppt worden.

* Kiel, ! 4. Mai. Das Torpedoboot T. 142, Kommandant Prinz Adalbert von Preußen, berührte heute nacht aus einer Fahrt gelegentlich eines Ma­növers leicht S. 140. Der Bug des Bootes ist auf 2 Meter Länge etwas eingedrückt und leicht verbogen. Es ist zur Reparatur nach Kiel gegan­gen. Die Kosten sind gering. S. 140 ist unbeschä­digt. Verletzt wurde niemand.

* Potsdam, 13. Mai. Prinz Adalbert hat sich henke nach Kiel zurückbegeben, wo das Torpedoboot S. 142, dessen .Kommandant er ist, nach der er­wähnten leichten Havarie dort ebenfalls eingetrvs- fen ist. Der Prinz befand sich während des Unglücks­falls nicht an Bord.

Ausländisches.

: Prag, 13. Mai. Heule ging hier ein schwe­res Gewitter nieder. Mehrere Straßen wurden überschwemmt und an manchen Stellen wurde das Piaster durch die Wassermassen herausgewühlt. In der Heinrichkirche drang das Wasser bis zum Hochaltar vor. Der Bahnhof in Bubentsch wurde vollständig überschwemmt. Durch einen Blitzschlag in die Oberleitung der elektrischen Bahn entstand eine Panik unter den Passagieren eines Wagens.

* St. Petersburg, 13. Mai. In Kronstadt ist der Unreringenieur Bistajew der KaiserjachtStand­ard" dein Kriegsgericht überantwortet worden. Er hat die Kesse lp u mp e n auf der Kaiserjacht wäh­rend der letzten Nacht durch zu feilen versucht, sodaß heute eine Explosion hätte stattfinden kön nen. Es ist unbekannt, ob er von der Absicht eines Attentats oder der Rache gegen einen Vorgesetzten geleitet wurde. Bistajew stand vor seiner Entlassung.

* Die Hoffnung auf Rettung der bei dem Gru­benunglück in Whitehave» verunglückten und ein- gcscblossenen Bergleute ist ansgegeben worden. Man hat die Mine zugemauert.

P Saloniki, 13. Mai. In Resua im Vilajet Monastir fand heute eine aus allen Ortschaften des Bezirks besuchte Protestve r s a in mlung statt. Der Großwesir und die Kammer wurde telegraphisch verständigt, das älbanesische 'Volk werde aus eige­ner Initiative die Waffen ergreifen und gegen die griechische Grenze vorziehen, falls in der Kreta- angelegenheit nicht innerhalb vier Tagen von Sei­ten der Regierung befriedigende Erklärungen vorlie­gen. Die Albaner würden sich selbst für die Re­spektierung der Rechte der Türkei ans Kreta ein- setzen.

* In Oran ist gestern mit einem Postdampfer ein aus 80n Mann bestehendes Bataillon Senegal­schützen eingetroffen, mit dein entsprechend einem vom Parlament bei der Beratung des Budgets für 1910 angenommenen Gesetz die Verwendung von schwarzen Truppen in der Kolonialarmee des' Mut­terlandes ihren Anfang nimmt. Bei den 800 Sol­daten befinden sich 400 Frauen nnd 100 Kinder.